Neue Devils, altes Ballett

2:1

Real regiert vom Thron des Weltfußballs, aber Mourinho holt ordentlich auf. Der UEFA Supercup war ein hochklassiger Fingerzeig für die kommende Saison.

Große Fortschritte in Uniteds Offensive…

Manchester bei eigenem Ballbesitz - den es leider zu selten gab.

Manchester bei eigenem Ballbesitz – den es leider zu selten gab.

Die ersten zehn Minuten des Spiels waren von Angriffsspielzügen der Red Devils geprägt. Mourinhos Elf zeigte sich stark verbessert im Vergleich zur Vorsaison und attackierte sehr fokussiert den Madrilener Zwischenlinienraum aus einer sehr ausgewogenen und leicht asymmetrischen Grundordnung heraus.

Aus dem 5-3-2-Defensivsystem lösten sich Mkhitaryan halbrechts nach hinten und Pogba halblinks nach vorne, sodass sich mit den aufrückenden Außenverteidigern ein 3-4-2-1 ergab. Matic blieb darin sehr zentral und Herrera bewegte sich balancierend und punktuell ankurbelnd nach halbrechts. So konnte Manchester rechts über das Dreieck aus Mhitaryan, Valencia und Herrera diagonal angreifen oder versuchen halblinks über Pogba vertikal durchzubrechen, der vom offensiveren linken Flügelläufer Lingard von Diagonalläufen unterstützt werden sollte.

Manchesters Zentrum konnte dank der schiefen 2-2-Ordnung und der passenden Rollen für die vier herausragenden Akteure einige sehr vielversprechende Momente erzeugen. Mehrfach spielten sie sehr geschickt gegen die Dynamik Reals und kamen so in die gefährlichen Räume. Nach Ballverlusten waren die Red Devils ebenfalls gut abgesichert. Dieses Fundament dürfte in der kommenden Saison für sehr attraktive Spiele sorgen. Hier jedoch brach es nach der Anfangsphase ein.

…aber Real dominiert den Ballbesitz

Grund dafür war schlichtweg, dass Manchester im Verlauf der ersten Halbzeit kaum mehr zu Ballbesitzmomenten kam. Real begann, den Ball extrem geduldig und dominant zu zirkulieren, drängte Manchester immer weiter nach hinten und holte die meisten Bälle sofort im Gegenpressing zurück. In den ersten zehn Minuten war der Ballbesitz noch ausgeglichen. In den folgenden 20 Minuten kam Real auf fast 80%.

Reals Ballbesitzspiel.

Reals Ballbesitzspiel.

Das hatte ManU jedoch auch sich selbst zu verdanken, da sie gegen Reals bekanntes, zeitfressendes Ballbesitzspiel ziemlich passiv agierten. Im 5-3-2 orientierten sich Lingard und Valencia sehr stark an den gegnerischen Außenverteidigern und rückten bei deren Ballbesitz weit heraus. Daraus konnte ManU aber keinen Druck erzeugen, da Lukaku und Mkhitaryan das Mittelfeldzentrum – das Real kaum nutzt – verschlossen und Rückpässe nicht verhinderten.

Der zentrale Fünferblock von ManU stand gegen Reals Raute und den zurückfallenden Bale weitestgehend 1-gegen-1 und interpretierte diese Situation auch einigermaßen mannorientiert. So konnten sie keine Überzahl herstellen, kamen sie kaum ins Pressing, sondern liefen vor allem hinterher. Zumal die Zuordnungen individuell sehr defensiv interpretiert wurden: Pogba und Co. Achteten primär darauf, keine freien Anspielstationen hinter sich offen zu lassen. So wurden Läufe von Real zu weit verfolgt und das Verschieben zum Ball wurde ineffizient und zahnlos.

Real bewegte sich um diese passive, aber sehr dichte Defensivstruktur sehr vorausschauend und vielfältig. Wie gehabt stellten sie vor allem sehr früh Anspielstationen für die Außenverteidiger her, sodass sie außen nicht isoliert wurden. Gerade zur Mitte der ersten Hälfte erkannten sie auch sehr gut das Problem der 5-3-2-Ordnung: Die Räume neben dem 3-2-Block sind erst einmal offen. So spielten sie noch stärker über diese Zonen und staffelten sich oftmals sehr geschickt diagonal in den Block von United hinein. Dadurch öffneten sie dann zuweilen auch die Mitte und konnten Manchester nach und nach zurückdrängen. Generell ist bemerkenswert, wie stark Real die Ballkontrolle und das Binden von Gegenspielern durch ballnahe Bewegungen erzeugt und weniger durch eine fixe Positionsstruktur.

Reals Fokus auf die äußeren Halbräume mit diagonalen Verbindungen nach vorne. Die Mitte ist von Uniteds Stürmern blockiert - so schiebt Casemiro einfach nach vorne und bindet Matic, um den Mitspielern auf links Raum zu schaffen. Mkhitaryan und Lukaku haben keine Idee, wie sie darauf reagieren können. Isco fiel ständig so zurück, Bale nur selten. Neben Reals Struktur sieht man auch, wie die Mannorientierungen Manchesters Verschieben blockieren. Darmian schiebt nicht mit und auch Pogba orientiert sich eher an Modric, steht später auch in der gleichen Position an ihm dran.

Reals Fokus auf die äußeren Halbräume mit diagonalen Verbindungen nach vorne. Die Mitte ist von Uniteds Stürmern blockiert – so schiebt Casemiro einfach nach vorne und bindet Matic, um den Mitspielern auf links Raum zu schaffen. Mkhitaryan und Lukaku haben keine Idee, wie sie darauf reagieren können. Isco fiel ständig so zurück, Bale nur selten. Neben Reals Struktur sieht man auch, wie die Mannorientierungen Manchesters Verschieben blockieren. Darmian schiebt nicht mit und auch Pogba orientiert sich eher an Modric, steht später auch in der gleichen Position an ihm dran.

Dazu kam das Problem, dass Manchester meist mit langen Bällen von de Gea das Spiel eröffnete. In der Anfangsphase konnten Lukaku und Pogba viele davon festmachen. Später verteidigte Real diese Szenen besser.

Mourinho stellt um und presst

Mourinho reagierte zwei Mal auf die mangelnde Präsenz seiner Mannschaft. Zunächst brachte er Rashford als Linksaußen für Lingard und zog Mkhitaryan nach rechts. ManU verteidigte nun im 4-1-4-1. Offensiv kam Mkhitaryan weiterhin in die Mitte und Valencia agierte offensiver als Darmian, sodass sich eine ähnliche Struktur ergab. Es änderte sich auch erst einmal wenig an der Spielbalance. Mit vier Verteidigern hatte Manchester weiterhin Probleme, genug Spieler nach vorne zu bringen, um Reals tiefen Überladungen unter Druck zu setzen.

So kam dann in der 55. Minute Fellaini für Herrera und interpretierte die rechte Achterposition etwas anders. Bei Ballbesitz rückte er fix als zweiter Stürmer auf und auch gegen den Ball rückte er viel nach vorne. ManU rückte nun immer wieder ins Angriffspressing auf, vor allem nach Rückpässen. Mit dem Aufrücken Fellainis und dem Nachschieben Pogbas entstanden dann oft sehr gestreckte 4-1-3-2-Staffelungen. Mkhitaryan und Rashford konzentrierten sich auf die Außenverteidiger.

Dieses Angriffspressing war nicht sonderlich kompakt und gut abgesichert, aber brachte Manchester bedeutend mehr Präsenz. Real war zum Angreifen gezwungen und hatte nach Ballverlusten keine so überragende Feldkontrolle mehr. Teilweise hielt Real dann in der gegnerischen Hälfte den Ball und Manchester formierte sich im 4-1-4-1-Abwehrpressing. Auch darin hatten sie etwas bessere Staffelungen als zuvor, vor allem weil die Achter höhere Positionen hielten und die Abwehrspieler öfter herausrückten.

Real kam gegen den löchrigeren Abwehrverbund nun eigentlich zu mehr gefährlichen Strafraumszenen, konnte diese aber nicht verwandeln. Manchester hatte durch Fellainis Aufrücken mehr Präsenz in der Spitze, während Pogba und Matic dahinter genug Raum fanden, um das Spiel zu machen. Zudem kam Mkhitaryan als freier Zwischenraumspieler von rechts eingerückt, während Valencia weiterhin sehr offensiv spielte. Valencia spielte auch nach einem 1-gegen-1 mit Marcelo die Flanke zum Anschlusstreffer, die Fellaini festmachen und ablegen konnte. Mkhitaryan bereitete halblinks eine Großchance für Rashford vor. In der Endphase konnte Zidane aber etwas mehr Ruhe reinbringen, indem er Vazquez und Asensio brachte und seinerseits auf ein defensiveres 4-1-4-1 umstellte.

Fazit

Real ist die reifere Mannschaft. Sie reagierten auf die turbulente Anfangsphase mit einer unheimlichen Dominanz und schnürrten Manchester die Luft ab. Mourinhos Elf zeigte aber zum einen große Verbesserungen im Offensivspiel und deutete auch an, wie man Real schlagen kann. Das Angriffspressing im zweiten Durchgang hätte bei etwas organisierterer Durchführung sicher noch effektiver sein können. Generell schien sich Real mit dem wechselhaften Rhythmus und den teilweise großen Abständen im zweiten Durchgang nicht wohlzufühlen. Zudem konnte Manchester zumindest in Ansätzen den Ball in den eigenen Reihen halten, was gegen das oftmals lasche Defensivspiel der Madrilenen ein entscheidender Schlüssel sein dürfte. In der Summe war das Chancenverhältnis einigermaßen ausgeglichen.

Das Spiel ist ein Fingerzeig für die kommende Saison. So wie Manchester United zeigen sich weitere Top-Teams in der Vorbereitung stark verbessert und haben personell weiter aufgerüstet. Real hingegen verfolgt weiterhin das gewohnte Konzept und muss den CL-Thron verteidigen. Mal sehen, wohin das den Spitzenfußball in den kommenden Monaten führt.

Cali 10. August 2017 um 12:58

Würde Mous Aufstellung nicht als 532 interpretieren. Einen Rechtsfuß als LV aufzustellen und ihn anweisen, sich in der Offensive nahezu gar nicht einzuschalten, ist der klassische Mourinho-Move (siehe Gallas, Arbeloa, Azpilicueta).

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August Bebel 10. August 2017 um 01:09

Ohne das Spiel gesehen zu haben und ohne zu wissen, ob Mourinho weiter mit diesem System zu spielen gedenkt, scheint mir das eine recht passende Position/Rolle für Pogba zu bieten.
Bei dem Text zur Graphik in der 17. Minute ist Lingard anstelle von Darmian gemeint, oder?

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tobit 10. August 2017 um 14:35

Wenn das mit mehr Ballbesitz als gegen Real verbunden würde, könnte das wohl die beste (mögliche) Pogba-Einbindung sein. Auch Herrera, Mata (könnte als HS für Mkhitaryan kommen) und Mkhitaryan (könnte auch von der Lingard-Position beginnen und Pogbas Ausweichen noch besser balancieren) käme das sehr entgegen. In dieser Rolle als offensiver Achter kann er weiträumig ausweichen, sich überall einschalten und seine Durchschlagskraft am Strafraum ausspielen, ohne unangenehm fokussiert zu werden. SV hat Mal über Gentner geschrieben, dass er nicht in eine Doppelsechs passt, da zu weiträumig – Pogba hat ähnliche Probleme bei der konstanten Raumbesetzung und Offensiv-/Defensivbalance (deswegen hat er bei Juve mit Vidal auch oft außen in der Raute gespielt und nicht auf der Zehn)

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MR 10. August 2017 um 15:30

Denke, das ist eine sehr passende Rolle, ja. Finde auch nicht, dass Pogba unbedingt all zu große Probleme hat in der Doppelsechs, aber kann halt naturgemäß nicht so viel nach vorne. Und man will ihn ja eigentlich in Strafraumnähe und in Zwischenräumen haben.

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tobit 10. August 2017 um 17:51

Ich finde einfach, dass Pogba sich in einer Doppelsechs entweder sehr auf den Aufbau beschränkt (letzte Saison oft, da es sonst niemand konnte/sollte/wollte) oder zu aggressiv aufrückt und große Lücken hinterlässt (wie im Supercup in ein paar Pressingszenen – was aber gegen Real fast nie bestraft wird, da die dort nicht hinspielen). Dadurch ist immer ein Teil seiner Fähigkeiten verschenkt, gerade wenn er tiefer bleibt, da er noch kein Alonsoesker Stratege aus der Tiefe ist und er dort seine Dribblingfähigkeiten in der PL quasi nie braucht, da das Pressing vieler Teams immer noch zu lasch und unkompakt ist. In einer Anordnung mit einem Sechser und Doppelacht (wenn es passend besetzt ist, was es mit Matic und Herrera war) kann er weiterhin im Aufbau eingebunden sein (dann rückt Herrera auf der anderen Seite weiter auf) ohne sich darauf beschränken zu müssen, da seine Vorstöße viel einfacher passend balanciert werden können.

Generell fände ich Pogba auch als dribbelnde Sechs interessant, dafür müsste er aber noch besser in der Entscheidungsfindung werden und in einer Mannschaft mit (noch) mehr Weltklasse (gerade was Laufwege in die Tiefe und Freilaufen in Ballnähe betrifft) spielen.

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tobit 9. August 2017 um 15:01

United war in der zweiten Hälfte besser als in der ersten, was aber nicht nur an ihren Umstellungen lag. In der zweiten Hälfte gab es bei Real in Ballbesitz vermehrt Szenen, wo alle außer den IV und Benzema auf einer horizontalen Linie standen. Der Zwischenlinienraum wurde auch wesentlich seltener – wenn überhaupt, dann von Bale oder Casemiro – besetzt, was United viel frontalen Druck auf die Mittelfeldreihe ermöglichte.

Bale als zweiten Stürmer fand ich ganz okay, aber passte nicht so richtig zur flachen, spielmachenden Ausrichtung der Raute dahinter. Ronaldo passt da besser, weil er konsequent vorne bleibt, während Bale sich viel fallen ließ, kombinierte und gelegentlich dribbelte (z.B. vor Iscos Tor löste er eine ziemlich enge Situation sehr gut auf). Benzema war dann oft der einzige, der die 5er-Kette beschäftigte, weshalb er insgesamt weniger Bindung zum Spiel hatte als sonst.

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