Kleine Fortschritte beim VfB, aber Punkte für 1899
Das Defensivspiel des VfB Stuttgart – es wird so langsam. Im Offensivbereich reichten die kleinen Verbesserungen aber noch nicht für mehr als einen Standard-Treffer. Und so holte sich Hoffenheim in einem lange ausgeglichenen Match den späten Sieg durch eine konsequente Umstellung in der Schlussphase.
Die Staffelungscausa: Immerhin horizontal etwas besser
Der VfB Stuttgart war auf der Suche nach seinem ersten Rückrundentor. In dieser Derbybegegnung entwickelte sich zwar ein umkämpftes und zerfahrenes Match mit zunächst wenigen Höhepunkten, in dem zwei weit zum Flügel schiebende und dort attackierende, sowie mannorientierte Defensivblöcke dominierten, aber trotzdem sicherten sich die Mannen von Huub Stevens zumindest ein gewisses Ballbesitzplus. Durch Zurückfallen von Romeu oder selten auch mal Asymmetrien mit tieferem Hlousek bildeten sie übergangsweise Dreierketten, die in der ersten Linie etwas Ruhe gegen das defensive 4-4-2/4-4-1-1 der TSG sicherten. So weit, so gut: Von hier aus besteht das klassische Stuttgarter Problem darin, anschließend für Anbindung an die hohe Offensivabteilung zu suchen. Auch in dieser Begegnung setzte sich dies fort, da gerade die drei nominellen Angreifer fast durchgängig in sehr hohen Stellungen zu finden waren. Der ansonsten in seiner typischen Art mit vorschiebende Christian Gentner zeigte diesmal etwas mehr Balance, fand bei tieferen Freilaufversuchen aber nur selten mal strategisch wirkungsvolle Zonen.
Demgegenüber versuchte Leitner beidseitig in Ausweichräume am Flügel herauszukippen, was aber sehr weiträumig geschehen musste und daher wegen der mäßigen Einbindungsmöglichkeiten von längerem mannorientiertem Herausrücken eines Hoffenheimer Sechsers zu kontrollieren war. Überhaupt zeigten die Kraichgauer zahlreiche solcher Zuordnungen, was aber kaum bestraft wurde – von Schwegler oder Rudy verlassene Bereiche bekam der VfB wegen der Orientierung seiner Sturmreihe selten genutzt. Wenn die dortigen Akteure sich vereinzelt – Harnik war hier engagiert – mal anders bewegten, war dies eher improvisiert, so dass es wiederum durch bloße Mannorientierungen aufgefangen und zumindest weggeleitet werden konnte. Nur selten gelang es mal einem Innenverteidiger oder auch mal Hlousek neben den Hoffenheimer Stürmern aufzurücken. Meistens scheiterten sie jedoch daran, dass Firmino geschickte Staffelungen erzeugte und für einige herausschiebende Umformungen sorgte.
So bestand die ansonsten vielversprechendste Route der Schwaben vor der Pause tatsächlich darin, mit längeren Zuspielen die hohe Offensivpräsenz in den vorderen Halbräumen zu bedienen. In dieser Hinsicht zeigte der VfB allerdings gewisse Fortschritte in den Staffelungen – wenn schon nicht vertikal, dann doch immerhin horizontal. Werner wich aus dem Sturmzentrum in den jeweils fokussierten Halbraum aus, die beiden Achter schoben unterstützend dorthin und manchmal schaltete sich gar der ballferne Außenspieler weit einrückend ein. Zwischendurch ließ sich für den VfB dadurch die eine oder andere gefährliche Situation erzeugen. Über direkte Vertikalpässe von Baumgartl oder Romeu in den rechten Halbraum hatten sie einige gute Ansätze über kleine Ablagen des unterstützenden Klein oder weiterleitende Aktionen eines Achters. Dies war gut anzuschauen, wurde nach dem Übergangsmoment aber zu hektisch in die Spitze weitergetragen und versandete in vorschnellen Durchbruchsversuchen über Sakai. Wenngleich letztlich nur vier Abschlüsse aus dem Spiel heraus zu Buche standen und man ansonsten mehrfach aufgrund der Enge der Szenen im Hoffenheimer Zusammenziehen hängen blieb, war im zuletzt enttäuschenden Offensivbereich des VfB doch ein Teilfortschritt zu verbuchen.
Hoffenheim am Flügel festgedrückt
Solch eng und radikal zugeschobene Szenen am Flügel prägten die Partie auch auf der anderen Seite. Gegen den Hoffenheimer Aufbau agierten die Gäste in einer 4-1-4-1-Formation mit losen Mannorientierungen der Achter auf die Sechser. Vorne gab Werner die zentrale Keilspitze, die sich zwischen die gegnerischen Innenverteidiger zu schieben versuchte und dabei tendenziell den Aufbau Richtung Bicakcic leiten wollte. Selten rückte im jeweiligen Halbraum dann der ballnahe Achter etwas heraus, zog seinen Deckungsschatten über das Mittelfeld mit und versuchte lange Bälle der Hausherren zu provozieren. Diese spielte die TSG – mit ihren eher aufbauschwachen Innenverteidigern – aber ohnehin oft zu vorschnell – wohl auf Schipplock gedacht – und dann meist erfolglos. Wenn sich Hoffenheim im Anschluss an solche Szenen oder auch mal ruhiger – beziehungsweise irgendwann nach einem der zahlreichen Foulspiele – in die vorderen Bereiche des zweiten Drittels arbeiten konnte, demonstrierte der VfB jedoch seine zuletzt stark verbesserte Defensive. Die Ansätze, die Hoffenheim gerade über den fokussierten linken Flügel mit unterstützenden Bewegungen von Schipplock und Rudy, aber immer wieder auch mal die gegenüberliegende Seite aufziehen wollte, beantworteten sie mit radikalem horizontalem Zuschieben. Die ballfernen Akteure rückten enorm weit ein, so dass teilweise Harnik im nahen tiefen Halbraum geschoben stand.
Diese kompakten und unangenehmen Stellungen wurden mit einigen Mannorientierungen kombiniert, so dass gerade situativ zurückfallende Bewegungen beispielsweise von Schipplock die Szenen noch zerfahrener und unübersichtlicher wurden. Der in der Rollenverteilung angelegte Fokus auf ihn als ablegenden Zielspieler war in diesen Szenen etwas zu stark. Dagegen konnte Firmino im inneren Halbraum kaum an diese Ansätze angeschlossen werden und somit nur gelegentlich in Rechtsüberladungen Wirkung entfalten. Weiter auf links hätte er vielleicht die Szenen besser auflösen können. So war es kein Wunder, dass aus diesen engen Flügelszenen wenig Fortkommen, sondern stattdessen zahlreiche Fouls vorhanden waren und die beiden Treffer vor der Pause jeweils durch Standards fallen mussten – passenderweise auch noch etwas billardhaft, inklusive des abgefälschten Abschlusses beim 1:1. Ansonsten erzeugten beide Teams nur wenige Chancen, blieben unter 5 Schüssen und standen bei 57 % bzw. 66 % Passquote. Über diagonale Verlagerungen auf Kevin Volland hatten die Hausherren die etwas besseren der seltenen Ansätze, konnten diesen ansonsten trotz ihrer Überladungsversuche aber kaum mal ins Zusammenspiel mit Firmino bringen.
Zweite Halbzeit und Hoffenheims starker Endspurt
Etwa bis zur 60. Minute blieb es bei dieser weitgehend ausgeglichenen, chancenarmen Kräftebalance, ehe Markus Gisdols Hoffenheimer mit einer veränderten Spielweise eine Steigerung erzielen und letztlich noch zum etwas glücklich entstandenen Sieg kommen konnten. Zunächst wurden die schon zuvor vorhandenen Linksüberladungen konsequenter ausgeführt, indem beispielsweise Firmino für direkte vertikale Raumpässe seitlich nach außen rochierte. Damit brachte die TSG etwas mehr Vorwärtsrichtung in die Staffelungen und konnte gelegentlich die ansatzweisen gegnerischen Mannorientierungen dynamisch bespielen. In den letzten etwa zwanzig Minuten fokussierten sie sich dann besonders auf den rechten Flügel, wohin der Mittelstürmer – gerade nach Modestes Einwechslung – und abermals vor allem Firmino immer wieder auswichen, während Volland Hlousek wegziehen und Raum schaffen sollte. Zudem rückte Beck sehr konsequent in die richtigen Situationen nach und kurbelte druckvoll an. Aus dem Aufbau suchten die Kraichgauer direkte Pässe in diese Bereiche, um dann schnell im Halbraum oder am Flügel durchzubrechen.
Zuvor hatten sie teilweise etwas unbalanciert die eigenen Sechser im Aufbau überspielt und zu direkt die vorderen Akteure bedient. Dies wurde nun nicht als solches geändert, sondern gewissermaßen in einen anderen Kontext gesetzt. Was vorher nur leicht angedeutet war, forcierten sie jetzt: Die beiden Sechser sollten sich bewusst passiv verhalten und wenn möglich versuchen, die mannorientierten Stuttgarter Achter etwas herauszulocken, um hinter ihnen Räume im Mittelfeld zu öffnen. In diese konnten Volland und Firmino über rechts beschleunigen und die gegnerische Defensivreihe attackieren, die nicht schnell genug Unterstützung erhielt. Zwar produzierte Hoffenheim nicht viele Großchancen, doch hatten sie zahlreiche mittelgefährliche Abschlüsse, die ihnen auch zusätzliche Offensivpräsenz sicherten. Das Tor fiel in der Nachspielzeit allerdings durch einen Ballgewinn im Gegenpressing, als Stuttgart vom rechten Defensivflügel aus dem ersten Druck etwas unbalanciert in die Mitte verlagerte, Volland und Rudy dort aber den Ball klauen konnten.
Fazit
Das Derby der schwach in die Rückrunde gestarteten Kontrahenten aus Baden-Württemberg bot lange nur wenige Chancen und spielerische Höhepunkte. Es gab durchaus kleinere Verbesserungen beim VfB, was die Defensive und die horizontale Kompaktheit anging. Dennoch bleiben immer noch Schwächen und Problempunkte – gerade im Spiel nach vorne – und für Stevens viel zu tun. Hoffenheim zeigt derzeit viele solide, etwas instabile Leistungen und ist damit zu Recht ein ziemliches Mittelfeldteam. Diesmal verdienten sie sich mit ihrer konsequenten Umstellung für die Schlussphase einen späten, etwas glücklichen Sieg.
1 Kommentar Alle anzeigen
Benni 19. Februar 2015 um 21:19
Danke für einen Artikel, in dem Hoffenheim auch drin vorkommt. 🙂 Momentan spielen wir leider nicht so ansehlich mit viel zu vielen Fehlpässen.
Interessant aber, dass ihr die Ursache für den Sieg in der taktischen Umstellung seht und nicht in der höheren individuellen Klasse.