Schalke nach den Personalwechseln
Die neuen sportlich Verantwortlichen drehen ein wenig an Stellschrauben und ergreifen einige konkrete Maßnahmen. Das Rückzugsverhalten des Mittelfelds oder die Anschlussaktion vom Flügelverteidiger etwa sind Kernbereiche.
Eine Mannschaft in nur zwei oder drei Trainingstagen „umzukrempeln“ bzw. größere strukturelle Veränderungen zu erarbeiten, ist eine schwierige Sache, nur in bestimmten Bereichen überhaupt umsetzbar. Das machte Huub Stevens in seinem Duo mit Mike Büskens bei den Schalkern auch gar nicht. Die beiden setzten erst einmal auf Stabilität mit einer tieferen 5-3-2-Defensivformation und versuchten damit auf dem Fundament aufzubauen, das noch vorhanden war.
Auch in den letzten Krisenwochen unter Domenico Tedesco funktionierte die Arbeit gegen den Ball meistens recht gut, zumindest als ein Aspekt. Zwar passte in manchen Spielen einige Feinheiten nicht so ganz, weshalb das Grundniveau unter dem der Vorsaison lag. Aber dass die „Königsblauen“ beispielsweise im Hinspiel gegen Manchester City unter dem nun freigestellten Coach einen starken Pressingplan aufs Feld brachten, geriet fast in Vergessenheit. Bei der Partie in England unter der Woche hatte Tedesco dann fast rein auf Stabilität im 5-4-1 gesetzt, welches sich in der Anfangsphase noch ordentlich schlug.
Für die Konstellation des zweiten Durchgangs – mit psychologisch demoralisiert wirkenden und in diesem Zustand zunehmend nachlässiger sowie gerade im Timing mitunter auch willkürlich agierenden Schalkern – war das Positionsspiel einer Guardiola-Mannschaft einer der ungünstigst möglichen Gegner: Gerade dieser Stil nutzte die Probleme besonders gleichförmig und strukturiert aus. Bei der wohl zweiten besonders schmerzlichen der zuletzt zahlreichen Niederlagen, dem deftigen 0:4 gegen Düsseldorf, war eben nicht das Pressing das Kernproblem der „Königsblauen“, als sie sich auskontern ließen, sondern die Absicherung und die Stabilität im Ballbesitz.
Prioritäten des Defensivansatzes
Es gab also bei der Arbeit gegen den Ball Punkte, die man zu Anknüpfungspunkten machen konnte. In der von Stevens und Büskens ausgewählten 5-3-2-Ordnung ließen sich für die Schalker nun gegen Leipzig entsprechend einige Gewohnheiten mitnehmen. Darüber hinaus gestaltete sich die genaue Ausführung insbesondere im Mittelfeldbereich wieder etwas kompakter. Das mag einerseits eine Frage der Reize und der Ansprache gewesen sein, dass bestimmte Abläufe oder Detailvorgaben für die Orientierung und Entscheidungsfindung nochmal einfach anders erklärt und vermittelt wurden als vorher.
Andererseits zeigten sich kleine Veränderungen in den taktischen Schwerpunkten und Verhaltensweisen. Die Flügelverteidiger rückten insgesamt noch etwas höher und häufiger heraus, wo die Akteure auch schon von der Entscheidungsfindung in den vergangenen Partien immer mal etwas zu vorsichtig gewesen waren. Dadurch gab es einfach mehr Situationen, wo eine dichtere Anordnung des Mittelfelds umsetzbar blieb. Vor allem betonte Schalke aber die Kompaktheit der drei Zentrumsspieler nach hinten. Deren Rückzugsbewegung zur Abwehr hin geschah sehr konsequent.
Dadurch hatten sie viel Präsenz am Sechzehner und entsprechend auch im Rückraum. Vor diesem Hintergrund eines solchen und weitgehend auch wirksamen Fokus auf die tiefe Stabilität entbehrte die kuriose Entstehung des 0:1 nicht einer gewissen Ironie. Für diese kompakte Anschlussbewegung nahm Schalke umgekehrt deutlich größere Vertikalabstände zwischen Mittelfeld und Sturm in Kauf, die die Ballsicherung nach Eroberungen des Leders im offensiven Umschalten erschwerten und dadurch in der ersten Halbzeit längere Ballbesitzphasen Leipzigs entstehen ließen. Bei den defensiven Abständen der Linien setzte Schalke also Prioritäten in die eine Richtung.
Leipzig vielversprechend, aber etwas zu sehr ballfern
Auf Seiten der Leipziger gestaltete sich das Anspielen dagegen wechselhaft. Sie suchten viele kleinere Überladungen auf einem Flügel, beispielsweise durch das hohe Ausweichen der Stürmer oder auf der linken Seite durch das tiefere gemeinsame Antreiben von Forsberg und Kampl aus den Räumen neben der Defensivformation. Insgesamt gab es aber etwas zu viele nach außen ziehende Bewegungen der jeweils anderen Akteure, um daraus stabile Verbindungen herzustellen. Schon zuletzt gegen Augsburg hatten sich phasenweise Tendenzen geballt, im Freilaufverhalten zu sehr in seitliche Bereiche zu ziehen und dann chaotisch zu werden.
Durch das umtriebige Pendeln von Sabitzer in den Halbräumen und weiter nach hinten konnten solche Gefahren immer mal abgefangen werden, aber letztlich ist der vielseitige Österreicher auch selbst nicht konstant genug, um das dauerhaft primär auszubalancieren. Der gegen Augsburg mehrmals zu stark auf den tiefen ballfernen Halbraum orientierte Adams war diesmal wichtig mit Bewegungen zentral im Gegenpressing. Starke Momente entwickelten die Mannen von Ralf Rangnick besonders nach Verlagerungen zwischen den Halbräumen, wenn sie verschiedene ballferne Ballungen zusätzlich mit einbeziehen konnten. Dann gingen sie engagiert ins Kombinieren über, manchmal etwas überambitioniert, aber prinzipiell mit guter Orientierung zur Dreiecksbildung.
Raumschaffende Versuche gegen Leipzigs Nachschieben
Was eine der wichtigsten und vielleicht die wichtigste Stärke der Leipziger in dieser Saison oder zumindest in deren aktueller Phase darstellt, ist das Nachschieben zur Seite im Pressing. Entweder ein Sechser oder ein Stürmer war schnell mit da, die zwei nominellen Offensivspieler des 4-2-2-2 rückten oft schräg aus der Mitte nach. Im Durchschieben der weiteren Kollegen zeigte sich die bekannte Grundorientierung der engen Formation auf die Ballseite, so brachte RB lokal viel Präsenz zusammen. Eher stand die Kompaktheit im Anschluss aus den ballfernen Bereichen aber im Schatten der hohen Dynamik, mit der die unmittelbare erste Gruppe Druck aufbaute.
Als Reaktion darauf hatten sich die Schalker aber etwas zurechtgelegt – für den häufigen Fall, dass die Eröffnung im Aufbau auf den Flügelverteidiger lief. Grundsätzlich versuchten sie von dort viele halblange Diagonalbälle in die Spitze zu spielen. Da bei den Gästen der ballnahe Außenverteidiger ohnehin vergleichsweise häufiger mit durchpresst und sich auch hier entsprechend beteiligte, muss die Abwehr etwas mehr Raum in der Breite dahinter abdecken. Dagegen wich der dortige Stürmer der Schalker vor allem schon früh auf die Seite in die Lücken, insbesondere Uth. Rechts brachten sie auch schon mal beide Angreifer nach außen.
Selbst wenn der Stürmer durch den gegnerischen Deckungsschatten nicht oder kaum anspielbar war, konnte so in den ersten Momenten womöglich der ballnahe Innenverteidiger weiter nach außen gezogen werden. Auf mögliche Unsauberkeiten in den Horizontalstaffelungen schienen die Schalker zu lauern: Einige Male spielten die Flügelverteidiger attackierende Diagonalpässe auf einen im ballfernen Halbraum vorstoßenden Achter. Für diese Konstellation konnte sich Rudy von jener Position weniger gut hereinbringen, ansonsten sorgte seine Hereinnahme für einige wichtige Ballsicherungen gegen Leipzigs Intensität.
Spielfortsetzung vom Flügel: McKennie-Dribblings und mehr
Wie genau sich das Spiel aus den Schalker Flügelzonen entwickelte, kam natürlich darauf an, in welcher Weise die Gäste jeweils die Zugriffsversuche gestalteten. Ihre aggressivsten Momente des Verschiebens trafen auf ein recht klares Verhaltensmuster der „Knappen“ für solche Situationen: Bei hoher Leipziger Dynamik suchten Oczipka und insbesondere der teilweise glänzende McKennie gerade nicht unbedingt frühzeitig das längere Zuspiel, sondern auch mal enorm offensiv ins Dribbling. Sie versuchten dann das forsche Anlaufverhalten der Pressingspieler gegen diese zu verkehren. Links gab es alternativ noch riskante Vorwärtspässe auf Rudy, der das Leder mit Querlagen wieder durchzufädeln versuchte.
Mit entsprechend konsequenter Einbindung solch individueller Elemente gelang es einige Male, mehrere Leipziger auf einmal zu überspielen, primär auf der rechten Seite. Das eröffnete den Schalkern die Möglichkeiten, schnell in die Tiefe zu gehen. Dafür machten die Bewegungsmuster der Angreifer einen guten Eindruck. Über den ballnahen Achter konnten sie in solchen Szenen geschickt hoch überladen, genau wie in der Entstehung des Abseitstors nach zwei Minuten. Für die Ausgangssituation zeigte sich die Rolle Serdars doch etwas arg unpräsent, auch wenn die Grundtendenz sich in das Bild der prägenden Bewegungen von McKennie und den Angreifern einfügte.
Insgesamt stellte sich bei den Schalkern die Struktur im Ballbesitz bereits recht sauber dar. Das Freilaufverhalten in ruhigen Situationen im zweiten Drittel gestaltete sich zurückhaltend bis passiv, eher zu wenig für konstante Synergien. Allerdings war das womöglich auch keine schlechte Wahl für eine Situation, in der nach dem Trainerwechsel noch kaum spezifische Bewegungsmuster neu eingearbeitet werden konnten – um gewissermaßen keine überaktiven, überambitionierten Versuche zu wagen bzw. in die Gefahr zu kommen, dass die Spieler sich übermäßig dazu verleiten ließen und letztlich eher gegenseitig Räume füreinander zuliefen.
Unangenehm an den Leipzigern als Gegnern war nun, dass diese sehr viel Athletik in der Restverteidigung einbringen können. Letztlich führte das dazu, dass gelegentliche Ansätze mit vergleichsweise höherer Wahrscheinlichkeit davon aufgefangen wurden. Die punktuellen Unsauberkeiten und Aussetzer der Gäste deuteten sich mal bei dem einen oder anderen Einwurf eher an. In der Schlussphase versuchte es Schalke dann noch mit mehr Offensivpräsenz, Rangnick reagierte darauf durch die Umstellung auf eine Fünferkette im 5-3-2 bzw. 5-4-1. Das reichte letztlich an defensiver Präsenz, um den Auswärtssieg vonseiten der Leipziger über die Zeit zu bringen.
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