Türchen 17: Renato Sanches

In den K.o.-Spielen der UEFA Champions League Saison 2015 / 2016 und der EURO 2016 spielte sich der damals achtzehn Jahre alte Renato Sanches ins internationale Rampenlicht. Der junge Portugiese bestach bereits in diesem Alter in seiner Rolle als Linebreaker, auch wenn er im Hinblick auf strategische Weitsicht und Risikomanagement noch nicht mit den großen Mittelfeldakteuren dieser Zeit mithalten konnte.

Physische Präsenz im zentralen Mittelfeld

Renato Sanches kam in dieser Zeit sowohl bei Benfica Lissabon als auch in der portugiesischen Nationalmannschaft im zentralen Mittelfeld zum Einsatz. Egal, ob von der Sechs oder von der Acht: Sanches zeichnete sich bereits durch eine enorme physische Präsenz aus, die er im Spiel mit und im Spiel gegen den Ball geschickt einzubringen wusste. Die enorme Körperlichkeit war einer der wesentlichen Gründe, dass Sanches zum einen eine enorme Durchschlagskraft im gegnerschlagenden- und raumgreifenden Dribbling unter Gegnerdruck entwickeln konnte und zum anderen in der Lage war Bälle mühelos gegen direkte Gegenspieler abzuschirmen. In Kombination mit seiner guten Vororientierung im Raum – Stichwort Spieloffene Stellung – und seinem ständigen, extrem auffälligen Umblickverhalten – Stichwort Schulterblick – führte sie dazu, dass Sanches prinzipiell unterschiedliche Rollen im Mittelfeld einnehmen konnte und dabei häufig einen stark vertikalen Fokus in seinem Spiel zeigte.

Photo by Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images

Renato Sanches: Aufbauspieler, Verbindungsspieler, Linebreaker

Die Stärken des Portugiesen beim Abschirmen des Balles und im ballsichernden Dribbling ermöglichten es ihm in tiefen Räumen als einer der zentralen Aufbauakteure zu agieren. Dort war er dann in der Regel in eine einfache Ballzirkulation eingebunden, zeigte aber auch häufig kurze Dribblings im Raum oder um den Gegner zu binden mit anschließenden, weiträumigeren Pässen zwischen die Linien. Agierte er höher, beispielsweise aus der Position des linken Achters, positionierte er sich häufig zwischen den Linien und nutzte seine physische Präsenz, um den Ball nach Anspielen gegen direkte Gegenspieler abzuschirmen.

Mangelnde technische Sauberkeit und Raffinesse

So ausgeprägt die Stärken des Portugiesen im Hinblick auf seine physische Präsenz und seine Vororientierung im Raum waren, so auffällig waren doch seine Mängel im Hinblick auf einzelne technische Fertigkeiten. Diese Mängel bedeuten dabei nicht, dass Sanches grundsätzlich ein schlechter Techniker war – auch wenn ihm sicherlich noch einiges an technischer Raffinesse fehlte – und betreffen im Wesentlichen zwei Aspekte: In puncto Passspiel zeigte sich immer wieder, dass Sanches noch nicht in der Lage war durchweg passend getimte Zuspiele über die komplette Spieldauer an den Mann zu bringen, wobei dieser Punkt vornehmlich die Passschärfe und nicht die Passgenauigkeit betraf. Und in puncto Ballan- und –mitnahme versuchte Sanches zwar wann immer möglich mit dem ersten Kontakt ins Tempo zu gehen, hatte aber immer wieder Probleme Zuspiele im Tempo nah genug am eigenen Fuß zu behalten oder in den vollkommen richtigen Raum zu verarbeiten.

Risikomanagement…

Was Sanches Spielweise zudem abging war ein Aspekt, den ich unter dem Begriff Risikomanagement zusammenfassen würde. Damit meine ich ein grundsätzliches Gespür dafür, ob und wie einzelne Aktionen in einzelnen Situationen ausgeführt werden müssen, damit sie einerseits effektvoll und zugleich erfolgsstabil sind.

Bezogen auf das weiträumige Passspiel von Sanches zum Überspielen gegnerischer Linien bedeutet dies beispielweise: Verlagere ich das Spiel noch einmal oder spiele ich genau jetzt den riskanten Ball zwischen die Linien? Habe ich dabei bedacht, ob meine Mannschaft für den defensiven Umschaltmoment in Folge eines möglichen Ballverlustes passend gestaffelt steht? Spiele ich den Ball meinem Mitspieler in den Fuß, weil ich lediglich Raumgewinn erzielen möchte oder spiele ich ihm den Ball in den Lauf, weil ich denke, dass sich eine durchbruchsorientierte Situation ergibt? Ist jetzt im Spiel eine Phase, in der ich ein erhöhtes Risiko gehen möchte oder nicht? Bezogen auf das raumgreifende Dribbling von Sanches könnte man formulieren: Habe ich mich passend freigelaufen und kann ich den Ball in dieser Situation voll ins Tempo mitnehmen? Brauche ich einen optimalen ersten Kontakt, um am Gegner vorbeizukommen oder reicht ein guter? Bin ich abgesichert, falls ich mich festdribble? Verliere ich den Ball mutmaßlich so, dass ich den Gegner wieder direkt unter Druck setzen kann oder ist der Gegner durch, wenn er den Ball erobert?

…und Risikopotentiale

Aus Sanches Spielweise und dem Aspekt, dass Sanches als sehr junger Spieler noch über kein so ausgeprägtes Risikomanagement verfügte, ergaben sich logischerweise ein paar potentiell riskante Aspekte im Spiel des Portugiesen. Im Hinblick auf die beiden oben angesprochenen Aspekte Passspiel und erster Kontakt wurde dies vor allem in einigen Spielen bei der EM deutlich. Was dort aber auch deutlich wurde: Wer bereit ist Risiken in einzelnen Aspekten einzugehen, kann unter Umständen Potentiale in anderen Bereichen nutzen. Nicht umsonst spielten die Portugiesen ohne Sanches in der Startaufstellung in der Vorrunde nur drei Mal Remis – und marschierten anschließend mit Sanches in der Startaufstellung zum Europameistertitel.

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