Baskische Updates
Athletic Club kommt mit einer frischen Interpretation von Stilelementen der letzten Jahre gegen Real Sociedad zu einem verdienten Derbysieg.
Diesmal waren es die Gastgeber aus Bilbao unter Trainer Gaizka Garitano, die die für die regionalen Derbys zuletzt oft typischen taktischen Elemente besonders exemplarisch auf den Rasen brachten: intensives Pressing mit vielen Herausrückbewegungen, Übergängen und Mannorientierungen, konsequente Nutzung von langen Bällen. Dennoch hatte die genaue Umsetzung ihre spezifischen Besonderheiten, vor allem im defensiven Mittelfeld bemerkbar: Dort stellten die Sechser nicht einfach immer nur ihre nominellen Gegenspieler zu, gegen die angesichts einer bei Ballbesitz im 4-1-4-1/4-3-3-organisierten Anlage Real Sociedads mit zwei Achtern sogar klarere Zuteilungen bestanden.
Ausgearbeitete Nutzung der Deckungsschatten
Spätestens im seitlichen Verschieben hielten sie sich zwar mitunter eng am Mann, aber – in vertikaler Perspektive – oft vor diesem und damit vor dem entsprechenden Passweg. Sie verteidigten also vor allem stark über den eigenen Deckungsschatten – je länger die Partie dauerte, desto mehr und desto besser, gerade dann in Halbzeit zwei. Der jeweils ballferne Akteur machte das beim Nachschieben ebenfalls geschickt in der Positionsfindung zwischen den zwei Achtern und fand häufig einen sinnvollen Winkel zu seinem eigentlichen Gegenspieler. Besonders gefordert wurde diese Spielweise im gegnerischen Mittelfeld, wenn ein Innenverteidiger Real Sociedads in Ballbesitzphasen länger andribbelte. Dann musste der ballnahe Sechser über dem Halbraum noch weiter vorschieben.
Grundsätzlich gab es viele 4-4-2-Pressingübergänge aus dem 4-2-3-1 heraus, indem Raúl García aus der zweiten in die erste Linie aufrückte und dabei den tiefsten gegnerischen Mittelfeldmann in seinem Rücken verdecken sollte. Erstens ging er den Weg aber nicht immer ganz so weit bis nach vorne durch, insbesondere im Verhältnis zu anderen baskischen Derbys der vergangenen Saisons als Vergleichspunkte. Das galt im Mittelfeldpressing, aber auch im Angriffspressing, welches die Anfangsphase bestimmte und danach immer seltener wurde. Zu Beginn scheute sich Real Sociedad oft mit Pässen auf Merino zwischen den beiden ersten Pressingspielern hindurch, wenn sie etwa nach Rückpässen etwas flacher und breiter formiert standen.
Auch beim passiveren höheren Zustellen ließ sich der Gast dann schon von einem Stürmer recht früh zur Seite verleiten. Dort kamen entsprechend die Achter ballnah früher zur Unterstützung, mussten damit aber aufpassen, sich nicht selbst die Räume abzuschneiden. Zweitens – und gerade im Mittelfeldpressing – fand der Übergangsmechanismus vom 4-2-3-1 ins 4-4-2 nicht unbedingt symmetrisch statt bzw. der nominelle Zehner führte die entsprechenden Aufrückbewegungen nicht im Halbraum, sondern etwas enger zur Mitte durch. Häufiger wurde der ballführende Innenverteidiger dadurch zunächst zur Orientierung nach außen gelockt. Wenn er auch erst einmal Raum hatte, waren dort nicht so viele Anspielstationen bzw. vor allem die wenigen Optionen nur anspruchsvoll und riskant anzuspielen.
Ergänzung von den Flügelpositionen
Athletic lauerte auf ambitionierte oder ungeduldige Entscheidungen, ließ ansonsten über viele Phasen aber Rückpässe und beruhigende Aktionen des Gegners zu. Letztlich kam der Gast gegen diese guten Bewegungen kaum aus dem eigenen Ballbesitz zu gefährlichen Aktionen. Obwohl Real Sociedad nominell mit guten, Spielstärke wie auch unorthodoxe Kreativität versprechenden Namen wahrlich nicht schlecht besetzt war, brachten sie letztlich bis weit in die Schlussphase hinein keinen Abschluss in die Statistik (letztlich zwei Versuche). Durch die offensive, teilweise ausweichende Ausrichtung der Achter waren die Abstände innerhalb des Mittelfelds beispielsweise recht groß, die insgesamt eigentlich zahlreichen Ansätze entsprangen primär individuellen Initiativen.
Dass die Gastgeber aus Bilbao mit ihrer Spielweise insgesamt so stabil blieben, lag noch an weiteren Schlüsselaspekten ihrer Umsetzung. Vor allem die offensiven Flügelspieler ergänzten die anderen Mittelfeldakteure durch kaum minder starke Positionsfindung. Ballfern rückten sie immer wieder mit gutem Timing ein, um das Zentrum mit zu verschließen und hinter den Deckungsschatten zusätzlich abzusichern. Aber auch in Ballnähe bewegten sie sich sehr druckvoll und versperrten mit kleinen Richtungswechseln und Neu- bzw. Folgebewegungen viele Passoptionen. Während sie insgesamt eng verteidigten, trafen ihre Hintermänner gute Entscheidungen zwischen dem breiten Aufnehmen der gegnerischen Außenverteidiger und den richtigen Momenten, um innen die Abwehrkollegen kompakt gegen situative Ballungen an der letzten Linie zu unterstützen.
Die Initiativen der Gäste
Diese Szenarien nahmen vonseiten Real Sociedads im Laufe der Begegnung zu. Überhaupt unternahmen die Mannen von Trainer Imanol Alguacil viele Versuche, um besser in die Partie zu gelangen. Einige waren eher individueller und/oder individualtaktischer Natur: Zwischendurch gab es immer mal wieder Phasen, in denen Ödegaard tiefer im rechten Halbraum zurückfiel und präsenter anzukurbeln versuchte, oft über mitunter ideenreiche, aber auch ambitionierte Doppelpässe. Dadurch kam er in Halbzeit zwei zwar vor den gegnerischen Sechser, dieser konnte aber entsprechend weiträumig nachrücken, Raúl García dafür schon von Anfang tiefer bleiben und die Wege zur Mitte kompakter verschließen. Für Ödegaard vergrößerten sich demgegenüber auch die Abstände zu den vorderen Kollegen für Kombinationen, gerade zum anderen Halbraum.
Mitte des zweiten Durchgangs gingen von beiden Achterpositionen, etwas häufiger durch Oyarzabal auf links, einige frühere Bewegungen nach außen aus. Entweder ergaben sich so Möglichkeiten, dass direkte Passwege in den Zehnerraum geöffnet würden, oder der entsprechende Spieler könnte selbst in einer Frühphase der Ballbesitzpassage in der seitlichen Ausweichzone anspielbar werden, um dann sofort nach innen auf Merino weiterzuleiten. Potentiell ließ sich mit einem solchen Ablauf eine Situation erzeugen, in der der defensive Mittelfeldmann hinter die erste gegnerische Reihe kommen konnte und das Spiel vor sich hatte. In den ersten Szenen sah das vielversprechend aus und funktionierte ein oder zwei Mal zumindest ähnlich, schon nach wenigen Momenten wurde diese Entwicklung jedoch durch eine neue, größere taktische Umstellung überholt.
Nun versuchten es die Gäste über eine 4-2-2-2-hafte Struktur: Ödegaard spielte halbrechts etwas tiefer, davor besetzte ein Spieler klarer den zentralen Bereich und einer bewegte sich halblinks. Vom Prinzip brachte auch das Potential mit sich, letztlich kam dieses aber nicht zum Tragen, aufgrund verschiedener kleinerer oder größerer Störfaktoren: Womöglich war die Variante nur wenig explizit eintrainiert, der kurzfristigen Umsetzung entsprechend ergab sich zwischen den beiden vorderen Spielern keine ausreichende Staffelung. In der Linie danach beispielsweise wurde etwa Oyarzabal schneller mal ungeduldig und zog dann hier und da etwas zu früh aus der Position.
Sechser-Zurückfallen für Stabilität einmal unglücklich
Während die Mannen von Garitano in der zweiten Halbzeit gut verteidigten und damit die eigene Führung sicherten, gingen sie aus dem eigenen Ballbesitz heraus kaum mehr Risiko ein. Vorne schoben sie Mittelstürmer, Zehner und Rechtsaußen konsequent in den rechten Halbraum, formierten die Sechser dahinter und hatten so eine kompakte Staffelung für lange Bälle. Indem sie früh zu diesem Mittel griffen, fanden etwaige Ballverluste jeweils weit weg vom eigenen Tor statt und waren gut abgesichert. Die Abpraller zu gewinnen, um dann auch noch längere eigene Ballbesitzphasen beispielsweise zur Entlastung im zweiten Drittel einzuleiten, war aber nicht einfach: Denn auch Real Sociedad formierte sich gegen diese langen Bälle enorm kompakt, mit gutem horizontalem Anschluss im Mittelfeld, und konterte die zusammen geschobene Offensivabteilung durch Zurückfallen Merinos in eine eng interpretierte Fünferkette.
Zuvor hatte ein ähnliches Bewegungsmuster unglücklich bei einem der Gegentore mitgespielt, wenngleich in einem anderen Zusammenhang. Grundsätzlich verteidigte Real Sociedad vor der Pause nicht durchgehend mit zwei Achtern wie danach, sondern oft auch mit Merino und Illaramendi vor der Abwehr und Ödegaard als aufrückendem Spieler für 4-4-2-Übergänge. In diesen Phasen griffen die Mannen von Alguacil auf bewährte Abläufe gegen den Ball zurück, wie man sie schon oft von ihnen gesehen hat. Insgesamt setzten sie Athletic damit auch recht gut unter Druck, drängten sie häufig nach außen und bereiteten ihnen dort Schwierigkeiten.
Am Flügel hielten die Gastgeber ihre Spieler in den ersten Aufbauphasen sehr breit, um die Abstände für den Gegner groß zu halten. Statt auf vielfältige Verbindungen setzten sie auf die Herauslösung gruppentaktischer Situationen – und in den Außenzonen verhielten sie sich in diesen stark. Die Akteure am Flügel hatten einige gelungene Momente beim Ausspielen von 2gegen2-Szenen und bewegten sich passend dafür. Nach einem simplen Einwurf kamen sie mit dem besseren Raumgefühl in einem isolierten 2gegen3 durch und so zum Führungstreffer in der Anfangsphase. Gelegentlich ließen die Gastgeber im Aufbau einen ihrer Sechser in eine Dreierkette fallen, um so noch etwas besser Verlagerungen vorbereiten zu können.
Gegen solche Seitenwechsel im Allgemeinen und das Flügelspiel von Athletic schien Real Sociedad sich zusätzlich absichern zu wollen: Erfolgten entsprechende Zuspiele im gegnerischen Angriffsdrittel, ließ sich einige Male der tiefste Mittelfeldspieler bzw. der jeweils ballnah werdende Sechser zum Ende der Verschiebebewegung mit an die letzte Linie fallen. Dadurch konnte auch der dortige Außenverteidiger wieder druckvoller herausrücken. Vor dem 2:0 wurde aber genau das zum Problem: Athletic verlagerte nach links, eigentlich wurde der Raumgewinn dort schnell wieder zugeschoben und der Flügelspieler kam nicht zum Durchbruch. Merino ließ sich aber schon recht schnell fallen bzw. verpasste knapp den Moment, um noch umfassender auf die Weiterentwicklung der Situation zu reagieren.
Bei den Gastgebern hatte sich Raúl García ballferner gehalten und konnte daher schnell den Querpass von Inaki Cordóba erhalten, nachdem dieser zum Strafraumeck hin zugestellt worden war. Durch Merinos frühe Rückwärtsorientierung zur Absicherung fehlte Real Sociedad nun aber der eine Sechser im Nachschieben: Daher war der Rückraum dort halblinks offen, aus dem Merino kurzzeitig sogar entgegen der Gesamtdynamik weglief. Erst einmal hatte Raúl García viel Zeit für eine Aktion, ehe letztlich der ballnahe Innenverteidiger sehr weit bis auf Sechserhöhe herausrücken musste, und probierte es dann mit einem geschlenzten Heber über den Keeper in die lange Ecke, der auch noch unglücklich abgefälscht wurde und das frühe 2:0 bedeutete.
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