Türchen 7: Daryl Janmaat
Welche Rolle im Fußball von morgen könnte der Außenverteidiger einnehmen? Taktiktheoretische Überlegungen und beispielhafte Ausführungen anhand eines niederländischen Flügelallrounders.
Vor einigen Jahren wurde in der öffentlichen Diskussion ganz groß „der Außenverteidiger“ entdeckt. Dass (viele) Fußballspiele (zu einem entscheidenden Grad) im Zentrum oder im Mittelfeld (vor)entschieden werden, ist mittlerweile fast zu einer Phrase geworden und droht auch der Verallgemeinerung anheim zu fallen. Gleichzeitig wird aus der Enge der Räume in der Mitte häufig die Schlussfolgerung gezogen, dass bei Problemen die Lösung (oder gar ein vermeintliches Allheilmittel) im Flügelspiel liege. Das zeigt, wie antagonistisch Mitte und Zentrum oft zueinander gesehen werden – dabei bilden sie aber gar keine zwingendes Gegensatzpaar. Festhalten kann man bei alledem zumindest erst einmal, dass die Wichtigkeit des Zentrums auch und gerade in Zukunft ganz enorm sein wird. Was hieße das auf lange Sicht für die Außenverteidiger?
Anpassungsfähige Außenverteidiger neben dem Zentrumskern
Eine wichtige Grundlage für die Kontrolle der bedeutsamen Spielfeldmitte ist Präsenz. Bereits aktuell zeichnet sich der Trend zu einfacher Flügelbesetzung neben einer zentralen Ballungszone ab. Vielfach sind es heute zwei Flügelläufer in Dreierkettenformationen, die sozusagen ihren Flügel jeweils alleine beackern. In ihrer Rahmenfunktion sind sie zumeist diejenigen, denen die Rolle als Breitengeber übertragen wird. Manchmal bringt diese Fokussierung von zwei bestimmten Spielern auf genau diese Aufgabe die Gefahr eines Verlusts an Flexibilität mit sich. Doch warum sollte man deren Einbindung derart verengen, bietet sich schließlich hier vielfältiges Potential für eine balancierende Spielweise neben dem Zentrumsblock. Der Außenverteidiger der Zukunft muss sich noch mehr anpassen als aktuell schon. Es wird für ihn darum gehen, mannschaftliche Strukturen zu ergänzen und nebenformative Räume immer wieder neu zu füllen.
Im Hintergrund dessen steht die grundsätzliche Entwicklung im Fußball, dass die Spieler und ihre Profile immer kompletter werden. Wenn es in die Richtung geht, dass alle irgendwann (fast) „alles können“, muss das aber nicht zwangsläufig und vor allem nicht sofort heißen, dass auch alle (fast) alles machen. Denkbar wäre ein – eventuell nur temporärer – Trend hin zu ultrakomplexen, aber sehr genau und kleinteilig definierten Spezialrollen. Diese würden dann womöglich gerade für das Mittelfeldzentrum besonders genutzt, um sich in dieser umkämpften Schlüsselzone über ein konkretes, griffiges, handfestes Mittel einen zusätzlichen Vorteil zur „Totalität“ der individuellen Qualitäten zu schaffen. Eine solche Konstellation würde den Außenverteidigern im ergänzenden „roleplaying“ noch mehr abverlangen, als sie an den Rändern und Übergangszonen zum Zentrum ohnehin schon gefordert sind.
Ein typisches Modell in den nächsten Jahren könnte werden, dass die Struktur – zur Effizienzsteigerung, übersichtlichen Komprimierung, zur Verringerung von Störanfälligkeit, etc. – „nur“ noch gruppenbezogen angelegt, innerhalb jener Gruppe dafür aber sehr detailliert und exakt geplant wird. Beispielsweise hätte man eine klare, hochwertige Struktur im zentralen Kern der Mannschaft mit losen Ergänzungsspielern darum herum. Die umgekehrte Logik wäre ein fester Formationsrahmen mit einigen frei pendelnden Spielern im Inneren. Vergleichbar mit diesem letzten Punkt ist – individuell gesehen – etwa Mario Götzes Spielweise als „Strukturfüller“. Auch die Außenverteidiger könnten seitliche Strukturfüller werden. Für beide der genannten mannschaftlichen Konzeptionen finden sich jetzt schon erste Ansätze und Vorläufer.
Im Endeffekt könnte diese Bedeutung des Außenverteidigers als anpassungsfähigem, taktisch ergänzendem Unterstützungsspieler bis zu einer nebenformativen „Freirolle“ führen, während in dieser Konstellation gleichzeitig die dominanten Akteure aus der Mittelfeldzentrale gerade eine ganz spezifische „Spezial-Rolle“ umsetzen würden. Damit gingen neue gestalterische Spielräume einher (und die unterschwellige Arbeitsteilung zwischen implizit „wichtigeren“ Zentrumsspielern und einem rein ergänzend untergeordneten Außenverteidiger würde aufgebrochen): Der Spieler innerhalb der Struktur wäre klar eingebunden und könnte Kreativität hauptsächlich auf der situativen Ebene entfalten, jeweils innerhalb von bestimmten Szenen. Demgegenüber bedeutet eine von der Struktur ausgenommene „Freirolle“ die Aufgabe zur verstärkten Selbsteinbindung und ermöglicht gewissermaßen zusätzliche „Handlungsräume“ auf der Ebene der (individuellen) Rollenvariation.
Taktiktheoretische Differenzierung
Für eine in diesem Sinne „spielgestaltende“ oder „kreative“ Einflussnahmen seien zunächst nur einige Beispiele kurz angerissen: So etwas wäre gegeben, wenn ein Spieler sehr feinfühlig und intelligent seinen Rhythmus anpasst, indem er sich mehr zurücknimmt oder mehr Präsenz sucht, und dadurch auch die größere taktische Ebene angesprochen wird. Ganz konkret könnte man anführen, wie David Alaba seine bei Bayern unter Guardiola häufig prägende Funktion des „relativen Breitegebens“ jeweils umsetzte und ausführte. Es wird hier aber schnell deutlich, dass bei diesem Thema von Einbindung und Rollen zunächst mehrere Ebenen zu unterscheiden sind: Im Wesentlichen ließen sich die Aspekte wie einem Dreieck zueinander darstellen und ein Aspekt noch weiter untergliedern.
Zunächst einmal hat jeder (vielseitige) Spieler quasi mehrere Gesichter und Facetten, die sich auch gleichzeitig und gemischt auswirken können. Man kann das „Teilverhaltensweisen“ nennen oder als Natur bzw. Typus fassen, vereinfacht auch als Grundeigenschaften. Diese Charakteristika sind Voraussetzungen für etwaige flexible Einbindungsmöglichkeiten und können im Spiel wiederum auf verschiedenen Ebenen einen Ausdruck finden: Einmal wäre das Verhalten in einer spezifischen Einzelsituation (in deren Aneinanderreihung sich dann die „Genese“ des Spielertyps zeigen würde) zu nennen, einmal die Rolle als taktische Funktion. Ersteres stellt den situativen Einsatz der Spielerfähigkeiten dar, Letzteres bildet in der Rückbeziehung auf diese Fähigkeiten quasi eine Schwerpunktsetzung, welche Facetten bei der Einbindung ins mannschaftliche Konstrukt wie betont werden.
Davon ausgehend kann man die taktische Rolle theoretisch nochmals differenzieren: Sie kann als Teil einer mannschaftstaktischen Konzeption vom Trainer erstellt, vorgesehen und angepasst werden. Aber auch der Spieler selbst mag – etwa durch intuitives Gespür im Laufe einer Partie – für eine abgewandelte Umsetzung sorgen, im Extremfall durch eine bewusste Entscheidung für einen klaren Rollenwechsel. Normalerweise wird eine Variation von solchen Rollen beidseitig beeinflusst, das Gewichtsverhältnis kann sich natürlich verschieben. Also: Je weniger gezielt bestimmte Rollen im Voraus geplant werden, desto mehr Geltung kann die individuelle Wahlfähigkeit eines Spielers zwischen unterschiedlichen ihm möglichen Einbindungen bekommen. Besonders stark schlägt das Pendel bei einer Freirolle aus, wenn fast gar keine festen Vorgaben mehr zugrunde liegen und der Spieler seine Einordnung fast komplett „autonom“ gestaltet. (In diesem Fall könnte man aber argumentieren, dass dann nur noch der Bereich des momentanen Verhaltens existiert.)
Man hat also die allgemeinen Ebenen von „systemischer“ Rollenzuweisung und individueller Rollenanpassung sowie die spezifische Ebene von Verhalten in einer Einzelsituation. Hinzu käme noch strategische Verhaltensvariation, wenn ein Spieler – bewusst oder unbewusst – aus der Entwicklung einer Partie heraus beispielsweise einfach aggressiver oder passiver in seiner Ausrichtung wird. (Wenn man es genau nimmt, kann man diese theoretische Differenzierung natürlich auf das einzelne Beispiel zumindest nicht exakt anwenden, solange man keine Einblicke in die Trainingsarbeit und Spielvorbereitung hat. Aus der Außensicht kann man zunächst einmal die Verhaltensweisen der Spieler als Ausformung der unterschiedlichen Ebenen sehen, aber eigentlich nicht hundertprozentig sagen, inwieweit dem eine gezielte Planung zugrunde lag und wie viel die individuelle Selbsteinbindung ausmachte. Der Kontext, die Deutlichkeit und die Quantität eines Phänomens können gleichwohl sehr klare Hinweise bieten.)
Janmaat als Beispiel
Der „Idealtypus“ eines Außenverteidigers „der Zukunft“ zeichnete sich dann durch Anpassungsfähigkeit auf allen diesen Ebenen aus, von der taktischen Funktion bis zu einem momentanen Verhalten. Ein solches Programm vom Grundprinzip her einlösen könnte beispielsweise der niederländische Allround- und Athletik-Rechtsverteidiger Daryl Janmaat. Mit seinen mittlerweile 28 Jahren zählt er auf der internationalen Fußballbühne nicht gerade zu den Namen, die auch in breiteren Kreisen allgemein bekannt wären. Die WM 2014 hätte ein entscheidender Durchbruch für Janmaat werden können, doch die in der neuen 5-3-2-Formation auftretenden Probleme bei der mannschaftlichen Umsetzung des Ballbesitzspiels machten ihm zu schaffen und mischten sich mit individuellen Formschwächen.
Zwar gab es für ihn schon vor längerer Zeit den Sprung in die englische Premier League, dort läuft er jedoch – aktuell bei Watford – leider konstant unter dem Radar, vor allem gemessen an seinem Potential. Der niederländische Nationalspieler ist jemand, der als – auch und gerade strategisch – variabler Ergänzungsakteur Strukturen umschwärmen kann. Er zeichnet sich durch Balance im Bewegungsspiel, Aufmerksamkeit bei der Beobachtung ballferner Situationen aus und kann eine recht gute Endgeschwindigkeit vergleichsweise lange aufrechterhalten. Koordinativ ist er etwas inkonstant, bringt beispielsweise gegen den Ball aber immer mal eine gute Umsetzung von verzögernden Defensivaktionen ein. Im Allgemeinen hat Janmaat vereinzelt seltsame Aussetzer-Phasen in seinem Spiel, die komplett „aus dem Raster“ fallen.
Möglicherweise hängt das auch damit zusammen, dass er kein so stabiles Umblickverhalten entwickelt hat und dadurch leichter Hektik aufkommen kann, die sich dann mit Ansätzen von Tollpatschigkeit vermischt. Insgesamt tendiert Janmaat eher zu einer raumgreifenden Spielweise, die auch seiner Athletik und Laufstärke entgegen kommt. Ein prägendes Kennzeichen in diesem Zusammenhang stellen seine raumgewinnenden, oft attackierenden Dribblings dar, die nicht selten in die Mitte ziehen. Der niederländische Rechtsverteidiger zeigt viel Diagonalität, wählt aber die entsprechenden ankurbelnden Dribblings häufiger mal zu offensiv und unbedacht in unpassenden Momenten. Technisch und im Passspiel fällt Janmaat nicht als herausragend, aber auch nicht groß negativ auf und kann seine Zuspiele mit ganz interessanter Schärfe anbringen.
Janmaats unterschiedliche Rollen
Bei der Porträtierung Janmaats kann man nun die unterschiedlichen Ebenen wieder aufgreifen, da sein Beispiel die für einen zukünftigen Außenverteidiger wichtige Anpassungsfähigkeit jeweils gut veranschaulicht: Aus dem geschilderten Fähigkeitenprofil ergibt sich, dass der Niederländer sehr unterschiedliche taktische Funktionen erfüllen und eine hohe Bandbreite abdecken kann. Diese Rollenflexibilität wurde auch schon ausgiebig genutzt: Man hat ihm bereits häufig zurückhaltende Einbindungen zugewiesen, in denen er sich beispielsweise mal auf das Erfüllen der normalen mannschaftlichen Abläufe beschränken sollte, mal einfach sehr defensiv und stabilitätsorientiert spielte, mal als passiver Breitengeber auftrat und mal sehr klar auf die Unterstützung eines bestimmten gruppentaktischen Dreiecksspielzugs konzentriert war.
Ohne größere Probleme findet er auch in eine klassische Außenverteidiger-Rolle, bei der er den Flügelstürmer mit Pärchenbildungen unterstützen und – bei Wichtigkeit des richtigen Timings – viel hinterlaufen muss. Eine durchbruchsfokussierte Spielweise könnte Janmaat andererseits in ultra-aggressiver Form umsetzen, also mit deutlich mehr Präsenz. Eine solch dominante Einbindung wäre noch alternativ bei wiederum anderer Akzentuierung möglich: Potentiell vermag Janmaat etwa einen bestimmenden Kombinationsspieler zu verkörpern, tatsächlich wurde er auch schon extrem ankurbelnd mit Fokus auf diagonale Dribblings eingesetzt. In der letzten Koeman-Saison bei Feyenoord entwickelte sich das Zusammenspiel aus Janmaats zum Strafraum antreibenden Aktionen mit Graziano Pellès Wucht und Ablagen an der letzten Linie zwischenzeitlich zum wichtigen Angriffs- und fast zum primären Gefahrenmittel des Teams.
Dies ist auch ein Beispiel für den individuellen Umgang mit unterschiedlichen Rollen und die selbständige Anpassung derselben: Grundsätzlich nahm Janmaat diese Einbindung über mehrere Partien hinweg ein, in manchen Phasen sah man aber Ansätze von kleinen Anpassungen. Auf zunehmend unruhige Ballpassagen reagierte er, indem er sich kurzzeitig zurücknahm und sich mehr als stabiler Verbindungspol zwischen Halbraum und Flügel zu betätigen schien. Das war (entweder) selbstbestimmt und/oder von außen angewiesen und dann entsprechend umgesetzt. Zumindest bei jenem Spiel mit dem Ball kennzeichnet Janmaat aber – trotz seines enormen Potentials und mancher Glanzpunkte – auch eine Inkonstanz, was die Balance seiner Selbsteinbindung wie auch einzelne Aktionen angeht. Bei allgemeinen Rhythmusveränderungen wirkt er manchmal psychologisch verunsichert, in seiner Flexibilität neigt er auch zu überengagierten Entscheidungen. Dadurch sind Rollenvorgaben für ihn weiter sehr wichtig, auch wenn er diese flexibel wechseln kann.
Vorprägung von Aktionen und Anpassungsfähigkeit in Aktionen
An dieser Stelle lohnt es sich, systematisch nochmals einen Schritt zurück zu gehen und zu präzisieren. Wie bei jedem anderen Spieler auch gilt: Wenn Janmaat also eine bestimmte Rolle einnimmt und diese zwischenzeitlich in eine andere Richtung variiert, wie im Falle der stärker verbindungsstabilisierenden Tendenz, heißt das natürlich noch nicht, dass er in jeder vom Grundsatz so strukturierten Situation genau entsprechend dieser Rolle(n) agiert. Es wird Momente geben, in denen er davon abweicht und beispielsweise nicht jene Brückenfunktion schafft, sondern sich anders entscheiden muss, weil die Umgebung eine völlig andere ist. Neben der Souveränität beim Wechseln zwischen verschiedenen Rollen und damit verschiedenen Spiel-„Logiken“ erfolgt auf der entgegengesetzten Ebene das anpassungsfähige Verhalten in einer einzelnen Situation unabhängig von der Rolle, solange die Rolle das hergibt.
Beispiel: Ein Außenverteidiger in der Funktion als hochstehender Breitengeber kann situativ natürlich aufwendige unterstützende Diagonalläufe ins Zentrum starten, wenn es sich (aus seiner Wahrnehmung) anbietet. Wenn er seiner Rolle nach zumeist an der letzten Linie agiert, kann er das aber nur aus der „Offensive“ heraus, nicht nachstoßend aus der Tiefe. Bei einer Freirolle ist gewissermaßen ein Extrempunkt erreicht, an dem eigentlich gar keine Rolle mehr existiert und das Handeln des Spielers damit auch nicht beeinflussen kann. Logischer Schluss also: Rolle, Selbsteinbindung und strategische Ausrichtung sind alles Bedingungen und „Vorannahmen“, die beeinflussen, in welcher Weise sich das Allgemeinverhalten eines Spielers in momentanes Verhalten umsetzt. Sie prägen vor, wie der Spieler in einer konkreten Situation agiert und reagiert, welche Aspekte seines Fähigkeitenprofils schwerpunktmäßig zur Anwendung kommen.
Dementsprechend ist der Umgang mit diesen Vorprägungen ein eigener wichtiger Aspekt. (So, wie es hier abstrahiert dargestellt und beschrieben ist, wird es natürlich quasi kein Fußballer explizit denken.) Das Besondere an Janmaat ist nun, dass er genau das ziemlich gut kann. Auch innerhalb spezifischer Einzelsituationen verfügt er über hohe Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, indem er eben nicht rein einer seiner unterschiedlichen Rollen folgt, sondern daraus auszubrechen und die Maßgaben seiner Entscheidungsfindung zu modifizieren vermag. Dies ist der entscheidende Punkt in dieser Thematik und bei seiner Spielweise. (Umgekehrt erweitert das wiederum jene Rollenvariation.)
Aufrückverhalten zum Raumfüllen
Eine besondere Stärke des Niederländers ist in diesem Bereich das Nach- und Aufrückverhalten, mit Timing und Raumgespür als dafür zugrunde liegenden Fähigkeiten. Vor allem ist Janmaat nicht nur auf naheliegende, reflexhafte Vorsichtsentscheidungen hin orientiert, sondern einfach auf Ergänzung der mannschaftlichen Struktur. Wenn dem Kollektiv in einer Situation ohne Ball oder einer unübersichtlichen Umschaltszene temporär oder systematisch der Zugriff entgleitet, erkennt Janmaat das recht gut, passt sich oftmals schnell daran an und reagiert in seinem Bewegungsspiel entsprechend. Er zeigt entweder aufwendige raumstopfende Läufe, um die Struktur aufzufüllen, oder versucht sich auf das Abblocken bestimmter gegnerischer Verbindungen zu fokussieren. Dafür bezieht er Überlegungen potentiell in alle Richtungen mit ein und scheut sich keineswegs vor unorthodoxen oder vermeintlich riskant „offensiven“ Entscheidungen. Er unterstützt den Lauf des Motors und kann punktuell einspringen, wenn dieser stottert.
Mit seinem Spiel ohne Ball gelingt es ihm so in unterschiedlichen Kontexten sehr gut, den Raum um Strukturen herum, an und neben der Formation zu füllen. Diese taktische Funktion beherrscht er sehr zuverlässig, wenn er sie auch noch nicht vollends konsequent umsetzt und in der Abfolge von Einzelszenen immer mal instabil agiert. Konkret kann dieses neuerliche Raumfüllen als Anpassung innerhalb von Ballbesitzphasen seines Teams geschehen, aber auch bei losen Bällen. Ebenso zeigt es sich in seiner hohen Qualität im Gegenpressing, das er sehr engagiert führt. Teilweise presst er etwa bei gegnerischen Rückpässen sogar über die eigenen Offensivspieler hinweg in die erste gegnerische Linie nach, ebenso kann er weiter hinten in weiträumiger, „staubsaugender“ Manier agieren. Oft ist er im gruppentaktischen Kontext eine Führungsfigur des Nachsetzens und wurde so in einigen Phasen der Amtszeit von Louis van Gaal als niederländischem Bondscoach zwischenzeitlich zum entscheidenden Gegenpressing-Träger der Nationalmannschaft.
Schlussworte
Auch als Einzelelement könnte man diese Gegenpressing-Beteiligung schon als zukunftsweisend einordnen, nicht nur die hier als Hauptpunkte behandelten Aspekte des Raumfüllens und der Rollenvielseitigkeit. Diese machen aber im Besonderen die Relevanz eines Spielers wie Janmaat für das diesjährige Kalenderthema aus. Als weiteres Einzelelement soll abschließend aber auch nochmals seine starke diagonale und potentiell attackierende Anlage im offensiven Kombinationsspiel Betonung finden.
3 Kommentare Alle anzeigen
Todti 8. Dezember 2017 um 21:40
Eigentlich schon ein bisschen verrückt. Janmaat ist ein technisch solider Spieler mit starker Athletik und gutem Spielverständnis – aber „groß“ herausgekommen ist er nicht (und wird er wohl auch nicht mehr). Ist er vielleicht nicht nur ein Spieler(typ) der Zukunft, sondern auch ein Indikator der Gegenwart? In dem Sinne, dass im Moment bzw in der jüngeren Vergangenheit seine Trainer in der Regel einfach nicht wussten, wie er besser einzusetzen ist? Es klingt ja so, als hätte zumindest van Gaal das gut bewerkstelligt.
PS: Anheimfallen ist so ein schönes Wort.
matzumäls 8. Dezember 2017 um 20:38
Ich fand Bale als Außenverteidiger ja auch ganz geil.
tobit 7. Dezember 2017 um 13:20
Dieses in verschiedenen Höhen am Rand der Formation balancieren hat finde ich Digne bei Barca auch ganz gut drauf. Er stößt da sehr aufmerksam nach vorne (wenn links niemand anderes Breite gibt) oder hält sich zurück (wenn doch Mal ein Stürmer oder Achter auf LA auftaucht). Auch sein Passspiel und die Bewegungen mit Ball finde ich da ziemlich passend – viel Richtung Halbraum, ohne den Leuten da den Platz noch enger zu machen.
Gegen Sporting war er z.B. oft erstmal tiefer, weil Alcacer vorne selbst breit blieb und rückte dann für Ablagen von diesem (wo Paco ein paar technische Probleme mit den scharfen Pässen hatte) etwas nach vorne oder überlief seinen Vordermann. Gab es einen Ballverlust, beteiligte er sich sehr aktiv am Gegenpressing und überließ Vermaelen die Sicherung seiner Ausgangsposition – das funktionierte bis zur Einwechslung von Martins und Dost auch sehr gut, danach gab es Mal ein paar Probleme oder Digne zog sich früher eher passiv zurück.