TEs Bundesliga-Check: Kellerkinder
Nach dem fünften Spieltag stehen bei TEs Bundesliga-Kolumne die Kellerkinder im Fokus. Es gibt ein paar kritische Worte zur Labbadia-Entlassung sowie eine kleine Analyse der Schalker Krise.
Spielverlagerung-Autor TE sucht sich nach jedem Bundesliga-Spieltag zwei bis drei Aspekte raus, die er kurz und knackig analysiert. TEs Bundesliga-Check ist eine Spielwiese für taktische Beobachtungen, die in den “langen” Spielanalysen keinen Platz finden. Der Analysehappen für Zwischendurch.
Aus den richtigen Gründen das Falsche tun
Der Hamburger SV beurlaubt Bruno Labbadia. „Peinliches Schauspiel beim HSV“ findet die Berliner Zeitung, und auch sonst gehen Fans und Medien nicht gerade zimperlich um mit Sportchef Dietmar Beiersdorfer. Zum Einen wurde der schlechte Stil der Entlassung am Telefon kritisiert, zum Anderen aber auch die Entlassung an sich. Schließlich habe man sich gegen Bayern München lange Zeit gut verkauft und den Ball gehalten.
Ich tue jetzt einfach mal so, als wäre das hier keine Nischenseite und als würden die Leute, die das Aus von Labbadia kritisieren, tatsächlich diese Kolumne lesen (bzw dass überhaupt irgendjemand diese Kolumne liest). Es gibt eine Weisheit, die ich Fußballdeutschland gerne auf den Weg geben würde: Van Gaals Vier-Phasen-Modell.
Demnach gliedert sich ein Fußballspiel in vier Phasen: Man selber hat den Ball. Man verliert den Ball. Der Gegner hat den Ball. Man gewinnt den Ball. In jeder dieser Phase sind andere Strukturen, andere Vorgehensweisen, andere Taktiken gefragt. Wenn der Gegner den Ball hat, verteidige ich in meiner Defensivformation. Wenn ich den Ball gewinne, schalten beide Teams um – von Defensive auf Offensive oder umgekehrt. Sobald der Gegner sich in seine Defensivformation zurückgezogen hat, muss ich dessen Formation mit meiner Offensivformation und einem klugen Spielaufbau knacken. Bis ich den Ball verliere und wieder in meine Defensivformation zurückkehre. Und so weiter.
Das ist – streng genommen – eine viel zu starke Simplifizierung eines Fußballspiels. Die Phasen wechseln ständig, greifen teilweise ineinander über. Wirklich modern ist dieses Konzept ohnehin längst nicht mehr. Trainer wie Tuchel oder Guardiola denken die Phasen nicht unabhängig voneinander, sondern sehen ein Fußballspiel als Ganzes.
Dennoch eignet es sich, um eine ganz simple Wahrheit ins Gedächtnis zu rufen: Nur weil ich gegen ein schwaches Bayern lange Zeit ein 0:0 halte, müssen die Probleme aus den Spielen nicht verschwunden sein. Gegen die Bayern können sich Teams auf die Defensivphase konzentrieren. Sie müssen nicht das Spiel machen, sondern können versuchen, das 0:0 möglichst lange zu halten. Ganz anders sieht ein Fußballspiel aus, wenn man gegen einen Aufsteiger 0:1 hinten liegt. Dann wird sich der Gegner zurückziehen. Und genau diese Offensivphase ist das Hamburger Problem, wenn man sich die kläglichen Versuche der Hamburger anschaut, selber Chancen zu kreieren.
Genau das gab Dietmar Beiersdorfer nach dem Spiel in diversen Interviews zu Protokoll: Ja, man habe gut gespielt gegen Bayern. Aber das sei ja auch nicht das Problem. Das Problem, so deute ich es, sieht Beiersdorfer eher darin, dass die Hamburger in fünf Bundesliga-Spielen nur sechs Schüsse auf den gegnerischen Kasten brachten. Und Beiersdorfer traute es Labbadia nicht zu, dieses Problem zu lösen.
Also alles richtig gemacht von Beiersdorfer? Naja. Guter Stil geht anders. Nehmen wir an, meine Logik trifft Beiersdorfers Gedankengang – wäre es dann nicht vollkommen egal gewesen, wie der HSV gegen die Bayern spielt? Hätte Beiersdorfer nicht so konsequent sein müssen, Labbadia selbst bei einem Sieg zu entlassen? Hätte man ihn dann nicht einfach vor dem Spiel entlassen können? Der Eindruck drängt sich auf, dass man zuerst mit Markus Gisdol den Vertrag abschließen wollte, ehe man Labbadia feuert. Aber das ist Spekulation und nicht mein Fachgebiet. Aber Fußball ist eben nicht ganz so einfach, dass man sagen kann, dass nach einer defensiv stabilen Leistung gegen die Bayern alle Probleme wie weggewischt sind.
Krise statt Ruhe
Fast schon außergewöhnlich ruhig war es auf Schalke in der vergangenen Woche. Trotz einem Null-Punkte-Start gab es keine großen Pfiffe, keinen großen Aufschrei in den sozialen Medien, ja sogar die Boulevardblätter hielten sich in ihrer Kritik zurück. Was zu der absurden Situation führte, dass Trainer Markus Weinzierl den Medien dankte, weil diese sich so konstruktiv verhalten hätten.
Nach der mittlerweile fünften Niederlage in Folge scheint sich das Stimmungsbild langsam, aber sicher zu drehen. Die Leitlinie Schalkes schien bis dato zu sein, dass Ruhe reinkommt, wenn man diese Ruhe nur beschwört. Eine klare Ansage von Manager Christian Heidel begrub diese Strategie endgültig. Es zeigt sich erneut: Im Fußball kehrt Ruhe in erster Linie dann ein, wenn die Ergebnisse stimmen.
Was läuft schief auf Schalke? Problem bleibt auch gegen die TSG Hoffenheim der Spielaufbau. Schalke verfolgt unter Weinzierl eine eher passive Strategie mit einem kompakten 4-4-2-Mittelfeldpressing. Misslingt der Konter, versuchen sie aber dennoch, das Spiel konstruktiv aus der ersten Linie aufzubauen. Einzig: Es funktioniert nicht besonders gut.
Grundsätzlich orientiert man sich am standardmäßigen Aufbau, den auch der DFB lehrt: Ein Sechser lässt sich etwas fallen, es entsteht eine Dreierkette im Aufbau. Die Außenverteidiger rücken vor, die Zentrumsspieler und die Außenstürmer agieren im Halbraum als verbindende Akteure. Nach der Spieleröffnung soll dynamisch weitergespielt werden nach dem Prinzip: Mitte-Flügel-Mitte-Flügel-Mitte.
Weinzierl sucht aber noch immer nach seiner idealen Besetzung. Gerade in der Offensive gibt es wenig Synergien. So agierten Choupo-Moting und Goretzka gegen Hoffenheim auf den Flügeln. Choupo-Moting war in breiter Position verschenkt, Goretzka fand genauso wenig ins Spiel. Die Stürmer versuchten immer wieder, auszuweichen und die Außenstürmer zu unterstützen. Embolo und Huntelaar harmonierten dabei aber nicht, fielen oft auf die gleiche Seite und gaben zu wenig Tiefe. Schalke kann mangels Halbraumbesetzung bzw fehlender Kreativität dort nie aus einer tiefen Zirkulation Dynamik aufnehmen und eröffnende Pässe auch wirklich weiterverwerten.
Erschwerend hinzu kam, dass Hoffenheim recht gut auf das Schalker Spiel eingestellt schien. Julian Nagelsmann schickte seine Elf in einem 5-3-2 auf das Feld. Diese Formation zeichnet sich vor allem durch die hohe Kompaktheit im Zentrum aus. Hoffenheim verbaute diese Passwege im Aufbau und lenkte Schalke recht früh auf die Flügel. Die Hoffenheimer Außenverteidiger verfolgten die Schalker Außenstürmer recht mannorientiert, sodass deren versuchte Wechselspielchen ins Zentrum nie in Fahrt kamen. Die beiden Stürmer und die extrem laufstarken Achter verhinderten wiederum, dass Schalke das Spiel verlagern konnte. Schalke spielte sich auf den Flügeln fest. (Ich persönlich glaube immer stärker, dass ein gut ausgeführtes 5-3-2 die ideale Formation gegen ein 4-2-3-1/4-4-2 ist. Aber das ist ein anderes Thema).
Einschätzungen nach fünf Spieltagen sind selten leicht, und so gibt es auch bei Schalke nicht nur schwarz und weiß. Wenn man an kleinen Schrauben dreht, beispielsweise die Außenstürmer besser einbindet oder einen kreativeren Zehner als Verbindungsmann aufstellt, kann aus einem Null-Punkte-Start schnell ein Comeback werden. Nur: Dazu muss man erst einmal die richtigen Stellschrauben finden.
Ausführliche Analysen des fünften Spieltags
Hamburger SV – Bayern München 0:1
FC Augsburg – SV Darmstadt 1:0
21 Kommentare Alle anzeigen
DO 28. September 2016 um 11:40
Mich würde interessieren, warum du das 5-3-2 als „passendes Gegenmittel“ zum 4-2-3-1 ansiehst?
TE 28. September 2016 um 19:33
Puh, das würde hier den Rahmen sprengen. Wir hatten mal im Zusammenhang mit dem HSV was dazu geschrieben: https://spielverlagerung.de/die-3-5-23-4-3-variante-fur-den-hsv/
ES 29. September 2016 um 10:01
Die Frage ist mit den HSV Artikel nur sehr teilweise beantwortet. Ich habe wie DO immer intellektuelle Schwierigkeiten mit Aussagen wie „Spielsystem x ist ein gutes Mittel gegen Spielsystem y.“ Ich kann gut verstehen, was man mit einem System generell erreichen wiil, und warum, wie im HSV Artikel, ein bestimmtes System passend für einen bestimmten Kader ist. Aber warum ein 3-5-2 ein Gegenmittel gegen 4-2-3-1 sein soll, ist für mich höhere Mathematik mit Telefonnummern.
studdi 29. September 2016 um 10:50
Ich denke es hängt damit zusammen wie im Text erwähnt, das man eben nominell im Zentrum sehr kompakt steht und überzahl hat und somit das aufbauspiel recht einfach auf die AV lenken kann. Diese sind dann sehr einfach zu Isolieren da IV von 2 Stürmern zugestellt 6er von 2 8er zugestellt somit ist man dann auf einer Seite festgespielt… So wohl die Kurzfassung.
Mit jeder anderen Grundordnung kann man natürlich ebenfalls das Zentrum zustellen und den Gegner auf der Seite isolieren mit dem 3-5-2 ist dies allerdings von der Formation her schon sehr gut gegeben.
Ich finde dieses Thema aber selbst auch sehr spannend und würde mich über eine Detail Analyse freuen (ohne sie hier zu fordern weis das ihr alle viel Zeit investiert und dies auch zu schätzen).
Ich habe auch das gefühl das so eine 3-5-2 Grundordnung recht gut passt um die gängigen 4-4-2, 4-2-3-1 Grundordnungen zu bespielen, verstehe allerdings nie so recht wieso sich dann ende der 90er Anfang 2000er das 4-4-2 so etablieren konnte gegenüber dem damals noch gängigen 3-5-2…
DrKlenk 29. September 2016 um 12:36
Da ging es dann wohl eher um Raumdeckung statt Manndeckung.
Koom 29. September 2016 um 17:00
Denke ich auch. Und zum „Lernen“ war es einfacher, wenn man diese Aufgaben in einer Viererkette aufteilt. So musste keiner der IVs/Manndecker raus, weil dort ein Verantwortlicher war usw. Machte auf diese Art und Weise schon Sinn.
ES 30. September 2016 um 08:18
Vielen Dank für die schöne Erläuterung. Ich verstehe schon, dass man im 3-5-2 Überzahl im Zentrum hat, und dass das von Vorteil ist. Was mir aber zu kurz kommt ist, dass man die Überzahl in einem Teil des Spielfeldes doch mit Unterzahl woanders bezahlt. Polemisch gesprochen, wenn die Überzahl im Zentrum so toll ist, warum spielen dann nicht alle Teams ein 0-10-0, der spielstarke Torwart macht die Endverteidigung, die aufrückenden Mittelfeldspieler wahlweise die Tore (am Ende finden die Idee hier irgendjemand noch Klasse :-)). Im Übrigen: ich muss doch nicht 3-5-2 spielen, um die Außen zu isolieren, das geht doch auch mit Viererkette seit mindestens weiland Sacchi (noch neulich hier schön erläutert am Beispiel RB Leipzig).
Konkret im Spiel: Klar war zu sehen, dass die 8er von Hoffenheim sich sehr schön in den Halbräumen bewegt haben und Schalke Schwierigkeiten hatte, die unter Kontrolle zu bringen. Klar war zu sehen, dass die Hoffenheimer die Schalker 6er lehrbuchmäßig isoliert und gepresst haben (siehe Isolieriung von Bentaleb kurz vor dem 1:2, die zu einem missglückten Doppelpass mit Baba und Balleroberung durch Hoffenheim geführt hat). Aber vielleicht lag es auch daran, dass die 8er sich gut bewegt haben, was sie gerne in jedem Spielsystem tun dürfen, und dass die Schalker noch erhebliche Abstimmungsprobleme haben (in jedem System). Von der Spielidee war es doch dem Weinzierl schnuppe, wie die Überzahl der Hoffenheimer im Zentrum aussieht. Er hat dann einen Mann mehr am Flügel und will den Gegner darüber (und über einen ausweichenden Embolo) überrollen. Hat ja auch beim 1:0 gut geklappt.
Wenn Schalke besser eingespielt ist, und diese Dinge konsequenter klappen, heisst es dann am Ende: Das 4-2-3-1 ist ein ideales Gegenmittel gegen das 3-5-2?
tobit 30. September 2016 um 21:04
Zwei Achter und zwei Stürmer, die es für eine so starke Isolation des gegnerischen Sechserraums braucht, bringt man aber nur in wenigen symmetrischen Systemen so unter.
Im 4-4-2 muss die Lücke hinter den herausrückenden Sechsern dann von einem anderen Spieler geschlossen werden. Im 4-3-1-2 verhindert der Zehner unter Umständen durch seine bloße Existenz konstante Anspiele in diese Zonen und leitet den Gegner stärker nach Aussen, wo dieser dann leichteren Raumgewinn verbuchen kann als gegen ein 3-5-2.
Zum 0-10-0: letztlich strebte Peps (und zuvor Cruyffs) Barca genau dahin: Alle können überall spielen und besetzten je nach Bedarf die passenden Räume.
Überzahl bezahlt man immer mit Unterzahl – nun ist die Frage, ob ich lieber da in Überzahl bin, wo ich alle anderen Bereiche erreichen kann, oder ob ich mich gerade dort in Unterzahl begeben will.
Eine Lösung wäre natürlich in Gleichzahl zu spielen, dann bin ich aber abhängig von den individuellen Kräfteverhältnissen der Spieler. Spieler wie Messi kann man kaum in Gleichzahl verteidigen, während man gegen zwei gegnerische IV auch mit nur einem Stürmer schon einen signifikanten Effekt erzeugen kann.
ode. 26. September 2016 um 22:58
Trainerwechsel: Für mich war es recht klar, dass der HSV nicht vor dem Bayernspiel einen neuen Trainer ins Spiel bringt. Labbadias Aus stand sicher fest. Warum sollte der neue Trainer mit einer Niederlage starten? Ein wenig hatte ich sogar erwartet, dass man bis zur Länderspielpause wartet. Aber der HSV hat ja jetzt eine ganze Woche Zeit…
Übrigens haben die Hamburger beim letzten Trainerwechsel auch gemacht. Dort wurde Peter Knäbel für ein paar Spiele „verheizt“. Es standen die Spiele gegen Wolfsburg (damals in der Blüte) und Bayer Leverkusen auf dem Programm. Ein schweres Programm im Abstiegskampf. Knäbel hat die Birne hingehalten, ganz viel dummes Zeuch gelabert und danach kam Labbadia.
Schalke: Danke @Daniel für den Text. Deckt sich mit meiner Einschätzung. Aber so gut hätte ich es kaum formulieren können!
Daniel 26. September 2016 um 20:06
Zu Schalke sollte man mMn dazu sagen, dass Startschwierigkeiten unter Markus Weinzierl (wenn auch nicht in diesem Rahmen) durchaus zu erwarten waren. Zum einen aufgrund von Weinzierls Trainerhistorie: In seiner ersten Saison beim FCA stand Augsburg zur Winterpause mit neun Punkten da. In der öffentlichen Wahrnehmung galt Weinzierl als totale Fehlverpflichtung und Augsburg als so gut wie abgestiegen. In der Rückrunde gelang noch der Klassenerhalt und in den beiden folgenden Jahren entwickelte man sich kontinuierlich weiter und erreichte Plätze in der oberen Tabellenhälfte. In Weinzierls letzter Saison war man wieder wesentlich schwächer, was aber wohl zum Großteil an der ungewohnten Europapokalbelastung lag. Auch zuvor bei Regensburg war die Entwicklung langsam, aber stetig (in den drei von Weinzierl komplett verantworteten Saison erreichte man erst Platz 16, dann 8 und schließlich den Aufstieg mit Platz 3).
Dies ist angesichts seiner Art in meinen Augen auch ziemlich naheliegend: Weinzierl ist kein Feuerwehrmann, der mit aggressiver Rhetorik seine Mannschaft total motiviert. Auch im Bereich Gegneranpassung hält er sich meist zurück. Seine herausragende Stärke liegt darin, ganz genau die Stärken seiner Spieler zu erkennen und dann ein Spielsystem zu entwickeln, in dem sich seine besten Spieler optimal entfalten können. Das beste Beispiel dafür ist Daniel Baier: Als Weinzierl zu Augsburg kam, galt Baier als gescheitertes Offensivtalent. Weinzier stellte ihn auf die Sechs und schuf für Baier – der keinesfalls ein „klassischer“ Sechser ist – ein Umfeld, in dem er seine Stärken perfekt einbringen konnte und seine Schwächen weitestmöglich kaschiert wurden. Andere von Weinzierl extrem weiterentwickelte Spieler sind zB André Hahn oder Ragnar Klavan.
Nur: Um diese Fähigkeit einbringen zu können braucht Weinzierl Zeit. Zeit, um seine Spieler genau kennenzulernen und sich zu überlegen, wie er sie bestmöglich einbinden kann. Und dann Zeit, um dieses System einzustudieren. Deshalb hat er bisher überall eine gewisse Anlaufzeit benötigt. Bei Schalke kommt diese Saison erschwerend hinzu, dass viele wichtige Spieler erst sehr spät zur Mannschaft stießen (Höwedes (EM), Goretzka, Meier (Olympia), Stambouli, Bentaleb, Konoplyanka, Baba (relativ spät eingetütete Transfers)), so dass Weinzierl noch gar keine Chance hatte, seine Spieler wirklich gut kennenzulernen. Dazu dann noch etwas Spielpech (zB nicht gegebene Elfmeter gegen Bayern und Hoffenheim) und fertig ist der Fehlstart.
Gleichwohl sehe ich die Entwicklung auf Schalke alles in allem keineswegs negativ. Alleine die relative Ruhe, die auf Schalke trotz des Fehlstarts noch immer herrscht, ist ein Riesenschritt nach vorne. Weinzierl ist trotz der oben beschriebenen Schwäche ein hervorragender Trainer. Bei den meisten Trainern spielen manche Spieler unter ihrem eigentlichen Leistungsvermögen, weil sie falsch oder jedenfalls nicht optimal eingesetzt werden. Bei Weinzierl passiert das nach einer gewissen Zeit fast gar nicht mehr. Auf diese Art und Weise kann Weinzierl ein Bild formen, das größer ist als die Summe seiner Einzelteile. Weil diese Einzelteile auf Schalke größer sind als in Regensburg oder Augsburg und Christian Heidl gut darin ist, mit vergleichsweise geringen Mitteln hervorragende Einzelteile nachzukaufen, kann auf Schalke mit diesen beiden langfristig etwas Großes entstehen. Jetzt ein wenig Geduld zu haben wird für Schalke langfristig deutlich besser zu sein, als es ein erneutes Strohfeuer wäre. Kurzfristig erfolgreiche Strohfeuer hatte Schalke in den letzten Jahren oft genug.
Schorsch 26. September 2016 um 18:51
„Einschätzungen nach fünf Spieltagen sind selten leicht, und so gibt es auch bei Schalke nicht nur schwarz und weiß.“
Volle Zustimmung.
„Und genau diese Offensivphase ist das Hamburger Problem, wenn man sich die kläglichen Versuche der Hamburger anschaut, selber Chancen zu kreieren.
Genau das gab Dietmar Beiersdorfer nach dem Spiel in diversen Interviews zu Protokoll: Ja, man habe gut gespielt gegen Bayern. Aber das sei ja auch nicht das Problem. Das Problem, so deute ich es, sieht Beiersdorfer eher darin, dass die Hamburger in fünf Bundesliga-Spielen nur sechs Schüsse auf den gegnerischen Kasten brachten. Und Beiersdorfer traute es Labbadia nicht zu, dieses Problem zu lösen.“
Genau so ist es. Und das guter Stil nicht unbedingt die Stärke beim HSV in den letzten Jahren ist, kann ich nur unterstreichen.
„Nehmen wir an, meine Logik trifft Beiersdorfers Gedankengang – wäre es dann nicht vollkommen egal gewesen, wie der HSV gegen die Bayern spielt? Hätte Beiersdorfer nicht so konsequent sein müssen, Labbadia selbst bei einem Sieg zu entlassen? Hätte man ihn dann nicht einfach vor dem Spiel entlassen können? Der Eindruck drängt sich auf, dass man zuerst mit Markus Gisdol den Vertrag abschließen wollte, ehe man Labbadia feuert. Aber das ist Spekulation und nicht mein Fachgebiet.“
Ich bin kein großer Freund von Dietmar Beiersdorfer, aber hier muss ich ihn ein wenig in Schutz nehmen. Kein klares Wissen, aber auch keine trübe Spekulation. Markus Gisdol hat mit Werder und dem HSV parallel verhandelt und sich bei beiden eine Entscheidung erst nach den Spielen des HSV und Werders ausbedungen. Es hätte also genauso gut passieren können, dass Gisdol bei Werder unterschreibt und nicht beim HSV. Der HSV hatte aber offensichtlich alles auf die Karte Gisdol gesetzt, da man wahrscheinlich von anderen Kandidaten (hier gehe ich einmal davon aus, dass es diese gegeben hat) nicht überzeugt war. Werder schien übrigens auch nicht unbedingt von den anderen Kanddidaten, einschließlich Alexander Nouri, so richtig überzeugt. Was hätte Beiersdorf also anders machen können? Wenn er Bruno Labbadia vor dem Bayernspiel oder gar vor dem Spieltag davor entlassen hätte (ob man sich da schon auf eine Trennung festgelegt hatte, weiß man nicht), dann hätte der U 23 – Trainer oder ein anderer Trainer aus dem Club mit der Fußballlehrerlizenz die Mannschaft übernehmen müssen und im Falle einer Absage Gisdols wäre dieser Zustand auf unbestimmte Zeit weitergegangen (so wie jetzt bei Werder). Wäre das wirklich die bessere Alternative gewesen?
Was ich an der gesamten Entscheidungsfindung negativ sehe, ist der wiederholte Fehler Beiersdorfs, mit einem Trainer in die Saisonvorbereitung und die Saison zu gehen, von dem er offensichtlich nicht zu 100% überzeugt war. Er sprach selbst die unbefriedigende Entwicklung im bisherigen Kalenderjahr an.
The Soulcollector 26. September 2016 um 22:14
Ich denke auch man wollte dem neuen Trainer das Bayernspiel einfach „ersparen“. Man kann eben nicht davon ausgehen dass dieser gleich das erste Spiel gewinnt gegen einen potentiellen CL-Sieger. Also muss Bruno das noch auf sich nehmen.
Die Frage muss aber erlaubt sein, warum man diesen Wechsel nicht schon zur Sommerpause vorgenommen hat. Gisdol war ja frei und die (unzureichende) Entwicklung unter BL zum Ende der Saison auch zu erkennen.
ES 27. September 2016 um 17:08
Die letzte Frage finde ich besonders treffend. Kann doch nicht sein, dass dem Beiersdorfer die Erkenntnis über die Unfähigkeit BL, ein Offensivspiel zu gestalten, nicht schon am Ende der letzten Saison, sondern erst nach 4 Ligaspielen gekommen ist.
Und nochmal unlogisch: Wäre das wirklich die Erkenntnis, dann hätte sich doch Gisdol bereits die Lorbeeren zum Bayern-Spiel abholen können. Er hätte nichts zu verleiren gehabt, und wenn er sich tapfer gegen die Bayern wehrt (was wahrscheinlich war), hätte er den ersten Pluspunkt quasi geschenkt bekommen.
Insgesamt ist das eher die Kategorie: Denn sie wissen nicht, was sie tun…
Petra 27. September 2016 um 18:06
„Was ich an der gesamten Entscheidungsfindung negativ sehe, ist der wiederholte Fehler Beiersdorfs, mit einem Trainer in die Saisonvorbereitung und die Saison zu gehen, von dem er offensichtlich nicht zu 100% überzeugt war. Er sprach selbst die unbefriedigende Entwicklung im bisherigen Kalenderjahr an.“
Denke auch: Das ist der wahre Fehler! Überhaupt mangelts scheinbar an Absprache zwischen Sportvorstand und Trainer. TE schreibt ja, dass die Neuverpflichtungen nicht passend sind für das Spiel, das Labbadia spielen lässt. Halilovic z.B. ist so ein Transfer, bei dem man nie so genau weiß, ob er am Ende nicht nur mehr PR bringt, aber kaum sportliche Fortschritte. Bin mir auch nicht sicher, ob Hamburg wirklich einen richtig teuren, neuen Linksverteidiger brauchte. Dann doch lieber den klaren Schnitt vor der Saison machen und mit dem Trainer zusammen am Kader basteln, als Spieler am Trainer vorbei zu verpflichten, weil man von dem eh nicht wirklich überzeugt ist.
Schorsch 27. September 2016 um 19:52
Es ist die Frage, wieviel Mitspracherecht einem Trainer bei der Neuverpflichtung von Spielern zugemessen wird und ob er ein ‚Vetorecht‘ hat. Beim HSV war es wohl so, dass Bruno Labbadia eher weniger Mitspracherecht hatte (auch wenn es nach außen anders kommuniziert wird). Die Konstellation mit einem immer hilfloser wirkenden, in Abhängigkeit vom ‚Gönner‘ stehenden Beiersdorfer auf der einen Seite, einem ‚Gönner‘ mit einem Spielerberater und einem Ex-Sportdirektor als persönliche Consultants auf der anderen Seite und einem Trainer in Abhängigkeit von diesem ganzen Geflecht ist auf Dauer eher kontraproduktiv.
Koko 28. September 2016 um 00:03
Hört sich ein wenig nach dem Overathschen 1. FC Köln an – mal sehen, ob der HSV erst insolvent wird, und dann absteigt, oder ob eine Insolvenz den Zwangsabstieg auslöst. Auch Kühne wird sicherlich nicht ewig die Spendierhosen anhaben.
Koom 26. September 2016 um 17:38
Danke für beide Analysen hier.
Würde den Schalkern theoretisch ein Verzicht auf Huntelaar momentan vielleicht besser tun? Der macht spielerisch relativ wenig und hilft dadurch einem Team auf der Suche nach der Identität (vormals reaktives Kontergegenpressing, jetzt etwas anderer Ansatz) nur wenig.
Die beiden 6er-Nachverpflichtungen wurden ja SV-seitig für gut befunden. Auch ansonsten schaut der Kader ja nicht so schlecht aus. Wobei man natürlich immer einräumen muss, dass Niederlagen eben passieren können. So richtig schlecht war Schalke ja auch nie, nur eben auch nie wirklich gut.
CH 27. September 2016 um 09:22
M.Meyer statt Huntelaar würde vmtl. funktioniern. Warum lassen die den eigentlich so versauern ? Die zwei 6er sollten eigentlich gut genug sein, ihn gegen Ballverluste abzusichern und die Spielpraxis sollte seiner Entscheidungsfindung (war bei Olympia manchmal recht schräg) gut tun …
tobit 27. September 2016 um 11:53
Huntelaar immer wieder zu bringen verstehe ich auch nicht.
Weinzierl hat zwei dynamische Stürmer (Embolo, EMCM), 6 gute ZMs und offensivstarke AV (Caicara, Baba) – warum lässt er da nicht Mal mit Raute spielen?
Klar fällt dann der einzige echte Flügelspieler Konoplyanka etwas hinten rüber, aber die anderen könnten sehr davon profitieren. Embolo und EMCM können hoch pendeln und verschiedene Räume an der letzten Linie besetzen. Die ZMs können kombinieren und sehr kompakt pressen. Selbst Kono könnte man als Stürmer in einer „Dunga-Raute“ einbinden.
tobit 27. September 2016 um 17:42
http://lineupbuilder.com/?sk=cx6ny3 Sowas zum Beispiel.
Oder defensiver im 4321 mit Geis auf der zentralen 6 zwischen Stambouli und Bentaleb hinter Goretzka und Meyer. Und wenn man ganz stabil hinten stehen will, kann man auch noch den 10er oder einen Stürmer für Naldo als zusätzlichen IV opfern.
Geht alles mit den selben Grundprinzipien: offensive Breite durch AVs/Wingbacks, umtriebige Stürmer, Zentrumskompaktheit, Aufbau durch die Mitte. Die Details müsste man dann je nach Gegner und Formation etwas anpassen.
Petra 27. September 2016 um 17:59
Mein Gedanke war auch, dass möglicherweise Max Meyer die Stellschraube ist, an der sich zu drehen lohnt…