Revierderby: Furios, aber nicht am Limit
Borussia Dortmund gewinnt gegen Schalke 04 ein kurzweiliges, in vielen Phasen etwas hektisches Revierderby, das eigentlich beiderseits stark durch Problempunkte in der Offensivstruktur bestimmt war, aber durch eine Verkettung verschiedener Faktoren doch fünf Treffer und Spektakel bot.
Dortmund gegen Schalke, das große Revierderby stand an – für beide neuen Trainer der Teams zum ersten Mal. Die schwächeren Schalker Ergebnisse der Vorwochen hatten die Erwartungshaltung zunehmend in Richtung eines Erfolges der Schwarzgelben gerückt. Thomas Tuchels Mannschaft trat mit einer gefestigten Ausrichtung in der typischen Manier der letzten Wochen an, musste allein den verletzten Reus durch Castro ersetzen.
Auf Seiten der Schalker gab es erneut ein 4-4-2 mit der neuen Doppelsechs aus Goretzka und Kolasinac zu sehen, wobei Sané im Sturmzentrum startete und di Santo auf dem Flügel. Der Argentinier interpretierte diese Rolle normal, kaum asymmetrisch, sondern verfolgte gegen den Ball Schmelzers Aufrücken und blieb nur situativ mal etwas höher, wenn dieser schon sehr aggressiv vorgeschoben war. Es entwickelte sich schnell das typisch umkämpfte, intensive Spiel, das in seinen ersten Zügen immer wieder von Hektik und Unruhe durchzogen wurde.
Dortmund dominiert Sechserketten
Neben dieser Gesamthektik bildete sich aber schnell auch eine klare Rollenverteilung heraus, in der die Dortmunder das bestimmende Team mit viel Ballbesitz waren, während der Gast aus Gelsenkirchen zunächst vorsichtiger abwartete. Aus dem grundsätzlichen 4-4-2, das die Mannschaft von André Breitenreiter formierte, heraus befassten sich die offensiven Flügel mannorientiert mit den weit aufrückenden Dortmunder Außenverteidiger und verfolgten diese tief nach hinten. So entstanden viele ansatzweise Sechserketten in der Defensive von Königsblau. Deren eigene Außenverteidiger schoben etwas ein, behielten dabei – situativ aus der Flachheit herausrückend – die Mannorientierung auf Castro bzw. Mkhitaryan aber bei.
Dadurch konnte Dortmund den Ball nochmals besser hinten laufen lassen und hatte neben den isoliert stehenden Spitzen der Schalker viel Raum, um auch mal ruhig nach außen zu weichen. Dies nutzten sie mit Engagement, diagonalen Bewegungen Hummels´ und fleißiger Einbindung des Mittelfelds prinzipiell gut. Auf rechts kippte Gündogan in die Lücken heraus, links versuchte Kagawa sie zurückfallend zu bespielen oder den mannorientierten Goretzka wegzulocken. Es war also grundsätzlich schon instabil, was Schalke machte. Dass der BVB das anfangs nicht so gut nutzen konnte, hatte neben der Intensität in Schalkes Mannorientierungen vor allem damit zu tun, dass die erwähnten Mittelfeldbewegungen zu oft gleichzeitig und etwas unbalanciert vollzogen wurden.
Fehlende Zwischenpräsenz vor der Dreierlinie
Wenn sowohl Gündogan als auch Kagawa abkippen, entstanden immer wieder breit gestaffelte und flache Dreierlinien im Mittelfeld bzw. 2-3-Aufbauanordnungen, die zwar eine sichere Ballzirkulation und viel Raumabdeckung ermöglichten, aber keineswegs als ideale Staffelungen gelten konnten. Die Abstände innerhalb des normalerweise in seiner umformenden Beweglichkeit wichtigen Trios gestalteten sich sehr groß und in den vertikalen Staffelungen fehlte es demgegenüber an Verteilung. Das fiel zusammen mit der Tatsache, dass die Borussen auf die tiefen Schalker Verteidigungsstaffelungen und die Flügelmannorientierungen nicht geschickt reagierten.
Sie führten ihre Positionierungen zu mechanisch aus, banden die nominellen Außenstürmer inkonsequent ein und konnten diese auch nicht durch unterstützende Positionierungen der Mittelfeldakteure befreien, da diese die Dreierlinie hielten. So fehlte es von dort nach vorne in die Spitze an zusammenhängender Interaktion. In den Bereichen, die dazwischen lagen, hatte der BVB fast überhaupt keine Präsenz. Vereinzelt bewegten sich Castro oder Mkhitaryan mal zurückfallend etwas in die Halbräume, aber handelte es sich dabei um punktuelle und individuelle Aktionen, die nicht entscheidend in gruppentaktische oder mannschaftliche Zusammenhänge eingebettet waren.
Entsprechend entstanden daraus eher unangenehme 1gegen1-Duelle in gewissen formativen Lücken, aus denen sich nicht viel Effektivität entwickeln ließ. Kollege MR sprach während der Partie davon, dass die Tendenz zu 2-3-0-5-haften Systematiken bei mannorientiert verfolgten Außenverteidiger eines der zentralen Probleme ist, das den ansonsten in vielen Bereichen starken BVB in dieser Saison plagt. Es trat in diesem Match auffällig hervor und raubte einer prinzipiell nicht so schlechten Gesamtvorstellung mit viel Dominanz, die Schalke laufen ließ, auf dem Weg zum Tor zunächst die entscheidende Effektivität.
Hektisches Vertikalspiel zu Beginn
Auch diese Gemengelage dürfte als ein Faktor dazu beigetragen haben, dass bei den Dortmundern in der Anfangsphase viel Hektik im Spiel war. Ihre Pässe und Aktionen fokussierten sich teilweise viel zu frühzeitig vertikal in die Tiefe. Durch die fehlende Zwischenpräsenz über dem Mittelfeld schienen sich auch eigentlich entscheidungsstarke Spieler bisweilen unverständliche Zuspiele in die Spitze verleiten zu lassen, wenn sie eigentlich überhaupt nicht passten. Über halblinks gab es zudem aufgedrehte Läufe und Dribblings von Kagawa zum Flügel, in denen er – mit Hilfe kurzer raumöffnender Bewegungen Mkhitaryans – krampfhaft darauf fokussiert war, Schmelzer mit etwas Platz in die Tiefe schicken zu können.
Diese Abläufe waren meist zu mechanisch und vorhersehbar, weshalb Schalke sie verteidigt bekam. Neben der Verteilung in den Aufbaustaffelungen war die in der allgemeinen Hektik aufgehende Tendenz zum verfrühten Vertikalspiel ein zweiter Knackpunkt bei Schwarzgelb. Lange Zeit deutete sich nicht an, dass dem BVB zwei Treffer in der ersten Halbzeit gelingen würden – bis zu ihrem ersten Abschlussversuch dauerte es fast eine halbe Stunde. Das erneute Führungstor durch Ginter kurz vor der Pause entsprang einer Standardsituation. Beim ersten Treffer der Borussia durch Kagawa zeigte sich die Instabilität des Schalker Konstrukts und was passierte, wenn Dortmund sie mal gezielt aufdeckte.
Von links hatte sich in dieser Szene Mkhitaryan mit herüber bewegt und konnte das Zusammenspiel mit Ginter und Castro suchen, während Kagawa sich etwas ballferner hielt und dort nachher von Júnior Caiçara übernommen wurde. Es war im entscheidenden Moment gar keine so klare, wirkliche Überzahl für die Dortmunder, aber sie zogen ihre Strukturen mal anders auf, bewegten sich etwas alternativ und bedienten diese viel ausgewogener aus den seitlichen Ausweichräumen, die Schalke anbot. Von dort trugen sie das Spiel in die Kombination zwischen dem ausweichenden und Kolasinac weglockenden Mkhitaryan, Castro sowie dem schließlich mal wieder in Richtung Grundlinie durchbrechenden Ginter.
Schalker Konterstrategie gegen starke Gegenpressingambivalenz
Dass es bei Schalke die ungewöhnliche Aufteilung zwischen Sané und di Santo gab, verwies auf den Umschaltmoment. Statt auf dem Flügel bis an die letzte Linie gedrängt zu werden, sollte der junge Neu-Nationalspieler als hängender Angreifer mit freiem Bewegungsreichtum für Kontergefahr sorgen. Trotz der in der Anfangsphase besonders starken Gesamthektik der Partie schafften es die Gäste aber speziell in diesem ersten Drittel der Partie kaum, solche Szenen heraufzubeschwören. Zunächst einmal hatte ihre tiefe und flache Defensivstaffelung Probleme, gute Verbindungen zu den Angreifern herzustellen. Das gelang ihnen in dieser Konstellation nur punktuell.
Ein wichtiger Faktor bestand zudem in der ambivalenten Absicherungsmethodik bei den Dortmundern. Einerseits hatten die Hausherren mit ihrer breiten Dreierlinie im Mittelfeld oft viele Leute hinter dem Ball, die auch in ausgewogener Horizontalstaffelung angeordnet waren. Bei Bedarf konnten sie vielseitig etwas nach vorne nachrücken konnten, um Druck im Gegenpressing zu machen. Gerade in der Anfangsphase wurde das intensiv umgesetzt, so dass Dortmund in den zerfahren wirkenden Szenen zahlreiche Bälle früh und dominant zurück holte und Schalke hinten festdrückte. Andererseits ist damit auch schon angedeutet, dass diese Rückeroberungen vor allem in der zweiten Welle geschahen.
Durch die Verbindungsprobleme zwischen der Mittelfeldreihe und den vorderen Staffelungen entstanden auch vertikale Zwischenlöcher, die man für das Gegenpressing zunächst einmal füllen musste. Da die zurückfallenden Besetzungen der Verbindungshalbräume durch Mkhitaryan und Castro vereinzelt, zögernd und etwas individualistisch geschahen, konnten auch nur diese Akteure selbst sofort wieder attackieren, wenn es dort zu einem Ballverlust kam. Gelang es Schalke, das Leder in den etwas offeneren Zonen zu gewinnen und dabei ihre stark auf individuelle Zweikämpfe gepolte Vorgehensweise durchzudrücken, hatte der BVB zumindest nicht umgehend wieder Zugriff.
Ein Absicherungs-Paradoxon?
Sie konnten potentiell ihr tiefes Personal nutzen, um nachzurücken und den ballführenden Schalker aus allen Richtungen einkesselnd zu pressen, was prinzipiell auch gut umgesetzt wurde. Der entscheidende Knackpunkt war dann, ob die Gelsenkirchener nach guten Ballgewinnen die Zeit, die bis dahin verstrich, vernünftig nutzen konnten, um trotzdem die Weiterführung des Konters zu organisieren. Letztlich war also wiederum entscheidend, um welche Art von Ballverlusten bzw. -gewinnen es sich handelte. In dieser Konstellation schien der Moment, an dem die Dortmunder die anfängliche Hektik zurückschrauben und die Zirkulation ruhiger gestalten können, sie im defensiven Umschalten in Einzelszenen minimal instabiler zu machen.
Zuvor hatte es sich um nicht immer optimal – wenngleich auch nicht schlecht – abgesicherte Ballverluste gehandelt, aber die strukturellen Gegebenheiten, wie diese geschahen, waren meist ähnlich, vorhersehbar und fast durchweg torfern gewesen. Dagegen warfen sich das Mittelfeld und die gruppentaktischen Qualitäten wirksam in den Ring. Nun geschahen die Ballverluste bisweilen tiefer und die Staffelungsumgebungen wurden pluraler, so dass in Einzelmomenten die schon vorher angelegten Schwierigkeiten im Gegenpressing das eine oder andere Mal zutage traten – nicht häufig, aber zumindest dann, mit etwas Pech, bei den beiden Kontergegentoren beteiligt. Individuelle Einflüsse, Timingunsauberkeiten im Herausrücken und Schalkes Bewegungen spielten dabei fraglos auch eine Rolle.
Zusammengefasst also: Mit den strukturellen Staffelungsproblemen in den Aufbauanordnungen gingen auch kleine Schwächungen des prinzipiell aber starken Gegenpressings einher – was relativ konstant über die Partie hinweg galt. In Verbindung mit einem hektischeren, früh in die Spitze orientierten Spiel trat das nicht so gravierend hervor und anfangs eroberte der BVB das Leder regelmäßig schnell zurück – zwar viele Ballverluste, aber in weniger gefährlichen, günstigeren Kontexten. Mit ruhigerem Spiel wurde die Anzahl der verlorenen Bälle geringer und die Sicherheit stieg, doch die selteneren Ausnahmen hatten mehr Wirkungsmacht und konnten von Schalkes Konterausrichtung letztlich in zwei Treffer umgewandelt werden.
Simplizität und hektische Vorstöße
Das Schalker Offensivspiel war in der ersten Halbzeit tendenziell rechtslastig, durch Meyers – wenngleich viel zu unpräsent genutztes – Einrücken und die Bewegungsmuster des dribbelnd raumsuchenden, wenngleich bei Temposzenen oft auch diagonal nach links ziehenden Sané. Auch deshalb schienen die Dortmunder ihren Fokus dorthin zu legen. Mit einigen tiefen Positionierungen von Kagawa, kohärenten 4-3-2-1-Anordnungen aus dem 4-3-3/4-4-2 heraus und leitenden Anlaufbewegungen standen sie kompakt, teils diagonal gestaffelt über jenem Bereich, schoben auch die Abwehr etwas weiter herüber und machten dort besonders dicht.
Unter diesen Vorzeichen fehlte es Schalkes 4-4-2 an der entscheidenden strukturellen Bindung, um aus dem Aufbau in diesen Zonen durchzukommen. Gelegentliche Chancen ergaben sich eher durch schnelle Verlagerungen nach links, wo Mkhitaryan oder Castro phasenweise besonders eingerückt spielten. Mit simplen Vorstößen der Außenverteidiger gelang es Schalke einige Male, zumindest recht saubere Möglichkeiten für Flanken und Hereingaben zu erzeugen, die Unruhe oder auch mal Halbchancen entfachten. Wirklich gefährlich wurde es aber selten. Dabei spielten auch hier wieder Hektik und vorschneller Zug in die Tiefe eine wichtige Rolle.
Bei den Knappen realisierte sich das vor allem in Form aufrückender Einzelläufe. So gab es beispielsweise von Seiten Matips einige ungewohnt unbalancierte, wirre Vorstöße, in denen er individuell und willkürlich in irgendwelche Mittelfeldstaffelungen hinein zu dribbeln schien. Insgesamt konnten die Gelsenkirchener diesmal nicht wirklich an ihre bereits gezeigten Fortschritte im Ballbesitzspiel anschließen, wenngleich es in den tiefen Zonen auf halbrechts einige ansehnliche Stafetten unter Druck gab. Vollends überzeugend waren aber weder die Momente des Aufbaus noch die im letzten Drittel.
Fünf Tore trotz Offensivproblemen
Dass nun in dieser Partie, die zwar durch Offenheit und manche Fehler gekennzeichnet war, sich aber auch stark um Probleme der Teams bei der Entwicklung des Spiels nach vorne drehte, letztlich satte fünf Tore fielen, erscheint auf den zweiten Rückblick dann etwas erstaunlich. Dazu trugen, wie erwähnt, manche individuelle Unzulänglichkeit und – bei 14:9 Abschlüssen – gute Verwertung der Möglichkeiten bei. Zudem boten die Defensive, speziell auf Schalker Seite, potentiell Schwachstellen und Quellen von Instabilität an. Gerade bei kleinen Unsauberkeiten, Fehlern oder Ausbrüchen aus den üblichen Strukturen konnte sich das recht schnell und explosiv in gefährliche Szenen umsetzen.
So kamen die Dortmunder nach der Pause zum schnellen 3:1, als die drei Angreifer eingerückt durchspielten. Allerdings gelang es ihnen in diesem offensiv stärksten Abschnitt etwas konstanter und gezielter, für Torraumszenen zu sorgen. Breitenreiter ließ das 4-4-2 nun normaler interpretieren, wodurch Dortmund am Flügel die eine oder andere Lücke fand. Gerade in dieser einzigen Phase, in der die Begegnung klar entschieden schien, kam Schalke durch den zweiten Huntelaar-Treffer nochmals heran. Nun versuchte Dortmund nicht, den alten Abstand wieder herzustellen, sondern setzte nach diesem „Warnschuss“ auf tiefen Ballbesitz. Da Schalkes teilweise sechserkettenartiges Konzept kaum gezielten Druck gegen den Ball aufbauen konnte, gelang es damit auch, das verdiente 3:2 über die Zeit zu bringen.
Fazit (von MR)
Aus taktischer Sicht war das Derby eine kleine Enttäuschung. Abgesehen von der, im Vergleich zur letzten Zeit, etwas verbesserten Schalker Kompaktheit zwischen Angriff und Mittelfeld gab es fast nur Punkte, in denen die Mannschaften ihr Potential nicht zur Entfaltung brachten. Somit lassen sich auch wenig Rückschlüsse auf die Entwicklung beider Mannschaften ziehen.
Trotzdem kann man das Spiel für beide Parteien sowohl aus positiver wie auch aus negativer Sicht auslegen. Schalke gelang es auswärts gegen einen Gegner mit wesentlich mehr Offensivpotential, die gegnerische Kreativität über lange Strecken aus dem Spiel zu nehmen und selber Nadelstiche mit Effekt – in Form von zwei Toren – zu setzen. Andererseits wurde trotzdem in letzter Konsequenz klar, dass der Rivale aus Dortmund zurzeit die bedeutend bessere Spielanlage hat und trotz einer eher schwachen Tagesleistung den Derbysieg einfahren konnte.
So war es aus schwarzgelber Sicht letztlich auch einfach ein erfolgreicher Tag. Dieser war spielerisch aber von ungewöhnlich großen taktischen Problemen und langen Phasen ohne echte Durchschlagskraft geprägt. Gleichzeitig wirkte man defensiv etwas nervös und verpasste die Gelegenheit, im wichtigen Derby die aktuell herausragende Stärke gegen einen instabilen Gegner für ein erinnerungswürdiges Glanzlicht zu nutzen, wie es in den vergangenen Jahren ein paar Mal gelungen war.
Zum Abschluss noch ein Dank an MR für das Fazit und Feedback zum Artikel, ebenso an CE für seine Rückmeldungen zum Text sowie an einige kleinere Hinweise aus dem Kreis der Spielverlagerung-Autoren.
18 Kommentare Alle anzeigen
ES 12. November 2015 um 07:04
Ein einziges Spiel? Lächerlich. Sicherlich, ein intensiver, aber dennoch mit 90 Minuten kurzer Schmerz. Ich rede von der Art von zweijähriger Dauerfolter, bei der man schon am Mittwoch vor Angstschweiss erstarrt weiss, dass man am Samstag um 15:30 wieder in die Kammer gebeten wird, wo der Inquisitor genussvoll die Werkzeuge zeigt: die glühende Zange des nicht vorhandene Spielaufbaus, die Geißel des ausschließlich tiefen Pressings, die Daumenschrauben der fehlenden Gruppentaktik, und zum Schluss die Streckbank des langsamen Umschaltmomentes. Kurz vor der einsetzenden Ohnmacht wird man mit dem Wasserstrahl der individuellen Klasse noch bei Bewusstsein gehalten. Aber man weiß, dass man nur aufgespart ist für die sadistische Fantasie des nächsten Wochenendes. DAS ist Folter.
ES 12. November 2015 um 07:07
Sollte unten zum Kommentar von C(H)R4 gehören. Kann das noch jemand bitte umbiegen?
JK 11. November 2015 um 08:15
Ein für mich recht verwirrender Artikel, kann es sein, dass „zu viele Köche den Brei verderben“? Der Artikel wirkt ungewohnt unstrukturiert, und die Passage „Zuvor hatte es sich um nicht immer optimal – wenngleich auch nicht schlecht – abgesicherte Ballverluste gehandelt, aber die strukturellen Gegebenheiten, wie diese geschahen, waren meist ähnlich, vorhersehbar und fast durchweg torfern gewesen. Dagegen warfen sich das Mittelfeld und die gruppentaktischen Qualitäten wirksam in den Ring. Nun geschahen die Ballverluste bisweilen tiefer und die Staffelungsumgebungen wurden pluraler, so dass in Einzelmomenten die schon vorher angelegten Schwierigkeiten im Gegenpressing das eine oder andere Mal zutage traten – nicht häufig, aber zumindest dann, mit etwas Pech, bei den beiden Kontergegentoren beteiligt. Individuelle Einflüsse, Timingunsauberkeiten im Herausrücken und Schalkes Bewegungen spielten dabei fraglos auch eine Rolle.“ finde ich geradezu atemberaubend entrückt. So sind dann für mich die Einzelartikel, bspw. auf 11Freunde, wesentlich eingängiger und verständlicher.
Aus meiner Sicht muss sich Schalke fragen, wo sie spielerisch hinwollen, während den Dortmundern auch bei schwacher Tagesform bzw. Derbynervosität ihre seit Jahren gute Anlage reicht, um solche Spiele zu gewinnen.
blub 10. November 2015 um 23:12
Ich hab das psiel gerne geguckt und Schalke ist echt gut weggekommen
Es aber ein paar Dinge die ich nicht verstehe:
-Warum spiel Ayhan nicht?
-Warum spiel Kolasinac auf der 6 und statt dessen Aogo LV?
-Wie kann man Meyer so verschwenden?
-Ich verstehe das man Sané als Stürmer haben will, aber es gibt doch sicher sinnvollere RA als di Santo?!?
ME 10. November 2015 um 19:55
Ich persönlich bin ziemlich enttäuscht, dass so viele Mannschaften den einfachsten und konventionellsten Weg wählen, um hochstehende Außenverteidiger zu verteidigen. Überall sieht man situative 6er-Ketten. Das dies negative Auswirkungen auf das eigene Offensivspiel (Konterspiel) hat wird ja auch in diesem Artikel angedeutet. Gibt es denn keine alternativen Lösungen oder fehlt es den Trainern einfach an Mut oder Zeit um sie zu integrieren ? Agieren sie mit den 6er-Ketten weil dies schlichtweg pragmatisch gedacht die am wenigsten risikobehaftete Lösung ist ? Wäre nicht beispielsweise eine 3-4-2-1 Ausrichtung auch eine Überlegung wert ? Natürlich würden sich hier situativ auch 6er-Ketten bilden, aber man hätte immerhin noch 3 mögliche Spieler die potentiell kontern und die freien Räume hinter den weit aufgerückten Außenverteidigern nutzen könnten.
drklenk 10. November 2015 um 19:02
Könnte, um diesen 2-3-0-5 Tendenzen entgegen zu wirken, sich nicht einfach einer der (oder beide) nominelle Flügelstürmer (eventuell pendelnd) in die Zwischenlinien-Halbräume fallen lassen, um Verbindungen her zu stellen und mit dem 8er und dem Außenverteidiger zu kombinieren (ähnlich wie beim 1:0) oder eben diagonal ins Zentrum dribbeln (Reus, Mkhitaryan!), mit kreuzenden Bewegungen von Aubameyang und einem Fokus auf dynamisches Bespielen der Schnittstellen, Lupfer und Doppelpässe + Spiel über den Dritten? Auch der ballferne Außenverteidiger könnte doch mit einbezogen werden, wenn sich der Gegner, zu sehr um den diagonal hinein dribbelnden Stürmer verengt. Aber dieses sture Linie halten ist doch jetzt nicht wirklich sinnvoll, grade da Aubameyang alleine ja schon sehr gut die Abwehrspieler binden kann.
ES 10. November 2015 um 16:33
Ich war ja mehr als froh, dass das befürchtete „erinnerungswürdige Glanzlicht“ nicht angezündet wurde. Keine Frage, dass der BVB die bedeutend bessere Spielanlage hat. Und keine Frage, dass deutlich war, dass das in dem Spiel nicht wirklich ausgereizt wurde. Insofern ist ein Gegner wie Dortmund, genau wie Bayern beim nächsten mal, ein schwerer Gradmesser für den Stand der Entwicklung. Hier ging es aus Schalker Sicht nur darum, moralisch gut aus der Affäre zu kommen, und das ist gelungen.
Ich hoffe immer das Beste für meinen Club, und tue mich deshalb schwer, objektiv den Stand zu beurteilen. Ich habe den Eindruck, dass prinzipiell der Fußball besser und ansehnlicher geworden ist unter Breitenreiter als unter Keller und RDM, namentlich a) verbessertes Pressing b) Ansätze von Gegenpressing c) verbesserte gruppentaktische Abläufe im Offensivbereich d) verbesserte taktische Variabilität. Das alles aber nur in Ansätzen, nicht wirklich konsequent, und ich vermisse den nächsten Schritt. Jetzt mal bitte Tuchel und Guardiola bei Seite (ist mir klar, dass da eine andere Qualität vorliegt): Liegt das im Erwartungshorizont eines ersten Jahres (mal im Vergleich zum ersten Jahr von Hecking bei Wolfsburg, Klopp beim BVB)?
C(H)R4 10. November 2015 um 22:55
Zeitliche Voraussagen finde ich zum einen ungemein schwer, da z.B. Verletzungen (oder Verkäufe …) von Schlüsselspielern dazwischenkommen können und es auch immer von ganz vielen kleinen Dingen abhängt, die von außen schwer zu beurteilen sind, z.B. wie taktisch erfahren und clever ist der ein oder andere Spieler.
Zum anderen finde ich es auch gar nicht so wichtig, wie schnell genau die Entwicklung geht, was ja auch nicht unbedingt linear erfolgt, sondern in Stufen und Sprüngen, Rückschlägen und Pausen (Plateaus). Wichtiger finde ich, dass sich die Mannschaft in die richtige Richtung entwickelt bzw. überhaupt erstmal eine Entwicklung zu erkennen ist. Das setzt nämlich voraus, a) dass die richtigen Problemem, Baustellen, brachliegenden Potentiale erkannt und benannt und b) geeignete Lösungsstrategien, Zielvorgaben, Leitbilder ausgewählt wurden. Solange es vorwärts geht: alles gut! – der Weg ist das Ziel …
Auch was die Erfahrung mit der Doppelbelastung durch englische Wochen angeht, würde ich dem Trainer hier mehr Zeit zugestehen.
Patrick 11. November 2015 um 11:28
Hallo,
ich bin BVB Fan und versuche mal mit der objektiv Brille eure ‚Mannschaft‘ zu bewerten.
Ich finde ja, eigentlich habt ihr eine Sensationelle Mannschaft, von den Einzelspielern her. Aber die passen halt alle nicht wirklich zusammen. Von Meyer, Geis und Goretzka halte ich enorm viel. Aber die sind auch ganz schön jung. Also das Problem bei euch ist mMn. nicht das Breitenreiter ne Gurke ist, ich glaube der kann was. Ich glaube euer Problem ist, dass man einen Trainer jetzt mal machen lassen muss. Auch mal Spieler für seine Fußballidee verpflichten muss. Und dann abwarten.
mlisiewi 11. November 2015 um 11:46
Sehe ich ähnlich. Offensiv hat eure Truppe unglaublich viel Potenzial und gehört dort ganz sicher mit in die Top 5 rein, schätze Euch da gar einen Tacken stärker als Wolfsburg dieses Jahr ein.
Ein Problem sehe ich generell beim momentan häufig praktizierten 4-4-2 bzw. es kommt so rüber, als wenn Breitenreiter stets zwanghaft versucht Di Santo irgendwo in die Startelf reinzupressen, obwohl es bei Ihm aktuelle einfach nicht passt. Würde mir eine Rückkehr bei S04 zum 4-2-3-1 mit Geis, Goretzka und Meyer als zentrale sowie Sane und Choupo über die Flügel wünschen sowie den Hunter vorne in der Spitze. Zudem glaub ich, dass man mit 4231 bzw vielleicht auch mal nen 4141 die Kompaktheitsprobleme im Zentrum bzw. den teils schwachen defensiven Positionierungen von Geis damit abhilfe schaffen würde.
C(H)R4 11. November 2015 um 16:52
ich lese hier immer „eure“ … deshalb die kurze Klarstellung, dass „S04“, Possessivpronomen und mein Kürzel NICHT zusammengehören 😉 – auch wenn ich finde, das sie VOR der Verpflichtung von Roberto Di Matteo mal ne Zeit lang ganz attraktiven Fußball gespielt haben 🙂
ES 11. November 2015 um 18:15
Großer Widerspruch beim letzten Satz. Vor RDM war Keller. Da war der Fußball grausam, die reinste Folter, selbst in der sogenannten „besten Rückrunde aller Zeiten“. Vor Keller war Stevens, mit teilweise sehr gutem Fußball. Der hat m.A. von der guten Vorarbeit von Rangnick profitiert, bis diese Investition aufgebraucht war. Davor war Rangnick, und ja, da haben sie attraktiven Fußball gespielt.
C(H)R4 12. November 2015 um 01:00
Der Begriff „Folter“ ist für mich in den letzten Jahren einzig und allein für das Spiel Atlético Madrid gegen Leverkusen reserviert! (Da hab ich mir gewünscht, dass nach 90 min. abgepfiffen wird und beide Teams ausscheiden! – und das obwohl ich grundsätzlich allen deutschen Teams die Daumen drücke …)
idioteque 12. November 2015 um 16:27
Du hast in den letzten Jahren eindeutig nicht genug Schalke-Spiele (oder noch schlimmer welche vom HSV) gesehen, wenn du die Partie für den Begriff Folter reservierst. Wenn ich an die CL-Quali-Partien von Schalke gegen PAOK denke, wird mir ganz anders.
C(H)R4 13. November 2015 um 00:31
ja, ich bin verwöhnt – ich weiß … zeigt mir aber das mein Filter für schlechten Fußball ganz gut funktioniert, dafür ist mir die Zeit zu schade, es gibt so viele andere schöne Beschäftigungen … Kehrseite der Medaille: es gibt für mich wirklich wenig packenende Spiele in der Saison, denen ich schon Wochen vorher entgegenfiebere …
ich kann mich zwar selbst quälen, wenn es mal sein muss (allerdings eher selbst beim Sport), siehe Atlético Madrid – Leverkusen, aber so maso, dass ich mir ganze Spiele vom HSV anschaue, bin ich sicher nicht – selbst wenn die langsam aus ihrem Chaosloch kriechen, wird es noch lange dauern, bis bei den Rothosen das ansehnliche Niveau unter Martin Jol mal wieder drin ist
ES 14. November 2015 um 18:12
Das Fan-Dasein bei einer Mannschaft, die keinen guten Fußball spielt, ist ja noch viel perverser. Man kann sich keine Spiele von Bayern oder BVB anschauen, weil man denkt: Sch…kann Fußball schön sein, wenn man es richtig macht. Warum können das die Meinigen nicht, sondern nur die ungeliebte Konkurrenz? Als Schalker findet man aber immer wieder Trost, wenn man Fans des HSV, vom FCN oder gar von den 60ern trifft. Da weiß man, dass es schlimmere Fan-Schicksale gibt
csp 13. November 2015 um 20:32
Ich glaube dass „…man einen Trainer jetzt mal machen lassen muss. Auch mal Spieler für seine Fußballidee verpflichten muss. Und dann abwarten.“ gerade das Problem oder die Kunst ist.
Zumindest von aussen betrachtet, scheint sich dies S04 (gerade) nicht leisten zu können.
Vielleicht sind es finanzielle Zwänge, die unbedingt einen Platz unter den ersten vier erfordern ohne das der Laden auseinander fliegt. Vielleicht meint man dort eine bestimmte Erwartung der Fans erfüllen zu müssen.
Letztlich habe auch ich den Eindruck, dass S04 von den Dingen getrieben wird und nicht treibt.
Und so wie man als einzelner unter Stress schnell in gewohnte Muster zurückfällt, denke ich, dass auch ein Team dies tut und Entwicklungschritte verloren gehen (btw, ich denke dass dies auch ein sehr großes Problem für Klopp letztes Jahr war).
Also “ dann mal machen lassen“ muss ein Verein auch erst einmal können.
C(H)R4 15. November 2015 um 18:32
Ja, unter Stress fällt man in gewohnte, d.h. AUTOMATISIERTE (unterbewußte) Muster auch als Team. Die Entwicklungsschritte sind dann nicht veroren, aber sie kommen dann nicht zum Tragen. Um Muster zu ändern und unter Stress zur Vefügung zu haben, müssen folgende Schritte durchlaufen werden:
altes, zu änderndes Muster
1. – Bewußtmachung und schaffen / Visualisieren des neuen Musters (Ziel)
2. – langsames Einüben mit Bewußtseinsfokus auf die Änderung
Verfügbarkeit des Musters unter Fokus darauf
3. – Steigerung des Tempos und der Aufgabenkomplexität
teilweise Verfügbarkeit ohne Fokus / mit zunehmendem Stress
4. – Wdh. Wdh. Wdh.
Vefügbarkeit des neuen Muters unter Stress / hohem Tempo
GOTO Start -> nächste(s) Stufe / Muster
Hier gibt es natürlich immer wieder auch Plateaus und Rückschritte. Je weniger Zeit zum einüben / Wdh. / AUTOMATISIEREN (Absinken der Steuerung auf ein unbewußtes Niveau), desto eher fällt man wieder auf die alten Muster zurück. (kennt man vll. noch Schalten/Anfahren lernen in der Fahrschule … )
Das interessante daran ist, das die Ausführungsgeschwindigkeit beim Absinken der erforderlichen Aufmerksamkeit auf ein unbewußtes Niveau (es geht wie von allein …) deutlich zulegt, denn unbewußte Vorgänge laufen deutlich schneller ab als bewußte – für ein erfolgreiches Spiel sicher ebenso wichtig, wie die Stressresitenz (hängt aber natürlich direkt damit zusammen).
Insofern erwarte ich große Änderungen im Spielsystem auch nur nach Sommer- oder Winterpause, da die Zeit, wo es auf Ergebnisse ankommt dafür nicht in Frage kommt. Hier sollte es eher um Stabilisierung und Tempoerhöhung gehen (das ist wohl dann die fehlende Konsequenz anmahnt).
Also lieber ES:
– DIe Ansätze sind da, wie du selbst schreibst ( a), b), c), d) ): Das ist gut! Schritt 1. und 2. sind also erfolgt.
– Die Konsequenz (Stabilität) der Muster fehlt noch: völlig normal, die Stabilisierung kommt mit der und braucht Zeit und viele Wiederholungen (Schritte 3. und 4.).
– Der nächste große Schritt: kommt erst nach der Stabilsierung, der neuen Ansätze, die Aufmerksamkeit auf neue Dinge hat ihre Grenzen … also evt. kleiner nächster Schritt, dann zu Winterpause, großer nächster Schritt nach der Sommerpause.
Zum Schluß sei der Bogen zum FCB erlaubt:
1. Saison Pep: Umstellung auf neues System
2. Saison Pep: Temposteigerung, Stabilisierung, Hinzunahme neuer Muster
3. Saison Pep: weitere Temposteigerung, weitere Flexibiliserung
Für den nächsten Schritt muss man bereit sein, eine Phase mit geringer Leistung (altes Muster verblasst langsam, neues ist noch nciht komplett automatisiert) zu durchschreiten. Diese Zeit hatte ein Kloppo beim BVB auch aufgrund der Erwartungshaltung der Fans nicht, richtig.