Gutes Spiel in der Schwebe
Kein Sieger an der Anfield Road, aber Teilerfolge für beide Seiten: Sowohl Klopp als auch Kovac sehen gerade gegen den Ball einige starke Momente ihrer Teams, ohne dass sich daraus etwas allzu Herausragendes entwickelt hätte.
Ein 0:0 lässt vieles offen – so in etwa gestaltete sich die Stimmungslage nach der Partie. Nicht unähnlich war es auch im Spiel selbst gewesen, eine Begegnung, die letztlich keine so ganz klare Richtung einschlug. Viele Elemente befanden sich in ihrer Wirkungsweise „an der Kante“: Beispielsweise war Liverpool gegen den Ball gut bis stark, aber nicht herausragend. Wie gut nun ihre jeweiligen Pressingansätze in verschiedenen Feldzonen griffen, war eine knappe Angelegenheit in einem gewissen Graubereich: Mal lief es für den einen besser, mal für den anderen, zu grob ähnlichen Anteilen. Beide Mannschaften stellten sich gegenseitig vor Schwierigkeiten, beide konnten sich aber in unterschiedlichen Konstellationen auch teilweise gut daraus befreien. Bayern hatte lange – bis zur tieferen Ausrichtung in der letzten Phase des Matches – etwas mehr Spielanteile, Liverpool wirkte insgesamt gefährlicher und schaltete im zweiten Drittel noch stärker um.
Momente für Liverpools Pressing
Gegen den Ball setzte das Team von Jürgen Klopp auf das gewohnte 4-3-3-Pressing mit kompakter erster Reihe und auf eine hohe Ausführung dieser Spielweise gerade in der Anfangsphase – ein eingespieltes und gutes Programm. Die Flügelstürmer starteten zwischen Innen- und Außenverteidigern, Firmino war erst einmal knapp vor Martínez. Wenn dieser sich kurz zur Seite löste, konnte er natürlich für den zentralen Defensivspieler ein Dreieck und damit die Verbindung zu Kimmich oder Alaba herstellen, aber erst einmal stabilisierend, nicht auflösend.
Im Verschieben bewegte sich die Sturmreihe flach und jeweils so weit herüber, dass der ballferne Akteur auf Breite des Innenverteidigers stand. Das grundlegende Prinzip hinter dieser Anlage: Die gegnerischen Außenverteidiger werden eben nicht direkt zugestellt, sondern deren Einbindungsmöglichkeiten zu blockieren versucht und im Zweifel aus der Position im höheren Halbraum quasi „von oben“ angelaufen.
Gerade in den ballfernen Bereichen gab es die Pressingbewegungen der Außenstürmer nach vorne bogenförmig auf den entsprechenden Innenverteidiger, um die Passwege im Rücken zu blockieren, die beiden zentralen Abwehrakteure zum Zusammenspiel untereinander zu drängen und ihnen so den Raum abzuschneiden. Besonders geschah das bei Pressingspitzen, wenn auch der andere Flügelstürmer diagonal nachrückte. In der Folge boten Rückpässe für Liverpool immer wieder die Möglichkeit, durchzulaufen und weiter auf Neuer zu pressen.
Der ballferne Achter der Gastgeber orientierte sich meist an der Halbraumposition des Angreifers vor ihm, das ballnahe Pendant rückte in der Schnittstelle der ersten Reihe weiter vor, um dort den jeweiligen Münchener Gegner zu bedrängen. Fast dieselbe Verteilung galt in dieser Formationslinie auch beim Verschieben in tieferen Pressingphasen der „Reds“, welche normalerweise in den etwas vor der Mittellinie gelegenen Zonen anfingen.
Momente für Bayerns Ballsicherheit
Beim hohen Zustellen um den Strafraum herum versuchten es die Mannen von Niko Kovac nach einzelnen schwierigen Szenen der Anfangsminuten mit einer zügigen Anpassung: Thiago ließ sich tiefer nach halblinks fallen und besetzte gemeinsam mit Martínez konsequent die beiden Schnittstellen innerhalb der Dreierreihe Liverpools. Ein solches Grundmuster bildete schon das eine oder andere Mal einen hilfreichen Ausgangspunkt für Lösungsversuche gegen den Druck der „Reds“, bei einer jeweils eigenen speziellen Interpretation entsprechend den mannschaftlichen Gegebenheiten.
Bei den Bayern gehörten zu deren Umsetzung im Besonderen viele seitliche Bewegungen der Mittelfeldmannen sowie längere Pässe in den Raum und Verlagerungen. Auf der ballnahen Seite mussten die Achter eine solche Aufgabe übernehmen, sich nah zu den Außenverteidigern zu begeben und diesen eine direkte Anspielstation zu bieten. Dadurch konnten teilweise das Nachschieben hinter die Sturmreihe der gegnerischen Außenverteidiger geblockt und den eigenen Raum verschafft werden. Wichtig war, wenn ein anderer Mittelfeldkollege für schnelle Anschlussoptionen sorgte, je nach Situation hinter dem gegnerischen Flügelstürmer oder zwischen diesem und Firmino.
Ebenso konsequent setzten die Münchener die Unterstützungsbewegungen zunehmend auch in ballfernen Zonen um. Neuer verlagerte später gegen nachpressende Bewegungen gezielt in die horizontale Schnittstelle zwischen dem ballfernen Flügelstürmer und Achter. Dort schoben Martínez oder Thiago auf die Seite durch, um schnelle Weiterleitungen durch jene Horizontalabstände zu erhalten und dann nach vorne mitzunehmen.
Auf diese Weise erreichten die Münchener selbst gegen höheres Pressing einige Phasen ausgeprägter Ballsicherheit in der eigenen Hälfte. Allerdings brachten sie kaum Effektivität in die folgenden Übergänge, diese verliefen zu oft im Sande. Durch die kurzen kleinräumigen Unterstützungsaktionen und vor allem die vielen Bewegungen in ballferne Zonen wurden die Anbindungen an die anderen oder zumindest den dritten Mittelfeldmann zu groß und inkonstant.
Zunächst konnte der ballführende Akteur das Leder in den Raum mitnehmen, seine Kollegen aus dem Zentrum rückten aber eher zaghaft hinterher. Weitere Wege aus peripheren Bereichen sorgten in bestimmten Umgebungen für wechselhafte Unterstützung auf Abpraller und erschwerten es auch Lewandowski, längere Pässe festzumachen, die die Münchener unter dem Druck gegnerischer Angriffspressingphasen ebenfalls spielen mussten. Gelegentlich gelang es dem Mittelstürmer zwar individuell, den einen oder anderen Ball zu sichern, aber besonders häufig war das letztlich nicht.
Flügelverteidigung über das Mittelfeld
Hatten die Bayern sich über die Flügel und vorbereitende Verlagerungen aus dem ersten Drittel herausgespielt, blieb fast immer nur als Anschlussaktion, das Leder zum Außenstürmer zu tragen. Das Andribbeln von Coman und Gnabry gehörte erneut zu den Hauptmitteln auf dem Weg nach vorne. In der Flügelverteidigung kam Liverpool mit ihrem Dreiermittelfeld jeweils schnell und sauber auf die Seite. Sie staffelten sich dort geschickt, auch der ballferne Achter schloss recht eng an. Die starke, umfangreiche Unterstützung von diesen Positionen ermöglichte es den Flügelstürmern, in der eigenen Hälfte etwas höher im Halbraum zu verteidigen und so kürzere Umschaltwege zu haben.
Im zweiten Drittel schien Liverpools Mittelfeld mit einer insgesamt aufmerksamen Positionsfindung fast schon zu sehr auf einige Schlüsselpasswege konzentriert und verpasste so in den ersten Momenten auch Möglichkeiten für potentielle Pressingübergänge am Flügel. Henderson hatte beispielsweise ambitionierte und starke Verschiebungen zwischen zwei Positionen, aus denen sich der entsprechende Passweg auf unterschiedliche Weisen verteidigen ließ. Einmal deckte er einen prinzipiell wichtigen diagonalen Zugang in den Halbraum besonders engagiert, dessen Öffnung aber in jener Situation nur eine Verlagerungsmöglichkeit und darin keine groß andere Dynamik bedeutet hätte, als sie den Bayern am Ball vom Flügel auch schon möglich war.
Teilweise hielt sich der Kapitän der Gastgeber dann beinahe zu „horizontal“ zum Leder und verlor kleinere Bewegungsoptionen im Nachschieben. In solchen Konstellationen stellten die ersten Spieler die Münchener zwar, in der Folge musste aber deren Aufrücken hingenommen werden. So hatten die Bayern in Halbzeit eins eigentlich einiges an Offensivpräsenz, darin allerdings wenig Durchschlagskraft. Den jeweiligen Flügelpärchen stellten die Mannen von Klopp das kompakte Nachschieben durch den ballnahen Achter und auch den breit helfenden Henderson gegenüber.
Ausweichende und absichernde Bewegungsmuster
Einige Male konnte Liverpool diese potentielle Überzahl auch ausspielen und fast jegliche unmittelbare Tororientierung blockieren. In jedem Fall schnitt die tiefere 4-3-Struktur das entsprechende Flügelduo der Gäste insgesamt gut von den anderen beiden Angreifern ab. Bei den Bayern gab es eine achtermäßige Rollenverteilung, wenn die zwei vordersten Mittelfeldakteure mit aufrückten: Einer positionierte sich ballnah im Halbraum etwas tiefer als Sechzehnerhöhe und stand dort quasi als sichere Anspielstation im Rückraum bereit, um beim Abbruch von Angriffen schnelle Rückpassstrukturen herzustellen. Auch Gegenpressing war für diesen Spieler schnell möglich.
Der andere Akteur setzte sich häufiger auch ballfern ab und lauerte dann mitunter breiter als der in den Strafraum ziehende Flügelstürmer im Hinterhalt, mal etwas höher, mal etwas tiefer. Diese Aufgabe fiel primär James zu, der sich häufig großräumig entfernte, um dann plötzlich wieder aufzutauchen. Bei Thiago zeigte sich jene Interpretation deutlich seltener. Wenn mal Martínez jene ballferne Rolle übernahm, besetzte dieser stattdessen eher direkt zusätzlich den Sechzehner um Lewandowski herum. Insgesamt hatte das Freilaufverhalten der Münchener Mittelfeldspieler aber einen unstetigen und diesmal zudem einen etwas defensiveren Zug.
Während die Aktionen, die es ins letzte Drittel hinein gab, klar angelegt klaren, blieben die Bewegungen dorthin oft genug auch aus: Von diesen Positionen hielten sich die Bayern zurück. Teilweise griffen sie nur mit den Flügeln und Lewandowski an, kein Mittelfeldmann ging nach vorne, James hielt beispielsweise sogar herausgekippte Positionen im zweiten Drittel. In solchen Fällen wurde die genaue Raumbesetzung in der Tiefe mitunter dann etwas unausgewogen und gewissermaßen „verschwenderisch“.
Aber wenn die Zentrumsspieler der Münchener nicht nach vorne gingen, hatten sie so in jedem Fall sehr viele Spieler hinter dem Ball und nutzten das auch entsprechend aus. Gegen initiale Auslösungen von Kontern Liverpools bewegten sie sich gut und geschickt, wenn auch aus vielleicht nicht ganz optimaler Ausgangsstaffelung. Trotz der vielversprechenden Startpositionen von Salah und Mané für solche Szenen kamen die Gastgeber kaum mal zu gefährlichen Gegenstößen.
Umschaltvorteile bei den Gastgebern
Umschaltmomente hatte Liverpool eher aus anderen Konstellationen, nach höheren Ballgewinnen etwa: Das war beispielsweise der Fall, wenn Neuer oder die Innenverteidiger unter Druck Chippässe ins Mittelfeld spielen mussten und die Münchener dort mit nur einer etwas unpassenden oder überambitionierten Ausweichbewegung schnell zu weit auseinander gezogen standen. Auch bei dynamischen Ballwechseln im zweiten Drittel konnte Liverpool seine Stärken ausspielen.
Trotz der gruppentaktischen Organisation und Agilität der Münchener Zentrumsspieler agierte der Gastgeber noch etwas geschlossener im Gegenpressing und auf Abpraller. Vor allem die Nachrückbewegung im mannschaftlichen Rahmen machte noch einmal einen kleinen Unterschied zum Nachsetzen bei den Gästen aus. Das half Liverpool auch für die Folgeaktionen während des Umschaltens, wenn sie sich nach Ballgewinnen – im zweiten Drittel oder etwas weiter vorne – zum Tor aufgemacht hatten:
Die beiden Achter waren meist schnell mit dabei zum Strafraum hin – manchmal etwas zu flach in die Staffelungen hinein ziehend, aber in schwierigen Szenen und aus laufenden oder neu startenden Bewegungen heraus mit vielen Ballsicherungen – und konnten dort umgehend in den engen Situationen mit stochern, wenn Liverpool aus der ersten Welle heraus keine saubere Aktion gegen die Restverteidigung erreicht hatte. Durch hohes Gegenpressing brachte der zweite Ball noch einige Abschlüsse, neben den zwei, drei starken Spielzügen. So waren die Umschaltqualitäten des Teams also ganz entscheidend dafür, dass die „Reds“ insgesamt etwas mehr und unmittelbarer Gefahr versprühten.
Starke Bewegungen in der ersten Pressinglinie als Entlastung
Um Bayern noch nachhaltiger unter Druck setzen und die Partie wirklich klar an sich reißen zu können, hätte Liverpool aber aus dem eigenen Aufbau mehr Wirkung entfalten müssen. Sie sahen sich in weiten Teilen einem guten Pressing der Münchener gegenüber. Vorne formierte sich James bei loser Orientierung an Henderson häufig neben Lewandowski, beide bewegten sich gut und ausgewogen gegen den Ball. Letztgenannter hielt sich zunächst etwas tiefer, rückte nicht zu weit heraus und orientierte sich gleichmäßig zwischen beiden Innenverteidigern, um nicht zu weit zu einer Seite gezogen zu werden.
Wenn James gegen Verlagerungen innerhalb der ersten Linie nachrücken und sich stärker von Henderson lösen musste, fiel Lewandowski ballfern zurück, aber blieb etwas breiter und höher als der gegnerische Sechser – ziemlich balanciert so, dass er möglichst viel Raum abdecken und trotzdem schnelle Zugriffsmöglichkeiten auf den Mittelfeldmann behalten würde. In dieser Konstellation konnte Henderson zwar kurz eingebunden werden, aber musste meist wieder Rückpässe anschließen.
So lief es häufig auf Eröffnungen über die Außenverteidiger hinaus. Gegen diese Konstellation konnten die Bayern ihre für die letzte Zeit typischen Mannorientierungen im Mittelfeld besser anbringen. Mit der frühen Verschiebung zum Flügel wurden die Bewegungsspielräume kleiner, um sich daraus zu lösen. Grundsätzlich gab es jeweils drei direkte Zuordnungen im zentralen Trio der Münchener. Am Flügel konnte eine Deckung des ballfernen Achters aber einfacher aufgelöst werden, da der eigene Außenspieler von der anderen Seite beim Verschieben in dessen Umkreis war.
Prinzipiell blieb dafür Martínez als tiefster Akteur frei und konnte sich mehr mit den weiten Rückstößen Firminos beschäftigen. So mussten die Innenverteidiger jenen nicht so häufig und vor allem nicht so frühzeitig verfolgen. Zwar wurden die Herausrückbewegungen der Abwehrspieler ohnehin mit besserem Timing umgesetzt und innerhalb der letzten Linie konsequenter abgesichert als zuletzt. Noch besser war es aber, wenn Martínez die Zurückfallbewegungen des Mittelstürmers aufnahm.
Nicht nur bei Einwürfen verging längere Zeit, bis die drei oder vier ballnahen und allesamt eng gedeckten Spieler untereinander rochiert und einer für kurzes Prallenlassen anspielbar war. Tiefenbewegungen eines Achters aus der Formation heraus brachten auch nicht den großen Fortschritt für Liverpools Aufbau: Die Mannorientierungen wurden seitens der Bayern kurz ausgesetzt, potentiell konnte der jeweilige Flügelstürmer leicht herausrücken oder sich defensiv etwas enger orientieren.
Liverpools mit Ansätzen, Bayern mit späterem Rückzug
Wenn die Gastgeber die gegnerischen Zuordnungen mal sauber aus zentraler Ausgangsposition heraus bespielen konnten, wurde gelegentlich das Potential deutlich, das dagegen möglich gewesen wäre. Zu Beginn geschah das etwa einige Male durch Vertikal- und Diagonalpässe Matips, als James noch tiefer und 4-1-4-1-hafter verteidigte. Hinter der ersten wurde die zweite Linie in solchen Fällen durch eine Ausweichbewegung des ballnahen Achters geöffnet.
Ein typisches Muster, wie es Liverpool forcierte, aber insgesamt nicht so häufig gelang, bildete das direkte Anspiel auf den zentralen Angreifer: Das Mittelfeld war stärker beschäftigt, Firmino konnte um Martínez herum überladen, Hummels musste wieder weit heraus. Solche Bewegungen drohten dann riskant zu werden, wenn gleichzeitig der zuvor ausgewichene Achter konsequent in den Rücken des Innenverteidigers startete und dem Angreifer die direkte Weiterleitung in die Tiefe gelang.
Zwei oder drei solcher Ansätze gab es: Die Restverteidigung schloss dann zwar das entstehende Loch des herausgerückten Innenverteidigers, vor der Abwehr lag aber Raum für den aufrückenden Achter. Bei solchen oder ähnlichen Vertikalangriffen, ebenso wie einigen Umschaltszenen, glänzten die Mittelfeldakteure mit manchen starken Ballmitnahmen und Dribblings. Dass Liverpool die eigenen Angriffszüge zwischen den Mannorientierungen hindurch aus dem Aufbau nur punktuell einsetzen konnte, war ein Verdienst in entscheidendem Maße der guten Defensivarbeit der Münchener in der ersten Pressinglinie. Dort machten sie in dieser Partie einen großen Fortschritt.
Unter diesen Voraussetzungen war es am Ende keine Fehlkalkulation, sich in für die letzten etwa dreißig Minuten tiefer zurückzuziehen als zuvor und stärker auf die Verteidigung zu konzentrieren. Ähnliche strategische Entscheidungen sind unter anderen Umständen diese Saison bereits weniger unbeschadet ausgegangen. In der tieferen Staffelung kamen nicht zuletzt auch noch individuell starke Leistungen als Teil der Strafraum- und Restverteidigung hervor, die diesmal einen konsequenten Eindruck machte.
Fazit
Zum einen zeigten sich die Bayern etwas konsequenter als zuletzt und in manchen Punkten auch tatsächlich eine Leistung, die ihnen im Vorhinein nicht zugetraut worden war. In der tiefen Ballzirkulation hatten sie einige gute und gewinnbringende Momente. Bei der Arbeit gegen den Ball gab es eine Steigerung zu den letzten Spielen, ob in den Bewegungen der ersten Linie, gruppentaktisch im Mittelfeld oder in der Strafraumverteidigung. Zum anderen erledigte Liverpool seine Hausaufgaben und lieferte das, was sie bringen mussten. Ihr Pressing wurde zwar etwas häufiger überspielt als sonst und die Folgewirkungen der personellen Engpässe in der Abwehr ließen sich nicht komplett kaschieren. Aber eine etwas breitere Angriffsfläche boten die „Reds“ nicht, waren sie immer im Spiel, lief das mannschaftliche Getriebe durchweg auf funktionsfähig. In letzter Instanz stellten die Gastgeber auch das insgesamt etwas gefährlichere Team mit den klareren Torannäherungen. Erst einmal ist das 0:0 aber wohl für beide okay.
8 Kommentare Alle anzeigen
Daniel 22. Februar 2019 um 18:19
Der Hauptunterschied zur Liga war in meinen Augen die deutlich tiefere kollektive Ausrichtung der Mannschaft. Sowohl die AV Alaba und Kimmich als auch die Sechser Thiago und Martinez haben sich mit offensiven Ausflügen extrem zurückgehalten. Entsprechend war Bayern in der Defensivbewegung fast immer in Überzahl (und-logisch-in der Offensive in Unterzahl). Zudem wurde Pools Formation lose gespiegelt (2-1 Formation im Mittelfeld gegen Liverpools 1-2 Formation), sodass es eigentlich immer klare Zuordnungen gab. So hat Bayern ein sehr chancenarmes Spiel erzwungen. Ich kann mir tatsächlich vorstellen, dass es im Rückspiel erstmal mehr oder weniger genau so weitergehen wird, bis irgendwann auf einer Seite dann einer reintrudelt (oder-wenn keiner reintrudelt-auch bis zum Elfmeterschießen), dann muss eine Mannschaft kommen und es entwickelt sich doch noch das spektakuläre Spiel, das viele erwartet haben. Und dennoch sollte man es mit der Lobhudelei auch nicht übertreiben: wenn das Spiel so wie es war 10-mal gespielt wird wird es Liverpool wohl mindestens fünfmal gewinnen.
Von der Grundausrichtung her war das wohl das Spiel, das Kovac in seiner Amtszeit in München bisher am meisten entgegenkam. Erstmals fand er sich in einer Außenseiter-Rolle wieder und konnte all das umsetzen, was ihn in Frankfurt ausgemacht hat: kämpfen und den Gegner auf das eigene Niveau herunterziehen. Im Grunde ein Spiel, wie es der FC Bayern in den letzten Jahren oft erlebt hat, nur mit umgekehrter Rollenverteilung. Die Transformation des FCB in einen Underdog hat in diesem Spiel ihren vorläufigen Höhepunkt gefunden. Und-das muss man Kovac lassen-er hat gezeigt, dass er Catenaccio nach wie vor auf hohem Niveau beherrscht. Das ist wohl auch das, was mit diesem Trainer bezweckt wurde: zu versuchen, die CL zu gewinnen, wie das 2012 Chelsea tat oder wie 2004 Griechenland Europameister wurde.
Leider hat man in meinen Augen auch gesehen, was dem FCB fehlt, um mit diesem Spielstil wirklich eine echte Titeloption zu haben: Angreifer, die aus Unterzahlsituationen heraus wirklich gefährlich werden können. In Frankfurt hatte Kovac mit Jovic, Rebic und Haller drei physische und schnelle Abschlussspieler, die auch mit wenig Unterstützung jederzeit Gefahr erzeugen konnten. Lewandowski ist ein anderer Typ, seine Stärke sind seine spielerischen Fähigkeiten und seine Kombinationsstärke und nicht Geschwindigkeit, Physis und Abschlussstärke. Auf James, Müller, Ribéry und Robben trifft das noch mehr zu. Coman und Gnabry können es von ihren Fähigkeiten her, aber sie sind noch nicht so gut, um eine Mannschaft mit ihren Fähigkeiten offensiv allein tragen zu können und sind zudem beide sehr verletzungsanfällig. Frankfurt mag mit einem ähnlichen Spielstil die Bayern geschlagen haben, aber Bayern kann damit deshalb-selbst wenn der defensive Fokus funktioniert-maximal auf ein 0:0 hoffen. Das aber wird irgendwann zu wenig sein.
AG 22. Februar 2019 um 16:00
Anderes Thema: Europa-League. Die Eintracht hat ja schon wieder ein echt schweres Los mit Inter gezogen. Das dürfte wirklich eine Nummer zu schwer sein. Ähnlich schlimm hat es Salzburg getroffen mit Neapel, da endet wohl auch deren beeindruckende Reise.
Daniel 22. Februar 2019 um 17:39
Ich würde Frankfurt und Salzburg jetzt nicht von vornherein abschreiben, obwohl die Italiener sicherlich in beiden Spielen favorisiert sind. Aber stimmt schon, es zeichnet sich erneut ein extrem schwaches Jahr der Bundesliga im Europapokal ab. Mit nur ein wenig Pech wird kein Bundesligist ein europäisches Viertelfinale erreichen, da müssen sämtliche Alarmglocken bei den Verantwortlichen in DFB und Liga schrillen. Ich würd jetzt mal zwei Ursachen für diese Entwicklung sehen:
1) die fehlende Kontinuität bei den beteiligten Vereinen. In Deutschland gibt es eigentlich nur Bayern und Dortmund, die verlässlich die internationalen Plätze erreichen und deshalb dauerhaft für eine Dreifachbelastung planen können (Leipzig ist gerade dabei, sich in dieser Region auch ansiedeln, die sind noch in der Aufbauphase). Die restlichen fünf Plätze variieren von Saison zu Saison. Theoretisch müsste eigentlich Schalke auch zu dieser Gruppe gehören, mit 244 Millionen Euro sind sie laut der Deloitte-Rangliste der Verein mit dem sechzehntgrößten Umsatz der Welt und klar die Nummer drei in Deutschland. Dennoch werden sie diese Saison vermutlich zum zweiten mal in drei Jahren die europäischen Plätze verfehlen. Man muss Tedesco und Heidel vorwerfen, dass sie es nicht ansatzweise schaffen, das Potenzial des Vereins auszuschöpfen. Bayer Leverkusen ist der einzige Verein, der es neben Bayern, Dortmund und seit ihrem Aufstieg Leipzig relativ regelmäßig in die europäischen Wettbewerbe schafft-aber diesen Verein nennt man halt nicht umsonst im Volksmund Loserkusen. Sobald sie ernsthaft in Gefahr geraten, um einen Titel mitzuspielen, verlieren sie zur Not auch gegen Heidenheim. Der Rest der Bundesliga besteht aus Vereinen, die binnen kürzester Zeit vom Abstiegskandidaten zum Europapokalteilnehmer und wieder zurück mutieren können (Hoffenheim, Köln, Augsburg, Freiburg etc). Das Problem dieser Teams ist aber, dass sie es vielleicht mal kurzfristig in den Europapokal schaffen, weils grad läuft (Köln) oder auch ein paar Jahre infolge, weil sie grad den besten Trainer der Liga haben (Hoffenheim), aber strukturell und auch großteils von den Spielern bleiben es trotzdem Abstiegskandidaten und haben dann im Europapokal nicht so die ganz großen Chancen. Borussia Mönchengladbach hat sich da mittlerweile insofern herausgearbeitet, dass sie zwar kein fester Europapokalteilnehmer sind, aber zumindest auch bei sehr schlechtem Velauf (wie letztes Jahr) nicht in ernsthafte Abstiegsgefahr kommen. Wenn Frankfurt aus ihrer momentan guten Phase viel machen können sie vielleicht ähnliches schaffen.
Das ist ein Unterschied zu den erfolgreichsten Ligen in Spanien und England, die komplett anders strukturiert sind. Ganz extrem ist es in England: es gibt sechs gute Teams (zwei Manchesters, Liverpool, Tottenham, Chelsea und Arsenal). Die belegen die Plätze 1-6 (also die direkten Europapokalplätze), interessant ist nur die Reihenfolge. Die restlichen Teams kennt niemand und sind egal. In Spanien ist es nicht ganz so krass, aber auch da gibts mit Barca, Real, Atletico und Sevilla zumindest vier Vereine, die praktisch immer in den Europapokal kommen (drei davon in die CL).
2) die fehlende Kontinuität bei den Spielern: sobald die heiße Phase in der CL ansteht verletzen sich bei den deutschen Vertretern zuverlässig mindestens vier Spieler, meist Stammkräfte. Ob nun Boateng, Goretzka, Tolisso, Robben (,Coman, der in Liverpool erkennbar angeschlagen spielen musste) bei Bayern, Piszcek, Akanji, Weigl, Reus, Alcacer beim BVB oder Stambouli, Schöpf, Burgstaller, Skrzybski bei Schalke (letztere beiden standen im Kader, kamen aber frisch aus Verletzungen und waren nur für wenige Minuten eine Option). Entsprechend stehen dann zusammengewürfelte B-Mannschaften eingespielten Topteams in Bestbesetzung gegenüber-kein Wunder, dass das meistens schief geht. Süß fand ich ja, wie vor dem Spiel in Liverpool über die vermeintlichen Personalprobleme Liverpools gesprochen wurde, nur weil da mit Lovren und Gomez mal zwei Spieler ausgefallen sind. In München würde man jubeln, wenn in einem solchen Spiel mal nur zwei fehlen würden.
Chris 25. Februar 2019 um 13:49
Zweite These ist glaube ich nicht haltbar und einer subjektiven Sichtweise geschuldet. Es müsste bedeuten, dass die dt. Spieler systematisch schlechter betreut und/oder stärker überlastet sind. Für beide Hypothesen finden sich wenig Anhaltspunkte. Ganz im Gegenteil: Pep und Klopp haben mehrmals den englischen Spielplan kritisiert und die hohen Verletzungszahlen.
Erste These: Planungssicherheit ist vielleicht ein kleiner Teil. Bedeutender vermute ich ist simpel: Budget. Zeichnest du einfach das verfügbare Geld mit den Europapokalerfolgen, wird Dt. erwartungsgemäß abschneiden. Schalke mag underpoerformen, anderen überperformen. In den Vereinen sind das aber meist indivdiduelle Stärken und Schwächen, bsd, Trainer, weniger das System Bundesliga – was sollte man da auch ändern, um zielgerichtet den EUPokal zu stärken?
FAB 21. Februar 2019 um 13:26
Die Defensivarbeit der Bayern wird hier sehr eindrucksvoll von TR beschrieben und auch wenn Liverpool beim xG Wert theoretisch 2,2 – 0,5 „gewonnen“ hat, waren diese Chancen immer so, dass durch die überragende Endverteidigung der Bayern aus meiner Sicht die 3-4 Chancen der Liverpooler eigentlich doch nicht so glasklar. In diesem Sinne war es auch kein glückliches 0-0, sondern ein logisches.
Allerdings fragt man sich jetzt, wie die Bayern nun zu Hause 1-2 Tore schießen wollen. Was könnte also das Offensivkonzept von Kovac sein? Im Hinspiel gab es hierzu ja doch einige enttäuschende Eindrücke:
Zum Einen dachte ich, dass die Bayern Liverpool doch etwas weiter vom Tor weghalten können, das ist nicht so ganz optimal gelungen. Das lag, fand ich an Keitas überraschend guter Dynamik, v.a. in der ersten Halbzeit (ein gelungener Schachzug von Klopp ihn, anstelle von Millner zu bringen), zum Anderen war James doch überraschend blass in den Umschaltmomenten. Bayern konnte gut aus der Verteidigung herausspielen, hat es dann aber irgendwie zu selten geschafft, denn Ball in eine offensive Position zu schleppen.
Auch Gnabry fand ich etwas enttäuschend, wie im Eingangsschaubild dargestellt, hat Klopp ihm relativ viel Raum zugestanden. Gnabry fiel es aber verdammt schwer ihn zu nutzen (Robertson wurde nur situativ von Henderson unterstützt), war oft etwas behäbig und ungenau in seinen Aktionen. Coman war der Fokus auf den sich Liverpool etwas stärker konzentriert hatte, zu dessen Abischerung sogar zeitweise Salah „geopfert“ wurde, indem er in diesem Spiel doch sehr flügellastig agierte und auch stärker in die Defensivarbeit eingebunden war als über rechts Mane.
Wie können die Bayern nun also im Heimspiel ihre Tore schießen? Letztlich bräuchte es zusätzlich zur heroischen Defensivleistung vom Hinspiel noch Ähnliches in der Offensive für das Rückspiel. Ein Müller, der zu alter Form erwacht, ein James der an seine beste Kolumbien- Zeiten anknüpft. Möglich ist das, aber doch sehr fraglich.
Ich hatte ein eher besseres Ergebnis für die Bayern im Hinspiel erwartet (z.B. ein 1:1), nun ist aus meiner Sicht die Ausgangssituation etwas besser geworden, also etwa 60:40 für Liverpool.
Außerdem ganz allgemein zu den Bundesligisten: Ein immer wiederkehrendes Muster ist, das späte Verspielen von guten Ausgangssituationen:
In den deutsch-britischen Duellen würde die Bundesliga zur Halbzeit noch 2-1 führen, in den letzten 10 Minuten hat sich der BVB und Schalke aber noch 4 Tore reinhauen lassen. Ähnliches bei Hoffenheim in der Vorrunde: Zur Pause stand es in den beiden Spielen gegen City jeweils 1-1, gegen Donezk hat man jeweils noch 2-1 geführt, um sich dann in der zweiten Halbzeit 4 Tore einzufangen (davon 3 wieder in den letzten 10 Minute). Gegen Lyon war es tatsächlich mal anders.
Dieses Muster beobachte sich schon seit Jahren, oft dazu werden diese späten Gegentore auch noch von individuellen Fehler begünstigt …
Chris 25. Februar 2019 um 12:12
Naja, der xG bezieht die Chancenqualität und Endverteidigungsmöglichkeiten natürlich mit ein. Deshalb heißt er ja expected goals, und nicht expected shots on target oder expected chances.
Dein zweiter Punkt ist interessant und man müsste das natürlich breiter statistisch untersuchen, weil man wsl nur allzu leicht sich solche Ausgänge merkt, die emotional im Gedächtnis hängen geblieben sind.
Ich glaube aber sogar, man könnte es belegen. Das hat auch einen einfachen Grund: Schwächere Mannschaften können natürlich einige Zeit mit erhöhtem Aufwand eine Partie ausgeglichen gestalten, bis die Kräfte nachlassen. Oder die bessere Mannschaft ist simpel taktisch auch variabler (oder hat nen guten ingame-Coach…) und kann sich dann im Laufe der 90 Minuten besser auf den Gegner einstellen. Es ist also nicht Pech oder Dummheit der schwächeren Mannschaft wie Schalke oder Hoffenheim – dieses Saison bei Man City ganz allgemein: In vielen matches spielen einige Mannschaften recht lange mit – bis sie dann entkräftet auch Konzentrationsfehler machen („individuelle Fehler“), Pep umstellt und die Spieler sich immer besser auf die Verteidigung einschießen.
fluxkompensator 21. Februar 2019 um 11:26
Ich fand ja entgegen der medialen Berichterstattung nicht Martinez, sondern besonders Thiago herausragend in diesem Spiel: Sehr oft mit Dribblings und tollen Bewegungen aus dem Pressing gelöst (hätte meines Erachtens noch viel öfter bzw. besser eingebunden werden müssen) und Gegenpressingversuche so oft alleine aufgelöst.
tobit 21. Februar 2019 um 10:35
Hat TR gerade Urlaub? So viele tolle Artikel in so kurzer Zeit. Vielen dank dafür.