Simple Fohlenkonter zerstören instabiles Keller-Team
Schalke 04 geht in Mönchengladbach unter. Kellers Mannschaft findet selten die richtigen Mittel und wird von einer simplen wie effektiven Fohlenelf ausgekontert.
Grundformation
Jens Keller musste erneut auf einige potenzielle Stammkräfte verzichten. So saßen unter anderem Max Meyer, Julian Draxler sowie Klaas-Jan Huntelaar auf der Bank. Dafür agierten die Königsblauen im 4-2-3-1 mit Christian Fuchs auf der linken offensiven sowie Christian Clemens auf der rechten defensiven Seite. Im Zentrum trat Marco Höger an der Seite von Roman Neustädter auf.
Kellers Kollege Lucien Favre konnte derweil nahezu auf die Bestbesetzung zurückgreifen. Ibrahima Traoré blieb auf der Bank. Fabian Johnson lief auf dem linken Flügel auf und wurde von Linksverteidiger Oscar Wendt unterstützt. Folglich veränderte Favre auch die Viererkette insgesamt. Álvaro Domínguez spielte im Zentrum neben Martin Stranzl, Tony Jantschke deckte die rechte Seite ab.
Schalkes Aufbaustruktur
Die Gäste aus Gelsenkirchen dominierten in puncto Ballbesitz die erste Halbzeit. Demzufolge gab es auch zahlreiche Szenen, in denen Benedikt Höwedes und Kaan Ayhan im defensiven Drittel den Ball am Fuß hatten und nach den ersten Anspielstationen suchten. Interessanterweise agierte Schalke in diesen Szenen mehrfach verschiebend beziehungsweise wurden die Positionen teilweise gewechselt. Neustädter positionierte sich als Solosechser gewohnt zentral. Entweder er wurde Max Kruse und Raffael in deren Deckungsschatten abgeschirmt oder aber die Gladbacher fokussierten stärker auf eine vertikal kompakte 4-4-2-Defensivformation, sodass Neustädter vor den beiden Angreifern der Gastgeber abkippen konnte.
Höger driftete derweil in der Anfangsphase des Öfteren seitlich auf die rechte Seite, wodurch wiederum der offensive Rechtsverteidiger Clemens nach vorn stieß und als Folgeeffekt Sidney Sam in den Zehnerraum einschob. Dieses seitliche Abkippen von Höger schuf sogleich mehrmals eine Dreierkette im Aufbau, wodurch Neustädter wiederum vor der Abwehr bleiben konnte und als erste schnelle Weiterleitungsstation dienen durfte.
Weiter vorn war die Rollenverteilung bei den Schalkern zunächst nicht eindeutig. Besonders zu Beginn ging Kevin-Prince Boateng mehrmals auf die linke Seite und wollte aus dem Zentrum heraus im Freiraum angespielt werden. Christian Fuchs balancierte diese Bewegungen aus, zudem schob Sam ins Zentrum, um die Ablagen Boatengs nutzen zu können.
Gladbach wie gewohnt
Doch all diese passablen Ansätze verpufften mit der 17. Spielminute. Denn Gladbach traf durch André Hahn zum 1:0. Eingeleitet wurde dieses Tor durch Christoph Kramer in ein bekannter Gladbach-Manier – per Konter. Der deutsche Nationalspieler konnte den Ball in einer Umschaltbewegung durch das Zentrum schleppen. Dennis Aogo versuchte in halblinker Position den Passweg zu versperren, während im Rücken Hahn in die Tiefe sprintete. Kramer spielte Kruse zentral an, dieser leitete auf Hahn weiter, der damit durchgebrochen war. Hätte Neustädter hierbei die Aktion von Aogo absichern müssen?
Insgesamt war Gladbach auch im eigenen Stadion auf eine kompakte Formation, Mittelfeldpressing und schnelle Konteraktionen geeicht. Auffällig erschienen die Bewegungen der Außenspieler bei der Arbeit gegen den Ball. Vor allem Hahn stand sehr tief, dafür rückte der halbrechte Sechser Kramer mehrmals heraus und attackierte auf dieser Seite des Spielfeldes. Es ergab sich häufiger ein 4-4-1-1, wenn Kruse und Raffael überspielt waren. Dadurch konnte sich Raffael ein Stück tiefer positionieren und immer auch in Ballnähe schieben. Das zentrale Ziel war der Ballgewinn im Sechserraum. In der Folge konnten entweder, wie beim Tor, Kramer, Xhaka oder Raffael die Umschaltangriffe einleiten, während Johnson sowie Hahn die direkten tiefen Sprints übernahmen. Kruse fungierte derweil als ballsichere Halteoption im offensiven Zentrum.
Im eigenen Spielaufbau wechselten sich Xhaka und Kramer mit den Abkippbewegungen zwischen beide Innenverteidiger ab. Folglich entstand ein 3-3-4, wobei die beiden ersten Linien sehr eng standen und die letzte Reihe durch individuelle Pendelbewegungen sehr fluide war. Besonders mit dem Aktionsradius von Hahn und Johnson hatte Schalke Probleme, weil sich beide auch des Öfteren in die Halbräume fallen ließen und als kurze Ablageoptionen fungierten.
Schalke gab nach dem Gegentreffer die vorher zu beobachtenden Mechanismen weitestgehend auf und Kellers Mannschaft wurde 4-2-3-1-hafter beziehungsweise schematischer. Die Königsblauen hielten stärker die Positionen und probierten es vornehmlich über einfache Flügeldurchbrüche oder lange Bälle die Außenbahnen entlang. Gefährlich wurde es, wie in der 26. Minute, infolge von schnellen Weiterleitungen über Neustädter und Boateng, wenn damit die Gladbacher Kompaktheit über rasche Pässe durch die Formationsschnittstellen durchbrochen wurde. Marco Höger schaltete sich nun auch häufiger in den Spielaufbau ein. Allerdings war sein zentrales Abkippen eher kontraproduktiv, weil einerseits Ayhan und Höwedes die frühen Pässe eigentlich im Griff hatten und andererseits Neustädter sich nun noch stärker auf das Aufrechterhalten der Verbindungen zu seinem tiefen Sechserkollegen konzentrieren musste.
Zweite Halbzeit: Torfestival und Einfallslosigkeit
Die Hausherren konnten unterdessen weiter auf die auftretenden Lücken hinter den Außenverteidiger spekulieren, die sich im Umschalten sofort anpeilten. Die zweite Halbzeit begann mit zwei Wechseln. Die angeschlagenen Jantschke und Fuchs gingen. Dafür kamen Patrick Herrmann und Julian Draxler. Bei Schalke war dies ein positionsgetreuer Wechsel, während bei Gladbach von nun an Johnson auf die Rechtsverteidigerposition ging und Hahn mehrheitlich im zweiten Durchgang über die linke Seite kam.
Die Partie entwickelte sich in der ersten Viertelstunde der zweiten Halbzeit sogleich zu einem Torfestival. Nach dem 2:0 durch Hahn per Kopfball nach einem Freistoß sowie einem Elfmetertreffer von Eric Maxim Choupo-Moting erhöhte Kruse in der 56. Minute auf 3:1. Bei dieser quasi Vorentscheidung konnte sich Raffael weiträumig an der Mittellinie drehen und postwendend durch den verwaisten Sechserraum in die Tiefe zu seinem Sturmpartner spielen.
Keller reagierte, indem er Huntelaar für Höger einwechselte und Boateng auf die Doppelsechs zog sowie Choupo-Moting auf die Zehnerposition beorderte. Insgesamt blieb die große durchschlagende Wirkung allerdings aus. Beide Außenverteidiger schoben in zahlreichen Ballbesitzphasen breitegebend weit nach vorn, was wiederum große Lücken auf beiden Seiten bewirkte. Jedoch waren die Angriffe von Gladbach nicht mehr derart druckvoll und man verwaltete eher im geordneten Abwehrpressing die komfortable Führung. Raffael setzte in der 79. Minute den Deckel auf die Partie.
Fazit
Die Verletzungssorgen auf Schalker Seite können in diesem Fall nur bedingt als Erklärung herhalten. Vielmehr versteht es Keller aktuell nicht, aus der spielstarken Mannschaft ein wirklich dominantes, aber zugleich stabiles Team zu zimmern. Für den offensiven Drang bezahlten die Königsblauen vor allem mit defensiven Lücken. Besonders Rechtsverteidiger Clemens war als ein Schwachpunkt auszumachen. Er verhielt sich im Aufbau teils merkwürdig, blieb lange mit Ayhan und Höwedes auf einer Linie. Zudem startete er nach kurzen Pässen auf der Außenbahn sofort kopflose Vertikalsprints, mit denen er in der Gladbacher Formation stecken blieb und vom Angriffsrhythmus her überhaupt keine Tiefe entwickeln konnte, weil der Ball schon längst nach innen gespielt wurde.
Für die Borussia aus Mönchengladbach entwickelte sich hingegen eine Partie, die wie gemalt für Favre und Co. war. Der Gegner fand keine Mittel gegen die kompakten Ketten. Kramer und Raffael dominierten unterdessen im Zentrum. Besonders der deutsche Nationalspieler entwickelt in diesen Wochen bereits wieder seinen gefürchteten 100-Meter-Aktionsradius und ist mit seiner Spielintelligenz in vielen Szenen nahezu nicht zu stoppen. Johnson, Hahn und später Herrmann wurden auf den Flügeln zu vielen Durchbrüchen eingeladen und auch der Druck auf Kruse im offensiven Zentrum war nicht intensiv genug. Dies alles wurde mit kleineren Rhythmuswechseln im Pressing, von tiefem Mittelfeld- auf etwas stärker verschiebendes Abwehrpressing, garniert et voilà: Drei Punkte.
11 Kommentare Alle anzeigen
Taisumi 7. Oktober 2014 um 11:09
DiMatteo ist neuer Trainer auf Schalke. Als Fan frage ich mich jetzt, was von dem Mann zu halten ist. Was haltet ihr von dieser Personalie, liebe SV?
HK 7. Oktober 2014 um 11:34
Ich find’s zumindest amüsant. Di Matteo ist ein netter Mann. Das und die zu erwartende Rückendeckung von Verein und Medien (die mehrere Tage, Wochen etc. anhalten könnte?) , könnten dafür sorgen, dass das ein paar Monate gut geht.
Michael Maier 14. September 2014 um 23:51
Ja, ja, ja – Schalke hat Gladbach voll in die Karten gespielt. Es wird interessant sein, zu sehen, wie Gladbach mit Gegnern klarkommt, die defensiv besser organisiert sind, weniger Räume anbieten, und eventuell generell tiefer stehen. Dennoch trivialisiert der Artikel die Gladbacher Vorstellung („simple Konter“) und wird dem Spielgeschehen damit nicht gerecht. Ich habe z.B. eine alles überragende Leistung von Raffael gesehen, und einen sehr, sehr starken Kruse. Dazu einen Hahn, der jetzt zunehmend „angekommen“ wirkt und der dem Gladbacher Spiel die nötige Durchschlagskraft verleiht. Favre wird unweigerlich weiteres „Feintuning“ betreiben, um das System zu finden, das am besten zu seinen Spielern passt.
Thore 14. September 2014 um 21:56
Ich war schockiert: Schalke spielt mit Neustädter und Aogo, quasi DER SV-Hipster-Defensivmonster-Doppel6 und kassiert 4 Stück. Musste MR eine Träne verdrücken? 😉
HW 15. September 2014 um 09:48
Muss an Kramers Aktionsradius von 100 Metern gelegen haben. Er hat scheinbar nicht nur auf dem Feld das Spiel dominiert, sondern auch die meisten Zuschauer mit Getränken versorgt.
CE 15. September 2014 um 10:11
Oder es ist nur mit einem Augenzwinkern zu lesen 😉
S 16. September 2014 um 11:08
Neustädter war katastrophal. Er ist ein Taktik-Rollenspieler: er funktioniert hervorragend in einer gut organisierten Mannschaften wie Favres Gladbach, geht in einer unorganisierten Mannschaft wie Kellers Schalke aber gnadenlos unter.
(Aogo hat links verteidigt.)
Thore 16. September 2014 um 14:22
Ah fuck, ich meinte natürlich Neustädter und Höger. Hab ich echt Aogo geschrieben? Das hat doch jemand von den Administratoren heimlich verändert 🙁
SF 14. September 2014 um 16:35
Zwei Fragen an CE oder fachkundige User 🙂
„Besonders zu Beginn ging Kevin-Prince Boateng mehrmals auf die linke Seite und wollte aus dem Zentrum heraus im Freiraum angespielt werden. Christian Fuchs balancierte diese Bewegungen aus, zudem schob Sam ins Zentrum, um die Ablagen Boatengs nutzen zu können.“
Kannst du noch kurz erläutern wie genau die balancierten Bewegungen von Fuchs aussahen?
Und was ist deine/eure Meinung zum 1:0? Hätte Neustädter Aogo absichern müssen?
CE 14. September 2014 um 21:51
Das war jetzt auch recht unspektakulär. Teilweise war Fuchs dann etwas tiefer halblinks und überlief erst wieder, wenn Boateng nach innen zog. Wirklich Überladungen gab es eher nicht.
SF 15. September 2014 um 13:09
Okay, danke.