City prescht durch die Premier League

4:1

Mit Bewegungsspiel und Intensität dominiert der Tabellenführer die Spurs – gegen deren Raute und nach deren Umstellung.


City befreit sich weiträumig

Nach verhaltenen Anfangsminuten legte Manchester City insgesamt einen überlegen Auftritt an den Tag und hatte die Spurs über weite Strecken klar im Griff. Sobald sie gegen das hohe Zustellen der überraschend in einer Raute pressenden Gäste passende Gegenmittel gefunden hatten, kamen die Jungs von Pep Guardiola auch sonst immer besser in die Partie und dominierten Tottenham letztlich. Im Aufbau mieden sie Fernandinho, der sehr eng von Alli zugeschoben wurde, eher und suchten andere Routen. Bei Ballbesitz kippte Delph von der Linksverteidigerposition fast durchgehend in den Achterraum, worauf Tottenham hinter dem vorderen Pressingdreieck reagieren musste, um nicht im ersten Drittel überspielt zu werden.

Wie die Gäste ihre Bewegungen daran anpassten, wirkte aber nicht optimal koordiniert. Letztlich mussten sie einzelne Akteure aus den hinteren Linien weiter nach vorne bringen. Das versuchte City vor allem mit vielen horizontalen Pendelläufen von de Bruyne zu attackieren, der immer wieder in Anschlusslücken neben die Raute bzw. vor die Außenverteidiger auswich, um dort mittellange Zuspiele zu erlaufen. Überhaupt nutzten die Hausherren das passive Angriffspressing geschickt, um zwischen Torwart und Innenverteidiger sehr lange den Ball zu halten und auch mal zu „warten“, bis sich eine wirklich sinnvolle Option für längere Zuspiele ergeben hatte. Vermeintliches „Bolzen“ fand in der Folge recht konstruktiv und vor allem mit ungewohnter Erfolgsquote statt, Ederson beispielsweise brachte viele weite Zuspiele beeindruckend an den Mann.

Bewegungsspiel und Gegenpressing

Funktionieren konnte das auch deshalb, weil sich die Angriffsreihe mit weiträumigem, aktiven Bewegungsspiel für solche Risikobälle über die gesamte Pressingformation hinweg passend anbot. Die Flügelstürmer starteten einige Male aus enger Position mit Dynamik in sehr breite Räume für Flugbälle. Aguero ließ sich mit seiner Ballsicherheit unterstützend zurückfallen, wenn Gündogan und de Bruyne auseinanderzogen. Vor allem der Argentinier war ein wichtiger „Umschlagpunkt“ bei vertikalen Aufbaumustern, etwa auch nach Weiterleitungen von Delph. Hatte City risikoreiche Ballbesitzszene im zweiten Drittel gesichert und konnte aufrücken, schoben sie Tottenham sehr konsequent an den eigenen Strafraum zurück, bei denen sich schnell eine Zweiteilung zwischen 4-3-Block und verbleibender Offensivabteilung ergab. Die folgenden Ballbesitzphasen der Hausherren gestalteten sich aber gar nicht so lang, da sie insgesamt recht zügig den Abschluss von Angriffen gegen die Restverteidigung suchten.

Wichtig waren die Flügelstürmer, die in breiten Positionen – vor allem Sané – Dribblings zur Grundlinie suchten, insgesamt aber fast zu viel fokussiert wurden. Demgegenüber hätten die horizontalen Zwischenlücken der Spurs zwischen Sechser und den nach außen gezwungenen Achtern prominenter forciert werden können. Das geschah eher über individuelle Initiative aus den Halbraumballungen, die oft außerhalb der Defensivformation etwa mit Zurückfallbewegungen gebildet wurden. Darin schaltete sich Gündogan wieder ein, der ansonsten aufgrund Delphs Rolle oft sehr frühzeitig bis vorne durch schob. Andererseits bedeutete der Flügelstürmerfokus, dass Tottenhams Mittelfeld oft in flache, wirkliche 4-3-Staffelungen fallen musste. Diese konnte der Tabellenführer – zumal wegen der suboptimalen Anbindung an Alli und Co. – somit im Gegenpressing abschnüren.

Intensive Hausherren attackieren früh

Überhaupt versprühten die „Citizens“ eine enorme Intensität in dieser Begegnung, letztlich ein zentraler Schlüsselfaktor in allen Spielphasen und vielleicht gar die wichtigste Säule ihrer Dominanz. Wenn sie mal einen notwendig gewordenen langen Ball aus dem Aufbau nicht über ihr Bewegungsspiel kontrollieren konnten, hatten sie beim Duell um den zweiten Ball mit viel gruppentaktischer Dynamik eine gute Chance. Zumal half hier, ebenso wie beim Gegenpressing, die hereingekippte Rolle von Delph ein bisschen, nicht zuletzt wegen der Gäste-Raute. Abschließend spielte jene Intensität noch im Pressing der Hausherren einen wesentlichen Beitrag. Wie auch Tottenham versuchten sie so oft als möglich weit vorne anzulaufen. Dieses Angriffspressing ging insgesamt besser auf als bei den Gästen, jedoch gar nicht mit so deutlichem Abstand, nur konstant knapp über einem bestimmten Punkt liegend, an dem die Angelegenheit hätte kippen können.

Manchmal schoben die Flügelstürmer diagonal mit nach vorne auf die gegnerischen Innenverteidiger, eher aber ergänzend in ballfernen Konstellationen und bei Verlagerungen. So waren es mehrheitlich die Achter, die sich aus dem 4-3-3/4-1-4-1 eine Reihe nach vorne bewegten. Wenn sie in Richtung eines Innenverteidigers herausrückten, blieb Aguero daneben zunächst mittiger, um dann bei Querpässen auf den anderen Defensivmann diesen abzuschneiden und nach außen zu drängen. Dort stand der andere Achter schon ballnah kompakter positioniert, während sein herausgerückter Kollege sich mit der Dynamik des Verschiebens wieder zurückzog. Über links konnte sich Tottenham gelegentlich etwas besser lösen, wegen einzelner Freilaufaktionen von Dembélé oder des tieferen Achters Winks zur Seite, vor allem aber dank starker Aktionen Vertonghens. Dieser spielte unter Druck viele wie Befreiungsschläge wirkende Flügellinienpässe sehr sauber genau an der Kante zum Aus und gewichtete diese hilfreich.

Nachrückverhalten übersteigt Gefahr des Eriksen-Raumes

Leicht nach links verschoben agierte auch das Sturmduo der Spurs, ebenso wie sich Alli bei Ausweichbewegungen bevorzugt auf jener Seite einschaltete. Das hätte für City ein brenzliges Ungleichgewicht in Bezug auf den offensiveren Achter Eriksen und dessen gutes Bewegungsspiel im ballfernen Halbraum bedeuten können. Quantitativ ergaben sich erstens zum potentiellen Ausnutzen dessen aber nicht genügend Szenen, in denen zweitens die Gastgeber dies mit einer – wenn auch – riskanten Ausrichtung weitgehend unterbanden. Häufig schoben beide Achter ballorientiert recht weit herüber, verteidigten die diagonalen Anbindungen an die Raute umsichtig über Deckungsschatten und sorgten so punktuell in passenden Momenten für rapide Druckerhöhung auf den Ball. Ganz allgemein bildete das Timing im Pressingübergang ein weiteres Faustpfand für die Gastgeber:

Bei zentralen Pressingversuchen in hohen Zonen schaltete sich Fernandinho mit vertikalem Nachrücken in den richtigen Momenten aggressiv ein, um Dembélé und einen situativ tieferen Achter zu attackieren. Das war zwar auch etwas gewagt, wurde aber sehr gut gewählt und schüttelte Tottenham in den sporadischen Momenten entsprechend. Insgesamt schafften sie es unter Druck mehrmals gerade noch, ein Foul zu ziehen, musste viele Szenen aber mit unkontrollierten langen Bällen aus der Hand geben. Vielversprechend wären für Tottenham kombinative Strukturen halbrechts zwischen Alli und Eriksen bei direkten Übergangsszenen aus dem Aufbau durch jenen Halbraum gewesen, aber dort kamen sie eben gegen Citys Angriffspressing selten hin. Nur in einzelnen Situationen nach zweiten Bällen oder mehrfachen Umschaltaktionen konnte sich jenes Potential mal andeuten.

Auch Pocchetinos Umstellung fängt City nicht gut genug ein

Ende der ersten Halbzeit stellte Mauricio Pocchetino auf eine Art 4-2-3-1 um, mit Son als phasenweise breitem Flügelstürmer rechts. Den Bereich halblinks teilten sich Alli und Eriksen abwechselnd auf, situativ schob auch Dembélé – beispielsweis zum Raumfüllen auf der Außenbahn im Pressing – hinter ihnen dort heraus. Zu Beginn der zweiten Halbzeit hatten die Spurs damit wieder eine bessere Phase, als sie offensiv einige Abschlüsse sammelten. Beispielsweise sicherte City den Rückraum nicht optimal, auf lange Sicht gestaltete sich Tottenhams Aufrückverhalten in den Sechzehner hinein aber recht durchschnittlich und bieder. Insgesamt ging die nun entstandene Spiegelung zwischen den beiden Formationen nicht spurlos an der Spielbalance vorüber, beispielsweise in Bezug auf Rhythmus und kleine Veränderungen in den individuellen und gruppentaktischen Orientierungsmustern. Tottenham versuchte sich im Pressing über verstärkte Mannorientierungen auch einfacher Zugriff zu erzwingen.

Dass das Team von Pep Guardiola sich diesen Anstrengungen letztlich erfolgreich entziehen und – abermals nach einer kurzen Anlaufphase zu Beginn einer Halbzeit – die eigene Kontrolle insgesamt hochhalten konnte, verhinderte eine etwaige Wendung der Partie. Mit guten Dreiecksbildungen fand City Mechanismen, um Tottenham ausreichend oft ins Leere laufen zu lassen und die Begegnung dann regelmäßig zu beruhigen. Hatte sich der ballnahe Achter außen unterstützend angeboten und den Ball auf den Außenverteidiger zurückgespielt, rückte häufig Fernandinho im Rücken des Tottenham-Zehners nach vorne auf, um sich für den öffnenden Querpass freizulaufen. Ebenso gab es verschiedene Rochaden zwischen den beiden seitlichen Akteuren und diagonalen, ballfordernden Läufen von Achter oder Mittelstürmer. Eine gute Umsetzung allgemeiner Positionsspiel-Mechanismen brachte City in vielen Situationen weiter. Die Vorentscheidung zum 2:0 fiel schließlich per Konter nach einer seltsamen Einwurfszene, ehe die letzten Minuten noch einen kleinen Torreigen bereithalten sollten.

Fazit

Ein mal mehr unterstreicht Manchester City seine beeindruckende Form und Spitzenposition in der Premier League. Auch Tottenham musste sich der dominanten Umsetzung des Systems des Tabellenführers beugen. Bemerkenswert zeigten sich in dieser Begegnung speziell das konsequente und geschickte Verhalten auch bei langen Bällen im Aufbau sowie die über weite Strecken sehr starke Intensität in Pressing und Gegenpressing. Strategisch waren bei der Mannschaft von Pep Guardiola ebenso manch sinnvolle Entscheidungen zu vermerken, beispielsweise die zunehmende Aussparung Fernandinhos im Aufbau vor dem Hintergrund der gegnerischen Rautenanordnung.

CHR4 24. Dezember 2017 um 06:03

die Ausgeglichenheit der PL scheint ja diese Saison dank Pep dahin zu sein …
da ist ja selbst die Ligue 1 dieses Jahr knapper 😀

bin mal gespannt, wie sich das auf die Pay-TV und Wettumsätze auswirkt

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CHR4 24. Dezember 2017 um 06:09

PS: frohe Weihnachten ans Spielverlagerungs-Team, Schorsch, koom, tobit, Daniel und alle weiteren Kommentatoren! Danke für eure Arbeit und die Kommentare!

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Koom 24. Dezember 2017 um 11:29

Ui, danke! 🙂
Dir natürlich auch frohe Weihnachten und auch allen anderen hier bei SV.de. Ohne euch wäre mein Internet trostloser und informationsärmer. 😉

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tobit 24. Dezember 2017 um 16:19

Da schließe ich mich doch gleich an. Frohe Weihnachten und auf ein weiteres Jahr voller spannender Artikel und Diskussionen.

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Daniel 28. Dezember 2017 um 23:55

Dankeschön 🙂 War über Weihnachten weg, aber ich hoffe ihr hattet alle ein schönes Fest 😉

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Jonas Kunzelmann 19. Dezember 2017 um 02:12

City hatte Tiefstwert in Ballbesitz, da Tottenham Pressing gespielt hat, welches von City sehr schnell meist auch effektiv überspielt würde. Die Pressing Phasen von City beim Aufbau von Tottenham waren sehr lange, da Tottenham es sehr sehr selten geschafft hat, die Pressinglinien von City zu überspielen. Immer wieder wurde versucht neu aufzubauen. Ederson hat brutal gute lange Bälle von hinten raus gespielt, teilweise über 65 Meter direkt in den Fuß (kann Lloris übrigens überhaupt nicht). Somit war der Ballbesitz wirklich erstaunlich wenig für City in diesem Spiel, was daran lag, dass Tottenham selbst auch das Spiel machen wollte und wenig lange Bälle schlug, aber wie gesagt sehr ineffektiven Ballbesitz hatte. Man muss zur Zeit sagen, dass man gegen Peps City wohl eher tief stehen sollte, denn wenn man versucht mitzuspielen endet es wie gegen Tottenham oder Liverpool. City hätte durchaus noch deutlich höher gewinnen können aufgrund der Vielzahl an Chancen.

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CHR4 19. Dezember 2017 um 00:35

die Frage für 2018: Wann geht die Formkurve von ManCity nach unten?

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AK 27. Dezember 2017 um 12:55

Bei Pep-Mannschaften oftmals in der heißen Phase um Februar/März rum. Da nimmt die Zahl der Verletzungen zu und Spielern wird nachgesagt, dass sie „müde“ seien.
Bin gespannt, ob er sich halten kann. Die Saison würde ja schon weniger rosig aussehen, wenn im VF der CL Schluss wäre.

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La Masia 28. Dezember 2017 um 22:12

Kann man denken ich nicht so pauschal sagen. Zur Bayern-Zeit hätte es vielleicht gestimmt (wobei die Liga da schon gewonnen war und und man in der CL auch einfach krasse Gegner hatte), aber in seiner Barca-Zeit kann ich mich eigentlich nicht an eine „schlechte“ Zeit unter Pep erinnern. Bin super gespannt, wie es mit City weitergeht. Real ist dieses Jahr schwach, Atletico schon raus, Bayern nicht so stark wie in den letzten 5 Jahren, Barca ist wieder im Kommen, hat aber an Klasse eingebüßt. PSG ist dieses Jahr ebenfalls stark, aber wenns drauf ankommt, fliegen sie ja schnell raus 😀 Also stehen die Chancen für einen CL_SIeger, der NICHT aus Spanien kommt, gar nicht so schlecht…
Ich würde es Pep gönnen.

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Markus 17. Dezember 2017 um 10:57

Mein Fussball-App zeigt an, dass ManCity nur 51% Ballbesitz hatte. Trifft dies zu (ich konnte das Spiel leider nicht sehen)? Wäre ziemlich wenig für eine Guardiola-Mannschaft…

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August Bebel 17. Dezember 2017 um 12:26

Ich kann mich an eine Einblendung im Spiel erinnern, die was ähnliches gezeigt hat, könnte also passen. Gerade in der ersten Halbzeit war auf Tottenhams Seite aber auch einiger Ballbesitz in der eigenen Hälfte dabei. Da gab es öfters die beschriebenen Flachpässe Vertonghens auf links, nach denen Rose die Situation aber nicht immer lösen konnte und die dann im Einwurf und nächsten Aufbauversuch mündeten. City dagegen hat, wie in der Analyse erwähnt, relativ vertikal gespielt und recht schnell entweder den Abschluss oder durch Sané den Durchbruch auf außen gesucht. City kam seltener in längere tiefe Aufbauphasen, weil sie (häufig in Person von Ederson, der das sehr gut gemacht hat) erstaunlich oft den (aber gut gezielten) langen Ball gewählt haben, wenn sie hoch zugestellt wurden. So würde ich mir diese Zahl erklären.

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TR 17. Dezember 2017 um 20:43

Auf jeden Fall waren die Ballbesitzverhältnisse recht knapp am Ende, laut Whoscored z.B. 53 % für City. Zumindest in der ersten Halbzeit müsste der Wert schon noch etwas höher gewesen sein, zwischenzeitlich wurden einmal auch 62 % eingeblendet, wenn ich mich recht erinnere, was dann im Laufe der Partie sich noch etwas „zugunsten“ Tottenhams anglich. Schon in der Grundsituation des Spiels war aber eben – wie in der Analyse angelegt und auch von @August Bebel ausgeführt – angelegt, dass die Ballbesitzverhältnisse nun auch eben nicht exorbitant zugunsten Citys lagen.

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