Türchen 3: József Bozsik

József Bozsik gehört zu den vergessenen Perlen der Fußballgeschichte. Er war nicht nur das Herz der ungarischen Wunderelf der 50er Jahre, sondern auch einer der ersten Spielmacher aus der Tiefe.

Spielverlagerung kann ganz schön nerven. Wenn wir erst einmal einen Spieler ins Herz geschlossen haben, schreiben wir Lobeshymnen um Lobeshymnen, damit ja jeder mitbekommt, wie toll wir den Spieler finden. Egal, wie unbekannt der Spieler ist, egal, wie wenige unsere Meinung teilen. Wenn irgendwo auf der Welt über den besten Fußballer diskutiert wird, brüllt mindestens einen Spielverlagerung-Leser oder -Autor: SERGIO BUSQUETS!!!

Man kann diesen messianischen Eifer als eitle Strategie zur Selbstdarstellung abtun; „wir sind so schlau, wir finden das super, was keiner super findet“. Das mag auf einen Bruchteil der Fälle zutreffen. In den meisten Fällen ist sie jedoch Ausdruck der Liebe zum Fußball, oder besser formuliert: der Liebe zur Fußballtaktik und deren Stellvertreter auf dem Rasen. Anders gesagt: Wenn wir Fußball-Hipster nicht Busquets feiern, macht es niemand. Und wenn niemand es macht, lebt eine Ein-Flanken-Fliege wie Big-Brother-Star David Odonkor im kollektiven Fußballgedächtnis länger als ein Fußballgott wie Sergio Busquets.

Der vergessene Pionier

Genau das ist József Bozsik geschehen. Die ungarische Wunderelf, deren Teil Bozsik war, wird noch heute mit Spielern assoziiert wie der falschen Neun Hidegkuti, Puskas oder Czibor. Bozsik dürfte so manchem Fan als Namen noch geläufig sein. Doch kaum einer käme auf die Idee, dass er das Herz und der Kopf der großen ungarischen Mannschaft der 50er Jahre war. Bozsik war der Busquets seiner Zeit; nicht so sehr, was seine taktische Rolle angeht, sondern vielmehr, was seinen Status in der Öffentlichkeit betrifft.

Bozsiks Karriere unterschied sich kaum von jener der anderen Spieler der ungarischen Wunderelf. Während des zweiten Weltkriegs hatte Ungarn, wie so viele andere Länder Europas, eine halbe Generation guter Fußballer an der Front verloren. Zusammen mit seinem besten Freund Puskas wurde Bozsik früh zum Stammspieler. Bozsik kam bereits in Teenager-Jahren zum Debüt bei seinem Heimatklub, dem Kispesti AC, ab 1949 bekannt als Honvéd Budapest. Mit 21 Jahren folgte Bozsiks erstes Länderspiel.

Bedacht, aber nicht langsam

Bozsik war – wie eigentlich alle ungarischen Nationalspieler dieser Zeit – ein begnadeter Techniker. Er konnte den Ball problemlos annehmen, mitnehmen, präzise passen. Das war anno 1950 keine Selbstverständlichkeit, Techniker im Fußball waren selten. Bozsik war ein Techniker. Allerdings war er auch ein langsamer Spieler – und das heißt etwas in einer Zeit, in der der Fußball wesentlich gemächlicher ablief als heute. Hinzu kam eine eher filigrane Statur. Bozsik war kein Sprinter, niemand, der in einem direkten Zweikampf überlegen war. Wer sich Bozsiks Spiel heute anschaut, erkennt diese Langsamkeit in seinen Abläufen. Alles, was er tut, dauert eine Sekunde länger als bei anderen Spielern.

Man darf diese Langsamkeit aber nicht als Schwäche auslegen. Ich würde es eher als Bedachtsamkeit bezeichnen. Bozsik rechnete genau aus, was er auf dem Feld tun muss. Erst dann tat er es. Puskas nannte ihn später den intelligentesten Fußballer, mit dem er je zusammengespielt hat. In der Tat hat Bozsik in fast allen Szenen, die ich von ihm gesehen habe, den Kopf oben. Er ist immer auf der Suche nach einer Anspielstation, überlegt stets seinen nächsten Zug. Das war etwas Besonderes in einer Zeit, in der nicht wenige Angreifer sich wieder und wieder im Dribbling verhedderten (schöne Grüße an Helmut Rahn).

Die Weiterentwicklung des Mittelläufers

Die Folge von Bozsiks etwas eigener Spielart war, dass er nur eher selten als Stürmer auflief. Eigentlich herrschte im WM-System zu jener Zeit eine Zweiteilung: Wer ein bisschen was am Ball konnte, spielte auf den vorderen fünf Positionen. Die hinteren fünf Positionen waren reserviert für Laufwunder und Zweikämpfer. Bozsik fehlte mit und ohne Ball die Geschwindigkeit, um im Sturm zu spielen. Er reihte sich stattdessen in der Läuferreihe vor der Abwehr ein.

Das war ungewöhnlich für einen Mann wie Bozsik, der das Auge für den richtigen Pass zur richtigen Zeit hatte. Die Zeiten, in denen der Spielgestalter in der Läuferreihe spielte, waren eigentlich vorbei. Der Mittelläufer war im 2-3-5-System der zentrale Akteur. Im WM-System übernahm die Spielgestaltung zumeist ein Innenstürmer (Fritz Walter bei Deutschland) oder – wenn man riskant spielte – die Verteidiger (Ocwirk und Happel bei den Österreichern).

Bozsik hingegen spielte nominell als rechter Läufer, faktisch war er ein Freigeist vor der Abwehr. Bozsik gestaltete von dieser Position aus das Spiel aus der Tiefe. In einer Zeit, in der das Pressing nicht erfunden war, verteilte er die Bälle aus dem Rückraum. Oftmals konnte er dies tun, ohne von einem direkten Gegenspieler gedeckt zu werden. Bozsik spielte sozusagend wie ein klassischer Mittelläufer, nur dass seine Rolle angepasst war an das WM-System.

Der Spielmacher aus der Tiefe und die falsche Neun

Das funktionierte, weil Ungarns Spiel darauf eingestellt war. Die Innenstürmer agierten weiter vorne, als dies im WM-System üblich war. Irgendjemand musste sie also aus dem Rückraum füttern. Dies tat Bozsik im Zusammenspiel mit der falschen Neun Hidegkuti.

Die ungarische Erfolgsmannschaft, die 1953 im legendären Wembley-Spiel England mit 6:3 schlug

Die ungarische Erfolgsmannschaft, die 1953 im legendären Wembley-Spiel England mit 6:3 schlug

Die beiden ergänzten sich perfekt: Wenn Hidegkuti sich fallenließ, stand er entweder frei, weil sein Gegner ihn nicht deckte. Dann spielte Bozsik ihn an. Verfolgte der Gegenspieler Hidegkuti, konnte Bozsik wiederum in den freien Raum vorrücken. Beim legendären 6:3-Erfolg über England sieht man das Vorrücken gleich mehrere Male.

[Kleiner taktiktheoretischer Exkurs: Durch Bozsiks Freirolle in der Läuferreihe und Hidegkutis Spiel als falsche Neun entstand manchmal das Missverständnis, Ungarn hätte ein 4-2-4 gespielt. Meiner Meinung nach war dem nicht so. Neben Boszik agierte ein Spieler, in der Nationalelf meist Zakarias, durchgehend in der Läuferreihe. Eine Vier-Mann-Abwehr gab es nicht. Dadurch dass er die Vorstöße von Bozsik abfangen musste, wirkte seine Rolle aber defensiver als die eines gewöhnlichen Läufers. Defensiv war es ein klares WM-System.]

Ein einziger Fehlpass im WM-Finale 1954

Bozsik konnte aus dem Rückraum seine ganzen Stärken ausspielen. Er variierte perfekt zwischen hohen und flachen Bällen. Er erkannte die Dynamik, die durch die Bewegungen der Stürmer entstanden, und bediente sie. Ja, Ungarn bestach vor allem mit den Kombinationen im gegnerischen Sechzehner – doch Bozsik leitete sie ein, indem er zur richtigen Zeit den richtigen Raum anspielte.

Bozsik war der Spielmacher aus der Tiefe. Seine Pässe waren das Präziseste, was die Zeit hergab: Hohe Bälle, flache Bälle, Halbfeldflanken, Zuspiele in den Fuß, Zuspiele in den Lauf – bei Bozsik kam fast jeder Ball an. Vor allem sein Zusammenspiel mit seinem Jugendfreund Puskas funktionierte wie aus dem Lehrbuch. Bozsik flankte äußerst präzise aus dem rechten Halbfeld auf den Kopf des halblinks postierten Puskas.

Deutschland gegen Ungarn im WM-Finale 1954

Deutschland gegen Ungarn im WM-Finale 1954

Das vielleicht beste Spiel seines Lebens machte Bozsik im WM-Finale 1954. Deutschlands Deckung gegen Puskas und Hidegkuti funktionierte äußerst gut; Liebrich und Eckel wechselten sich hier in einer Art Raumdeckung ab. Doch Bozsik stand im Rückraum völlig frei. Ihm gelang fast alles an diesem Nachmittag. Die ersten beiden Tore leitete er genauso ein wie zahlreiche Angriffe nach der Halbzeit. Seine halbhohen Zuspiele sorgten im Matsch von Bern für die Verbindung zwischen Mittelfeld und Angriff.

Für viele Zeitzeugen war Bozsiks Rolle aus dem Hintergrund etwas völlig Neues. Er kann getrost als erster Spielmacher aus der Tiefe bezeichnet werden (wobei man hier sicher den ein oder anderen Mittelläufer aus den 20ern und 30ern übergeht, von denen es kein Bildmaterial gibt). Nach dem Finale ging Herberger in die Kabine der Ungarn und lobte Bozsik: „Ihr habt mit Bozsik als freier Mann gespielt, das werde ich auch mal ausprobieren.“

Die Ironie der Geschichte ist, dass Bozsik an diesem Nachmittag von 50 Pässen 49 an den Mann brachte. Einer landete jedoch in den Füßen des Gegners. Es war jener Ballverlust, der Helmut Rahns Siegtor einleitete. Bozsik blieb, wie alle seine Team-Kameraden, ein Unvollendeter – doch aufgrund seines einen kleinen Fehlers saß der Schmerz bei Bozsik noch tiefer als bei manchem Team-Kollegen.

Nie gefeiert, schnell vergessen

Heute ist Bozsik fast vergessen. Seine Lebensgeschichte lässt sich nicht romantisieren wie jene von Kubala, er verlor nicht seine Heimat wie viele seiner ungarischen Mitspieler, die 1956 ruckartig das Land verließen, nachdem die sowjetische Armee den Volksaufstand niederschlugen. Bozsik war ranghohes Mitglied der kommunistischen Partei, profitierte als Parlamentsmitglied jahrelang vom System. Er sah keine Veranlassung, das Land zu verlassen. Er gelang dadurch auch nie zu großer Bekanntheit im Westen wie beispielsweise der in Spanien bis heute verehrte Puskas.

Bozsik war lange Zeit vergessen. Mittlerweile erlangt er wieder etwas mehr Popularität, durch Beiträge in Internet-Blogs von Fußballverrückten. Irgendeiner muss ihn ja feiern, damit er nicht vergessen wird.

C(H)R4 10. Dezember 2015 um 05:43

Ich finde schade, dass vor allem hier in Deutschland immer noch das Denken vorherrscht, dass eine Sportkarriere unvollendet sei, wenn ein großer Titel fehlt – auch wenn der nur knapp verpasst wurde. Der zweite ist bei uns leider immer noch der erste Verlierer und alles nach Rang 3 uninteressant … Wenn jemand nach 51 Jahren immer noch (und sei es nur für die Taktik-Insider oder gerade deshalb erst recht) so einen Weihnachtsartikel wert ist – Herz, was willst du mehr:
„Seine Pässe waren das Präziseste, was die Zeit hergab: Hohe Bälle, flache Bälle, Halbfeldflanken, Zuspiele in den Fuß, Zuspiele in den Lauf – bei Bozsik kam fast jeder Ball an.“ Daran messe ich Vollkommenheit und Vollendung!

hierzu noch ein Zitat von DEM deutschen Schwimmer der 80er, Michael Groß:
„Es geht um den Spaß, den wir gemeinsam hatten. Um die Erlebnisse, die uns verbinden, nicht um den Erfolg. Sportler sollten aufhören, wenn sie alles erlebt haben, nicht, wenn sie alles erreicht haben. Das ist der große Unterschied.“
Ich wünsche jedem, dass er versteht, was hinter dieser Einstellung steckt, dann ist es auch leichter ein verlorenes Finale „Dahoam“ zu verarbeiten: Man sollte sich eins der besten Finale der Bayern nicht dadurch schlecht reden, nur weil der letzte eigene Schuss am Ende 3cm zu weit rechts saß! Was hätte sich denn dadurch für mein heutiges Leben geändert? nichts, gar nichts! … eben!

ist Cruyff’s Karriere unvollendet, weil der WM-Titel fehlt?
nebenbei: Bozsik ist u.a. Olympiasieger, Europapokalsieger und Rekordnationalspieler von Ungarn …

Im Sport sind Ziele als Motivations- und Entscheidungshilfe wichtig, aber nicht das Erreichen, sondern der Weg dorthin sind das Entscheidende – alle Ziele erreicht zu haben und wünschlos „glücklich“ zu sein, würde ich nur dem ärgsten Feind wünschen.

Frohe Weihnachten, bis nächstes Jahr!

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Schorsch 3. Dezember 2015 um 23:49

Schöner Artikel über einen im Fußballgedächtnis zu Unrecht nicht allzu präsenten Spieler. Man muss allerdings kein „Hipster“ sein, um mit dem Namen Bozsik etwas verbinden zu können. Es reicht, wenn man alt genug ist. 😉 1954 war ich noch nicht geboren, aber die Aufstellung beider Teams des WM-Finales inkl. der Positionen kannten wir als Kinder auswendig. Als ich vor einiger Zeit ein paar Jahre in Ungarn gearbeitet habe, konnte ich sehr schnell feststellen, dass kein einziger Spieler der Goldenen Elf dort vergessen war. Im Gegenteil. Seinerzeit war der ungarische Fußball absolut am Boden und umso mehr richtete sich der Blick zurück auf vergangene große Zeiten, insbesondere auf das Wunderteam. Dass dabei das 3:6 in Wembley absolut im Fokus stand und weniger das WM-Finale – ich konnte es den Menschen nicht verdenken. Das ‚Rückspiel 6 Monate später in Budapest gewann Ungarn übrigens gegen England mit 7:1.

Die Rolle von Bozsik in diesem Team wird mMn sehr treffend herausgestellt. Interessant dabei die Anmerkungen zum System und der Hinweis auf Jonathan Wilsons ‚Revolution auf dem Rasen (Inverting the pyramid)‘. Dieser zitiert im Kapitel über die Wunderelf Hidegkuti:

„Gewöhnlich nahm ich eine Position etwa in der Mitte des Platzes neben Zakariás ein. Gleichzeitig rückte auf dem anderen Flügel Bozsik oftmals bis auf die Höhe des gegnerischen Strafraums vor und schoss auch eine Menge Tore. In der Sturmreihe waren die treffsichersten Schützen unsere beiden Halbstürmer Puskás und Kocsis, die sich näher am gegnerischen Tor positionierten wie normalerweise üblich bei der … W-M-Taktik … Nachdem er erste Erfahrungen mit diesem neuen Gerüst gesammelt hatte, wies Gusztáv Sebes beide Außen an, sich ein wenig ins Mittelfeld zurückfallen zu lassen. Dort sollten sie sich die Zuspiele von Bozsik und mir holen. Erst das gab der taktischen Weiterentwicklung den Feinschliff.“

Das System der Ungarn beschreibt Wilson übrigens wiefolgt:

„Zwei Außenverteidiger, zwei zentrale Defensivleute, zwei Spieler in der Mitte und vier in den Spitzen – das ungarische System war nur noch um Haaresbreite vom 4-2-4 entfernt.“

Er bezieht sich darauf, dass Lórant sich als eine Art zentraler Ausputzer zurückfallen ließ und Zakariás sehr tief, fast auf der Höhe der Außenverteidiger stand.

Sehr interessant auch die Ausführungen zum Wirken Guttmanns im Brasilien der 50er. Guttmann behauptete wohl, dass über ihn das „ungarische 4-2-4“ nach Brasilien zum FC Sao Paulo gebracht worden sei. Dass die ganze Angelegenheit etwas komplexer und auch komplizierter und nicht allein auf Guttmann zurückzuführen war, ist allerdings dann wieder eine andere Geschichte.

Wobei ich eine Frage sehr spannend finde, wäre doch einmal etwas für die sv.de – Experten: War die Rolle Didis (auch so ein genialer Fußballer, der zu Unrecht etwas vergessen worden ist) im 4-2-4 der Brasilianer 58 so etwas wie ein Mix aus der Rolle Hidegkutis und Bozsiks?

Wobei, wenn ich an die Weltmeister 58 denke, da hätten so einige eine Würdigung verdient. Pelé, O Rei, natürlich (gab es ja auf sv.de schon), Garrincha auf alle Fälle, Vavá, Didi ohnehin, Zagallo (besonders interessant aus taktischer Sicht), …

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HK 3. Dezember 2015 um 10:47

Triumph und Tragik von Bozsik sind für mich nirgends besser zusammengefasst als in Herbert Zimmermanns legendärer Finalreportage: „Bozsik, immer wieder Bozsik der rechte Läufer der Ungarn hat den Ball – verloren, diesmal an Schäfer. Schäfer nach innen geflankt. Kopfball – abgewehrt. Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt… Toooor! Toooor! Toooor! Toooor!“

Zuerst dieses aus den tiefsten Tiefen der Seele herausgespresste „Bozsik, immer wieder Bozsik“ das höchste Anerkennung und schon Verzweiflung beeinhaltete und schon Sekunden später der Knockout.

Unverkennbar, ich liebe dieses Retrozeug.

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JSA 3. Dezember 2015 um 12:55

Da hab ich auch sofort dran gedacht, wollte es auch eigentlich als Kommentar verfassen… aber soweit ich es im Kopf habe muss es „gegen Schäfer“ heißen 😀

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JSA 3. Dezember 2015 um 12:57

und „der rechte Läufer der Ungarn AM BALL, der hat den Ball…“

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C(H)R4 10. Dezember 2015 um 04:31

Dieser Auszug der Finalreportage ist in den 80ern in die Popkultur eingegangen:
1988 OK mit „Okay!“ „https://de.wikipedia.org/wiki/Okay_(Band)“
Platz 2 in D, Platz 1 in A – Platz 3 der Jahrescharts 1988 in D (22 Wochen in den TOP 100) und eine goldene Schallplatte (> 250.000 verkaufte Tonträger)
Daher gehe ich davon aus, dass auch meiner Generation der Name zumindest bekannt sein dürfte 😉 Der Titel verwendet ausgiebig Samples; der Radiokommentar von Herbert Zimmermann befindet sich ca. bei 2:40 (je nach Version).

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mk 3. Dezember 2015 um 10:38

Auch wenn ich absolut gar keine Ahnung von Fußballgeschichte habe und vermutlich am Ende des Kalenders nicht mal drei oder vier der vorgestellten Spieler bewusst habe spielen sehen, macht das Lesen ziemlich Spaß. Bietet es doch die Gelegenheit, auch sprachlich und stilistisch aus dem sonstigen Analysetrott ein wenig auszubrechen.
Aber auch da stoße ich auf neues: Ist „messianisch“ eine ultimativ lustige Freud’sche Fehlleistung, mit der man sich selbst und die eigene Sicht als Messias der Fußballdiskussion offenbart, der die anderen erleuchtet, oder ist „missionarisch“ gemeint? Oder, noch besser, soll durch die Adjektivierung von Lionels Nachnamen nur das höchstmögliche Attribut etabliert werden, auf dass man es in Zukunft immer verwende, wenn man irgendetwas besonders adeln möchte? 😉
Oder bin ich am Ende der Depp weil ich das Wort nur nicht kenne oder es Absicht war, ich die Absicht aber nicht verstehe?
So oder so, ein weiterer sehr schöner Text und ich freu mich auf mehr.

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TE 3. Dezember 2015 um 11:13

Die Wortwahl war in der Tat Absicht 😉 Aber bin ich jetzt auf dem Holzweg? Die Formulierung „messianischer Eifer“ gibt es doch!? Soll heißen, dass man seine Message in die Welt posaunt und wie ein Messias predigt. Ist relativ synonym zu missionarischer Eifer, nur dass sich der Missionar hierbei noch selbst erhöht.

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mk 3. Dezember 2015 um 11:27

Ok, hab ich vorher noch nie gesehen…
Es scheint ziemlich ungewöhnlich zu sein, zumindest in der Verbindung mit dem Eifer als Synonym zum missionarischen, aber wenn die SZ das schon gemacht hat ist es wohl gestattet ;-). Ich kannte das nur aus anderen Zusammenhängen.
Das mit Messi-anisch hätte mir aber noch besser gefallen. 🙁

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mh 3. Dezember 2015 um 21:19

Ich dachte erst auch an Lionel 🙂

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August Bebel 3. Dezember 2015 um 20:35

„Man kann diesen messianischen Eifer als eitle Strategie zur Selbstdarstellung abtun […] Das mag auf einen Bruchteil der Fälle zutreffen.“ Meines Erachtens passt das nicht zusammen: im Begriff messianischer Eifer scheint mir (auch nach deiner Definition: „Soll heißen, dass man seine Message in die Welt posaunt und wie ein Messias predigt. Ist relativ synonym zu missionarischer Eifer, nur dass sich der Missionar hierbei noch selbst erhöht.“) die eitle Selbstdarstellung (=Selbstüberhöhung) schon inbegriffen zu sein. Auch Assange wird im SZ-Artikel deshalb messianischer Eifer zugeschrieben, weil er kein bloßer Idealist sei, sondern es ihm darum gehe, im Rampenlicht zu stehen.

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Tank 3. Dezember 2015 um 09:09

Mal wieder ein ganz starker Artikel. In Sachen Analysetiefe gibt das wenige Bildmaterial seriöserweise einfach nicht viel mehr her, oder? Ich hab mir das berühmte Wembley-Spiel der Ungarn zwar schon diverse Male angesehen, aber dabei bisher nie wirklich auf Bozsik geachtet. Muss ich beim nächsten Mal nachholen. Nachdem, was ich bisher so gesehen und gelesen habe, hatte ich immer den Eindruck, Bozsik sei horizontaler gewesen, als es die Pfeile in der Kalender-Elf andeuten. Die sehen ja fast eher nach einem box-to-box-Spieler a la Matthäus aus. Wenn Du Zeit und Lust hast, kannst Du ja vielleicht dazu noch ein Wort sagen.

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Tank 3. Dezember 2015 um 09:26

Hier übrigens ein kleiner Videozusammenschnitt über Bozsik: https://www.youtube.com/watch?v=-2TJMe2DCMg

Solche Videos sind zwar immer nur von begrenzter Aussagekraft – und dieses Video gehört sicherlich zu den begrenzteren – aber so hat man zumindest mal ein paar Bewegtbilder von ihm gesehen.

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TE 3. Dezember 2015 um 09:34

Ich sag‘ es mal so: Ich wurde bei der Grafik nicht konsultiert 😉 Ich hätte ihn auch weniger vertikal eingezeichnet. Der Pfeil nach hinten macht im zeitlichen Kontext natürlich wenig Sinn (warum sollte man abkippen, wenn der Gegner eh am eigenen Sechzehner steht?). Ähnlich sieht es mit dem Pfeil nach vorne aus. Bozsik war ja eher auf mittleren Pass-Distanzen Weltklasse, weshalb er (bei den Spielen, die ich sah) eher aus dem Rückraum kam. Aber ich glaube, die Pfeile sollen eher die Rolle innerhalb der fiktiven Mannschaft zeigen. Und heute würde ein Spieler wie er natürlich vertikaler spielen.

Gerade zu seiner Vereinszeit kann ich aber wenig sagen. Bei diesen alten Spielern ist ja jede Aussage mit Vorsicht zu genießen. Ich empfehle, die Spiele der WM 1954 anzuschauen. Gibt’s zwar nur ausschnittsweise, aber zumindest vom Finale sind ja mittlerweile fast alle Spielminuten irgendwo in den Archiven aufgetaucht (siehe die Knopp-Dokumentation).

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Philo 3. Dezember 2015 um 05:12

Hochinteressanter Artikel. Eine Frage hätte ich aber: Was meinst du mit „WM-System“? Ist das speziell das System Ungarns 1954, oder war das generell das bei der WM in der Schweiz vorherrschende System (also so eine Art 5-0-5)?

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Philo 3. Dezember 2015 um 06:22

OK, ein Blick bei Wikipedia zeigt mir, dass das nichts mit irgendeiner Weltmeisterschaft zu tun hat, sondern der Form der Buchstaben entnommen wurde. (Ich bleibe aber bei 5-0-5.)

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TE 3. Dezember 2015 um 09:24

Das WM-System war das zu jener Zeit vorherrschende System. Entwickelt wurde es bereits in den 20er-Jahren, erst nach dem Weltkrieg setzte es sich überall in der Welt durch. Auch Herbergers Deutschland hat das WM-System gespielt. Es ist in der Systematik ein 3-2-2-3-System: Drei Verteidiger, zwei „Läufer“, zwei hängende Innenstürmer, drei Angreifer (ein Mittelstürmer und zwei Außenstürmer). Malt man es auf eine Taktiktafel, ergibt sich ein W und ein M – WM-System (kann man in den Grafiken auch ganz gut erkennen.) Ungarn hat es ein bisschen anders gespielt: Der Mittelstürmer hing als falsche Neun zurück, die Innenstürmer agierten höher. Also eine Art 3-2-1-4.

Wenn du dich für diese Themen interessierst, empfehle ich dir „Revolutionen auf dem Rasen“ von Wilson. Ein großartiges Buch über die Geschichte der Fußballtaktik. Gibt’s auch bei uns im Shop 😉

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