Über Randgebiete zum Arbeitssieg

0:1

Leverkusen wird vom 5-3-2 ein Stück weit aus der eigenen Verteilung gedrängt, bleibt aber weitgehend stabil am Ball. Hinten steht die Null gegen Stuttgarts Rechtsfokus.

Gegen die momentane Spielweise der Leverkusener macht ein 5-3-2 prinzipiell eine gute Figur – günstige Vorzeichen also für den VfB. Im Ballbesitzspiel der Gäste rückt Havertz von der nominellen Flügelposition oft in den Halbraum vor Achter Aránguiz ein und verschiebt den offensiven Schwerpunkt bei der Mannschaft von Peter Bosz entsprechend nach innen. Auf der linken Acht kann Brandt viele Verbindungen herstellen und erhält dort noch etwas mehr Präsenz. Im Grunde genommen ergibt sich im Mittelfeld bei Bayer dadurch eine 2-2-Aufteilung aus zwei defensiveren und zwei offensiven Akteuren.

Offensivformation Leverkusen, Defensivformation Stuttgart

Hinzu kommen zwei weitere Spieler in der vorderen Linie, mit Volland und dem als Linksaußen die Breite haltenden Bailey. Durch dessen Positionierung kann der Linksverteidiger enger spielen und baut oft in tieferer Position mit auf. So ergeben sich einige asymmetrische Dreierketten in Ballbesitzphasen der Werkself. Währenddessen interpretiert Weiser als Rechtsverteidiger die Position deutlich aufrückender und übernimmt die Aufgabe der insgesamt also einfachen Flügelbesetzung. Für diese Ausrichtung mit der zentralen Orientierung des Gästeteams war Stuttgart insgesamt recht gut aufgestellt, da sie die hohe Zentrumspräsenz des defensiven 5-3-2 entgegenstellen konnten.

Brandt zwischen Präsenz und Unterzahl

Dementsprechend sollten die Mannen von Markus Weinzierl auch recht wenige klare Torchancen zulassen in einer Begegnung, die von klarer Verteilung der Rollen bestimmt war: Stuttgart fokussierte sich zunächst auf die schon in den letzten Wochen verstärkte defensive Stabilität, die Leverkusener hatten viel Ballbesitz. Sie versuchten die Defensivhaltung der Schwaben zunächst mit einer tieferen Einbindung Brandts zu beantworten. Dieser kippte halblinks oft in die Freiräume seitlich um das spitz zulaufende 5-3-2 heraus, um mit aufzubauen. Da beim VfB das Mittelfeld jedoch etwas asymmetrisch angeordnet war, konnte er schnell durch das Herausrücken des breiteren Esswein angelaufen werden.

Alternativ ging dieser bei höherer Präsenz Wendells auf den Linksverteidiger ins Pressing, konzentrierte sich bei solchen Herausrückaktionen in der Bewegungsführung wiederum primär auf den Passweg zu Brandt. Dieser hatte in seinem Halbraum oft eine Unterzahl und fand sich gewissermaßen von einem Viereck aus Achter, Sechser, Flügel- und Halbverteidiger umstellt, von denen die beiden Letztgenannten sich insgesamt recht flexibel aus der Abwehrkette lösten. In dieser Konstellation konnte sich Brandt am ehesten leicht nach außen freilaufen und auf Weiterleitungen quer in den Halbraum setzen. Das war eine vielversprechende Möglichkeit, die entsprechenden diagonalen Aufrückbewegungen von Aránguiz nahmen aber erst später langsam zu.

Prinzipiell kam Leverkusen auf diese Weise einige Male in die Lücken hinter dem ballnah nachschiebenden Stürmer oder zwischen Sechser und Achter, die weiteren Anschlussverbindungen waren dann aber wiederum nicht so leicht. Das galt ebenso für druckvolle Übergänge direkt ins und durch das Zentrum nach Rückpässen von der linken Seite. Mit solchen anspruchsvollen Aktionen hielten sich die Gäste aber auch ohnehin zurück, Baumgartlinger blieb zwischen den gegnerischen Stürmern etwas passiver. Nach den zuletzt weniger erfolgreichen, wenngleich teils auch unglücklichen Ergebnissen legten sie ihre Bemühungen etwas stabilitätsorientierter an und griffen aus der ersten Aufbaureihe hauptsächlich zu den Verlagerungen nach außen.

Präsenz verlagert sich in Flügelbereiche

Mögliche kleine Synergien zwischen Aránguiz und Havertz im Halbraum kamen so weniger zur Geltung. Dass alternativ zum kompletten Seitenwechsel noch mehr diagonale Flugbälle von Tah, insbesondere entgegen der Richtung des Verschiebens, hätten vielversprechend sein könnten, zeigten die gelegentlichen Beispiele mit Zuspielen auf Bailey: Gerade da Kabak oder Beck in den Vorsituationen oft auf Brandt hatten herausrücken müssen, ergab sich gegen eine noch nicht wieder voll aufgefüllte Abwehrlinie Potential für den Leverkusener Linksaußen durch Zwischenlücken neben Zentral- oder Halbverteidiger gegen deren Sichtfeld. Später versuchte es Bayer entsprechend mit einigen längeren Pässen durch den rechten Halbraum nach vorne, indem Havertz sich zunehmend zu explosiven Tiefensprints in die Spitze löste.

Jene Momente sorgten in der letzten Reihe der Schwaben ebenfalls für vergleichsweise viel Unruhe. Das ergab sich als Nebenprodukt teilweise auch aus einigen asymmetrischen Elementen beim VfB: Zuber reihte sich – entsprechend den Verhältnissen bei Ballbesitz – manchmal in der zweiten Formationslinie neben den drei Zentrumsspielern ein. Oft genug verteidigte er aber auch klar tief als äußerer Defensivspieler gegen Weisers Aufrücken. In der Gesamtsituation gab es von links kommend also viele Zuspiele auf den Leverkusener Rechtsverteidiger schon im zweiten Spielfelddrittel. Diese Verlagerungen ließen sich gerade gegen tiefe Fünferkettenstaffelungen ruhig anlegen.

Indem die Gäste dementsprechend auf der rechten Seite aber leichter weiter nach vorne gelangten als auf links und so zahlreich Seitenwechsel nach eben jenem Schema spielten, bildete sich zunehmend ein Fokus auf jenen Bereich – in etwas ambivalenter Art. Wo Havertz eigentlich für die einrückende Spielweise vorgesehen war, führte das dazu, dass er sich letztlich auf rechts oft nach außen freilief. Während der gegnerischen Verschiebebewegung ging er in jenem Fall neben das Mittelfeldband, um die Bälle von Weiser erhalten zu können.

In flexibler Weise sammelten im Anschluss an die Verlagerungen auch Aránguiz und Baumgartlinger viele Kontakte in jenen Zonen. Insgesamt drifteten die Gäste dadurch aber schneller in Randbereiche außerhalb der Formation ab. Von dort ließen sich in solchen Situationen mit nach außen gewichenen Halbraumspielern nicht so leicht stabile Verbindungen diagonal in Richtung Tor generieren. Lokal organisierte Stuttgart den jeweiligen Zugriffsübergang am Flügel konsequent in situativen Mannorientierungen – der ballnahe Achter und Castro nahmen kurz etwa Havertz und Aránguiz oder Brandt und Aránguiz auf.

Tempowahl und Anschlussverbindungen

In den Szenen, in denen die Verlagerungen nach rechts etwas höher gespielt werden konnten und Weiser direkt mehr Raum in die Spitze vor sich hatte, zeigten die Leverkusener die Tendenz, die Aktionen zu direkt auszuspielen. Gerade in der Anfangsphase machte sich besonders bemerkbar, dass sie nach gelungenen Übergängen ins letzte Drittel die Angriffe zügig zu Ende führen wollten. Demgegenüber wurden Offensivszenen vorne zu selten gezielt abgebrochen, um noch einmal nach dem Aufrücken in die dann höhere Zirkulation überzugehen und sich andere Ausgangslagen zu schaffen zu versuchen.

Aus diesen Gründen gelang es Leverkusen vor allem zu Beginn nicht so nachhaltig, Stuttgart länger hinten einzuschnüren und zu klaren Druckphasen zu gelangen. Vor diesem Hintergrund war es gar nicht unbedingt so nachteilig, dass Havertz oft seitlicher zum Ball zog und nicht – für mögliche diagonale oder horizontale Passwege – zwischen den Linien agierte. Dadurch wurde das Tempo der Anschlussaktionen noch etwas mehr gedrosselt, wenn auch primär in den Szenen im zweiten als im letzten Drittel.

Allerdings gab es auch von dort in der Entscheidungsfindung der Bayer-Elf zumindest kleinere Probleme mit einigen zu ambitionierten – wenn auch nicht unbedingt immer zu schnellen – Einleitungen aus den seitlichen Freiräumen in die gegnerische Formation hinein. Gegen die Formation der Schwaben fand das Team keine optimale Ausgewogenheit in diesem Bereich und brachte auch die beiden eigenen Seiten nicht optimal zusammen. Im Vergleich mit Havertz hatte Aránguiz aus dem Halbraum etwas mehr zentrale als breitere Szenen, die umgekehrt günstiger verteilt gewesen wären.

Auf rechts zeigten sich die Ansätze für verschiedene Überladungen zwar jeweils lokal vielversprechend, aber die Folgeanbindungen über die entsprechende Spielergruppe hinaus zeigten sich eher vorsichtig und im Verhältnis zur massierten Zentrumsbesetzung des gegnerischen 5-3-2 auch etwas zu vorsichtig. In jedem Fall sorgten solche kleinen Fokuszonen, insbesondere eben auf der stark bespielten rechten Seite, für gute Voraussetzungen im Gegenpressing. Auch wenn Leverkusen den Ball auf jenem Flügel verlor, konnten sie mit vielen Akteuren in der ersten Welle nachsetzen, zumal von da die für den VfB längeren Wege zum Tor hineinspielten.

Im Laufe der Partie unternahm Brandt bei den Mannen von Peter Bosz vermehrt ergänzende Läufe auch hinüber zum rechten Halbraum. Das gab noch einmal einige neue Optionen, wenn über den anliegenden Flügel angegriffen wurde. Über die Klarheit der Passrouten und die Grundstabilität des Aufbau- und Ballbesitzspiels als solchem ergab sich abschließend eine ausreichend hohe Erfolgswahrscheinlichkeit für die Gäste. Über den quantitativen Aspekt hatten sie genug Ballstafetten von ordentlicher Güte bis in den Umkreis des gegnerischen Strafraums, damit auch bei mäßiger Produktivität einige gefährliche Ansätze und Halbchancen heraussprangen. Als Bilanz standen nachher 17 Abschlüsse, wenige klare Chancen und das entscheidende Siegtor per Elfmeter.

Lange Bälle und Rechtsfokus beim VfB

Offensivformation Stuttgart, Defensivformation Leverkusen

Zu einer sehr soliden Menge an Schüssen kamen am Ende auch die Gastgeber, bei ebenfalls nur wenigen bzw. kaum hochkarätigen Szenen. Da Konter über ihre dafür prinzipiell vielversprechende Besetzung von den Leverkusenern – bis auf späte Phasen, als der VfB auch vermehrt zockende Elemente einsetzte – weitgehend unterbunden wurden, musste es primär über eigenen Aufbau gehen. Diesen gestaltete das Team von Markus Weinzierl zu großen Teilen über lange Bälle. Jene Zuspiele wurden hauptsächlich in eine bestimmte Zielzone geschlagen: Sie konzentrierten sich wie die Offensivanlage als solche auf die rechte Seite, auf die sich Stuttgart dann horizontal eng zusammenzog.

Das machte auch die Werkself nicht schlecht, die aus der 4-3-3-Grundanordnung zwei kompakte Dreierreihen zum Flügel herüber schieben konnte. Dadurch hatten sie gleichzeitig auch eine ordentliche Tiefenstaffelung, wenn sich Havertz und Bailey nicht weiter hinten einreihten und situativ Brandt etwas höher bewegte als seine Nebenleute. Bei Stuttgart ging es aus einer ohnehin asymmetrischen Dreierkette heraus immer klarer zu 4-2-3-1-Systematiken in Ballbesitz, in denen Esswein und Zuber die offensive Flügelzange bildeten, während die Verteidiger im Aufbau weiterhin verschoben angeordnet wurden – eben einfach wie eine entsprechend aufgeteilte Viererkette.

Insgesamt ergab sich – gegenüber dem Leverkusener Bild der Verteilung in der Tiefe – aber die Tendenz, dass die vorderen Akteure sich zu hoch formierten, teilweise auch mit vier Leuten vorne auf einer Linie. Das musste sich vor allem deshalb auswirken, weil Ascacibar primär als laufstark raumöffnender und kampfstark gegenpressender Achter aus dem ohnehin ballfernen Halbraum vorgesehen schien, also praktisch kaum eingebunden war. Im Mittelfeld sicherte Castro einige Bälle gegen enge Positionierungen der gegnerischen Flügelspieler, aber die Verbindungsräume mussten dann anderweitig besetzt werden.

Esswein kam hauptsächlich – nominell hier also Rechtsaußen – von der Seite, versuchte es einige Male mit Dribblings, ansonsten ließen sich abwechselnd Didavi und González in den rechten Halbraum fallen. Diese beiden sorgten entscheidend für Präsenz im entsprechenden Fokus des VfB, vor allem in den Staffelungen für die vielen langen Bälle, potentiell bei etwaigen Folgeszenen, situativ auch in anderen Konstellationen. Das brachte den einen oder anderen Ansatz, aber letztlich hing sehr viel von der Präzision ihrer Positionierungen und Bewegungen ab. Sobald sie sich wieder höher formierten, verlor Stuttgart stark an Verbindungen und die flachen Staffelungen machten sich bemerkbar.

Leverkusen verschafft sich Luft in der Gegentore-Diskussion

Dass sie sich gegen den Rechtsfokus der langen Bälle oftmals früher dorthin schieben konnten, tat den Mannen von Peter Bosz und ihrer Grundstabilität gut. Da sich beispielsweise dagegen keine großen Angriffspressingphasen anboten, fiel damit ohnehin auch das Thema Balance der Herausrückbewegungen der Außenverteidiger in solchen Situationen weg. In den letzten Wochen hatte es viele Gegentreffer für die Leverkusener gegeben, aus diversen Gründen, zudem noch beeinflusst von der Abfolge der Gegner. Die Konterabsicherung zeigte sich in dieser Begegnung etwas verbessert. Parallel liefen zuletzt noch einige Veränderungen innerhalb der Ausrichtung, die im Vergleich zum Rückrundenstart nun weniger in Mannorientierungen organisiert wurde.

Insgesamt verteidigen die Offensivspieler des nominellen 4-3-3 oft eher zentral, ziehen sich also in den Halbräumen und dann nicht so weit – wie etwa für seitliches Doppeln – zurück. Eine solche Spielweise kann natürlich ihre Vor- und Nachteile haben, beispielsweise muss sich das Nachschiebeverhalten der Achter dann entsprechend anders gestalten als in anderen formativen Konstellationen. In diesem Teilaspekt besteht eine Frage darin, wie schnell und in welcher Form die Achter jeweils die Außenverteidiger unterstützen würden. Mit schnellen Anschlussverlagerungen kommt das Offensivteam dagegen nicht zwingend besser in 1gegen1-Momente als gegen typische 4-4-2-Anordnungen, aber zumindest etwas stabiler zum Aufrücken in Strafraumumgebung.

Das wäre auch ein Aspekt gewesen, den die Stuttgarter noch konsequenter hätten nutzen können. Beim Einsatz von Verlagerungen verhielten sie sich insgesamt eher wenig attackierend. Vor allem aber war die Entscheidungsfindung am Flügel nicht stringent genug, auf dem bei ihnen personell recht viel Gewicht lag: Teilweise wurde die Einbindung des Außenverteidigers verpasst und zu überambitioniert die eigene, direkt auf den Durchbruch zielende Aktion forciert. Letztlich setzte das Leverkusens Strafraumverteidigung nicht ausreichend unter Druck. Die engen Flügelstürmer Bayers konnten Abpraller aufnehmen. Um die auf entschärfende Passivität fokussierte tiefe Restanordnung herum gab es einige Abschlüsse für den VfB, aber hauptsächlich mittelmäßige Positionen.

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