Frischer Wind bei Man City

Die wichtigen Siege gegen Chelsea und Stadtrivale United bedeuteten für Pep Guardiola und sein Team einen erfolgreichen Jahresauftakt. Die Auftritte an sich waren vielversprechend: Der katalanische Coach setzt manch neuen Akzent und greift manch älteren wieder auf.

In letzter Zeit kam die generelle Spielweise Manchester Citys weitgehend konventionell und unspektakulär daher – zumindest für Guardiola-Verhältnisse. Es gab viele gute Ansätze im Positionsspiel und damit insgesamt die „gewohnte Kost“. Einerseits bedeutete das Kost auf hohem Niveau, die sich in letztlich sehr guten, wenn auch nicht herausragenden Ergebnissen – oder ganz großen Titeln – auszahlte. Andererseits ergab sich auf dieser Basis jedoch kaum weitere Innovation, mit der Guardiola seinem Team unerwartete oder bis dahin noch wenig integrale Facetten verliehen hätte.

Parallel dazu mehrten sich mediale Vorwürfe, die übertriebene und mitunter sogar als unnötige „Show“ kritisierte Umstellungen des Katalanen monierten. Diese bezogen sich, so ist zu präzisieren, speziell auf einzelne Partien, häufig auf die sogenannten „großen“ Topspiele, und weniger auf die generelle Ausrichtung als solche. Exemplarisches Beispiel war zum Abschluss der vergangenen Saison das Viertelfinale in der Champions League gegen Olympique Lyon, als Peps Wechsel auf eine Fünferkette keinen Erfolg brachte. Mit der Umstellung habe er sich vor allem selbst darstellen wollen, hörte man von einigen Kommentatoren – eigentlich ein ziemlich heftiger Vorwurf, je länger man darüber nachdenkt. So schlecht war die Grundidee in diesem Einzelfall übrigens gar nicht unbedingt.

Insgesamt stellt sich in der jüngsten Zeit das öffentliche Bild Guardiolas in einer seltsam zwiespältigen Weise dar, scheint zwischen selbstverständlicher wie beiläufiger Anerkennung und Kritik zu verharren. In der laufenden Saison verbuchte das Team des Katalanen keine guten Ergebnisse in der Premier League, vor allem im Vergleich mit den allerdings auch außergewöhnlich konstanten Werten der Vorjahre. Zuletzt verbesserte sich die Tabellenlage dann und speziell der bisherige Start 2021 war gelungen.

Neben den Ergebnissen gilt dies auch für die Auftritte von Man City: Die Siege gegen Chelsea in der Liga und gegen Stadtrivale United im Ligapokal sahen verheißungsvoll auch, wenngleich beide Auftritte noch keinesfalls reibungsfrei verliefen. Guardiola scheint einige „ältere“ Elemente wieder aufzugreifen, die in früheren Saisons in Manchester noch größere Rollen gespielt hatten – sowohl bezüglich der eigenen als auch der gegnerischen Ballbesitzmomente. Deren Anwendung und Ausführung trägt vermehrt frischen Wind in das Spiel Citys.

Flügelraum im Pressing durch den Achter füllen

Ein erster Akzent geht von der Besetzung im Offensivbereich aus. Dies hängt bereits mit der Personallage zusammen: In der Sturmspitze stand der zwischenzeitlich zurückgekehrte Gabriel Jesus erneut nicht zur Verfügung, Sergio Aguero ist weiterhin nicht hundertprozentig fit und kürzlich war dann auch noch Ferrán Torres als potentieller Allrounder nicht mehr im Einsatz. Dadurch steht (bzw. seit dem vergangenen Wochenende: stand) Guardiola vor der Frage, wie er das Angriffszentrum besetzen könnte. Im Laufe der Saison kam unter anderem bereits Raheem Sterling als beweglicher Mittelstürmer infrage.

Zuletzt bevorzugte Guardiola den englischen Nationalspieler aber ungewohnt auf dem rechten Flügel. Dies liegt auch daran, dass sich der junge Phil Foden immer mehr in den Vordergrund spielt und mittlerweile als erste Option für die linke Außenbahn etabliert hat. In der Partie bei Chelsea ließ Guardiola schließlich Kevin de Bruyne als nominell vorderste Spitze auflaufen, beim Stadtduell mit United wechselte der Belgier sich im Bereich des rechten Halbraums sehr flexibel mit Riyad Mahrez ab – fast wie eine Art Doppel-Zehn. Gegen den Ball formierten die beiden sich vorne in vermehrten 4-4-2-Staffelungen und besetzten abwechselnd die rechte Acht in 4-3-3- bzw. 4-1-4-1-Anordnungen.

Auf genau dieser Position hatte Guardiola beim Gastspiel in London Bernardo Silva eingesetzt. Zuvor war eine solche Einbindung des Portugiesen immer seltener geworden, der stattdessen klarer zum Kandidaten für die Außenbahn zu werden schien. Gerade für die halbrechte Position des 4-3-3 ist ein dribbelnder Linksfuß grundsätzlich eine sehr interessante Besetzung. Gegen Chelsea wurde die Aufstellung zunächst einmal in der Arbeit gegen den Ball von Belang. In Citys Pressing schoben die Außenstürmer oftmals diagonal auf die gegnerischen Innenverteidiger nach vorne – ganz besonders auf der eigenen rechten Seite.

Chelsea – Man City (1:3): Offensivformation Chelseas und Defernsivformation Citys bei Ballbesitz Chelseas

Gegenüber Foden positionierte sich Sterling noch häufiger und auch früher in der vordersten Linie. Solche asymmetrischen Staffelungen sorgten für den hilfreichen Nebeneffekt, dass Thiago Silva direkt zugestellt war und das Spiel von diesem weg lief. Wenn Chelsea anschließend über rechts aufbaute, schob de Bruyne – nominell Mittelstürmer – aus seiner tieferen Startposition, in der er sich zunächst oft an Kanté als tiefstem Sechser orientierte, wieder gegen Zouma nach vorne. Der Grundsatz des Plans bei City bestand also darin, dass der ballferne Außenverteidiger offen bleiben konnte – meistens Chilwell auf links.

Sollte Sterling in seiner vorgerückten und zentralen Position überspielt werden, kam schließlich Bernardo Silva ins Spiel – um den verwaisten Flügel zu füllen. Dafür hielt sich der Portugiese zu Beginn oft bereits minimal breiter im Achterraum, um bei Bedarf kürzere Wege zu haben. Von der Halbposition im Mittelfeld presste er gegen Verlagerungen auf Chilwell diagonal aus der Formation heraus und zog seinen Deckungsschatten mit, um Passoptionen ins Zentrum zu schließen. In tieferen Verteidigungspositionen bot City die Besetzung zudem die Möglichkeit, leicht in 4-4-Ordnungen umzuformen. Wenn Bernardo Silva den Flügel füllte, konnte Sterling sich situativ ausruhen oder zocken.

João Cancelo als einrückender Rechtsverteidiger

In der personellen Besetzung des Stadtduells gegen United gab es vergleichbare Konstellationen seltener – gerade den Ablauf im höheren Zustellen. Zumal sich Mahrez und de Bruyne ohnehin sehr flexibel untereinander bewegten und dadurch auch die Startposition im Pressing nicht so definiert war, schoben sie nur selten aus der Linie hinter Sterling auf den Flügel. Zum einen erfolgte dessen Vorrücken gegen den gegnerischen Innenverteidiger reduzierter – häufiger aus der Dynamik, seltener im Kontext einer hohen Startposition. Zum anderen übernahm stattdessen auch der eigene Rechtsverteidiger die pendelnde Aufgabe des Achters. João Cancelo rückte aus der eigenen Viererkette situativ nach vorne durch und attackierte den offenen Gegenspieler.

Citys Rechtsverteidiger ist momentan überhaupt ein weiterer großer Protagonist im Spiel des Teams. Bei eigenem Ballbesitz übernimmt er meistens eine einrückende Rolle und besetzt den rechten Halbraum – ein Mittel, wie es bereits in früheren Saisons einige Male von Guardiola in Manchester praktiziert worden war. Derzeit kommt der Mechanismus jeweils auf der rechten Seite zur Anwendung. Zwar rotiert auch Zinchenko von links vereinzelt zur Mitte. Aber dies entsteht nur situativ aus den jeweiligen spezifischen Umständen heraus, wogegen Cancelo bereits Startpositionen im Halbraum besetzt.

Dieses Einrücken des Außenverteidigers ist einerseits stets ein anspruchsvolles Mittel, das andererseits enormes Potential bietet. Für den neutralen Beobachter gestaltet es sich naturgemäß interessant, wenn Guardiola davon wieder energischer Gebrauch zu machen scheint. Cancelos Bewegung nach innen stellte die gegnerischen Spieler auf seiner Seite zunächst einmal vor eine Entscheidung, mit der diese unterschiedlich umgingen: Im Vergleich mit Chelsea ließ United den Außenverteidigers der „Citizens“ durch dessen nominellen Gegenspieler häufiger weit mit in eine zentrale Position hinein verfolgen.

Dadurch öffnet sich der Flügelbereich. Potentiell kann man den entsprechenden Kanal sehr gut zum Aufrücken bespielen – sofern man anschließend wieder die Verbindung zurück nach innen findet. Dies ist die Voraussetzung, um gegen ein kompaktes Nachschieben des Gegners aus mehreren Richtungen letztlich nicht sogar isoliert zu werden. In einem solchen Fall würde man den eingerückten Außenverteidiger in einer unbespielbaren Position und damit quasi einen Mann „verlieren“ und somit also in eine problematische Lage geraten.

Guardiolas Mannen zeigten in beiden Partien des neuen Jahres gute Ansätze, um letztlich die möglichen Vorteile nutzen zu können – etwa durch Ansätze zur Dreiecksbildung, wenn sie am geöffneten rechten Flügel vorwärts spielten. Gegen Man United betraf dies nicht nur Zuspiele auf Sterling in breiten Positionen, sondern auch einzelne Rochaden von Mahrez bzw. de Bruyne aus dem Halbraum in etwas tiefere Flügelzonen.

Szene gegen United: Dreiecksbildung aus Passgeber, Außenstürmer und Außenverteidiger. Als Sterling den Ball erhält, unterstützt Cancelo gut für die Folgeaktion im Rücken von Pogba. Dass dieser, als nomineller linker Offensivspieler in Uniteds 4-2-3-1, hier nach vorne herausgerückt ist, stellt eine kleine Besonderheit der Situation dar. Gerade gegen solche Pressingbewegungen ist es für den Flügel aber sehr schwierig, den breiten Passweg beim Anlaufen zu versperren. Gleichzeitig drohen im anschließenden Rückzug lange Wege. Hier sieht man auch, dass der Mittelstürmer dies ballnah (bei einem Zehner könnte es ggf. vergleichbar sein) nur bedingt kompensieren kann, zumal viele Spieler, wie hier bei Martial deutlich, sich intuitiv mit Pässen zum Flügel auf den Rückweg orientieren (den er in diesem Fall wegen Uniteds suboptimaler Staffelung tatsächlich öffnen würde, wenn er Cancelo verfolgt hätte). Schließlich kann auch der ballnahe Achter bzw. generell Mittelfeldspieler unterstützen, hier de Bruyne: Fred muss weiter zum Flügel nach außen schieben und dadurch wird de Bruyne frei, um sich für einen Pass Cancelos nach innen abzusetzen.

Bleibt der eingerückte Außenverteidiger nicht nur in seiner Position, sondern unterstützt ausreichend aus der Dynamik heraus, kann man sehr gut eine Dreiecksbildung zurück nach innen aufziehen. So lässt sich erstens ein vergleichsweise einfaches Aufrücken herstellen und zweitens von außen ein – für das Sichtfeld der eigenen Spieler günstiger – Weg in den Halbraum schaffen. In London fehlte diese Anschlussunterstützung noch etwas häufiger. Die Mittelfeldspieler drifteten viel herum – auch, weil sie mit den gegnerischen Mannorientierungen im Mittelfeldzentrum beschäftigt waren.

Mitunter wurden dadurch die Wege zu weit, um wieder in unterstützende Positionen zu kommen – insbesondere in solchen (Folge-)Momenten, in denen einzelne Gegenspieler ihre Mannorientierung situativ aufgelöst hatten. Gelegentlich verpassten die „Citizens“ aber auch nur den Moment, sich neu zu positionieren, um damit beispielsweise wieder für den eigenen Außenverteidiger anspielbar zu werden. Gegen United gab es weitere Fortschritte: Die Dreiecksbildungen aus Passgeber, breitem Flügelstürmer und dem Außenverteidiger (sowie ggf. aus den beiden Letzteren und einen weiteren Mitspieler) entfachten noch mehr Zug nach vorne.

Gerade für diese Abläufe bedeutet Cancelo auf der einrückenden Position mit seinem breiten Set an Fähigkeiten eine potentiell herausragende Besetzung. Nicht nur ist er in Drucksituationen ballsicher und für einen Außenverteidiger recht kreativ. Vor allem vermag er sich mit seinen enorm schnellen Bewegungsfolgen im Allgemeinen und seinen flüssigen Auftaktbewegungen im Speziellen sehr harmonisch ins Zusammenspiel einzugliedern.

Seine Entscheidungsfindung ist allerdings noch wechselhaft. In der Anfangsphase gegen United verschuldete er einen gefährlichen Ballverlust, weil er sich nach geschickter Positionierung in einem Zwischenraum für den Pass, den er anschließend von dort spielen wollte, nicht vororientierte. Langfristig bringt Cancelo für die Rolle viel Potential mit. Auch seine gute Passgewichtung kommt hierfür als Stärke zum Tragen, da er aus Positionen im Halbraum so oft noch einmal Bälle neu nach außen verteilen kann.

Welche Raumaufteilung im Zentrum?

Im Vergleich zu United hatte Chelsea anders auf Cancelo reagiert. Für die Londoner unter Frank Lampard bedeutete ihr 4-3-3 bereits eine andere Startvoraussetzung: Wenn Citys Rechtsverteidiger sich eingerückt positionierte und dadurch eine Dreierreihe in der ersten Aufbaulinie verblieb, konnten die drei Angreifer der „Blues“ diese in klaren Zuteilungen anlaufen. Da in ballfernen Positionen der Linksaußen ohnehin etwas enger stand, war es in diesen Momenten möglich, dass er sich im Einzelnen mehr zum Dunstkreis Cancelos orientierte.

Versuchte Chelsea diesen beim weiteren Ballvortrag des Gegners schließlich unter Druck zu setzen, spielte dafür auch der dortige Achter eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang wurde wiederum das Verhalten der weiteren Mittelfeldakteure Citys wichtig. Je nach Situation konnten sie einen oder sogar beide Achter höher ziehen, wodurch phasenweise wiederum die mannorientierten Gegenspieler aus dem Mittelfeld der Londoner eher gebunden wurden. Letztlich musste Chelsea gegen Citys „vierten“ Zentrumsakteur die eigenen Staffelungen und etwaige situative Mannorientierungen aufwändig abwägen.

Situativ rückte Kanté – anstatt enorm weiträumig gegen Bernardo Silva zu verfolgen – von der Sechserposition ynamisch zwischen den beiden Achtern nach vorne durch. Dies bedeuetete eine interessante Reaktion, die Citys Aufbau auch zwischenzeitlich in Verlegenheit bringen konnte. Damit gingen Guardiolas Spieler wechselhaft um, zumal die Entscheidungsfindung im Aufbau momentan nicht so stabil daherkommt. Generell muss sich für die Konstellation mit dem eingerückten Cancelo erst noch die genaue Abstimmung zwischen den einzelnen Positionierungen wieder heraus prägen.

Bisher kamen ohnehin verschiedene Anordnungen innerhalb des defensiven Mittelfelds zur Geltung. Mit dem Einrücken Cancelos kann man zum einen eine Dreierreihe herstellen, indem der Außenverteidiger und der gegenüberliegende Achter – in diesem Fall Gündogan – die Halbräume besetzen und der Sechser das Zentrum hält. So entstehen 3-3-4-hafte Staffelungen. Zum anderen gibt es die Möglichkeit, dass sich der Sechser halblinks anordnet und der Achter dafür weiter nach vorne schiebt.

Die situative Aufteilung, wie sie in diesem Feldbereich gerade eingenommen wurde, und die ergänzenden Bewegungen der vorderen Akteure bzw. umgekehrt waren bisher noch nicht optimal aufeinander abgestimmt. Wie Guardiola die genaue Struktur im Zentrum womöglich noch weiterentwickelt oder anpasst, könnte eine besonders interessante Frage bleiben.

Licht und Schatten in Fragen der Umsetzung und Abstimmung

Auch individuelle Perspektiven sind in diesem Zusammenhang erwähnenswert. Beispielsweise führt Ilkay Gündogan seinen Part als linke Acht in vielen, wenn auch noch nicht in sämtlichen Punkten gut aus, gerade im Kontext höherer Positionierungen. Laufen die Aufbauaktionen Citys über seine Seite, unterstützt er dort in der Breite und stellte etwa gegen United einige Male geschickt Dreiecke her. Beim Vorwärtsspiel über die andere Seite findet er ein sehr gutes Timing, um in die vordersten Zonen aufzurücken.

Gerade beim Stadtderby war dies entscheidend, da bei den eigenen Abläufen über den rechten Flügel oftmals sowohl Mahrez als auch de Bruyne weit außen unterstützen mussten. Deren Bewegungen nach außen konnten Fred als ballnahen Sechser binden und/oder weiteres Herausrücken des Linksverteidigers erschweren, um somit wiederum Raum für die Wege zurück vom Flügel in die Mitte zu schaffen. Oft brauchte City tatsächlich beide Offensivakteure gleichzeitig auf rechts, damit dies sauber gelang.

Dadurch wurde die Sturmspitze unbesetzt, weshalb Gündogans aufrückende Bewegungen und phasenweise hohe Positionen eine wichtige Bedeutung als Ausgleich dazu einnahmen. Besonders bei Verlagerungen kam noch eine dynamische Komponente hinzu: Im Idealfall konnten Bewegungen des aufgerückten Achters den gegnerischen Rechtsverteidiger für einen kurzen Moment beschäftigen und Foden zusätzlichen Raum verschaffen.

Allerdings kam Gündogan nach abgebrochenen Angriffen und Übergängen in die Ballzirkulation einige Male nicht schnell genug in eine mittlere Position zurück. In der eigenen Hälfte war das bei Rückpässen, nach denen United ins Angriffspressing aufrückte, gar nicht so problematisch: Der Mittelfeldmann reagierte zügig auf den gegnerischen Druck und unterstützte entsprechend. In höheren Szenen, in denen sich City in der gegnerischen Hälfte festsetzte und dortige Ballpassagen initiierte, bestand aber nicht dieser akute Zwang. Bauten Guardiolas Mannen in diesem Kontext neu auf, schob Gündogan gelegentlich – teilweise auch horizontal, im Anschluss an eine unterstützende Vor-Aktion am Flügel – zu spät ins Zentrum zurück (siehe auch die Szenengrafik oben, die ursprünglich auf eine solche Szene zurückging).

Gerade aus Positionierungen in vorderster Linie passierte dies einigen Offensivakteuren ebenso. Insgesamt tat sich City bei den zwei jüngsten Siegen über Phasen schwer damit, hohe Präsenz in der vordersten Linie nach der eigenen Rückzirkulation wieder aufzulösen. Daraufhin entstanden mehrmals flache Staffelungen. Die Thematik war insgesamt ein kleines unter mehreren anderen Beispielen dafür, dass sich trotz der guten Ergebnisse noch Sand im Getriebe Citys befand. In beiden Begegnungen des neuen Jahres gestalteten sich Entscheidungen und Abläufen teilweise unausgewogen und unrund. Auch bei der Partie im FA-Cup gegen Birmingham City gab es ähnliche Anzeichen, die jedoch eher für sich zu bewerten wäre.

Nicht zuletzt interpretiert Cancelo seine einrückende Rolle momentan grundsätzlich gut, aber doch leicht unsauber. Noch verpasst er häufiger die Momente, wann er sich situativ etwas zu den Verteidigerkollegen zurückfallen lassen muss, um tiefer zu unterstützen. Auch wirkt er manchmal im Zusammenspiel im zweiten Drittel unsicher, ob er einen Weg nach vorne, den er gut erkannt hat, tatsächlich gefahrlos ausführen könne. Gruppentaktisch erahnt Cancelo Möglichkeiten für Folgemomente und Dreiecksbildungen gut, zögert aber mitunter, die Aktionen jeweils energisch umzusetzen.

Fazit

Zusammengenommen überwiegen bei Manchester City zum Jahresauftakt aber die guten Ansätze insgesamt klar die Störfaktoren. Gleichzeitig scheinen für den neutralen Beobachter die mannschaftliche Ausrichtung und die einzelnen Anpassungen Guardiolas wieder aufregender zu werden.

PeterVincent 19. Januar 2021 um 17:20

Interessant fand ich auch einen Kommentar von Pep kürzlich zur besseren Form. Nach dem Motto: Wir laufen wieder weniger (da das Positionsspiel besser geworden ist). Während Flick davon redet, dass seine Mannschaft wieder mehr (aggressiver) laufen müsse. Da zeigen sich ganz gut die unterschiedlichen Ansätze.

Letztlich glaube ich schon, dass Flick selbst gerne besseren Ballbesitzfußball spielen lassen würde. Das hat er im Sommer zumindest angedeutet. Aber dafür braucht er auch den entsprechenden Kader. Mir scheint dennoch eher Klopps Liverpool, als Peps ManCity/Barca die Idealvorstellung von Flick zu sein.

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osch@d 20. Januar 2021 um 09:12

Die Laufleistungsdiskussion finde ich immer wieder lustig: wenn ein Spieler zu oft am falschen Ort ist, muss er mehr laufen. Ob er am falschen Ort ist, da wäre die Frage, ob das System + die Spielsituation ihn zur Ortskorrektur zwingen oder ob er „zu blöd“ war sich vorher schon korrekt zu positionieren.

Normalerweise ist es ja so, dass die Wege weiter werden, je später man die Spielsituation des Gegners kontrolliert. Frühe Kontrolle heißt aber gar nicht insgesamt mehr laufen.

Die Laufleistung als Indikation für Motivation zu nehmen oder als Fitness-Grad: der Trainer kann das sicher beurteilen, weil er ja weiß, was für Trainingsdaten da sind und was der Sollzustand beim Verhalten auf dem Platz ist.

Als Zuschauer eher schwierige Indikatoren.

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tobit 21. Januar 2021 um 10:39

Den Kommentar „wir müssen weniger laufen“ kannst du dir hier halt nicht erlauben. Erst Recht nicht wenn es nicht läuft. Nichtmal als Trainer des Jahres. Wenn du das sagst, bist du in den deutschen Medien sofort und für immer Fussball-Staatsfeind Nummer Eins. Denn die Laufstatistik ist die einzige die interessiert, mehr noch als die Tabelle.

Flick wird diese Jahr so ein bisschen das Opfer der genialen Umstände des letzten. Davies und Pavard haben ihr erstes Jahr auf höchstem Niveau direkt Weltklasse gespielt, Boateng hat auch nochmal an alte Zeiten angeknüpft, Alaba war voll fokussiert und happy. Und er musste die vier nie rotieren (wäre auch nicht gegangen, da Süle und Lucas verletzt und Kimmich im ZM). Diese Saison hat keiner der vier die Form der letzten UND Flick muss auch noch rotieren.
Dass man Mal wieder den besten Spielmacher für n Appel und n Ei verkauft hat und jetzt beten muss, dass der eigentlich abgehängte Tolisso nicht ausfällt, ist da nur die Kirsche auf der Torte. Klar wird das Problem im Zentrum umso deutlicher, weil sich Kimmich verletzt hat. Aber damit hätte ja niemand rechnen können /s (wer Parallelen zu Robbery findet, darf sie behalten).

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Koom 21. Januar 2021 um 11:19

Für Flick ist es jetzt das erste mal „Herbst“. Ihm spielte bislang viel in die Karten, wie der harte, frische Wechsel von Kovac, die Pandemie mit ihren anfänglichen Pausen, generell das weniger „aufgeheizte“ Spiel ohne Publikum. Er „erntet“ aber auch, was er sät. Seine Mannschaft ist defensiv angreifbar mit dem klassischen Mittel „langer Ball – Konter“, das jeder Verein abrufen kann. Und dadurch verlieren die Bayern etwas an Schrecken und so mancher versucht mal wieder was, auch in der 90. Minute. Das war lange, lange Zeit nicht so gewesen, selbst unter Kovac. Das ist aufreibend physisch wie psychisch für sein Team. Dafür braucht er eine Lösung, mehr Laufleistung ist es vermutlich nicht.

Fairerweise ist die aktuelle Situation aber auch schwierig – aber das war auch absehbar. Englische Wochen sind häufiger, Reisen werden schwieriger wegen diversen Tests, nervliche Belastung außerhalb des Fußballs ist auch höher. Ich hab erst dazu geneigt, ihm jetzt eine „Zeit für die Meisterprüfung“ anzudichten, aber ehrlich gesagt ist das auch Käse. Was gerade passiert, hat nichts mit einer normalen Saison zu tun.

Aber ja, er wird – wie auch Klopp lernen und adaptieren müssen, für solche Probleme Lösungen zu finden.

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Daniel 21. Januar 2021 um 16:58

Sobald Flick längere Zeit mit seiner Mannschaft arbeiten konnte waren sowohl der hohe/frühe Zugriff als auch das Ballbesitzspiel auf sehr hohem Niveau. Nach dem Wintertrainingslager, nach der Covid-Unterbrechung, in der Pause zwischen Bundesliga und dem CL-Turnier in Lissabon und auch nach der Sommerpause-aus all diesen Unterbrechungen kam Bayern sehr gut heraus. Dass es momentan hakt war absehbar, Flick kann seit Monaten nicht mehr inhaltlich arbeiten, da mindestens im Wochenendrhythmus gespielt wird, meist auch dazwischen. Insofern halte ich Bayerns derzeitige Probleme für normal und erwartbar und die momentane Lage kann nicht als Indikator für Flicks Vorstellungen von Fußball herhalten. Bayern hatte im Herbst immer schon Probleme, verglichen mit denen zu Zeiten von Kovac oder Ancelotti ist das immer noch Luxus gerade. Erschwerend kommt hinzu, dass Bayern seinen stärksten Mittelfeldspieler verloren hat, der sowohl im Ballbesitzspiel als auch im Pressing sehr fehlt. Dass Thiagos Abgang eine Riesenlücke reißen würde war klar. Etwas enttäuschen ist, dass Bouna Sarr, Costa und Choupo-Moting als Rollenspieler deutlich weniger gut funktionieren als Perisic und Coutinho.

Das einzige, was mich etwas stört, sind die recht kleinen Rollen von Lucas Hernandez und Roca. Hernandez steht leider immer noch deutlich im Schatten von Alaba. Aber Alaba ist derzeit im Formtief und ab Sommer weg, da würde ich lieber Hernandez aufbauen. Ich vermute, Flick will auf Alabas Stärke im Aufbauspiel nicht verzichten, da seine Mannschaft eh schon Probleme mit der Ballzirkulation hat. Im Defensivspiel ist Lucas aber diese Saison deutlich der Bessere und es macht keinen Sinn, einen kriselnden Spieler wieder aufzubauen, wenn der eh im Sommer weg ist. Roca bekommt leider nur extrem wenige Minuten, in denen er aber einen deutlich besseren (und passenderen) Eindruck hinterlässt als Tolisso. Schade, dass er so selten die Chance bekommt…

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Koom 21. Januar 2021 um 18:00

Das die Ersatzleute „nicht reinkommen“, sehe ich durchaus als Kritikpunkt für Flick. Die kommen im Schnitt zu selten rein.

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Daniel 22. Januar 2021 um 14:05

Das kann man halt so pauschal nicht sagen. Musiala entwickelt sich gut, Boateng wurde auch wieder aufgebaut, Perisic und Coutinho haben als Ersatzleute unter Flick gut funktioniert. Ich tu mich schwer, Flick das jetzt in dieser schwierigen Phase anzukreiden. Als Fan will man halt alles haben, geilen Fußball mit jungen, aufstrebenden Spielern, die langfristig beim Verein bleiben wollen. Ein Trainer hingegen kann auf solchen weichen Faktoren keine Rücksicht nehmen. Ich versteh schon, warum die Lage ist wie sie ist. Vor ein paar Jahren hatte der FCB mit Alaba und Lahm/Kimmich zwei Spielmacher auf den Außenverteidigerpositionen und mit Boa und Hummels zwei hervorragende Spieleröffner in der IV. Heute ist der Linksverteidiger ein auf eigene Aktionen ausgerichteter Tempodribbler und der RV ist ein gelernter Innenverteidiger mit primär defensiven Kompetenzen. Da überlegt man es sich dreimal, ob man mit Alaba den letzten wirklich spielmacherisch veranlagten Verteidiger rausnimmt und durch den defensiv stärkeren, aber wenig kreativen Lucas ersetzt, Vertragshickhack hin oder her. Und Roca kam kurz vor knapp, er hat noch kein Trainingslager oder überhaupt ein längeres Grundlagentraining in dieser Mannschaft erlebt. Technisch gefallen mir seine Anlagen ganz gut, aber wenn er doch mal länger spielt (z.B. in der Verlängerung in Kiel) merkt man schon, dass seine Positionierung noch nicht hundertprozentig auf die restliche Mannschaft angepasst ist. Höchstwahrscheinlich würde es mit Lucas und Roca statt Alaba und Tolisso nicht viel schlechter sein, aber für ein paar Spiele eben doch ein bisschen. Aber es ist halt auch nur dieses bisschen, dass der FCB derzeit seinen Gegnern voraus ist (wenn überhaupt).

Koom 25. Januar 2021 um 12:05

Stimme ich dir durchaus zu. Aber das ist auch so ein bisserl „säen und ernten“. Und eigentlich müsste man sich selbst mal ein bisserl weh tun und da die Ersatzleute bringen, damit man sie in der eigentlichen heißen Phase (Rückrunde) dann so hat, dass sie weiterhelfen. Ich behaupte mal, dass die Ersatzleute alle im Schnitt nicht so schlecht sind, wie sie gemacht werden.

Auch wenns so klingt: Ich will da Flick gar nicht an den Koffer fahren. Der Anspruch bei den Bayern ist hoch und das Triple unter diesen speziellen Bedingungen macht es nicht einfacher. Und die aktuellen Bedingungen kommen noch oben drauf.

Im Grunde ist das auch eine Art These – und sei es, dass ich dann in der heißen Phase sagen kann: Ich habs doch gesagt. Kann ich mir auch nix für kaufen. 😉

Der Beitrag hier mit den Themen dient auch mehr so als Aufhänger für eine Diskussion. Ich finde das immer recht spannend, weil hier doch immer wieder gute, aber konträre Meinungen vorkommen. Meine Frage dazu wäre quasi: Macht Flick das Integrieren der Neuen eher schlecht oder taugen die wirklich nicht soviel?

So richtig funktionieren bislang unter ihm ja nur die Alteingesessenen. Selbst Süle, der schon Stamm war, kriegt kaum einen Fuß mehr auf den Boden. Und irgendwie glaube ich nicht, dass Sarr, Roca und die anderen so schlecht sind, wie sie gemacht werden. Und in dem man Süle und auch Hernandez nicht hinkriegt, baut man sich eine ziemliche Hypothek für nächste Saison auf, wenn Alaba und Boateng beide weg sind.


Pablo 18. Januar 2021 um 14:16

Dankefein :)Mich hatte schon interessiert wie Pep wieder zurück in die Spur findet. Interessant zu lesen.
Ähnliche Analyse würde mich mal zu Liverpool interessieren, da dieser negative Lauf und die wirklich schlechte Chancenkreirung ja nicht nur an Verletzungen liegen kann. Da passen laufwege, Staffelungen und einiges mehr nicht, obwohl das team ja nahezu unverändert auf dem Platz steht. Und auch das Kreiren von Chancen gegen teams ausserhalb der top6 schon vorher desöftern ein Krampf war.

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tobit 13. Januar 2021 um 12:45

Interessanter Text. Ich hatte mich schon gewundert, wieso City beim kicker ständig als 3-Raute-3 mit Cancelo als Halbspieler dargestellt war. Wenn er die Formation tatsächlich wiederbelebt hätte, hätte man das hier doch mitbekommen.

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