Türchen 4: Fernando Torres

Als der sogenannte Fehleinkauf improvisiert am Champions-League-Titel mitwerkelte.

Manchmal kann man einen äußerst steinigen Weg durch das reine Ergebnis vergessen machen. Bei Chelseas Champions-League-Titel 2012 galt das für die Londoner kollektiv mit Blick auf weite Strecken des Finales, genauso auch beispielsweise für Fernando Torres als einen der Einzelspieler individuell mit Blick auf seine Zeit bei den „Blues“: Eineinhalb Jahre zuvor für eine damals noch monumentale Ablösesumme von etwa 60 Millionen Euro aus Liverpool geholt, schien der spanische Nationalstürmer eigentlich noch immer nicht wirklich angekommen bei seinem neuen Klub. Für ihn persönlich war es eine schwierige Saison, doch sie bedeutete für Chelsea nach mehreren Jahren der hohen Investitionen letztlich den lang erwarteten ganz großen Wurf – und damit gewissermaßen einen geschichtsträchtigen Durchbruch.

Der Millionentransfer verteidigt mit

Zumindest auf den letzten Metern verschaffte sich Torres sogar noch maßgeblichen Anteil daran: mit zwei stärkeren Leistungen als Einwechselspieler in den beiden letzten entscheidenden Partien, ganz besonders im ersten der beiden, dem Halbfinal-Rückspiel in Barcelona, als er mit seinem späten Treffer zum 2:2 die Londoner nach München schoss. Dort, in der Allianz-Arena, würde Torres keine so auffällige Hauptrolle einnehmen, aber seine Einbindung aus dem Camp Nou fortsetzen und sich letztlich durch, gerade auch für seine Verhältnisse, ausgiebige Defensivarbeit entscheidend am Titelgewinn des Teams beteiligen.

Die reine Spielzeit, in der er mitwirkte, war im Vergleich zum Halbfinale zumal wesentlich länger, da die Verlängerung hinzukam. In den Schlussminuten der regulären Spielzeit für Salomon Kalou eingewechselt (dieser Fall eines Rollenwechsels als Joker ist die eine im Einleitungsbeitrag erwähnte Ausnahme), musste Torres in der nominellen 4-2-3-1-Grundformation von Interimstrainer Roberto di Matteo schließlich als Flügelstürmer agieren. Angesichts der extrem tiefen, auf Passivität und Chancenqualitätsverringerung im Abwehrpressing ausgelegten Herangehensweise der Londoner wurde er in dieser Position stark in der Abwehrarbeit gebunden.

Für die Rückzugsbewegung machte Torres mit hohem Engagement tatsächlich viele Meter. Zwar hatte er kaum klare sogenannte „Defensivaktionen“, wie bestrittene und erfolgreiche Tacklings, abgefangene Pässe o.ä., aber er bewegte sich in tiefen Zonen oft flexibel um seinen Außenverteidiger und stopfte dort mit teilweise auch unorthodox, aber nicht schlecht gewählten Positionierungen manch entscheidenden Raum. Die tendenziell wilde, nicht ganz so systematische und wechselhafte Prioritätensetzung in der defensiven Entscheidungsfindung jeweils für bestimmte Zonen und gegen andere passte letztlich gut zu dem improvisierten, abwartenden Defensivspiel der „Blues“ und dürfte den Münchenern in der einen oder anderen Situation zusätzliche Schwierigkeiten bereitet haben.

Entlastende Dribblings mit Ambition und Improvisation

Im Umschalten wurde Torres dann besonders aktiv: Immer wieder suchte er schnelle, individuelle Aktionen in offene Räume. Überhaupt waren ballschleppende Dribblings am Flügel entlang ein typisches Mittel in diesem Finale, in dem Torres aufgrund des dezenten Nachrückverhaltens seines Teams wenig personelle Unterstützung erwarten konnte und daher viel auf eigene Faust versuchte, wahrscheinlich auch so versuchen sollte. Insgesamt ging er bei jenen Dribblings schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Ballführung in die aggressive Beschleunigung über. Eigentlich überdrehte er damit fast zu ambitioniert, aber gerade in dieser Partie war es letztlich von Vorteil, erst einmal vergleichsweise viel Raum zu überbrücken, den Gegner einfach viel zum Laufen zu bringen.

Je weiträumiger beispielsweise bei Umschaltmomenten die unmittelbare Einleitung erfolgte, solange sie nicht irgendwann kopflos wurde, desto weiter wurden die Rückwege der ballnah beteiligten gegnerischen Spieler. Die raumgreifenden Dribblings von Torres gestalteten sich letztlich oftmals trotz mancher Unsauberkeit gerade noch kontrolliert genug, um wirksame und dann eben auch hilfreiche Entlastung gegen die zahlreichen Münchener Angriffswellen zu schaffen. In der Verlängerung konnte sich Chelsea einige Male über Torres´ Läufe entziehen, gerade auch aus kurzen eigenen Ballbesitzmomenten heraus mit Verlagerungen, indem der eigentliche Mittelstürmer als Flügelspieler sich in dieser Extrazeit konsequent in breiter Position anbot.

Die Dribblings als solche waren oftmals nicht besonders sauber umgesetzt, beispielsweise legte sich Torres das Leder in vielen Folgeaktionen deutlich zu weit vor und traf zwischendurch immer wieder überhastete Entscheidungen, statt etwa im Laufe der Szenen nochmals zu beruhigen. Aber gerade die starke Vorwärtsorientierung in Strafraumnähe in Verbindung mit zwischendurch immer mal wieder koordinativ unorthodoxen, überraschenden und stark auch von Improvisation geleiteten Richtungswechseln beschäftigte regelmäßig mehrere Defensivspieler. Ähnlich verhielt es sich im zweiten Drittel währenddessen mit den sehr weiträumigen Auftaktaktionen, die ebenfalls oft einfach eine höhere Anzahl von Spielern jeweils zu einer Entscheidung, ob nun sie aus der eigenen Grundposition herausrücken und in den Zugriff gehen oder hinter dem entsprechenden Mitspieler nachschieben sollten, provozierten.

Insgesamt passte die Spielweise von Torres, wie sie sich als Außenstürmer und letztlich auch taktikpsychologisch bedingt in der damals persönlich schwierigen Karrieresituation gestaltete, am Ende sehr gut in die spezielle Charakteristik jenes Spiels und gleichzeitig zur zunehmend an Zwischenlücken reichen und von Improvisation mit geleiteten Verlängerung, in der Chelsea am Ende dem Münchener Druck standhalten und das Elfmeterschießen erreichen würde.

Fänger 4. Dezember 2019 um 10:17

Es gibt kein Alesia und es gibt kein CL Finale 2012…

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