Uruguay müht sich ins Turnier
Beide Teams tun sich schwer erst beim Aufbauen und später beim Kreieren. Uruguay deutet teilweise unorthodoxe Mechanismen im Halbraum an, vergisst sie aber zunehmend.
Gerade in der Anfangsphase dieser Begegnung ergab sich ein typisches Bild von Aufbauschwierigkeiten, und zwar zunächst in einer hektischen Ausprägung: Die Sechser versuchten jeweils zwischen den Stürmern der gegnerischen 4-4-2-Defensivspielweise freizukommen und aufzudrehen, mussten aber schnell aufpassen, nicht von einem herausrückenden gegnerischen Mittelfeldmann unter Druck zu geraten. So waren sie oft gezwungen, das Leder bald nach außen weiterlaufen zu lassen. Von dort mussten viele Aktionen gestartet werden, meist war jedoch schon Unruhe in die Abläufe hineingekommen und so ergaben sich nur nicht besonders erfolgsstabile Direktangriffe durch die eher hoch interpretierten Offensivpositionen, anfangs auch bei Ägypten, wo Zehner Said weit vorne horizontal herum driftete.
Gelegentlich wurden einzelne Aufbauszenen erfolgreicher aufgelöst, im ägyptischen Fall durch clevere Kurzpässe und Körpertäuschungen von Rechtsverteidiger Fahti aus eingerückten Positionen, der teilweise den diagonalen Zugriff von Suárez bzw. Cavani auflösen und Elneny nach vorne schicken konnte. Im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit wurde die gesamte Partie etwas ruhiger, da sich beide Teams im Pressing nach der Anfangsphase ein wenig nach hinten zurückzogen. Die Grundstrukturen veränderten sich dadurch abwer nicht, fanden nur leicht höher und geduldiger statt: Weiterhin taten sich die Mannschaften schwer, aus dem Aufbau heraus Dynamik aufzunehmen und in den Offensivzonen schließlich Kreativität zu entwickeln.
Ansätze bei den Uruguayern
Die Uruguayer hatten erwartungsgemäß etwas mehr vom Spiel und vom Ball. Sie versuchten sich mit einer leicht rechtslastigen Anlage über die seitlichen Rückstöße von Nández, die präsentere Einbindung Varelas und die gelegentlichen Rochaden von Vecino. Diese Seitenüberladungen selbst sorgten zwar während des Aufbaus für manche raumöffnende Effekte gegen Trezeguet oder den helfenden Said. Sowohl in den Übergangs- als auch in den Angriffszonen brachten sie jedoch wenig Effekt, da die genaue Positionsfindung häufig nicht so harmonisch passte. Potential gab es für die „Himmelblauen“ prinzipiell über beide Halbräume:
Besser kamen sie auf halbrechts durch, wenn sie zunächst aus dem anderen Halbraum über den geduldigen Bentancur aufbauten. Elneny rückte sehr konsequent auf diesen heraus. Wenn Uruguay dann Vecino schnell überspielte und dieser sich dabei geschickt bewegte, gleichzeitig auch vom rechten Flügel abwechselnd raumschaffende Aktionen angeboten wurden, bekam Hamed als verbleibender Mittelfeldspieler Schwierigkeiten mit der Kontrolle der Räume um ihn herum. Zum einen versuchte Uruguay das über seitliches Aufrücken von Giménez und anschließende Tiefenpässe auf Varela hinter die Abwehr zu bespielen, vielversprechender war jedoch der Ball in den Halbraum, wo sich einer der Stürmer explosiv für das vertikale Zuspiel freilief und die Aktion weiterführen konnte.
Stärker schalteten sich die Angreifer jedoch auf der anderen Seite ein: Gerade hier sah man häufiger sehr breite Positionierungen im Bereich um Fathi herum. Speziell in der Anfangsphase verhielt sich Ägypten dagegen vorsichtig und ließ Warda frühzeitig zurückfallen, punktuell fast mit Ansätzen wie beim Doppeln gegen die uruguayischen Topstars. Dadurch wurde der Halbraum neben Elneny etwas offener und de Arrascaeta konnte dort einrückend Bälle fordern und antreiben. Überhaupt zeigte er sich umtriebig, driftete aber nicht immer zielgerichtet genug durch die Räume.
Einzelne Glanzpunkte, aber generelles Nachlassen
Besonders vielversprechend war es, wenn er auch raumschaffend weiter nach rechts driftete und so Elneny binden konnte. Da gleichzeitig einer der beiden breit nach links gewichenen Stürmer die Abwehrkette außen band, ergab sich für seinen Partner eine größere Halbraumlücke, in die dieser sich fallen lassen konnte. Aus diesen Zonen konnten die Angreifer gelegentlich antreiben und in schnelle Kombinationen untereinander übergehen – die insgesamt besten Szenen des Teams. Ein kurzer ansehnlicher Spielzug brachte Cavani eine frühe Chance, ähnlich war es bei einem furiosen Abschluss in Halbzeit zwei.
Jedoch wurden diese Ansätze über halblinks im Laufe der Begegnung immer weniger fokussiert und zunehmend vernachlässigt. Stattdessen tendierten die Uruguayer gerade im zweiten Spielabschnitt immer stärker zu flachen 4-2-4-Staffelungen, deren geringes Optionsangebot schon in den letzten Jahren unter Tabárez immer mal für Probleme sorgte. Über die angesprochenen Versuche über die Halbräume kam das Team nach dem Seitenwechsel zu zwei Riesenchancen, blieb ansonsten aber harmlos und haderte mit der tiefstehenden gegnerischen Defensive. So brauchte es also das späte Siegtor per Standardsituation.
Ägypten mit wenig Offensivgefahr
Man könnte den Sieg aufgrund dieses Zustandekommens und der mühsamen Art des uruguayischen Angriffsspiels als glücklich, wegen des deutlichen Chancenplus aber auch als nicht unverdient ansehen. Wenn ein Team wirklich gefährlich wurde, dann war es der Favorit, während die Ägypter trotz einer bemühten Vorstellung fast überhaupt keine klaren Szenen hatten. Einige gute Momente in der Einbindung der Außenverteidiger und die diesmal recht gut abgestimmten Rochaden innerhalb des defensiven Mittelfeld trugen dazu bei, dass sie im Laufe der Partie immer mal hinter die gegnerischen Stürmer kamen und dementsprechend in die Offensivzonen gelangen konnten.
Spätestens dort boten sie aber nur sehr simple Mechanismen. Durch das flexible Ausweichen von Said gab es einzelne Seitenüberladungen, aus diesen heraus aber kaum klare Bewegungen nach vorne: Außerhalb der Formation kombinierten sie ein wenig am Flügel, brachen dann aber letztlich ab und brachten nur selten Anschlussläufe in die Zwischenräume oder Schnittstellen. So stellten ihre Versuche keine wirkliche Gefahr für die Endverteidigung Uruguays um die stabilen Atlético-Innenverteidiger dar.
Rückraumzirkulation und Umschaltszenen
Stattdessen zeigten sich – für Ägypten ein recht typisches Setup – bei beiden Teams viele längere Zirkulationsphasen in höheren Zonen, da die Sechser nicht allzu weit nach vorne gingen und umgekehrt die Defensiven nach dem tieferen Rückzug nur wenig Kontakt an die beiden Stürmer hatten. Im Rückraum ergaben sich dadurch Möglichkeiten, das Leder nochmals laufen zu lassen – jeweils in und gegen eher flache(n) Staffelungen. So waren diese Szenarien in beide Richtungen wiederum eine solide Grundlage für gute Absicherung trotz der nicht optimalen Raumbesetzung des Angriffsspiels, wenn viele Akteure in die letzte Linie tendierten.
Die Ägypter versuchten im Umschalten über die verschiedenen Bewegungen von Said einzelne Konterszenen auszulösen, letztlich fehlte es ihnen aber an ausreichender Präsenz und an spezifischen Mechanismen, wie es sie mit Salah hätte geben können. Die besseren Voraussetzungen für schnelle Gegenstöße hatten daher letztlich die Uruguayer als die eigentlich spielbestimmenden Favoriten: Dies lag an der vorsichtigen, tiefen Restverteidigung Ägyptens bei eigenen Angriffen, mit der sich nicht durchgehend wirkliches Gegenpressing spielen ließ. Wenn also ihre Außenverteidiger mal weiter aufrückten und die Offensivszenen dann etwa nach erfolglosen Flanken endeten, bedeutete das bisweilen enorm große Umschalträume in den Flügelzonen.
Dort konnten Nández und de Arrascaeta viele Abpraller einsammeln und den Ball weit nach vorne treiben, regelmäßig wurden diese Szenen von Uruguay aber schlecht ausgespielt und die einzelnen Akteure wirkten fast etwas unschlüssig ob der Weiträumigkeit dieser Zwischenlücken. Die ägyptische Abwehr schien die Möglichkeit der Einleitung der Konter und einen Verzicht auf umgehendes Nachrücken in Kauf zu nehmen und über den Faktor Absicherung arbeiten zu wollen – letztlich lagen sie mit diesem passiven Verhalten nicht so falsch. Es hätte insgesamt für ein wertvolles 0:0 reichen können, ehe Uruguay doch noch zuschlug und der ruhende Ball die Partie entschied.
Fazit
Uruguay bestätigte den Eindruck der WM-Vorschau: Sonderlich spektakulär und kreativ zeigte sich ihr Vortrag gegen ein defensiv eingestelltes Ägypten nicht. Diesmal gab es auch das Einrücken von Nández seltener bzw. anders als gewohnt. Dafür bot das Team einige interessante Abläufe auf links und halblinks, die aber im Laufe der Partie nicht mehr konsequent weiter verfolgt wurden. Mit dem späten Tor dürfte Uruguay schon die Weichen aufs Achtelfinale gestellt haben, in der nächsten Partie gegen Saudi-Arabien werden sie zwar einige nette Stafetten des Außenseiters zulassen (müssen), aber wohl stabil stehen. So wahrscheinlich das Weiterkommen ist: Um mehr zu erreichen, müsste sich die Mannschaft von Tabárez noch erheblich steigern. Die Ägypter gaben einen wertvollen Zähler spät aus den Händen und stehen nun gegen den Gastgeber vermutlich vor dem wegweisenden Schlüsselspiel für ihren weiteren Turnierverlauf.
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