Vielversprechendes Rautensystem bringt van Gaal ersten United-Pflichtspielsieg

4:0

Manchester United und Louis van Gaal verbuchen den wichtigen ersten Saisonsieg. Beim Debüt von einigen seiner Neuzugänge präsentierte der Trainer auch eine veränderte formative Ausrichtung und durfte sich neben dem Ergebnis auch über vielversprechende Ansätze freuen.

Viel war geschrieben worden – über die hohen Transferausgaben, den Rekordtransfermann Ángel di María, die Ausleihe von Falcao samt entstehendem Konkurrenzkampf im Angriff, den Transfer von Danny Welbeck zu Arsenal und noch einiges mehr. Nun sollte nach mäßigem Start für das neue Manchester United endlich der erste Pflichtspielsieg her. Entsprechend befasst sich diese Analyse – entgegen dem klassischen Schema der Spielbetrachtung – vor allem mit dem Auftreten der Red Devils.

manutd-qpr-2014Grundausrichtung der Raute

Etwas überraschend wählte van Gaal für diese Begegnung zum Einbau seiner vielen Neuzugänge eine Rautenformation, die durch leichte Asymmetrien zwischen Herrera und di María gelegentlich 4-2-3-1-hafte Tendenzen aufwies. Diese Grundausrichtung stellte sich insgesamt als gute und sinnvolle Entscheidung heraus. Auf links kippte Blind von der Sechserposition einige Male seitlich heraus und teilte sich dies mit di María auf, der anfangs noch recht breit und simpel ballschleppend agierte, mit der Zeit aber zunehmend frei durch die Räume driftete und vor allem mit dem halblinks herum kreisenden Rooney gut harmonierte. Wenn Blind etwas seitlicher aktiv war, übernahm nicht nur der ohnehin gern in der tiefe ankurbelnde Herrera, sondern auch der weit zurückfallende Mata in den dortigen Zonen etwas von den Aufbauaufgaben.

Letztgenannter suchte auf halbrechts vereinzelt Synergien mit van Persie, der wie auch Rooney situativ in die Übergangsbereiche nach hinten kam, während Herrera sich jeweils als geschmeidig nachstoßender Supportspieler einfügte. Sein Wirkungskreis war dabei in den Aufgabenbereichen von einem weiträumigen Radius geprägt, da er immer wieder an verschiedenen Stellen eingriff, die jeweiligen Aktionen waren dann aber kleinräumig orientiert und bezogen sich meist auf gruppentaktische Synergieauslösungen oder das Herstellen von Verbindungen – all dies machte ihn ebenso wie di María zu einem wichtigen, aber unscheinbareren Schlüsselspieler. Beide Achter sind Typen, die durch gruppentaktisches Verhalten ihre Mannschaft balancieren bzw. proaktiv stabilisieren können. Auf den Außenverteidiger-Positionen war Rafael offensiver ausgerichtet, wurde mehr fokussiert und war entsprechend auffälliger. Einige Male wurde er in eingerückten Positionen eingebunden, die Rojo bei seinem Einrücken nur in balancierender statt in mitspielender Form einnahm. Mit seinem Landsmann di María in breiter Achterrolle vor sich konnte er ohnehin mehr auf sein Naturell als anpassender, defensivstarker Akteur und die Teilnahme an der Ballzirkulation konzentrieren.

Die Effektivität kommt erst mit der Zeit

Anfangs kamen all diese Wechselwirkungen noch nicht immer ganz so deutlich hervor, da United erst einige Zeit brauchte, bis sie wirklich gut in Fahrt waren und das Potential ihres Systems auszunutzen begannen. Die Einbindung di Marías dauerte, wie erwähnt, einige Zeit, die Bewegungen der Stürmer und das einleitende Bespielen von Freiräumen beim Übergang aus der Ballzirkulation in druckvollere Momente gestaltete sich zunächst etwas zu zurückhaltend und schließlich gab es anfangs noch einige zu simple Verlagerungen mit Fokus auf die vorstoßenden Außenverteidiger (gerade Rafael auf rechts), bei denen sich das Offensivpersonal etwas zu stark in die Spitze orientierte.

In dieser Hinsicht fiel auch ein Rhythmusproblem auf, das schon die vorigen Spiele zu erkennen war und im Übrigen auch die niederländische Nationalmannschaft bei der WM ein wenig hemmte – diesmal natürlich abgeschwächter und im weiteren Verlauf der Partie kaum mehr: Ein seltsames Verhältnis zwischen Ausgangs-, Verbindungs- und Zielräumen bei diagonalem Spiel in die Spitze. Wenn der Ball nach dem Aufrücken über die Seite beispielsweise auf einen aus dem Zentrum unterstützend herkommenden Offensivspieler gelegt wurde, fehlten diesem die von ihm selbst zuvor bearbeiteten Verbindungsbereiche. Die Kollegen reagierten einige Male seltsam darauf, so dass diese nötigen Zonen unangenehm oder gar nicht besetzt waren.

Daher wurde – in den Partien gegen Burnley und Sunderland war dies teilweise drastisch – mit kürzeren Chipbällen immer wieder improvisiert und ungelenk der direkte Weg hinter die tiefe gegnerische Linie gesucht, was kaum funktionieren konnte. Dieser überfrühte, nicht gut genug unterstützte und rhythmisch seltsame Zug verbindet sich versehentlich mit den Laufdynamiken der Stürmer, wie es bei van Gaal in Zweistürmerformationen wie 3-4-1-2 oder eben der Raute gibt.

Eigentlich ausweichende und teilweise raumsuchende Bewegungen werden mit Pässe in die Tiefe bespielt, während die Angreifer beim bewussten Anbieten für solche Zuspiele sich unbewusst etwas an der Art des Ausweichens orientieren. Sowohl die Läufe als auch die Pässe sind dadurch seltsam eingebunden. Zuletzt waren solche Szenen vor allem in der Interaktion zwischen den drei Offensivspielern des 3-4-1-2 zu sehen, diesmal tendenziell von den Stürmern und bei der WM gab es – dort problematisch auch in eher tieferen Zonen mit anderen Gründen – sie meistens bei Ballbesitz von Sneijder.

Wenn das Spiel ins Rollen kommt…

Gegen die tiefstehende 4-1-4-1-hafte Formation der Queens Park Rangers, die sich im Mittelfeld gelegentlich in flache 4-5-1-Ansätze wandelte, hatte United viel Zeit zur Ballzirkulation und nutzte diese für aufrückende Bewegungen der Innenverteidiger. Als weiteres Mittel vom Vorspielen liefen diese mehrmals die Lücken vor den gegnerischen Achtern an, welche durch das Rautenmittelfeld der Red Devils gut beschäftigt und etwas in die Mitte gedrückt wurden. Häufig legten Evans und Blackkett dann kurz Richtung Zentrum quer, was dort entgegen der Rückzugsbewegung gute Ausgangspositionen für zentrales Zusammenspiel in Überzahl bildete. Anfangs waren die Hausherren hier etwas inkonsequent und ließen diese ballnahe Präsenz durch teilweise unambitionierte Bewegungen sowie Staffelungsmuster verfallen oder wechselten falsch die Räume, doch mit der Zeit konnten sie hier immer besser die eigenen Angriffe entwickeln und wurden sehr variabel in ihrer Entscheidungsfindung.

Im Laufe der Partie steigerte sich United und kam also zu einem flüssigen sowie insgesamt ansehnlichen Angriffspiel, das in seinen taktisch-formativen Gegebenheiten und seinen Abläufen vielseitig angelegt war und immer wieder einige schöne Spielzüge produzierte. Das beste Beispiel waren natürlich der dritte Treffer und überhaupt die Phase um diesen herum, da hier die verschiedenen Überlademöglichkeiten und die Fluidität aufgezeigt wurden, als di María die lokale Kombination von Herrera, Mata und Rooney entzündete. Man kann nun einwenden, dass die obendrein passiven Gäste zu wenig Gegenwehr leisteten, doch änderte dies nichts an der spielstarken, gut anzusehenden Vorstellung über die letzten drei Viertel der Partie, zumal QPR einige Male durchaus gute Herausrückbewegungen zeigte und im Mittelfeld in individueller Hinsicht mit Leuten wie Sandro oder Fer doch recht unangenehm zu bespielen.

Schon zu Beginn der Partie überzeugend war vom Prinzip her das Gegenpressing Uniteds, auch wenn es nicht immer mit absolutem Engagement und Intensität ausgeführt wurde. Die Bewegungsvielfalt in den verschiedenen Rollen, die längeren Vor- und Rückstöße zum Ball – das Aufrücken der Innenverteidiger, Blinds Verschiebungen, Matas Zurückfallen, Rooneys Kreiseln – und die tiefe Stellung des Gegners ermöglichten hier meistens auch mit durchschnittlichem Aufwand ordentlichen Zugriff, der von den guten Positionierungen und individuell geschicktem Verhalten abgesichert wurde.

Weniger Mannorientierungen, 4-3-3-Pressing und seitliche Stürmer

manutd-qpr-2014-defIm Pressing bedeutete die Umstellung auf die Raute eine grundlegende und durchaus positiv zu bewertende Veränderung in der Spielweise. Zunächst einmal fiel auf, dass diesmal deutlich weniger durchgehende Mannorientierungen das Bild bei der Mannschaft van Gaals prägten, der generell in Dreier- oder Fünferkettenformationen deutlich stärker auf dieses Mittel zurückgreift, als wenn sein Team mit vier Verteidigern agiert. In diesem Fall wandelte sich die Raute durch ein Vorrücken von Mata in 4-3-3-Stellungen, die in der ersten Reihe überraschend breit ausgerichtet waren. Indem Rooney und van Persie weit zur Seite in passive, raumblockende Rollen als Anker geschoben wurden, ließ sich der Aufbau von QPR überraschend simpel lahmlegen. Die Außenverteidiger, als eine Eröffnungsmöglichkeit, waren nicht mehr so leicht auf die herkömmliche Weise zu bedienen und auch die Wege ins Mittelfeld über die halbäußeren Halbräume waren teilweise blockiert.

Das Spiel der Londoner wurde durch die nicht wirklich ins Verschieben eingebundenen United-Stürmer in statischer Dynamik zur Mitte geleitet, wo die drei zentralen Mittelfeldakteure der Gastgeber immer wieder gut zu Mata herausrückten und situativ die Mannorientierungen einsetzten, um in schwierige Freiräume zurückfallende Gegner zu zermürben. Nur selten konnte QPR geordnet in die Offensivräume kommen, was meistens bloß über vorhersehbare und stets linear in gewisse Räume orientierte Aktionen stattfand. Gerade für individuell starke, in der Abwehrreihe noch recht mannorientierte Defensivspieler wie bei United war dies – zumal in geringer Quantität – recht leicht zu verteidigen.

Fazit

Das 4:0 gegen ein nicht wirklich starkes QPR sorgte bei Manchester United für einen fulminanten Einstand der Neuzugänge. Insgesamt war das Team in vielen Belangen deutlich verbessert und in der Ausführung fluider als zuletzt, was den Erfolg in seiner Klarheit absolut verdient machte. Gerade das 3:0 zeigte das weitere, enorme Potential für die Zukunft in der weiteren Saison auf. Mit der neuen Rautenformation tat sich eine sehr sinnvolle Möglichkeit auf, deren großer Vorteil neben der Zentrumspräsenz vor allem darin liegt, dass sie viele Starspieler gleichzeitig recht wirksam einzubinden weiß. Trotz der starken Leistung und der Vorfreude auf die nächsten Partien bleiben aber weiterhin genügend Problempunkte, die – auch wenn man sie diesmal mehrfach gut überging – noch durchschienen und an denen gearbeitet werden muss, so dass noch kein Grund für absolute Euphorie besteht.

TonyS 17. September 2014 um 16:25

Di Maria ist so ein genialer Spieler. United kann echt froh sein, dass sie ihn bekommen haben
Glaubt ihr die werden nun hauptsächlich mit Viererkette spielen? Scheint ja kurzfristig besser zu funktionieren.
Und wer passt besser zu dieser Spielweise: Falcao oder van Persie?

PS: Wie eigentlich immer eine Top-Analyse

Antworten

CE 17. September 2014 um 23:46

Es kann gut sein, dass LvG seine Pläne mit Dreierkette erst einmal zurückstellt (oder sogar verwirft?). Auch wenn er immer wieder beteuert, dass er Zeit braucht, steht er schon etwas unter Druck und diese Formation mit Mittelfeldraute scheint eine gute Option zu sein, um auch die spielstarken zentralen Kräfte einzubinden und nette Synergien (Blind – Herrera) zu erzeugen. Allerdings ist QPR aktuell auch kein Gradmesser. Bei RvP wird meines Wissens noch über eine mögliche OP spekuliert. Insgesamt braucht es eine klare Aufgabenstellung für Falcao. Das war gegen QPR nicht so zu erkennen. Insgesamt sehe ich noch ein Problem bei den Stürmern, weil sie teilweise ähnlich oder identische (Fall-)Bewegungen zeigen und die Penetration manchmal fehlt.

Antworten

TonyS 18. September 2014 um 14:51

OK danke für deine Einschätzung. Klar braucht das alles noch Zeit, wird interessant zu sehen sein, wie sich das entwickelt. United gehört wieder in die Champions League.

Antworten

TonyS 18. September 2014 um 14:55

Edit: Van Persie hat die Gerüchte zur OP wohl dementiert. Mal schauen wer sich durchsetzt im Sturm.

Antworten

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*