Mutiger Kramny bringt Stuttgart Punkt auf Schalke
Am Sonntag war viel los in der Fußball-Bundesliga. Noch während sich in Leverkusen alle über die kuriose Spielunterbrechung von Schiedsrichter Zwayer wunderten, wurde in Gelsenkirchen schon das zweite Spiel des Tages angepfiffen. Dort war die Lage, nach der Verkündung, dass Mainz-Manager Heidel zu Saisonende den Posten von Horst Heldt übernimmt, nicht weniger brisant, suchten sich die Schalker doch ausgerechnet den Spieltag aus um die Entscheidung publik zu machen.
Die Gäste aus Stuttgart wollten ihre sehr gute Bilanz unter Neo-Coach Kramny fortführen, trafen dabei aber auf einen FC Schalke 04, der gut aus der Winterpause gekommen ist und sich mit Belhanda und Schöpf auch durchaus interessante Verstärkung geholt hat.
Beide gelernte Zehner kamen gegen den VfB auch zum Einsatz, wobei Belhanda zentral hinter Klaas-Jan Huntelaar startete und Schöpf über die rechte Seite kam. Komplettiert wurde die offensive Dreierreihe im 4-2-3-1 durch Chupo-Moting, der jedoch bereits nach kurzer Zeit verletzungsbedingt für Shooting-Star Sané rausmusste.
Jürgen Kramny hingegen vertraute weitesgehend dem Personal, welches in den vergangenen Wochen und Monaten erfolgreich unterwegs war. Der unter Zorniger ignorierte Niedermeier war ebenso am Start wie Neuzugang Großkreutz und der sehr interessante Lukas Rupp.
Stuttgart mit guter Ausrichtung
In der Anfangsphase versuchte Schalke 04 naturgemäß als Gastgeber dominant aufzutreten und hatte von Beginn weg leichte Vorteile im Ballbesitz. Der VfB Stuttgart hatte jedoch durchaus interessante Ideen um Schalkes Spielaufbau zu unterbinden.
Wie unter Kramny bereits gewohnt, setzt der VfB Stuttgart gegen den Ball auf diverse Mannorientierungen. Gegen den dauerabkippenden Geis, reagierte der VfB beispielsweise mit einem mannorientierten Herausrücken von Kapitän Gentner; dieser verfolgte seinen Gegenspieler bis in den Strafraum von Tormann Fährmann. Vor Gentner standen die Stürmer Werner und Didavi sehr breit und ließen den zentralen Korridor auf Geis, sowie die beiden Wege zu den sehr breit auffächernden Innenverteidigern Matip und Neustädter, frei. Wurde einer der beiden Innenverteidiger angespielt, wurde dieser vom ballnahen Stürmer aggressiv angelaufen. Dahinter war Geis durch die Manndeckung von Gentner nur sehr schwer anspielbar, weshalb Schalke oft auf den hohen Ball zurückgreifen musste. Pässe auf die Außenverteidiger wurden von Schalke in dieser tiefen Aufbauphase weitesgehend vermieden, auch weil Rupp und Kostic sich gut positionierten und jederzeit Zugriff auf die Außen herstellen konnten, während sie gleichzeitig die Halbräume abdeckten.
Der VfB Stuttgart schien generell einen gewissen Halbraumfokus bei Schalke zu erwarten. Man konnte oft erkennen, wie die Mittelfeldreihe sich enger positionnierte als die Abwehrkette, womit Rupp als rechter Flügel automatisch die Schnittstelle zwischen dem rechten Außen- und Innenverteidiger abdeckte und den Schalkern so die Penetration über diesen Raum verwehrte. Vor allem Rupps Positionnierung war sehr klug und stellte nicht nur die Schalker in Ballbesitz vor Probleme, sondern schuf für seine Mannschaft auch oft Optionen für den offensiven Umschaltmoment. Alles in allem, haben sich die „plumpen“ Mannorientierungen von Jürgen Kramny inzwischen zu einer kohärenten Defensiv-Strategie weiterentwickelt, welche in Ansätzen an das Pressing von Fohlen-Trainer André Schubert erinnert.
Eine weitere Parallele zu Mönchengladbach ist das durchaus ansehnliche Spiel mit dem Ball, welches sich durch hohe Fluidität und starker Vertikalität auszeichnet. Dabei werden meist sehr großräumige Flachpässe über mehrere Linien des Gegners in bestimmte Ballungsräume gespielt, die vorher überladen wurden um leicht ins Gegenpressing zu kommen. Dabei werden vor allem die Halbräume und das Zentrum als Anspielstation präferiert, wobei das Gegenpressing noch von Ex-Trainer Zorniger inspiriert zu sein scheint. Entscheidend für die Angriffsbemühungen war der nominelle Mittelstürmer der Schwaben, Timo Werner. Dieser driftete bis zu seiner Auswechslung in der Schlussphase über die gesamte Spielfeldbreite, ohne dabei die Angriffsstruktur seiner Mannschaft zu schwächen. Im Gegenteil, seine Ausweichbewegungen waren bemerkenswert balanciert und machten die Zuorndnung für die Schalker oft unmöglich.
Das Ganze soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anfangsphase den Gastgebern gehörte.
Schalke dominiert Ball und Gegner
Dem VfB Stuttgart gelang es zu Beginn der Partie noch nicht einen ordentlichen Spielaufbau durchzuziehen, weiträumige Flachpässe wurden nicht ordentlich vorbereitet, abwechselnd abkippende Bewegungen von Serey Die und Kapitän Gentner waren zu mechanisch und trotz variierender Breitenstaffelung war das Ziel der Angriffe oft zu leicht vorherzusehen. Dadurch konnte man die Gäste oft verleiten ihre präferierten Laserpässe in Zonen zu spielen in denen Schalke die Überzahl hatte. Ob dies von den Knappen beabsichtig war, oder schlichtweg schlampigen Verschiebebewegungen gegen den Ball geschuldet war, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden, doch es hatte zweifellos Auswirkungen auf das Spiel.
Gegen den Ball funktionierte das Mann/Raumdeckungspressing zwar durchaus, das lag jedoch weniger am Stuttgarter Pressing als an der fehlenden Ruhe im Schalker Aufbau. Durch Gentners Manndeckung war Johannes Geis zwar weitgehend ausgeschaltet, dahinter war Leon Goretzka jedoch oft anspielbar. Passend zur Manndeckung der Schwaben, war der Jung-Nationalspieler meist der „freie Mann“, doch Schalke spielte in der ersten Linie unter Druck lieber den hohen Ball, als hinter die Manndeckung Lücken zu suchen.
Mit Fortdauer eines Angriffs – vor allem wenn man aus der zweiten und dritten Linie wieder zurück zu den eigenen Innenverteidigern gezwungen wurde – wurden die Lücken im Defensivverbund der Gäste zwar offensichtlicher, trotzdem wurde diese Lücke im Stuttgarter Defensivverbund gerne übersehen, was auch an der mangelnden Bewegung der Sechser lag. Roman Neustädter balancierte das Ganze aber klug aus, in dem er mit dem Ball am Fuß oft weiträumig anlief und dadurch auch das 1:0 durch Belhanda vorbereiten konnte.
Wenn Goretzka dann doch mal angespielt werden konnte, reagierte der VfB darauf und zog sich zurück. Für die Königsblauen öffneten sich Räume, welche man wie üblich mit Überladungen am Flügel bespielen wollte. Hierfür war das Spielermaterial mit Goretzka, Sané, Schöpf und nicht zuletzt Belhanda auch ausgezeichnet. Vor allem Letzterer hat ein außergewöhnlilches Raumgefühl und bewegt sich Mannschafts- und Gruppentaktisch auf sehr hohem Niveau und konnte in den Überladungsversuchen der Schalker immer wieder im richtigen Moment die passenden Räume aufmachen bzw. wegblocken und den Schalkern zum Durchbruch verhelfen.
Trotzdem verzettelten sich die Schalker – allen voran Leroy Sané – oft in diesen Situationen und gaben, nicht zuletzt dadurch, ihren Vorteil aus der Anfangsphase Stück für Stück wieder ab.
Kramny traut sich was … und wird belohnt
Trainer Kramny erkannte, dass Schalkes Spielaufbau in der ersten Linie ebenso wenig überzeugen konnte, wie ihr Spiel gegen den Ball. Folgerichtig brachte er mit Maxim und Harnik für Dié und Didavi zwei Spieler für die Offensive. Die formative Umstellung war durchaus simpel und keineswegs besonders. Stuttgart stellte nach den Wechseln auf ein konstantes 4-1-3-2 um, bei dem Gentner oft als alleiniger Sechser hinter den fünf offensiven Akteuren absicherte. Das, an diesem Abend sehr starke, Gegenpressing des VfB erledigte den Rest. Immer wieder brachte man die Schalker dadurch in brenzlige Situationen, die teils auch chaotisch wurden.
Der schwache Spielaufbau der ersten Schalker Linie, gepaart mit der fehlenden Bewegung der Sechser wurde dadurch immer augenscheinlicher und führte schlussendlich zum verdienten Ausgleich, auch wenn dieser nach einer Ecke fiel. In der Schlussphase hatte der VfB sogar noch Ambitionen auf den Siegtreffer, doch es blieb beim Remis.
Fazit
Schalke war indiviuell herausragend besetzt, konnte klarste Lücken im gegnerischen Pressing jedoch oft nicht bespielen, ging aber nichtsdestotrotz in Führung. Stuttgart konnte jedoch, auch dank Kramnys Einwechslungen, zurückkommen und verdient ausgleichen.
Alles in allem, handelte es sich um ein typisches Bundesligaspiel: beide Teams hatten gute Ansätze und wollten höchstes Tempo gehen, beide Seiten hatten jedoch auch offensichtliche Schwächen die vom Gegner nur mangelhaft erkannt wurden, weshalb sich die Teams schlussendlich neutralisierten.
3 Kommentare Alle anzeigen
Dotajunk 24. Februar 2016 um 08:38
Vielen Dank für den guten und interessanten Artikel. Dass Gentner auf Geiß angesetzt war, entging mir beim Spiel und erklärt, warum er nicht zur Geltung kam.
Bernhard 22. Februar 2016 um 12:03
Die Grafiken sind wirkich sehr gut und hilfreich, so wird die Analyse leicht verständlich gemacht.
Alexander 22. Februar 2016 um 10:14
Super Analyse, finde deine Grafiken sehr hilfreich beim Verstehen der einzelnen Spielszenen!
Kannst du evtl. noch ein Fazit zum ersten Startelfeinsatz von Schöpf sagen?