Valencia CF in der Saison 2014/15
Mit sieben Siegen aus elf Spielen findet sich Valencia auf dem dritten Platz in La Liga. Ein eher unbekannter portugiesischer Trainer hat ein Team geformt, das Effektivität, Defensivstärke und ein sauberer, ruhiger Rhythmus auszeichnen. Trotz des bisherigen Erfolgs hat die eher simple Anlage aber auch Probleme.
In der ersten Jahreshälfte 2014 war Valencia in einer äußerst prekären Lage – der Verein hatte mit großen finanziellen Problemen und einigen damit zusammenhängenden Verstrickungen zu kämpfen und musste auf einer Krisensitzung bekannt geben, aufgrund von Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anzumelden. Dagegen wirkte die mittelmäßige, unspektakuläre Ligasaison, die nach mehreren Trainerwechseln das Verpassen des internationalen Wettbewerbs bedeutete, fast schon nebensächlich. Im Sommer kam es dann zur Übernahme des maroden Klubs durch den chinesischen Investor Peter Lim, der zwar wie ein Retter auftrat und unter anderem ein großes Budget zur Verfügung stellte, aber auch mit Skepsis und Vorbehalten der Fans zu rechnen hatte, die insgesamt ambivalent eingestellt sind.
Mit vielen neuen Spielern und einem ebenfalls neuen Chef schwingt sich das Team aus dem spanischen Osten nach einem starken Saisonstart nun zu einer der großen Kräfte von La Liga auf. In den ersten elf Begegnungen sorgte das Team des in São Tomé und Príncipe geborenen Portugiesen Nuno Espírito Santo, früher Porto-Keeper und Torwart-Trainer unter Jesualdo Ferreira, anschließend erfolgreich als Chef bei Rio Ave aktiv, mit sieben Siegen für Furore. Damit warfen sie auch Fragen auf: Was macht diese überraschend erfolgreiche Phase bei Valencia aus, welche Eigenheiten kennzeichnen das Team und wie stark sind sie mit Blick auf die gesamte Saison einzuschätzen?
Simples Flügelspiel im 4-3-3 oder 4-4-2
Nachdem die „Fledermäuse“ zu Saisonbeginn noch eine klare 4-3-3-hafte Formation nutzten, gab es zuletzt wegen des verletzungsbedingten Ausfalls von Dani Parejo meist ein 4-4-2 zu sehen. Dafür wurde Rodrigo vom rechten Flügel zusätzlich in die Spitze geschoben und der frei werdende Platz an der Seite vom algerischen WM-Teilnehmer Feghouli übernommen. Beim jüngsten 0:0 gegen Athletic aus Bilbao gab es allerdings auch mit diesem Personal kleinere Anzeichen Richtung 4-3-3, indem Feghouli sich manchmal etwas eingerückt positionierte und Rodrigo leicht in die Breite zog. Bei Aufbausituationen nutzte man dies für gelegentliche Rochaden, bei denen Feghouli zurückfiel, seinen Gegner herauszog und der Angreifer in die Freiräume am Flügel startete, um dort mit Direktpässen von Rechtsverteidiger Barragán bedient zu werden.
Diese Bereiche sind generell sehr wichtige Zonen im Konzept Valencias. Das Offensivspiel der Mannschaft versucht nach einem soliden und sauberen Ballbesitzspiel in den vorderen Zonen vieles über klares Flügelspiel. Diese Aktionen sind insgesamt überraschend simpel gestrickt und vertrauen auf Präsenz in der Sturmmitte, gewinnen ihre Effektivität aber durch die geschickte Verknüpfung der Strategie mit der Einbindung individueller Charakteristika. In ihrer Anlage führt das Team diese Aktionen über die Flügel funktional sowie zielstrebig aus und nutzt kleinere Grundmechanismen wie raumöffnende Bewegungen oder Hinterlaufen auf konsequente Weise. Unter anderem gegen Villarreal brachte ein solcher stringent vorgetragener Angriff die frühe Führung und auch gegen Atlético Madrid war das Flügelspiel von Bedeutung. Insgesamt zeigen sich die typischen Pärchenbildungen mit den engagierten und entscheidungsstabilen Außenverteidigern gruppentaktisch gut abgestimmt, wobei sich gelegentlich zusätzliche Spieler wie beispielsweise André Gomes oder der spielstarke Mittelstürmer einschalten.
Erstgenannter stößt zudem – wenn er eben nicht gerade in etwas tieferen Flügelpositionen selbst anschiebt oder absichert – oft mit seiner Physis aus dem Mittelfeld als zusätzlicher Abnehmer für die Hereingaben nach. Manchmal sind bei einer solch aufrückenden Spielweise allerdings sowohl die Staffelungen als auch die Absicherung problematisch, was die Kehrseite des Vorgehens darstellt. Gegen Athletic zeigte sich dies in einigen Szenen auch darin, dass André Gomes bei zur Strafraumgrenze zurückgespielten Hereingaben als Empfänger keine umliegenden Ausweichoptionen hatte, falls das Zuspiel leicht ungenau kam und er es erst noch verarbeiten musste. In diesen Situationen sah er sich einigen rückwärtspressenden Gegnern dann zwei oder drei Mal quasi alternativlos sowie in nachteiliger Dynamik ausgesetzt und verlor das Leder.
Die Wichtigkeit des ballverteilenden Mittelfelds
Ein entscheidender Punkt für die Effektivität dieser Offensivaktionen sind die vorbereitenden Maßnahmen im Aufbauspiel sowie die zuliefernden Unterstützungsaufgaben der Mittelfeldakteure. In den ersten Aufbauphasen fällt Javi Fuego als tiefster Sechser sehr oft zentral zwischen die Innenverteidiger zurück, was mit Dani Parejo noch um dessen situativ herauskippenden Bewegungen ergänzt werden konnte, die André Gomes aktuell in geringerem Ausmaße einbringt. Auch diese Verschiebungen werden sehr konstant und bewusst umgesetzt, wenngleich beispielsweise das Zurückfallen Fuegos gar nicht mal so weitreichende Auswirkungen nach sich zieht, da Valencia dann nicht immer konsequent auffächert. Dennoch erzeugen sie eine funktionale und recht druckvolle Ballverteilung, die sich vor allem aggressivem gegnerischem Pressing entziehen und um deren Block herum zirkulieren kann.
Neben ihrer meistens vorhandenen Ballsicherheit bringen die verschiedenen Mittelfeldakteure zudem fast allesamt zwei weitere wichtige Eigenschaften ein, die zur Effektivität Valancias beitragen. Einmal ist ihre Positionsfindung zu nennen, die zwar in ihrer Gesamtstabilität nicht konstant auf hohem Niveau liegt, allerdings meistens so angelegt ist, dass die Spieler sich zumindest eine klare Option für das Weiterspielen offen halten. Dass sie dies dann bewusst und gezielt ausnutzen, ist der zweite Aspekt. Vor allem André Gomes und Parejo verfügen über ein starkes, antreibendes Diagonalpasspiel, mit dem sie viele Erfolge der aufrückenden Aufbauarbeit alleine stemmen und das ordentliche Ballbesitzspiel in den richtigen Momenten entscheidend voranbringen können. Diese Zuspiele bringen sie fokussiert und druckvoll in offene Räume hinein, wo sich dann einzelne Akteure im positionellen Konstrukt freimachen. So fällt beispielsweise Piatti mal leicht diagonal in den Halbraum zurück, Feghouli schiebt etwas ein oder Paco geht mitspielend in die Tiefe, während das mannschaftliche Konstrukt meist eher breit bleibt und diese Räume offen ziehen soll.
Aktionen über links, Aktionen durch Dribblings und Aktionen mit Ambivalenz
Immer mal wieder schaltet sich André Gomes, der in Abwesenheit von Parejo noch stärker zum zentralen Schlüsselspieler wird, auch selbst in kleinere Überladungen ein, die kleinteilig innerhalb jener breit gezogenen Grundformationen ablaufen. Meistens sind diese Aktionen auf der linken Seite zu finden, wenn sich Piatti etwas zurückfallen lässt und der sehr kombinationsstarke Paco Alcácer eingebunden wird, zumal die Bewegungen André Gomes´ eben mehr zu diesen Zonen hinausziehen. Mit seiner individuellen Klasse und Durchsetzungsfähigkeit kann der Portugiese hier die typischen Flügelstrukturen zusätzlich unterstützen und den entscheidenden Deut voranbringen. Für diese Mini-Kombinationen und -Linksüberladungen schiebt sich – gerade in den Partien mit einem 4-3-3 samt Parejo, der teilweise zusätzlich absichernd hinter die Angriffsmuster herausging, war dies so – Rodrigo ballfern verstärkt in die Spitze. In dieser hohen Position bringt er vordere Präsenz oder diagonal durchstoßende Läufe ein, neben denen auch die gerne von Valencia fokussierten Dribblings für Torgefahr oder die entscheidenden Impulse sorgen können. Auf jeweils unterschiedliche Weisen setzt man auf die gegnerschlagenden Aktionen von Piatti – mit seiner Flinkheit und Wendigkeit – sowie André Gomes – physischer und erhabener – als beschleunigendes Moment, das den Angriffen den entscheidenden Vorteil in seinem Verlauf erzeugt.
Insgesamt setzt Valencia auf eine einfache und funktionale Vorgehensweise in ihren Angriffen, die oft klar über die Flügel laufen. Eine entscheidende Stärke liegt aber in der Konsequenz, Einbindung und balancierten Stabilisierung dieses Stils, zu dem der mannschaftliche Rhythmus, die Einzelspieler und schließlich verschiedene Mechanismen – in durchaus abrundender Weise – beitragen. Somit sind die aus einem doch recht stabilen und konstanten Aufbauspiel erwachsenen Offensiverfolge schwankend. Potentiell ist Valencia durch die geschickte Reflektion ihrer simplen Spielweise sehr effektiv, doch kann damit nicht durchgehend die Schwachstellen einer solchen Klarheit aufwiegen. Die erste Ernüchterung gab es am vergangenen Spieltag beim 0:0 gegen das schwach gestartete Athletic, als sich Valencia auch tatsächlich nur wenige gute Chancen erarbeiten konnte. Einen nicht unwichtigen Teil der Offensivgefahr macht auch die Effektivität bei Standardsituationen aus, die bisher für ziemlich genau ein Drittel aller Treffer des Teams verantwortlich zeichnete – ein Wert, der die nicht durchgehend positive Bewertung von Valencias Anlage noch einmal zu unterstreichen weiß.
Solide Pressingausrichtung mit kleineren Mechanismen
Die saubere, teilweise fast harmonisch wirkende und subtile Klarheit zeichnet Valencia auch gegen den Ball aus. Gerade das Basis-Konzept in seiner grundlegenden Anlage scheint recht simpel ausgerichtet – meistens ein 4-4-2 oder 4-1-4-1-Mittelfeldpressing (je nach personeller Aufstellung) mit kleineren Verschiebungen im Zentrum, gewissen leichten Mannorientierungen und einer durchschnittlichen, aber doch bewussten und anpassbaren Intensität. Die erste Linie ist nicht immer vollends effektiv und lässt sich manchmal etwas zu leicht umspielen, doch dahinter gibt es beispielsweise durch gelegentlich gut eingeschobene oder vertiefte Positionierungen der Außenspieler oder passend abgestimmte Herausrückbewegungen verschiedener Akteure ebenso positive Aspekte zu vermerken. Gelegentlich formen sie im Defensivablauf bewusst zwischen den beiden Varianten der Mittelfeldanordnung um, was beispielsweise aus dem 4-1-4-1 ins 4-4-2 einige Pressingerfolge brachte, da Fuego gut hinter der Bewegung vom vorrückenden André Gomes nachschob und man damit kleinere Lücken im Zwischenlinienraum zudrückte.
Allerdings ist die Mannschaft letztlich doch keineswegs so normal, wie sie zunächst den Anschein macht. Zum einen wird die Defensivarbeit mit bestimmten Zusatzaspekten gewürzt, zum anderen nimmt allgemein die Qualität in tieferen Zonen – verglichen mit dem Vorgehen zu Beginn gegnerischer Aufbauphasen, das den ersten Eindruck erzeugt – zu. Zu solchen speziellen Mechanismen gehören beispielsweise kleinere Pressingfallen, die beim gegnerischen Aufrücken in Richtung Mittelfeldkette hervortreten können. Gelegentlich lassen die Stürmer Valencias den Gegner bewusst etwas vorlaufen, um dann sehr plötzlich ins Rückwärtspressing überzugehen und sich vertikal flach an der höheren Viererreihe zusammenzuziehen. In dieser Hinsicht konnte sich bisher vor allem Rodrigo mit Effektivität hervortun.
Zudem gibt es die eine oder andere Pressingvariante, die beispielsweise durch etwas engere Positionierungen der Außenstürmer ausgelöst werden kann. Auf links sieht dies beispielsweise so aus, dass sich Piatti in Richtung des Innenverteidigers begibt und seinen eigentlichen Gegenspieler im Deckungsschatten verdeckt, während Rodrigo ballfern hoch nachrückt. Dabei bleibt die Mittelfeldreihe zunächst aber ein wenig zurück und schiebt in erster Instanz nicht unmittelbar bzw. nicht kohärent nach. Einige Gegner versuchten sich dagegen so zu lösen, dass sie kurz auf einen sich nach hinten anbietenden Sechser spielten, der dann also über einen Umweg den Außenverteidiger einbinden sollte. Solche Passmuster nutzt Valencia mitunter aber gerne als Pressingsignal, um dann dynamisch und druckvoll mit dem Mittelfeld sehr weit zum Flügel in Richtung des Außenverteidigers zu schieben und diesen zu attackieren. Parejo geht aggressiv heraus, Javi Fuego rückt dahinter, schließt Lücken und übernimmt dessen eigentliche Position, während André Gomes zunächst dem zurückfallenden gegnerischen Sechser folgt und dann weiterlaufend dem Ball nachgeht.
Überhaupt überzeugen die Valencianistas vor allem in Phasen mit etwas asymmetrischer angelegten Defensivformationen, weshalb sie beispielsweise im Gegenpressing oder nach offenen, unstrukturierten Szenen aus ungeordneten Situationen interessant auftreten. Wenn die Mittelfeldakteure beispielsweise improvisierter herausrücken und sich etwas freier bewegen dürfen, kreieren sie einige Male angepasste Zwischenstellungen und spielen ihr Potential dann noch ein wenig mehr aus. Auch Piatti zeigt sich generell gegen den Ball geschickt und balanciert, positioniert sich etwas asymmetrisch, balanciert teilweise jene Aktionen der drei zentralen Kollegen oder rückt etwas ein und presst rückwärts längere Wege auf balltreibende gegnerische Sechser. Diese Punkte führen letztlich zu der nicht unwichtigen Stärke Valencias, dass sie auch bzw. gerade dann schwer zu knacken sind, wenn sie mal nicht aus der geordneten Pressingformation heraus agieren können, sondern durch etwas offene Übergangssituationen keinen direkten Ansatzpunkt oder -anker für ihre Bemühungen haben. Dagegen gibt es bei den klareren und simplen Phasen eben die Gefahr, dass sie darin zu normal werden – und dann sind sie durchaus auch mal leichter zu knacken.
Charakteristische Flachheit nach starkem Zurückziehen
Schon an den rückwärtspressenden Aktionen, die Valencia gerne einstreut, deutet sich die Qualität des Teams bei zurückfallenden und tieferen Defensivmustern an. Dabei gehören die Verschiebungen zum Halbraum im Abwehrdrittel und ganz allgemein die Endverteidigung zu ihren größten Stärken. Bei ersterem Aspekt agieren die Außenspieler absichernd eingerückt, die Sechser passen sich gut an und es entstehen stabile, geschickt abgeflachte Staffelungen über diesem ballnahen Verbindungsbereich. Überhaupt erzeugt Valencia in jenen tiefen Zonen häufig flache Staffelungen, die sehr kompakt zur Abwehrreihe sind und trotz Halbraumfokus – unterstützt durch gute, teils herausschiebende Anpassungen der Außenverteidiger – eine stabile Abdeckung der Breite garantieren. Für viele Gegner ist es in Weiterführung eigener aufrückender Bewegungen dann in Sachen Rhythmus und Entscheidungsfindung unangenehm, gegen eine solch flache Anordnung anzulaufen. Wichtig ist dabei, dass Valencia diese sehr bewusst ausspielt und darin nicht zu extrem wird. Sonst könnten sie beispielsweise nach simplen Hereingaben sehr anfällig im Rückraum werden, was gerade die Sechser mit geschickten Defensivlaufwegen aber oft aufmerksam auffangen.
Insgesamt werden die flachen Staffelungen – in gewisser Weise auch eine Form von Weiträumigkeit, welche das Team also nicht nur offensiv auszeichnet – gut umgesetzt, es gibt das richtige Bewusstsein für kleine Abstände und gewisse Mannorientierungen schaden diesen Strukturen nicht großartig, sondern können sich zurückfallend einfügen. Auch das Konterspiel wird durch diese Stellungen und die häufig auch mal recht weit zurückfallenden mannschaftlichen Positionierungen nicht allzu negativ beeinflusst – Valencia agiert in diesem Punkt durchaus gefährlich. Hier zeigen beispielsweise Piatti, der die gelegentlichen kleineren Asymmetrien im Mittelfeldband bewusst ausnutzt, und Rodrigo gute Entscheidungsfindung im Anbieten, während Paco engagiert ausweicht. Dies erzeugt eine passende Raumaufteilung für Umschaltaktionen, die darüber hinaus mit guter Nutzung individueller Eigenschaften gepaart wird. Wenn Feghouli wie zuletzt in der Anfangself dabei war, wechselte er beispielsweise in den Konterszenen zwischen breit raumöffnenden Unterstützungsaufgaben und ballschleppenden Funktionen.
Einbindung der Einzelspieler als wichtiger Teilpunkt
Ebenso wie bei den höheren Pressingvarianten ist die gelegentliche Improvisation der Spieler auch für ihre starken Phasen in den tieferen Zonen und die dortige Halbraum- sowie Endverteidigung von Bedeutung. Trotz der auf gewisse Normalität gepolten Defensivanlage ist es bei der tief und flach zurückfallenden Spielweise durchaus mit eingeplant, dass der Gegner häufiger in vordere Bereiche kommt. Wenn die dynamisch zurückfallende und sich nach hinten ziehende Reaktion darauf nicht funktioniert oder nicht gut genug ausgelöst werden kann, kommt der Gegner durchaus auch mal zu schnell durch gezwungenen Angriffen. So sind teilweise sehr gefährlich erscheinende Situationen möglich, die aber auch genau wegen dieser teilweise improvisierenden und darin sehr geschickten, fast aufblühenden Spielweise der Weiß-Schwarzen nur selten Früchte tragen. Manchmal geht Valencia mit dieser Ausrichtung ins Risiko, schafft es aber durch einen sehr ruhigen und selbstgezügelten Rhythmus, dass sie auch in schwierigen Lagen kaum mal hektisch zu klären versuchen – und damit tornahe Situationen über diese Ruhe entschärfen können. Gegen Villarreal standen sie ziemlich unter Druck, mussten mehrere dynamische Szenen zulassen, aber klärten mit etwas Glück vieles noch.
In diesem Zusammenhang nutzen sie beispielsweise das druckvolle Bewegungsspiel ihrer Innenverteidiger und deren Bewusstheit für die Kontrolle weiträumigerer Szenen sehr geschickt, um solche Ansätze noch abzuwürgen. Überhaupt gelingt es Nuno Espírito Santo bisher, die individuellen Stärken seiner Einzelspieler auch bzw. gerade in mikrotaktischen Belangen effektiv einzubinden und zu kanalisieren, was ebenso für die Offensive gilt – ob die Aktionen von André Gomes, die Läufe von Feghouli oder die druckvollen Eröffnungen der Innenverteidiger, gerade Mustafis. Dies ist einer der zentralen, übergreifenden Kerngründe für ihren erfolgreichen Saisonstart. Interessant dürfte noch werden, wie der Trainer personell weiter vorgehen wird. Bisher setzte er hier auf Kontinuität, hätte mit dem jungen Carles Gil, dem von Manchester City geliehenen Álvaro Negredo oder dem aus Rio Ave mitgebrachten, sehr talentierten – geschickt und bewusst in seinem Spiel, wenngleich noch etwas unbalanciert in machen Aspekten – Brasilianer Filipe Augusto aber noch weitere interessante Alternativen.
Fazit
Für eine eigentlich recht simpel angelegte Mannschaft weist Valencia doch eine Reihe an interessanten und besonderen Punkten auf. Das entscheidende Merkmal des Teams ist die Tatsache, dass sie über Konsequenz in der Ausführung einer eigenen und charakteristischen Spielweise verfügen. Insgesamt ist ihr Fußball nichts ganz Besonderes, sondern zeigt sich eher solide und pragmatisch denn großartig attraktiv. Spielerische Glanzlichter kommen vor allem über die individuelle Kombinationsstärke von André Gomes und vor allem Paco sowie die Ballverteilung und die generelle Qualität im Passspiel, die insbesondere das gesamte Mittelfeldpersonal liefert. Bei ihrem linkslastigen Spiel über Flügelaktionen, lange Bälle, Standards und einzelne Interaktionen agieren sie jedoch gezielt und entwickeln in die richtigen Räume hinein eine sauber abgespulte, unaufgeregte Effektivität, die durch den passenden Rhythmus gewinnt.
Genau dies ist auch ein ganz zentraler Punkt in ihrem Defensivspiel, das möglicherweise als der interessante Aspekt des Teams betrachtet werden könnte. Zunächst einmal überzeugen sie mit einem geschickten Rhythmus und weben in ihr solides, sogar mit kleineren Schwächen beladenes Grundsystem einzelne gute Mechanismen beispielsweise in Form von Pressingvarianten ein. Auch die starken Rückfallbewegungen ins Defensivdrittel, die sich durch die Entstehung geschickt angelegter und meistens sauberer flacher Staffelungen auszeichnet, sind unbedingt zu erwähnen. Insbesondere hier, aber auch generell wissen ihre gute, bewusste Halbraumverteidigung und die geschickten Verhältnisse zwischen den Positionierungen der Spieler zwischen den Defensivbändern zu gefallen. All dies macht sie in Verbindung mit gewissen individuellen Faktoren zu einer vor allem sehr unangenehm zu bespielenden Mannschaft.
In ihrer Logik und Methodik sowie der Kräfteverteilung in Relation zum Spielerpersonal ist es also gar nicht mal so falsch, Valencia als das neue Atlético Madrid zu bezeichnen – allerdings wohl von geringerer Qualität. Dennoch ist gerade die offensiv vorhandene Simplizität ein wichtiger Kritikpunkt, der durch die vielen Tore nach Standardsituationen und zuletzt illustrativ die Probleme beim Duell mit Athletic unterstützt wurde. Im Verlaufe der Saison muss der neue Trainer in diesem Bereich also noch mehr Varianten und Weiterentwicklung anbieten, um eine ähnliche Tabellenposition auf lange Sicht halten zu können. So hat Valencia beispielsweise – eine weitere interessante Statistik zum Charakter des Teams – in den Durchschnittswerten pro Spiel mehr Abschlüsse des Gegners hinnehmen müssen, als sie selbst in Richtung des gegnerischen Kasten abgaben.
8 Kommentare Alle anzeigen
woody10 22. November 2014 um 17:31
Hatte diese Teamanalyse irgendwie übersehen. Schön, dass ihr Valencia covert.
TR hat sieht Valencia doch etwas negativer als ich, wobei ich auch finde, dass sie in den letzten Spielen (insbesondere gegen Athletic was ich gesehen habe) nicht mehr so gut waren, gerade zu Beginn der Saison waren aber schon wirklich gute Spiele dabei, die Entwicklung stimmte mich und stimmt mich, wenn man den Verein als Gesamtes betrachtet, nach wie vor positiv.
Wie schon im Teamportrait angesprochen sind sie ohne Parejo aber doch deutlich schwächer.
Auch ich finde, dass gerade Gil mehr eingesetzt werden müsste, finde Andre Gomes zwar ganz ok, aber nicht ganz so cool, wobei man die beiden kaum vergleichen kann.
Da die Außenverteidiger auch in einem Kommentar hier erwähnt wurden. Ich finde sie auch ziemlich wichtig in ihrem Spiel und meine, dass Gaya und, wenn er spielt, Joao Cancelo richtig nice sind. Ziemlich coole, junge AVs.
Gespannt bin ich auch wie Negredo in die Mannschaft integriert wird und wie sich das auf das System auswirkt. Im Moment tendiere ich dazu, ihn nur als Ersatzspieler zu bringen, man müsste doch ein paar Sachen anpassen, außerdem ist Paco gut in Form und muss nicht von einem Leihspieler verdrängt werden.
Fat spanish waiter 20. November 2014 um 20:47
sehr gute, gelungene Teamanalyse. Vielleicht kann der Autor noch etwas zu der Rolle der AV sagen, es ist im Artikel zwar von „klassischer Pärchenbildung“ die Rede, es wird aber nicht ganz klar wie hoch sie im Aufbau stehen und welche Rolle sie grds für das Offensivspiel haben. Wäre es keine Möglichkeit die AV hochzuschieben und die die Stürmer AS eingerückter spielen zu lassen? Dann wäre das Zentrum auch besser besetzt, das die MF-Spieler nicht ganz so grosse Räume abdecken müssten.
TR 21. November 2014 um 11:19
Also die Pärchenbildungen findet man dann ja vor allem als Mechanismus im Angriffsdrittel und teilweise mal als Aufbaubeschleuniger für Direktangriffe am Flügel. In den ersten Aufbauphasen stehen sie erst einmal noch verhältnismäßig tief und dienen trotz des Zurückfallens von Fuego z.B. gerne auch mal – oder zumindest einer von ihnen – als nahe Anspielstation, wie auch in einigen Screenshots zu erkennen. Im Angriffsverlauf rücken sie dann recht gleichmäßig mit auf und haben wegen des Flügelfokus durchaus entscheidende Rollen für seitliche Durchbrüche – für die sie selbst sorgen oder ihre Partner freispielen. Solche Aspekte sind insgesamt dabei häufiger zu beobachten als dynamische Verlagerungen auf einen ballfern aus der Tiefe nachstoßenden Außenverteidiger z.B.
TW 20. November 2014 um 15:21
Tolle Team-Analyse, die sicher mehr als nur meinen Kommentar verdient hat 😉
Ist etwas über das Training von Nuno Espírito Santo bekannt? Es ist interessant zu lesen, dass Valencia insbesondere dann stark agiert, wenn sie die mannschaftstaktischen Abläufe verlassen und gruppentaktisch improvisieren.
getuerkt 20. November 2014 um 17:09
Ein sehr interessanter Punkt. In der Regel steht eine Defensive besser, wenn sie nicht zu improvisieren brauch bzw. wenn die einzelnen Bewegungen aufeinander abgestimmt sind. Im Artikel selbst ließt es sich so, dass die Situationen, welche eine Improvisation nötig machen, bewusst in Kauf genommen werden, wenn nicht sogar beabsichtigt. Aber kann man sich immer darauf verlassen, dass es schon irgendwie klappt? Oder steckt da doch mehr System dahinter als auf den ersten Blick zu erkennen ist?
JS 20. November 2014 um 20:33
Im defensiven Umschaltmoment muss man immer ein Stück weit improvisieren.
getuerkt 21. November 2014 um 11:01
Sicherlich muss man in defensiven Umschaltmomenten immer ein Stück weit improvisieren, aber in dem Text selbst wird ja nicht von defensiven Umschaltmomenten gesprochen, sondern von der Endverteidigung bzw. nachdem sich die gegnerische Mannschaft zu den defensiven Halbräumen durchkombiniert hat, von daher geht der Hinweis fehl.
TR 21. November 2014 um 11:16
Ja, teilweise wie eben beim Zurückziehen wird das durchaus bewusst provoziert, um den Gegner ein wenig zu locken. Durch die guten Bewegungen in den Fallbewegungen, die meist von der Abstimmung her passen, und die erwähnten individuellen Aspekte gewinnt das dann eben eine gewisse Stabilität in dem kleinen Risiko. Insgesamt muss man zu diesem Improvisations-Thema sagen, dass das nicht immer ganz so konsequent auftritt und auch nicht in allen Spielphasen so geplant eingesetzt wird, sondern sich in der Konstanz vor allem auf den Umgang mit den paar Asymmetrien und das Verhalten der Sechser und Achter bezieht. Etwas wichtiger als die bewusste Improvisation ist wohl, dass eben auch gerade mal weniger mannschaftlich kontrollierte Situationen noch relativ gut zu meistern sind, dass man also sich durch gute Improvisation auch dann mal retten kann und sie eben meist tendenziell dann einsetzt, wenn man sie braucht, statt durchgehend bewusst zu nutzen.