Atléticos ambivalente Kompaktheit übersteht Reals Ansturm

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7 Spiele in dieser Saison, 7 sieglose Partien für Real. Diese Mal kamen sie aber denkbar knapp an das Ende dieser Serie, doch Atlético konnte sich noch einmal vor einer drohenden Niederlage befreien. Ancelotti hatte sich allerdings zumindest in der Anfangsphase etwas überlegt.

Benzema als Verbindungsgeber und flexible Flügelüberladungen

Real hatte sich für dieses Spiel was überlegt. Nach herben Niederlagen gegen Atlético unter Simeone – mit den Ausnahmen im CL-Finale und Copa del Rey vergangene Saison – agierten die Madrilenen mit einer angepassten Struktur. Überraschend lief Isco nicht auf, der mit seinen extrem starken Dribblings und hervorragenden Bewegungen in engen Räumen Atlético hätte knacken können. Stattdessen bildeten James und Bale die Flügelzange des 4-3-3/4-4-2-Mischsystems der Königlichen.

Grundformationen

Grundformationen

Dieses Mischsystem gab es diese Saison bereits häufiger. Bale besetzt in eigenem Ballbesitz die Sturmreihe, orientiert sich nach vorne und agiert dann in einer Linie mit Benzema und Cristiano Ronaldo. Gegen den Ball lässt sich Bale zurückfallen und ergänzt das Mittelfeld, wodurch ein 4-4-2 gegen den Ball entsteht. James Rodriguez auf links (in den Spielen zuvor meist Isco) wiederum schiebt als Flügelstürmer nicht nach vorne in die Spitze, sondern rückt horizontal ein und ergänzt die Doppelsechs.

Diese Spielweise gab es auch heute zu sehen, allerdings wurde sie in den Bewegungsabläufen etwas angepasst. Benzema ließ sich als Mittelstürmer noch weiträumiger als üblich zurückfallen und bewegte sich auch oftmals auf die Flügel. Das Ziel war es vermutlich, die enorme technische Stärke und Spielintelligenz des Franzosen zu nutzen, um das aggressive Defensivspiel und die zentrale Kompaktheit Atléticos aufzulockern sowie Anspielstationen für die Spieler auf den Seiten und in den Halbräumen zu geben. Schon beim letzten Aufeinandertreffen in der Liga hatte man zeitweise umgestellt und Benzema quasi als falsche Neun genutzt.

Allerdings hatte nicht nur Benzema diese Aufgabe. Bale, Cristiano und die Außenverteidiger agierten ebenfalls sehr flexibel. Besonders in der Anfangsphase sah man Marcelo und Carvajal teilweise vom Flügel in Richtung Mitte einrücken, während Bale oder Cristiano Breite gaben. Man wollte womöglich das Übergeben der Flügelspieler Atléticos und die Breitenstaffelung der Rojiblanco bespielen sowie nach Verlagerungen gut positioniert sein, um möglichst schnell durchbrechen zu können.

Dazu nutzten sie neben den Positionswechseln und fluiden Bewegungen vorne auch eine 1-2-Aufteilung im Mittelfeld. Kroos blieb meistens eher zentral und nahe an den Innenverteidigern, James und Modric besetzten die Halbräume und bauten von dort auf. Gegen Atléticos 4-4-2-Formation hatten sie da etwas Platz und konnten eben die Flügel einbinden. Dieser Schachzug ging allerdings nicht ganz auf; auch wenn unklar ist, wieso.

Atléticos abgenommene Kompaktheit: Verschlechterung oder Adaption?

In der vergangenen Saison war Atlético eine Defensivmaschine nahe der Perfektion. Vertikale und horizontale Abstände, leitende Elemente (z.B. durch die engere Mittelfeld- und breitere Abwehrkette), flexible Formationsbildung innerhalb der Formation und Intensität wurden allesamt auf allerhöchstem Niveau ausgeführt, wie auch in der Teamanalyse von damals zu lesen ist. Diese Saison können sie ihren selbst gesetzten Maßstäben nicht ganz gerecht werden, obgleich sie nach wie vor eine defensiv enorm starke Mannschaft sind.

Gegen Real war ich mir persönlich aber unsicher, ob die geringere Kompaktheit – insbesondere in der Horizontale – wirklich eine Verschlechterung war oder eventuell bewusst von Simeone gewählt wurde, um Seitenverlagerungen und die Folgeaktionen sauberer verteidigen zu können. In vielen Situationen war bei Atlético zum Beispiel zu sehen, wie die zentralen Spieler – Doppelsechs und Innenverteidiger – sich auch bei seitlicher Flügelposition sehr mittig aufhielten, insbesondere die Innenverteidiger waren fokussiert darauf. Die ballfernen Flügelstürmer blieben ebenfalls ungewohnt breit und Real hatte dadurch mehr Raum in der Ballzirkulation. Das führte neben der vermutlich auch gewollt tiefen Ausrichtung Atléticos zur zurückgezogenen, passiven Spielweise der Simeone-Elf.

Modric und Co. fanden dadurch immer wieder Räume vor, um zu kombinieren und aus den seitlichen Zonen Pässe in die Mitte zu bringen, dort hatten sie aber Probleme mit dem Abschluss. Dennoch waren die Madrilenen lange Zeit leicht überlegen und kamen auf einige gefährliche Chancen, die Atléticos Torhüter Oblak entschärfen musste.

Abgesehen von Atléticos schwierig zu bewertenden Problemen in der Kompaktheit, die eben Vor- und Nachteile mit sich brachte, gab es das übliche 4-4-2 zu sehen. Modric, Kroos und James bei Real wurden durch einzelne herausrückende Läufe Gabis sowie die beiden Mittelstürmer im Rückwärtspressing attackiert. Auch hier gab es aber eben diese ambivalente Kompaktheitsproblematik zu beobachten.

Normalerweise spielt Atlético extrem eng mit den Stürmern am Mittelfeld, wenn sie tiefer verteidigen. Dieses Mal waren die Abstände jedoch nicht so gering, wodurch Real den Ball in unangenehmen Situationen immer wieder zurückspielen und verlagern konnte, ohne den gesamten Umweg über die Innenverteidiger und entlang der Mittellinie zu gehen. Oft waren es James, Modric, Kroos und die Außenverteidiger, welche vor Atléticos 4-4-Staffelung in den ersten zwei Linien den Ball relativ drucklos zirkulieren lassen konnten.

Es ist möglich, dass das eine situative Pressingfalle war; ein paar Mal konnten die Mittelstürmer mit kurzem Rückwärtspressing von hinten den Ball erobern und Konter einleiten. Auch war es womöglich gewünscht, um nach Balleroberungen weiträumiger nach vorne umschalten zu können. Allerdings fehlte es Atlético dadurch eben am Herausschieben des Gegners und dem Entschleunigen deren Angriffe.

In der zweiten Halbzeit gab es dann etwas höheres Pressing bei Atlético, sie erhöhten die Intensität und waren nun ebenbürtig. Aus 2:10 Schüssen in der ersten Spielhälfte wurden immerhin 6:7 nach dem Seitenwechsel. Die späten Wechsel beeinflussten das Spiel kaum noch. Torres und Raul Garcia kamen rein bei Atlético und hatten ein paar gute Läufe, Benzema wurde für Isco ausgewechselt, woraufhin Bale und Cristiano einen Zweiersturm bildeten, was aber wenig veränderte.

Fazit

Ein schwierig zu bewertendes Derby, denn Atléticos eindrücklichster Aspekt – die unerwarteten Kompaktheitsprobleme – sind nicht eindeutig zu bewerten und wurden dementsprechend auch nur inkonstant genutzt. Real hatte allerdings diese Mal so viele Chancen und Abschlüsse wie seit Langem in dieser Paarung nicht mehr und hätte sich wohl einen (knappen) Sieg verdient gehabt.

Atlético wiederum zeigte, dass es durch die Abgänge von Filipe Luis und Diego Costa ein paar Probleme im Spiel mit dem Ball gibt. Besonders das Konterspiel ist aktuell nicht mehr ganz so stark wie es mit Costa war, der sowohl mit seinen Bewegungen in der Horizontale als Zielspieler und seiner häufig unterschätzten Dynamik und Drehfähigkeit in der Vertikale als Konterstürmer ungemein wichtig war.

Simeones Mannen schafften es dennoch über die Zeit und gehen mit einem 0:0 ins Rückspiel; keine allzu schlechte Ausgsangslage.

Dr. Acula 15. April 2015 um 21:12

ohne einen Argentinier kann man einfach nicht gg Atlético gewinnen 😉

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Gh 15. April 2015 um 14:10

Denke der größere Reihenabstand ist eine Lehre aus den Barca-Spielen gewesen, da sind die außen auf engem Raum überrannt worden, was verheerend war. Zu Real: ich fand die Staffellungen oftmals sehr flach, so dass sich schwer Kombinationsmöglichkeiten im Zentrum ergaben, was ja bei erwähnter geringerer Kompaktheit Atletis erfolgsversprechend gewesen wär, irgendwie haben sich v.a. die Stürmer Reals zwar dynamisch bewegt, aber so entgegengesetzt, dass sich das irgendwie gegenseitig aufgehoben hat.

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Bernhard 15. April 2015 um 13:26

Isco auf der Bank zu lassen und seiner statt einen Bale oder Cristiano Ronaldo spielen zu lassen, ist ein wenig irrational.
P.S. Luka Modric, Fußballgott

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Max 16. April 2015 um 11:18

Könntest du das argumentativ ein wenig ausarbeiten?
Bin auch Isco-Fan, aber sehe ihn nicht derart stark bzw stärker als Bale (Ronaldo ist ja doch noch bedeutend besser als der Waliser) als das eine dogmatisch anmutende Aussage gerechtfertigt wäre. Ersetzt du Isco mit Modric würde ich ja zustimmen^^

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Bernhard 16. April 2015 um 11:46

Hab mein Gsatzerl falsch gepostet. Jetzt stimmt der Adressat.
Den letzten Satz verstehe ich nicht. Modric spielte doch.
Ob er stärker oder schwächer ist, ist nicht wirklich zu beantworten. Er hat aber andere Qualitäten, die für dieses Spiel eher geeignet wären, als die des Portugiesen oder des Walisers.
Die Flügelzange der Madrilenen agiert sehr weiträumig. Gegen einen Gegner wie Bayern München, können sie offene Räume auf den Außen anvisieren und mit ihrer Schnelligkeit extrem gefährlich werden. Diese bot aber Atletico nicht. Deshalb würde ein Dribbelkönig wie Isco, der sich in Engen wohlfühlt und sich zudem in klugen Räumen anbietet, die bessere Wahl anstatt der beiden oben genannten Spieler. Zudem ließen sich die Halbräume mit Isco besser bespielen.

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RM 16. April 2015 um 11:49

Bernhard, Max meinte, dass Modric quasi der schwächste der vier wäre und er deswegen ihn auf die Bank gesetzt hätte, glaube ich.

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TB 16. April 2015 um 12:06

Vermute, dass Max meinte, die Aussage „Modric auf der Bank wenn Ronaldo/Bale spielen ist irrational“ wäre ok, aber bei Isco hätte er für die gleiche Aussage gern ne Begründung (die ja dann auch kam).

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Bernhard 16. April 2015 um 12:29

„Modric quasi der schwächste der vier wäre“ :O (soll ein entsetztes Emoticon sein)

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Isco 16. April 2015 um 13:31

Niemand hält Modric für den schwächsten, das kann einfach nicht sein, das wäre ja Blasphemie.. 😉

Ich seh aber auch nicht wirklich einen Grund, wieso Bale statt Isco spielt wenn es gegen Atletico geht, man muss sich ja nur an das CL Finale erinnern und wie er da (zusammen mit Marcelo) groß aufgespielt hat.
Die Spiele von Barca gegen Atletico haben ja gezeigt, dass man – selbst wenn einem nichts gegen die Colchoneros einfällt – mit simplen Flügelüberladungen und guten Dribblern auf den Außen erfolgreich sein kann.
Bale wird wenn er breit steht viel zu leicht isoliert und wenn er einrückt hat er einfach nicht den Raum den er braucht. James/Carvajal und Isco/Marcelo (Mittwochs Coentrao) wären da mMn deutlich effizienter und durchschlagskräftiger auf den Flügeln.

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Max 22. April 2015 um 19:19

Sorry für das Missverständis. Kommunikation ist manchmal doch komplizierter…

TB hat mich aber richtig verstanden und das gesagt, was ich meinte. Sicherlich sehe ich Modric nicht als den schwächsten der Vier. Ich wollte lediglich eine Erläuterung, warum Bernhard Isco so klar vor Bale sieht. Und dafür danke an Dich, und natürlich auch an Isco selbst 🙂

Bin ja sowieso auch eher Isco-Fan als Bale-Anbeter. Wobei mir Isco doch nicht so extrem gut gefällt, wie vielleicht anderen hier. Da empfinde ich einen wie James als besser. Nun: Heute sollten sie zusammen RM zum Sieg schießen.
Viel Spaß euch beim Gucken.


Danyo 15. April 2015 um 13:02

Das mit den Chancen ist doch relativ?! Gut die Hälfte der Chancen Reals waren Fernschüsse aus 25 Meter + x.

Schwierig das Spiel einzurordnen. Atletico schien mir auch mit einem 0:0 zufrieden zu sein. Am Ende drängte man etwas mehr auf ein Tor, aber in aller erster Linie galt es die Null zu halten. Der Druck im Rückspiel liegt nun eindeutig bei Real, weil nur ein Gegentor das Aus bedeuten könnte gegen so eine defensivstarke Mannschaft.

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