Hjulmands Fünferkette isoliert die eigene Offensive
Unter Kasper Hjulmand konnten die Mainzer – etwas überraschend – die Aneinanderreihung von Achtungserfolgen und konstanter Stabilität der Ära Thomas Tuchel weitestgehend fortsetzen. Gegen Dieter Heckings Wolfsburger scheiterten sie aber auf unorthodoxe Weise damit. Eine auf dem Papier interessante formative Idee scheiterte an einzelnen Knackpunkten gegen gut organisierte Wölfe.
Hjulmand beginnt mit Fünferkette
Ähnlich wie Vorgänger Tuchel nutzt Hjulmand häufig unterschiedliche Formationen und versucht sich mit diesen Veränderungen an den kommenden Gegner einzustellen. Gegen den VfL Wolfsburg war es ein 5-2-3/3-4-3, welches genutzt wurde. Schon unter Tuchel spielten die Mainzer mit fünf Verteidigern, unter anderem mit einem sehr interessanten und zentrumsfokussierten 5-2-2-1 gegen die Münchner Bayern. Diese Spielweise kann man mit jener gegen den VfL Wolfsburg durchaus vergleichen, auch wenn die Bewegungen nicht komplett identisch waren. Grundsätzlich waren aber eindeutige Parallelen zu erkennen.
Sami Allagui und Filip Djuricic spielten als Flügelstürmer neben Shinji Okazaki. Die Außenstürmer positionierten sich meistens zwischen den Außen- und Innenverteidigern der Wolfsburger, Okazaki stand meistens zwischen den beiden Innenverteidigern. Zwar wurde Wolfsburg meistens etwas Raum im Aufbauspiel gelassen, dann aber begannen sie relativ früh zu pressen. Wenn die Wölfe auf den Flügel die Außenverteidiger bespielten, presste der ballnahe Flügelstürmer auf den Außenverteidiger, der Mittelstürmer und der ballnahe Flügelstürmer versuchten die beiden nächsten Verteidiger Wolfsburgs zuzustellen. Die Flügelverteidiger von Main rückten ballnah heraus und verfolgten die Flügelstürmer, ähnliches taten die Sechser situativ im Zentrum, obgleich sie hier Probleme hatten.
Die relativ offene Mitte mit nur zwei zentralen Spielern zwischen Abwehr und Mittelfeld dürfte nämlich einer der wichtigsten Aspekte in dieser Partie gewesen sein. Wolfsburg konnte die Stürmer der Mainzer gut herauslocken, während Daniel Caligiuri, Ivan Perisic und der zentrale Ivica Olic eine sehr arbeitsame und bewegungsfreudige Offensive gaben. Sie konnten zu dritt häufig nicht nur die drei zentralen Verteidiger beschäftigen, sondern auch die Mainzer Flügelverteidiger. Der ballnahe Flügelstürmer pendelte zwischen Flügel und Halbraum, Olic in der Mitte bewegte sich sehr horizontal und der ballferne Akteur versuchte mit diagonalen Läufen hinter die Abwehr zu kommen oder die Mitte zu besetzen.
Das gab nicht nur flexible Anspielstationen bei den Wölfen (im Verbund mit dem sehr agilen und pendelnden Kevin de Bruyne) und Probleme im sauberen, abgesicherten Herausrücken bei Mainz; es bedeutete ebenfalls verringerte vertikale Kompaktheit. Die Stürmer mussten sich weit nach vorne orientieren, die Verteidiger wurden nach hinten gedrückt. Dadurch war Mainz nicht so kompakt, wie es diese Formation und die damit einhergehenden Staffelungen im ballorientierten Verschieben benötigt hätten; die zwei zentralen Mittelfeldakteure hingen häufig zugriffslos in der Luft. Das war auch die Ursache für die offensive Überlegenheit Wolfsburgs bei der Durchschlagskraft.
Die Halbräume als entscheidender Punkt
Die zwei zentralen Mittelfeldspieler von Mainz konnten natürlich nicht die Breite des Platzes abdecken. Der herausrückende ballnahe Flügelverteidiger und die situativ rückwärtspressenden oder leicht zurückfallenden Flügelstürmer halfen ihnen zwar, dennoch waren die Bewegungen der Mainzer Sechser häufig ein Balanceakt. Sie konnten sich nicht frei bewegen, mussten häufig positionsorientiert bleiben, um die Mitte zu sichern. Wolfsburg hatte darum die Möglichkeit bei zeitlich abgestimmter Unterstützung der aufrückenden Außenverteidiger durch die beiden einrückenden Flügelstürmer und durch den pendelnden de Bruyne die Halbräume zu überladen. Wenn Wolfsburg versuchte Druck zu erzeugen, dann konnte de Bruyne besonders mit Schnittstellenpässen attackieren und gefährliche Chancen einleiten; die gefährlichste und am schönsten herausgespielte Torchance entstand von einem weiträumigen Schnittstellenpass de Bruynes hinter die Mainzer Abwehr.
Generell hatten die Wolfsburger dadurch die Möglichkeit ins Mittelfeld zu kommen, den Ball zirkulieren zu lassen und die Abwehr Mainz‘ unter Druck zu setzen. Bei den Gästen gab es strukturelle Probleme, welche neben der erwähnten defensiven Instabilität (trotz kompensierender Fünferabwehr) auch für eine verringerte offensive Durchschlagskraft sorgte.
Zerstückelte Präsenz der Mainzer auch als offensives Problem
Das 5-2-3 wurde in eigenem Aufbauspiel zu einem 3-4-3 bei den Mainzern. Sie hatten drei Verteidiger in einer Reihe und konnten flexibel das Spiel verlagern, aber zentral mangelte es ihnen an Präsenz und Möglichkeiten, um über die Mitte nach vorne zu kommen. Der Fokus auf die Flügel und das Aufrücken entlang der Seiten erleichterte Wolfsburg das Verschieben zum Ball und das Isolieren auf den Seiten. Teilweise hatte Mainz gute Aktionen durch die drei Spieler in der Spitze, welches sich durch die freien Bewegungen der drei Stürmer ansatzweise gefährlich zeigen konnte.
Die Flügelstürmer rückten in die Mitte, Okazaki wich aus oder sprintete diagonal in offene Räume. Man wollte dadurch zu dritt die Viererkette Wolfsburgs binden, um damit auch für die Flügelverteidiger Räume im Aufrücken zu öffnen. Neben dem Zurückdrängen der Flügelstürmer Wolfsburgs (oder mehr Möglichkeiten, wenn diese nicht diszipliniert nach hinten arbeiteten oder arbeiten konnten) wollten sie dadurch auch einfache Flanken schlagen und diagonale Pässe hinter die Abwehr spielen können.
Trotzdem hatte Mainz Probleme Durchschlagskraft zu erzeugen, obwohl sie vereinzelt sehr präsent im letzten Drittel waren; sie waren in ihrer Spielanlage aber zu flügelorientiert und konnten im Spielaufbau nicht konstant und effektiv über die Mitte kommen. Dadurch hatten sie einzelne längere Ballzirkulationen im ersten Drittel und einige Chancen direkt um den Strafraum herum, die konstante Vorbereitung gefährlicher Chancen und auch Seitenverlagerungen über mehrere flache Kurzpässe oder die generelle Präsenz im zentralen Mittelfeldraum gab es kaum. Die strategische Ausrichtung war also nicht besonders gut. Doch das eigentliche Ziel Hjulmands dürfte ohnehin eher ein taktisches gewesen sein.
Vermutlich wollte Hjulmand mit einer 5-2-3/3-4-3-Formation zu spielen, um die übliche Spielweise der Hecking-Elf vor Probleme zu stellen. Wolfsburg reagiert darauf aber mit passenden Manndeckungen und Bewegungen, sie wechselten gut ihre Zuteilungen und Gustavo unterstützte meistens die Verteidiger hinter sich, während Guilavogui de Bruyne und Olic half. Perisic und Caligiuri bewegten sich ebenfalls gut, übergaben nach hinten sauber an die Außenverteidiger, wenn möglich, meistens gab es die Balleroberungen aber schon höher und damit konnten die Probleme mit den seitlichen Synergien Mainz‘ vermieden werden. In der Schlussphase reagierte Hjulmand.
4-2-1-3/4-2-3-1 in der Schlussphase ohne Erfolg
Jairo, Junus Malli und Koo kamen für Brosinski, Soto und Djuricic. Off-Topic: Wenn eine Mannschaft diese drei Spieler einwechseln kann und zusätzlich noch Baumgartlinger und Wollscheid auf der Bank sowie Park auf der Tribüne hat, ist der Kader vom Manager sehr gut zusammengestellt worden (trotz einzelner Schwachpunkte). Diese Wechsel wurden in der Schlussphase so ausgelegt, dass keine Viererkette mehr gespielt wurde, sondern ein 4-2-1-3/4-2-3-1. Dieses wurde sogar im Pressing meistens so interpretiert.
Manchmal agierten sie zwar dann auch in 4-3-3- oder 4-4-2-ähnlichen Staffelungen, vereinzelt schien der rechte Flügelstürmer auch bewusst zu „zocken“ (Verweigerung der Defensivarbeit, um eine bessere Position im offensiven Umschaltmoment zu haben). Insgesamt war es eine unübliche positionsorientierte und kompaktere 4-2-3-1-Staffelung, in der die Flügelstürmer häufiger nach vorne schoben und das Pressing des Mittelstürmers unterstützen wollten. Wolfsburg war in dieser Phase allerdings schon mit 2:0 vorne, hatte den Vorteil der Führung und der besseren Balance im Attackieren im Rücken. Die Veränderungen von Hjulmand brachte darum keine effektive Veränderung und neutralisierte sich letztlich auch in der Defensivspielweise Wolfsburgs.
Fazit
Eine durchaus interessante und angenehm anzusehende Partie, die allerdings in ihrem Verlauf relativ simpel war, trotz grundsätzlich guter Ideen beider Trainer und interessanter taktischer Wechselwirkungen. Mainz schien phasenweise mehr vom Ball und auch vom Feld zu haben, doch Wolfsburg hatte mehr Stabilität, mehr Durchschlagskraft und eine weiträumigere Präsenz in allen Zonen. Dazu kam noch etwas Pech im Abschluss bei Mainz hinzu und diese Mischung sorgte letztlich neben psychologischen und taktik- bzw. strategiepsychologischen Faktoren für den klaren Sieg der Wölfe. Im Spiel gegen Gladbach war Mainz in dieser Formation gefühlt etwas besser, hatte leicht andere Bewegungsmuster in der Defensive und Gladbach war weniger mannorientiert sowie anders in der Sechserverteilung als Wolfsburg, aber prinzipiell ähnlich.
1 Kommentar Alle anzeigen
Koom 27. Oktober 2014 um 12:49
Leider wurde Mainz vor dem Spiel personaltechnisch gebeutelt. Insbesondere der Ausfall von Baumgartlinger wiegt dabei schwer, aber auch der lauf- und paßstarke Moritz fehlten. Das sind beides Spieler, die viel Struktur geben. Ich denke, dass er auch deswegen auf die 5er-Kette zurückgriff, die ich bislang als noch nicht so gelungen empfinde, aber wenn eben 2 DMs ausfallen, wird ein kompaktes Mittelfeld schwierig zu erstellen.
Trotzdem gefiel mir der Auftritt der 05er. Klar, 2 von 3 Toren nach Standards zu kassieren ist doof, aber man war oft gefährlich, auch wenn man den Ball nicht immer aufs Tor brachte. Ein klein wenig mehr Ruhe und Klasse am Ball und man hätte gerade am Anfang auch durchaus mit 1-2 Toren in Führung gehen können.