Hamburger Dominanz mit 4-1-3-0-2

2:1

Zinnbauers Rothosen überzeugen mit aggressivem Pressing und verlieren mit der Aggressivität auch die Spielkontrolle. Die überraschende Hamburger Formation war das taktische Schmankerl der Partie.

Hamburg in ungewohnter Formation

Auf den ersten Blick hätte man sich in Anbetracht des Hamburger Personals wohl ein sehr klassisches und instabiles 4-4-2 oder eine (klassische) Raute erwartet; letztlich stimmte beides nicht. Formativ kam es zwar einer Raute nahe, doch es war kein 4-1-2-1-2/4-3-1-2, sondern ziemlich eindeutig ein 4-1-3-2 oder noch passender ein 4-1-3-0-2. Die beiden Mittelstürmer Lasogga und Rudnevs  pressten eigentlich immer in einer Linie, orientierten sich weitestgehend an den gegnerischen Innenverteidiger und stellten die Schnittstellen in den Sechserraum zu, wenn bei den Mainzern Geis zwischen die beiden Innenverteidiger abkippte. Es blieb also auch hier bei der 2-Stürmer-Formation und es gab eigentlich kaum herausrückende, mannorientierte Läufe van der Vaarts.

Grundformationen

Grundformationen

Dieser agierte nämlich zentral hinter den beiden Stürmern in einer interessanten und unüblichen Rolle. Nominell wäre er bei einer Rautenformation der Zehner gewesen; hier stand er aber meist in einer Linie mit den beiden Flügelstürmern Müller und Holtby, wodurch sich ein ziemlich zentrumslastiges und auf die Mitte fokussiertes 4-1-3-2 ergab. Damit konnte der HSV nicht nur Pässe in das Zentrum gegen die Mainzer Raute vermeiden, sondern war im Stande beim Verschieben auf die Flügel ungeheuren Druck auf den Ball und enorme Lokalkompaktheiten aufzubauen, wodurch sie Mainz trotz einzelner eigener Struktur- und Organisationsprobleme zu Ballverlusten, schwierig verarbeitenden Pässen oder langen Bällen zwingen konnten.

Weil van der Vaart im Angriffs- und hohen Mittelfeldpressing in der Mitte klar höher stand als Jiracek hinter ihm, gab es eine verringerte Breitenstaffelung in dieser Formation (drei statt vier Spieler in einer Reihe). Diese drei Spieler agierten außerdem näher aneinander und beim Verschieben auf den Flügel waren sie deswegen enorm kompakt von der Seite zur Mitte hin. Der freie Sechser (Jiracek) hinter ihnen konnte sich ebenfalls sehr frei bewegen und ohne Probleme mit vielen Sprints dynamisch zum Ball verschieben.

Bei einem klassischen 4-4-2 hätte man weniger Möglichkeiten so kompakt zum Ball zu verschieben und so kompakt in Ballnähe zu stehen. Da die vier Spieler sich in einer Linie befinden und nicht in zwei, stehen sie prinzipiell breiter und haben auch weniger offenen Raum, wohin sie verschieben können. Das wirkt sich auf die Verschiebedynamik manchmal negativ aus. Bei einem 4-1-3-2 beziehungsweise 4-1-3-0-2, wie es bei Hamburg oft der Fall war, kann die vordere Linie quasi „über“ die hintere Linie (Jiracek) schieben beziehungsweise er auch schneller verschieben als die vordere und die geringe Anzahl an Spielern in beiden Linien erzeugt zusätzliche Dynamikmöglichkeiten.

So eine Spielweise geht aber neben möglicherweise höherem Kraftverlust bei guter Zirkulation des Gegners auch mit einer gewissen Instabilität durch die verringerte Raumabdeckung einher. Die Spielweise mit einer klaren Dreierlinie statt einer Raute war ebenso vorteilhaft wie die relativ tiefe Position van der Vaarts in diesem System. Im tieferen Pressing oder wenn es die Situation erforderte konnte sich van der Vaart zu Jiracek zurückfallen lassen und auch die Flügelstürmer standen dann tiefer, was wiederum ein relativ klares und simples 4-4-2 gegen den Ball in der eigenen Hälfte bedeutete.

Häufig waren es gar diese Situationen und Verteidigungsphasen (sowie passivere Umsetzungen des hohen Pressings), in denen der HSV instabiler war; das hohe Pressing an sich funktionierte ganz gut; 11:3 Schüsse bei klarem Ballbesitzüberschuss lautete die Statistik nach der ersten Halbzeit. Mainz‘ Defensive funktionierte nicht ganz so intensiv und dynamisch.

Mainz im 4-3-1-2

Die Hjulmand-Elf startete in einer Raute; das 4-3-1-2 war von den Spielertypen sehr interessant besetzt. Koo und Park, zwei erklärte SV-Lieblinge, besetzten die Halbpositionen. Djuricic begann auf der Zehn, Geis startete als Sechser und Okazaki bildete das Sturmduo mit Allagui. Vereinzelt wurden sie durch das Herausrücken Djuricics sogar 4-3-3artig gegen den Ball, meist war es aber ein 4-3-1-2 und ein 4-3-2-1 bei seitlichen Angriffen; hier ließ sich der ballnahe Mittelstürmer etwas zurückhängen und stand sehr breit, um nach Balleroberungen direkt eine Anspielstation über die Seiten zu bieten.

Wirklich effektiv war die Spielweise der Mainzer allerdings nicht. Ihr Pressing konnte selten den nötigen Druck aufbauen, wobei die Hamburger das mit zahlreichen langen Bällen, einem großen Fokus auf zweite Bälle und die Präsenz der Mittelstürmer sowie deren Blockwirkung für die Flügelstürmer umspielten. Es gab insgesamt 79 Luftzweikämpfe in dieser Partie; ganze 29% der Hamburger Pässe waren lange Bälle oder Flanken, bei Mainz waren es ganze 20%. Zum Vergleich: Selbst die Partie Dortmund gegen Hoffenheim mit dem enormen Gegenpressingfokus Dortmunds zu Spielbeginn kam nicht ganz an diese Werte heran.

Dadurch stand Mainz vor einem Problem. Das Pressing gegen das gegnerische Aufbauspiel funktionierte in Ermangelung eines solchen nicht, während das eigene Aufbauspiel zu einem ähnlichen Gebolze mit weniger Organisation und Präsenz gezwungen wurde. Der geordnete Spielaufbau ging meist ins Leere, selbst abkippende Bewegungen und die vielen mittig positionierten Spieler – sogar Koo und Park! – konnten kaum eingebunden werden. Hamburg dominierte mit der Aggressivität lange Zeit das Geschehen und erst in Halbzeit zwei sollte sich das phasenweise ändern.

Hamburger Passivität und Simplizität helfen Mainz

Mit der Führung im Rücken, insbesondere nach dem 2:0, zogen sich die Hanseaten im Pressing immer weiter zurück und spielten deutlich öfter ein klassisches 4-4-2 gegen den Ball, welches nun weder so horizontalkompakt noch so aggressiv umgesetzt wurde. Dies ermöglichte Mainz natürlich mehr Zeit im Aufbauspiel, die sich bietenden Räume zwischen Sturm und Mittelfeld beim HSV konnten sie für Raumgewinn und eine verbesserte Ballzirkulation nutzen.

Zusätzlich gab es einige Umstellungen; Soto wurde direkt nach dem Gegentor für Diaz eingewechselt, wodurch Park auf den defensiven Flügel ging. Damit hatte man generell mehr Passstärke in der Mannschaft, desweiteren wurden später mit Jairo und Malli für Djuricic und Koo zwei offensivere und tororientiertere Spielertypen eingewechselt, wodurch es auch einen Bruch mit der Raute gab. In den letzten 20 Minuten kamen die Mainzer auf über 65% Ballbesitz, schoben die Außenverteidiger (besonders Brosinski) und die Offensivspieler vor Soto und Geis weit nach vorne, erzeugten hohe Präsenz im gegnerischen Strafraum und kamen in der Schlussphase gar zu sieben Schüssen (Hamburg: 1).

Diese Schlussoffensive sollte sich aber nicht mehr lohnen. Hamburg spielte die verdiente Führung trotz des Gegentors kurz vor Ende noch herunter und konnte sich die drei Punkte behalten.

Fazit

In einem sehr intensiven Spiel in der ersten Halbzeit und einem trägeren Rhythmus mit mehr Mainzer-Kontrolle in den letzten 30 Minuten konnte der HSV den generellen Aufwärtstrend unter Joe Zinnbauer fortsetzen. Mit einer 2:0-Führung im Rücken zogen sie sich zurück, gaben dem Gegner die Initiative – was ihre größte Stärke bis dahin war – und ließen Mainz wieder zurückkommen. Die Rückkehr kam jedoch zu spät und es endete in einer Niederlage für Hjulmand.

Koom 8. Dezember 2014 um 09:37

Aus Mainzer Sicht wird mir ein wenig bange. Man gewinnt zwar oft die Statistiken, aber nicht die Spiele. Meist sind es individuelle Geschichten, aber nicht nur. Es fehlt derzeit sehr an „Schärfe“ in den Aktionen, auch der Kampfgeist wird schwer auf den Platz gebracht bzw. dort vermittelt. Personell ist man gar nicht so angeschlagen bzw. sollte man sich nicht auf dem fehlenden Hofmann ausruhen, das würde dem restlichen Kader nicht gerecht werden.

Mir als Beobachter fehlt momentan ein klares Korsett der Mannschaft, an dem sich andere aus- und aufrichten können. Auch eine taktische Linie, die zu 05 passt, fehlt. „Ballbesitz“ als Dogma, quasi Ballbesitz ohne Spielkontrolle, passt nicht zu 05. Mainz steht seit Jahrzehnten für Pressing, passt auch eigentlich als ewiger Underdog in den meisten Spielen. Aktuell findet es aber kaum noch statt.

Aber auch wenn man Ballbesitz spielt: Mit Koo, Park, Geis, Baumgartlinger und Moritz hat man exzellente Spieler. Dummerweise alle eher fürs Zentrum, aber so dramatisch muss das ja nicht sein. Trotzdem spielt man gefühlt sehr ungenau und unkreativ, kommt nicht konstant in gefährliche Zonen oder Abschluss-Szenen. Das ist zu halbgar, um damit Erfolg haben zu können und ich sehe leider auch keinen sich steigernden Prozeßverlauf.

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HK 8. Dezember 2014 um 18:16

Als Mainzer Fan würd ich mir ziemlich große Sorgen machen. Die Mannschaft hat unter Hjulmand tatsächlich so was wie die Seele verloren. Mainz war eine der wenigen Mannschaften die geprägt durch Klopp und Tuchel so was wie eine spielerische DNA hatten. Das hat ihr über viele spielerische Limitierungen hinweggeholfen.
Momentan stehen sie eher für eine gewisse Beliebigkeit. Und ob das bei der vorhandenen spielerischen Klasse weit reicht habe ich große Zweifel. Die genannten Spieler halte ich für maximal Ligadurchschnitt und wenn dann nur ein wenig Pech (Verletzungen usw.) dazukommt ist man ganz schnell unten dabei.

Zu der fehlenden Schärfe in den Aktionen. Bis vor kurzem habe ich die Mannschaft wirklich immer als „rasiermesserscharf“ bezeichnet. Individuell limitiert, aber unheimlich fokussiert, konzentriert und bissig. Und man hatte immer einen Plan. Für jeden Gegner extrem unangenehm. Und jetzt: Gone with the wind!?

Bin mal gespannt wie lange Hjulmand noch durchhält.

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U24 7. Dezember 2014 um 23:32

Woher weißt du, dass die U23-Jungs nicht das Potenzial für die Bundesliga haben? Bist du Stammgast am Tierpark? An die Class of ´92 in Manchester hat auch kaum jemand geglaubt. Es gibt sie, diese Ausnahmejahrgänge. Eine Bundesligamannschaft aus Hamburgern oder HSV-Fans (im Kindesalter) mit Hahn, Kruse, Harnik, Choupo-Moting, Öztunali etc. wäre durchaus konkurrenzfähig in der Liga. An die Jungs hat in Hamburg nur kaum jemand geglaubt. Jetzt haben sie sich durchgesetzt.
Auch ich kann die zukünftige Entwicklung der Spieler, die sich bislang „nur“ in der viertklassigen Regio Nord empfohlen haben nicht vorhersagen, aber Zinnbauers Weg ist anders als der seiner Vorgänger. Mit Durchhalteparolen, den Verweis auf den Marktwert und ähnlichem hatte man seit Jahren keinen Erfolg. Die Mannschaft wurde mit riesigen Bergen an Geld „aufgewertet“ und stand vor dem Spieltag auf Platz 17. Ich hoffe, er hat mit seinem Weg Erfolg. Eine Alternative habe ich jedenfalls nicht…

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Studinho 7. Dezember 2014 um 23:56

An die Spieler, die du aufzählst haben viele geglaubt, der HSV nur nicht. Beispiel Öztunali zeigt wie unattraktiv der HSV für die jungen Spieler ist – und dabei geht es ja nicht mal um den finanziellen Aspekt. Ich spreche mich nicht gegen die Qualität der Spieler aus, das gegeben ist, aber nicht unbedingt dem der Bundesliga entspricht. Selbst wenn sie über dieses Potenzial verfügen sollten, kann man nicht drei gleichzeitig auflaufen lassen. Zinnbauer ist damit auf dem Holzweg und es gibt immer einen besseren Trainer, zumindest glaube ich das man mit dem Kader attraktiveren Fußball spielen kann.

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Koom 8. Dezember 2014 um 09:29

Betrachte es mal so: Zinnbauer hat es zumindest geschafft, den HSV emotional wiederzubeleben (mit fragwürdigen Mitteln und Folgen). Auf der Basis baut er U23 Spieler ein. Man muss dazu sagen, dass es die vermeintlich etablierten Spieler vorher auch nicht bahnbrechend gut gemacht haben und mehr als genug Chancen dafür hatten. Also ist es verständlich, dann einfach mal jemand Unbelasteten reinzuwerfen. Und in der Transformation Jugendspieler -> Bundesligaspieler ist es immer so, dass du erst in der Praxis feststellen kannst, ob und wie einer funktioniert. Wenn er 3 reinschmeisst und einer davon durchstartet, wäre das für den HSV genial.

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Studinho 8. Dezember 2014 um 10:53

Klar wäre das genial: den Fall André Hahn gibt es aber in der Praxis eigentlich kaum noch. Schon fast die Karriere aufgegeben und erst mit 21 durchstarten. Das war früher Gang und Gebe ist heute aber kaum noch umsetzbar. Der HSV wird in diesem Jahr wieder gegen den Abstieg spielen und nichts anderes. Er kann die Spieler ja gerne an die Mannschaft ranführen, spricht ja auch nur wenig gegen, aber wenn wie gegen Augsburg 3 dieser Spieler von Beginn an spielen, ist das von einem Trainer grob fahrlässig. Und wie gesagt die Spielanlage des HSV war nicht besser als die der Mainzer. ich sehe da schon ein Problem mit dem Coach.

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Koom 8. Dezember 2014 um 11:19

„Grob fahrlässig“ impliziert, dass es ohne die Jugendspieler besser gelaufen wäre. Die letzten Wochen und Monate belegen das aber nicht gerade, oder?

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Studinho 8. Dezember 2014 um 11:47

Insgesamt ja! Die Spiele, die der HSV gewonnen hat, haben sie nicht gewonnen, da sie guten Fußball spielen. In der Mannschaft steckt viel mehr potenzial das Zinnbauer nicht ausschöpft. Ein anderer Trainer könnte die Mannschaft besser machen ohne die U23 Spieler. Und diese Spieler werden sich auf Dauer nicht oben festsetzen können, ich denke nicht das es langt. Für Experimente hat der HSV eigentlich gar keine Zeit. Und eine Entwicklung der Spielanlage fehlt einfach, das hat mit Fußball nicht viel zu tun.

RM 8. Dezember 2014 um 11:52

Hmm, ich weiß nicht so genau. Wenn wir nach der eigenen subjektiven Meinung gehen, wer schönen und erfolgreichen Fußball spielen lässt, dann müsste ich für alle Trainer der Welt außer vielleicht vier eine Entlassung fordern. Zinnbauer hat die defensive Spielanlage weiterentwickelt und für mehr Stabilität gesorgt. In den letzten fünf Spielen gab es neun Punkte, das ist eine gute Quote. Die zwei Niederlagen gab es gegen Wolfsburg (2.) und Augsburg (3.). Ich denke, dass die nächsten Monate Auskunft darüber geben werden, ob er ein passabler Trainer ist oder nicht.

Koom 8. Dezember 2014 um 11:56

Trainerdiskussion ist immer schwierig. So ewig lang ist Zinnbauer jetzt auch nicht am Ruder und renommiertere Trainer sind zuvor gescheitert. Stand der Dinge scheint das also keine Mannschaft zu sein, wo man nur ein paar Abstände in der Defensive korrigieren muss, sondern sehr vieles kaputt ist. In Ermangelung eines Trainers, der vorerst in Sachen Qualität über alles erhaben wäre (wie bspw. Tuchel), muss man also anhand der bisherigen Leistung des Kaders gehen.

Trotzdem: Spielerisch ist der HSV sicherlich ein Abstiegskandidat. Momentan macht man sehr viel mit Gewalt und Emotion und schafft dann dadurch zumindest hin und wieder einen Erfolg (wie jetzt gegen Mainz), was vielleicht auch für den Klassenerhalt reicht, solange andere da unten schlechter sind. Vielleicht ist es auch der Plan Zinnbauers, dem Team erst mal wieder Leidenschaft einzuimpfen, bevor man dann in der Winterpause konstruktiver und strukturierter arbeitet.

Auch eine Vermutung: Der Kader kann gerade nur so, weil er sehr nach Heldenfußball zusammengestellt ist. Van der Vaart und Lasogga als prägende Spieler sind klassische EinzelKämpfer, gerade Lasogga ist sicherlich keiner für „intelligentes Anlaufen der IV“. Und Alternativen drängen sich nicht auf.

Studinho 8. Dezember 2014 um 12:43

@RM gut das stimmt natürlich. Vielleicht ist das von mir auch alles etwas sehr drastisch dargestellt. Ich habe nichts gegen die jungen Spieler, die ja durchaus Talent haben. Ich finde es aber halt ein wenig problematisch, wenn drei dieser Spieler in der Startelf stehen. Auch für die Jungs gebe es sicherlich bessere Entwicklungsmöglichkeiten. Finde wie im ersten Post angedeutet mit vdV auch ein wenig schwierig, in der Rolle in der Zinnbauer ihn sieht. Zu dem Aspekt mit der Spielanlage: Also wenn ich mir das Spiel gegen Werder anschaue, dann war mir das was der HSV gespielt hat einfach zu einfallslos und Bremen hat fast besser nach vorne kombiniert. Auch wenn Mainz mich gestern enttäuscht hat, da sie mich spielerisch eigentlich immer sehr begeistert haben, fand ich haben sie zumindest einen besseren Ball gespielt. Eine Trainerentlassung kommt derzeit ja ohnehin nicht in Frage, aber ich glaube, dass es mit diesem Weg nicht so funktioniert. Und die Siege in der angesprochenen Zeit wurden auch unter anderem gegen Bremen, jetzt halt Mainz und zuvor im schlechtesten Bundesligaspiel aller Zeiten gegen Leverkusen geholt.

@Koom Also ich denke schon, dass Zinnbauer lange genug im Amt ist, um eine ganz klare Handschrift zu erkennen. Und ich finde im Offensivspiel ist mir das zu schwammig. Klar werden die nächsten Wochen zeigen, ob das vielleicht auch von mir ein einfacher Irrtum ist, aber die Partien gegen Freiburg und Stuttgart sollten beide nicht verloren werden. Mein Gefühl ist einfach, dass es so schwierig wird. Und bei allem Push den Zinnbauer derzeit kriegt, hätte glaube ich jeder HSV Fan vor der Saison mehr erwartet. Nun ist er der Held schlecht hin, aber ich glaube für den HSV ist das noch nicht die richtige Lösung.

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U24 8. Dezember 2014 um 14:02

Ich verstehe die Vorbehalte gegen Zinnbauer schon. Er verliert mit drei Neulingen, er lässt van der Vaart gestern über 25 Minuten lang mit dem Laufradius des Mittelkreises am ausgestreckten Arm verhungern und er baut auf Rudnevs, der gestern wieder einmal keine einzige Ballannahme unfallfrei über die Bühne bekommen hat.
Es ist aber doch, zumindest unter denen die den HSV stärker verfolgen, eines klar: Wenn der Verein, nur weil er mal an der Spitze Europas stand und einige sich verständlicherweise nicht von diesem Gedanken lösen wollen, immer auf die „große“ Lösung setzt, bleibt alles wie es war. Und es war richtig grausig in den vergangenen Jahren beim HSV. Da wurden holländische Vizelweltmeistertrainer oder Augsburger Meistertrainer geholt und man war sich zu schade Spieler zu verpflichten, die aus der zweiten Liga kommen. Frei nach dem Motto: „Nur Weltklasse für einen Weltverein!“
Der HSV ist aber kein Weltverein mehr. Von Tradition kann man sich nichts kaufen, sie hilft nicht gegen Milliardenumsätze aus der Chemie-, Auto- oder Brauseindustrie. Nun geht der Verein einen anderen Weg und der hat mehr als eine Chance verdient.
Zinnbauer hat vor der Saison den Posten als U23-Trainer übernommen, eine Mannschaft, die im Vorjahr beinahe in die Oberliga Hamburg abgestiegen wäre. Die Truppe wurde daraufhin komplett umgekrempelt, kaum ein Name dürfte überregionale Bekanntheit gehabt haben. Auch nicht der Straßburger Gouaida, der Reinfelder Steinmann oder der Fehmarner Marcos. Dieser zusammengewürfelten Mannschaft hat Zinnbauer eine Taktik eingeflößt, die sie zu einem absoluten Startrekord in der (zugegebenermaßen schwachen) Regionalliga Nord geführt hat. Das kann man nicht alles auf seine Akribie in der Gegneranalyse und seine Motivationskünste zurückführen. Er ist der erste Trainer seit langem, bei dem ich in Hamburg eine Idee erkenne, der versucht den gegnerischen Trainer auszucoachen, wie es hier auf SV so schön heißt. Als Fink das versucht hat, hat er erstens wenige Ideen gehabt und wurde zweitens von der Fan- und Pressegemeinschaft harsch kritisiert, weil man sich in Hamburg einfach nicht damit abfinden möchte, dass der HSV der Verein ist, der sich auf den Gegner einstellen muss und nicht umgekehrt. Zinnbauer interessiert das nicht, er ist finanziell nicht auf den HSV angewiesen, er schießt auf jeder Pressekonferenz gegen die Medien zurück, er stellt seine Mannschaft individuell auf den Gegner ein.
Das Spiel gegen Mainz war wirklich nicht schön. Die gegnerische Mittelfeldreihe nur mit hohen Dingern zu überspielen, dann mit zwei Stürmern kaum ein Kopfballduell zu gewinnen und ausschließlich auf die zweiten Bälle zu setzen, die zufällig irgendeinem Hamburger Mittelfeldspieler vor die Füße fallen, ist sicherlich kein generelles Erfolgsrezept und kann nicht Zinnbauers Weißheit letzter Schluss sein. Auch wird einem nicht in jedem Spiel Noveski zwei Treffer schenken, weil der HSV jede Chance aus dem Spiel heraus verstolpert. Gegen Mainz hat es aber funktioniert, genau wie der HSV gegen Dortmund, Bayern und Leverkusen einen Plan hatte. Auch wenn die Pläne nicht gerade schön waren. Zuletzt gewinnt man dann gegen Bremen (bei dem Spiel wollte ich zwischenzeitlich schon aus dem Fenster hüpfen) und gegen Mainz (…). Und das alles fast komplett ohne Kreativität. Der Aufwärtstrend ist also durchaus erkennbar und ich traue Zinnbauer zu, der Mannschaft noch mehr beizubringen. Gerade auch weil die Mannschaft ihre Siege gegen die Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte jetzt einfährt, wie auch immer.

Koom 8. Dezember 2014 um 14:28

Gegen Vorbehalte ist auch nichts einzuwenden. Entscheidend ist aber, dass diese einen nicht die Arbeit eines Trainers schlechter bewerten lassen, weil man schlechte Dinge überbewertet und Verbesserungen übersieht/klein redet.

Ich denke, dass der HSV kaputt ist. Und das schon seit Jahren. Viele Spieler, die man hat gehen lassen, funktionieren woanders gut, verbesserten sich augenscheinlich fast immer gegenüber ihrer HSV-Zeit. Und umgekehrt genauso: Neue Spieler verschlechterten sich zusehends zum vorigen Stand bei ihrem alten Verein. Die Gründe dafür sind vermutlich nicht einfach. Unruhe im Vorstand, ständig wechselnde Trainer, unklare Vereinsphilosophie, verunsicherte Spieler usw.

Momentan ist jeder Trainer gut, der zumindest halbwegs Ergebnisse erzielt, die den HSV zumindest mittelfristig ins gesicherte Mittelfeld bringt. Mehr ist nicht drin. Ob Zinnbauer dafür der richtige ist: Keine Ahnung. IMO ist es die letzten 2-3 Jahre schwerer geworden, sich mit einer Handschrift abzuheben. Es kam bis auf vielleicht Schmidt und Guardiola nicht mehr groß vor, dass einer sich prägend durchsetzte. Nahezu alle Trainer haben geschnallt, dass es nicht mehr DIE Formation gibt, das Pressing nicht das Allheilmittel ist und auch Ingame-Coaching über Brechstangen/Betonmischer-Änderungen hinausgeht. In Sachen Trainerqualität ist die Liga IMO näher zusammengerückt.

LM1895 8. Dezember 2014 um 15:33

Ich denke auch, dass der HSV im Moment vor allem gucken sollte, wie auch immer zu Punkten und bis zur Winterpause noch ein bisschen Boden gut zu machen. Wenn dabei das Offensivspiel nicht gerade vor Einfallsreichtum sprüht, ist das erstmal zu verkraften, solange man defensiv besser arbeitet als in den letzten Jahren und erstmal ein bisschen Ruhe reinkommt (beim HSV…haha! 😉 ). Mal sehen, ob in der Winterpause dann am Offensivspiel gearbeitet wird…das mag platt klingen, aber zu viel Neues und ein großer taktischer Umbruch birgt halt auch Risiko, jedenfalls im Fall eines dermaßen verunsicherten Vereins. Auf lange Sicht (Rückrunde & darüber hinaus) muss natürlich auch nach vorne mehr Struktur rein.

SM 8. Dezember 2014 um 17:23

@ Studinho: Heh. Ich kenne keinen HSV-Fan der sich vor der Saison mehr als Abstiegskampf erwartet hat. Man darf nicht vergessen wo wir herkommen: Wir sind letzte Saison mit 27 Punkten irgendwie drin geblieben und haben dann unseren besten Spieler verkauft und die schlechteste HSV-Abwehr aller Zeiten sogar noch leicht geschwaecht. Das diese Abwehr nun so gut spielt ist JoeZs Verdienst, und das die Mannschaft nun auch auf dem Platz den Abstiegskampf angenommen hat sehe ich eher als gutes Zeichen. Solide Abwehrarbeit, Auftreten als Mannschaft, Kampf und Einstellung stimmen – das ist etwas auf dem man aufbauen kann. Ob das geschieht bleibt abzuwarten. Von mir aus koennen die die ganze Saison so weiterbolzen, solange sie damit die Klasse halten. Alles andere ist zweitrangig.

@U24: Klassebeitrag.

SM 8. Dezember 2014 um 16:39

Ich denke beim Thema JoeZ sollte man die Arbeit bei der U23 nicht vergessen, die spielt(e) ja ganz anders als die erste Mannschaft, und die hatte er im Gegensatz zum Flickenteppich Profiteam ja auch selber zusammenstellen koennen.

Bei der zusammengewuerfelten 1. Mannschaft sind die Moeglichkeiten halt beschraenkt, es gab da ja auch genug Artikel zum Thema hier. Im Vergleich zu Fink, BvM und Slomka ist die Mannschaft unter JoeZ wettbewerbsfaehiger, holt mehr Punkte und zeigt auch mehr Konzept.

Es wird interessant zu sehen wie die Mannschaft in der zweiten Saisonhaelfte weiterspielt und und vor allem nach der Sommerpause weiterspielt – bleibt’s beim Gebolze muss man sich eventuell nach einem neuen Trainer umsehen, aber im Moment scheint JoeZ viel mehr richtig zu machen als seine Vorgaenger und die Erfahrung mit der U23 deutet daraufhin das er mit dem richtigen Personal auch viel besseren Fussball spielen lassen kann. Also abwarten und Tee trinken. JoeZ hat sich in meinen Augen auf alle Faelle Kredit verdient.

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Studinho 7. Dezember 2014 um 22:41

Ich kann den im Fazit erwähnten Aufwärtstrend unter Zinnbauer noch nicht ganz erkennen. Zinnbauer ist mittlerweile auch schon lange genug im Amt, um mehr als nur eine Handschrift zu erkennen – eben eine Verbesserung der Spielanlage. Das Kaderpotential beim HSV ist ohne Frage immens groß, wird aber nicht ausgeschöpft. Einerseits muss ich dazu auch ansprechen, dass ein van der Vaart in dieser tiefen Rolle nicht vertretbar ist. Für jede andere Position ist vdV nicht mehr gemacht. Seine große stärke ist nun mal die Schusstechnik, die er in erster Linie nur noch bei Standards ausspielt. Wenn ein van der Vaart in der startelf steht, dann hinter den Spitzen und Holtby auf der achter Position. Klar war die Personallage dafür nicht gegeben, wurde im Nordderby gegen Bremen aber eben genau andersrum gespielt. Weit ab von der Taktik muss der U23-Boom bei Hamburg aufhören. Das kann sich zwar zu einer Waffe entwickeln, aber nicht wenn gleich drei an der Zahl von Beginn an spielen wie gegen Augsburg (Marcos, Götz, Gouiada). Diese Spieler haben auf Dauer nicht das Potenzial, um in der Bundesliga zu bestehen. Wenn in einer solchen Situation vereinzelnd Spieler gebracht werden, um die Mitspieler zu pushen, ist das in dem Rahmen ja in Ordnung – so ist der Kader vor allem immer noch in einer Findungsphase. Zinnbauer ist lange genug Chefcoach beim HSV, um eine besser spielende Mannschaft zu formen – das ist ihm bisher noch nicht gelungen. Das aggressive Pressing war vielleicht das Mittel zum Erfolg – guckt man sich aber die fußballerische Seite an, hat Mainz über die bessere Spielanlage verfügt. Für den Hamburger SV absolut ungenügend.

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SM 8. Dezember 2014 um 17:04

Den Glauben an das Potential in diesem Kader habe ich lange aufgegeben, da sind schon genug Trainer dran gescheitert.

Zum Thema vdV gab’s hier schon viele Artikel in denen deutlich gemacht wurde weshalb er auf der 10 nicht funktioniert. Als 2. Stuermer geht’s auch nicht, zumindest nicht mit Lasogga (weil beide langsam sind). Vielleicht als 2. Stuermer neben Rudnevs als Notloesung, aber wer wuerde ihm dann den Ball in den Fuss spielen?
Nee, die 6/8 ist schon richtig fuer ihn, da kommen seine mangelnden Schnelligkeit und Zweikampfschwaeche weniger zum Tragen (weniger Druck, mehr Anspielstationen) und es passt auch besser zum Raum in den er sich sowieso fallen laesst.

Was die Talente angeht: Ich denke schon das da 6 oder 7 (Goetz, Marcos, Steinmann, Gouaida, Cigerci, A Arslan und vielleicht noch der eine oder andere) das Zeug zum Bundesligaspieler haben, aber nicht auf dem hoechsten Niveau (eher so a la Ostrzolek oder knapp drunter). Aber hohes Niveau ist ja eh nicht unser gegenwaertiges Ziel, das Ziel ist Nichtabstieg, und das Ziel ist es finanziell solide zu werden – und da passen die Jungs doch auch dazu. Als Leistungstraeger sehe ich die also auch nicht, und da gleich 3 von zu bringen – ja, das ist risikoreich. Trotzdem ging’s eigentlich gut, wenn Ostrzolek sich nur weniger bloed angestellt haette waeren’s 1 oder 3 Punkte geworden.

JoeZ hat uns Pressing und eine solide Abwehr gebracht, das ist mehr als alle seine Vorgaenger seit Veh. Jetzt muss man ihm Zeit geben um zu sehen ob er die Mannschaft weiterentwickeln kann – der Kader ist allerdings so verhunzt das dies lange dauern kann.

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Studinho 8. Dezember 2014 um 22:15

Zum Beispiel vdV: Ich finde auf der 6/8 ist er noch viel weniger zu tragen, weil er dort wie gesagt seine Stärken komplett verliert. Dass es für vdV in der Bundesliga nicht mehr so einfach ist auch auf einer anderen Position ist mir klar, ich denke aber, dass er wenn überhaupt in einer offensiveren Rolle eingesetzt werden muss.
Wenn Pressing und solide Abwehr schon alles sind, was einen zum HSV Trainer qualifizieren sollte, dann ok, ich glaube trotzdem nicht, dass dieser Weg der erfolgsbringende ist.

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Studinho 8. Dezember 2014 um 22:24

Habe mir einige der angesprochenen Probleme angeguckt – ist durchaus ein Problem, wenn das so stattfindet. Aber ich denke nicht, dass sich ein Trainer nach vdV richten muss. Wenn vdV sich noch mit Defensivaufgaben beschäftigen muss und nicht die Freiheit im Offensivspiel hat, dann hat er für die Liga auch iwann nicht mehr das Niveau.

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SM 9. Dezember 2014 um 08:33

Ich frage mich seit einiger Zeit ob es nicht besser waere ohne vdV zu spielen und waere ueberrascht wenn er ein Angebot bekaeme.

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Koom 9. Dezember 2014 um 08:40

vdV auf der 6/8 passt allerdings besser zu dem, was er noch einbringen kann. Für ganz vorne ist er nicht mehr torgefährlich genug, für die 10 zu langsam und unter Druck zu schlecht. Auf der 6/8 kann er seine Pass-Stärke einbringen und hat den Platz, den er für sein Spiel braucht. Natürlich muss er sich auch darauf anpassen, aber soweit klappt das ja ganz ok.

Nimm mal als Beispiel für diese Rolle Xabi Alonso. Auch eher langsam, unter Druck anfällig. Aber mit seinem Paßspiel ist er ideal als 6er.

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