Startschuss zum WM-Countdown
Der Confed-Cup 2017 ist eröffnet. Zum Auftakt feierte Russlands 5-3-2 einen soliden Erfolg über das 5-2-1-2 von Außenseiter Neuseeland und deren konsequenten, aber nicht umfassenden Plan. Der Gastgeber zeigte Licht und Schatten.
Es ist wahrlich keine leichte Mission, auf der sich die russische Fußballnationalmannschaft dieser Tage beim Confederations-Cup vor heimischem Publikum befindet. Zum Start tat sich das Team von Trainer Stanislaw Cherchesow nun schwer gegen eher harmlose Neuseeländer in einem Aufeinandertreffen zweier Fünferkettenformationen. Für deren Wechselwirkungen spielte jeweils das Aufrückverhalten eine wichtige Rolle.
Licht und Schatten beim Gastgeber
So tendierte der Turniergastgeber insgesamt dazu, viele Spieler und bisweilen zu viel Präsenz nach vorne zu bringen. Sowohl von den Achter- als auch den Flügelpositionen gab es reichlich aufrückende Bewegungen. Auch Glushakov als nominell tiefster Sechser schaltete sich gelegentlich mit ein. Grundsätzlich schienen sich im Wechsel ein Mittelfeldmann und ein Außenläufer von unterschiedlichen Seiten in die Spitze zu orientieren, mehrmals ergab sich daraus aber die Gefahr, mit mehr als diesen zwei Leuten die letzte Linie zu überfrachten. Dadurch kann eine ausgewogene, kontrolliert um das Zentrum aufgezogene Staffelung abhandenkommen.
Dieser Balanceverlust trat bei den Russen immer mal auf, wenngleich einzelne überraschende Freilaufbewegungen und ballfordernde Rückstöße der Achter Gegengewichte bildeten. Insgesamt musste die Srbonaja im Aufbau daher auch vergleichsweise oft mit langen Bällen operieren, zumal ihre drei hintersten Verteidiger im Verbund beim Aufbau zumindest nicht herausragten. Auf der Sechserposition pendelte Glushakov viel durch die Räume, verkörpert aber eher einen lückenstopfenden, reagierenden Allrounder-Typus als einen Verbindungsgeber.
Bei solchen langen Bällen konnte das russische Bewegungsspiel aus den Mittelfeldlinien dafür aber Wirbel in den hohen Zonen entfachen. Von den Flügeln sorgten Zhirkov und Samedov für Präsenz, durch das Mittelfeldaufrücken gab es weitere Zugriffsmöglichkeiten und Tiefenläufe, die vor allem Poloz nicht nur beim Tor mit einigen guten Weiterleitungen bediente. Der Treffer zum 1:0 war das exemplarische Beispiel, wie die Präsenz bei Abprallern um die letzte Linie herum ein gewisses Grundmaß an Torgefahr generierte.
Direktangriffe vom Flügel hinter die Abwehr
Wurden die Angriffe flach entwickelt, erzwang die Mittelfeldstruktur – jedoch mit verschiedenen, vom vielseitigen Bewegungsspiel der dortigen Akteure bedingten Ausnahmen – viele Pässe auf die Flügel und dort schnelle Anschlussaktionen, wenn die Außenbahnakteure vom Herausrücken ihrer gegnerischen Pendants unter Druck gesetzt wurden. Die Neuseeländer verteidigten und pressten insgesamt mit sehr klaren Mannorientierungen im 5-2-1-2, die aus der Abwehr recht weiträumig, im Mittelfeld zumindest in horizontaler Richtung stärker zonal organisiert waren.
Im Moment des ballnahen Herausrückens des Flügelverteidigers an der Außenbahn konnten sich für die weiträumigen, ausweichend angelegten russischen Bewegungen vielversprechende Schnittstellen um die umliegenden Mannorientierungen ergeben. Die Gastgeber versuchten dies mit direkten Diagonalpässen hinter die Abwehr zu bespielen – prinzipiell keine schlechte Idee, die aber an zahlreichen Abseitsstellungen der Stürmer zerbrach. Dies erwies sich als typisches Problem bei direkten Angriffsabläufen, die wegen des offensiven mannschaftlichen Aufrückverhaltens sehr schnell durchgespielt werden müssen und weniger auf eine längere (Rück-)Zirkulation setzen.
Alles in allem blieb bei der Ausgewogenheit, bei der strukturellen und strategischen Festigung im russischen Team also noch Luft nach oben. Einige Ansätze, insbesondere in Teilbereichen des Bewegungsspiels, wurden deutlich, waren aber noch nicht zusammengefügt. Trotz eines insgesamt also durchwachsenen Auftritts mit gewissen Problemen in der Spielgestaltung reichte das aber für manche gefährliche Momente gegen einen auch individuell nicht so starken Gegner. Zudem profitierte Russland davon, dass die geringe Durchschlagskraft des Gegners sie kaum unter Druck und Zugzwang setzen konnte.
Lange Bälle nach links
Die Neuseeländer verfolgten bei Ballbesitz eine klar festgelegte Route: Weit geschlagene Bälle auf die linke Seite. Dort versuchten sie sich zusammenzuziehen und über diese Kompaktheit Abpraller zu gewinnen. Dafür war die eigene Struktur auch konsequent gewählt: Der wuchtige Kapitän und Mittelstürmer Wood schob sich als Zielspieler weit auf jenen Flügel, einer seiner beiden Offensivpartner – oft der etwas ballfernere – suchte diagonal die Tiefe, der linke Außenspieler rückte deutlich weiter auf als sein Gegenüber, welcher wiederum mit den drei hinteren Defensivakteuren vielmehr eine eng zusammengeschobene Linie formierte.
Auf links hatten sie mit Thomas auch ihren im Zusammenspiel kreativsten Akteur als etwas höherem nominellen Sechser, dessen Partner McGlinchey schräg dahinter für die Sicherung weiterer Abpraller seine guten Drehungen einbringen konnte. Insgesamt fruchtete das Vorgehen der Neuseeländer: Sie konnten viele weite Bälle zwischen Mittelfeld- und Sturmreihe der Russen festmachen, zumal diese vor allem auf Stabilität bedacht waren. Dass sie sich früh mit den hinteren Linien zurückfallen ließen und der ausgewichene Wood in eher peripheren Zonen als Fokuspunkt der Zuspiele fungierte, führte aber dazu, dass die „Kiwis“ häufig aus der Formation herausgedrängt wurden.
Mit diesen eroberten Abprallern ging geringes Risiko für beide Mannschaften einher. Von den Bewegungen aus der Tiefe her brachte Neuseeland letztlich zu wenig Präsenz hinter das gegnerische Mittelfeld, um den stabilen 5-3-Block ernsthaft gefährden zu können. An dieser Stelle wiederum hätte sich Thomas vielleicht in höheren Positionen bezahlt gemacht. Es fehlte den Außenseitern etwas an der klaren Schwerpunktsetzung, wie sie Szenen einleiteten oder Aktionen starteten. Sie hatten zwar eine klare und gute Struktur für die Momente der langen Bälle, aber weniger für die Anschlussaktionen in den Folgeszenen, für das Zusammenspiel in Strafraumnähe und eventuell Grundabläufen zur losen Orientierung.
Allgemeine Bemerkungen
Ihre Abpraller holten sie meist in seitlichen Zonen um Wood herum, nutzten dann aber den Raum vor der russischen Mittelfeldreihe zu wenig, sondern gingen sehr weiträumig in die Rückzirkulation über. Oft ließen sie das Leder sofort bis ganz nach hinten laufen und die Verteidiger boten sich recht tief nach hinten an. Dieses Absetzen und Auffächern konnte die offensiven Abstände aber auch schon mal unnötig vergrößern und so die Kohärenz für das weitere Vorgehen erschweren. Insgesamt brachten sich die Neuseeländer selbst zu wenig gezielt in Situationen, in denen ihre Qualitäten regelmäßiger zum Tragen gekommen wären.
Denn die übermäßige Harmlosigkeit in Person war der Ozeanienmeister nun auch wieder nicht. Eigentlich hatten sie ein gutes Passspiel: Gerade ihre Passentscheidungen sind positiv hervorzuheben, wie sich speziell bei Aktionen aus dem zweiten Drittel heraus zeigte. Strategisch schien das Team von Anthony Hudson aber zu wenig darauf geschärft. Zudem wirkte es im Angriffsdrittel dann so, als würden die Neuseeländer durch die russische Verteidigungsspielweise individualistischer in ihrer Entscheidungsfindung. Gegen das frühe und häufige Zurückweichen des hinteren Blocks, das teilweise gar die Kompaktheit im Mittelfeld etwas schwächte, griffen sie zunehmend zu Einzelaktionen. Dadurch hatten sie gar nicht so wenige Abschlüsse, aber gingen kaum mal konsequent auf das Umspielen auch der letzten Linie.
Erwähnt sei schließlich noch Folgendes: Das russische Team machte auch einen guten Eindruck gegen den Ball, bekam das „clean sheet“ nicht nur dadurch geschenkt, dass sie kaum gefordert gewesen wären. Vor allem gefielen manche Elemente der Rückzugsbewegung sowie in der tiefen Verteidigung die geschlossene, einheitliche Intensitäts- und Entscheidungsfindung zwischen Mittelfeld und Abwehr. Zudem erfolgte das Nachschieben hinter dem Herausrücken des ballnahen Achters im Mittelfeldpressing harmonisch. Von daher könnte ein Punkt, über den zum Auftaktspiel also kaum gesprochen wurde, für den Gastgeber in den beiden kommenden Begegnungen noch ein wichtiges Zünglein sein, nachdem dieser solide Auftritt eher erleichterte Zurückhaltung als Euphorie auslösen konnte.
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