SC Paderborn – FSV Mainz 05 2:2
Zum historischen Bundesliga-Debüt verpasst der SC Paderborn nur um Sekunden den ersten Sieg. In einer nicht übermäßig starken Partie mit erwarteten Ausrichtungen waren vor allem die kleinen Details interessant.
Grundausrichtungen und kleinere Umbauten
Nach der Veröffentlichung der Mainzer Aufstellung gab es als Reaktion vereinzelt sogar die Vermutung ob einer möglichen Fünferkette, auf die der neue Trainer Hjulmand im Verlauf beider EL-Quali-Partien gegen Asteras Tripolis umgestellt hatte, doch schließlich war es ein 4-2-3-1 mit Brosinski auf rechts und später leicht verschobener Rollenverteilung. Anfangs dominierte in der Spielweise der 05er ein Linksfokus um Koo herum, der sowohl vom dorthin tendieren Djuricic als auch von Baumgartlinger unterstützt wurde. Ballfern arbeitete Brosinski zunächst noch in die Spitze, wie es unter dem neuen Coach strukturell bisher häufig vorkam.
Dagegen setzte der Bundesliga-Neuling von Trainer André Breitenreiter ein 4-4-2 mit gewissen Mannorientierungen, das in der Anfangsphase mit einem überraschend etwas höheren Kachunga die Mainzer linke Seite diagonal versperren und deren Spiel stattdessen zum anderen Flügel leiten sollte. Auch wenn die Abstimmung zwischen den äußeren Mittelfeldakteuren und den Stürmern beim SCP nicht immer optimal war, klappte dies grundsätzlich doch ordentlich.
Nach etwa gut zehn Minuten stellten die Mainzer im Detail ein wenig um, tauschten Bell und Bungert und verstärkten die Tendenz zur Asymmetrie, indem Brosinski tiefer agierte. Dies führte vor allem im Aufbau zu angedeuteten Dreierketten- Ordnungen mit stärker nach rechts gerichtetem Djuricic. Wirklich effektiv war die genaue Ausrichtung letztlich aber nicht, da die vorigen Linksüberladungen zerrissen wurden und nicht gleichwertig ersetzt werden konnten. Die Einbindung von Djuricic war eher inkonstant, die Möglichkeiten der grundsätzlichen Stellungen wurden nicht ganz genutzt und die zusätzlich entstehenden diagonalen Passmöglichkeiten für Brosinski konnten den eingebüßten Linksfokus nicht adäquat kompensieren.
Paderborns Defensivspiel
So hielten die Paderborner das von viel ineffektivem Ballbesitz geprägte Aufbauspiel der Gäste weiterhin in Schach. Auch sie stellten in Reaktion allerdings um und veränderten die genaue Spielweise ein wenig. Nun agierten sie passiver in der ersten Reihe und zogen die Stürmer etwas nach hinten, so dass diese tendenziell die Sechser im Deckungsschatten halten und erst später herausrücken sollten, um bestimmte Wege – meist vom Flügel ins Zentrum zurück – zuzustellen. Dafür tauschten die Stürmer mehrfach auch die Seiten, was Bakalorz und Vrancic dahinter ebenfalls einige Male taten, wobei es teilweise so schien, als würde Letzterer ein vertikales Pärchen mit Kutschke und Ersterer entsprechend mit Kachunga bilden.
Das Verschieben der Paderborner zum Flügel war zwar nicht allzu besonders, aber methodisch doch insgesamt ordentlich angelegt und auf vernünftige Zugriffsradien bedacht. Gegen die Mainzer linke Seite – vor allem nach deren leichter Umstellung – nahm der ballnahe Sechser eine situative Mannorientierung auf sein dortiges Pendant auf, während der ballferne Stürmer sich diagonal nach hinten auf den anderen defensiven Mittelfeldmann der 05er orientierte. Beim Einrücken von der ballfernen Seite schob Stoppelkamp dann oftmals bewusst tiefer und hielt sich in der Nähe von Djuricic, so dass auch er potentiell mannorientierten Zugriff nach hinten hätte herstellen können.
In etwas riskanteren Szenen, bei klareren Deckungen oder in generell schwächeren Defensivmomenten zeigten sich Bakalorz und Vrancic individuell gut beim Versperren der Räume und positionierten sich einige Male aufmerksam und interpretativ so, dass Mainz nicht direkt in gefährliche Bereiche gelangte. Nur selten wurden die beiden beim Herausrücken auf dem falschen Fuß erwischt, so dass die Rheinhessen nur ein oder zwei Mal klare Überzahlen im Zehnerraum fanden und dann mal mit von Okazaki ausgehenden kombinativen Weiterleitungen ihre besten Offensivszenen hatten.
Insgesamt kamen die Mainzer ansonsten nur selten zu klaren Chancen, was auch an eigenen Rhythmusproblemen lag. Wie schon in vorigen Partien unter dem neuen Coach agierten sie etwas drucklos, in den falschen Momenten unintensiv und zu wenig zielstrebig in den Verbindungsaktionen. Ihr Spiel ist weiterhin von einer sehr seltsamen, phasenweise unangenehm werdenden Mischung aus Kombinationsansätzen und Direktspiel hinter die Abwehr, aus Überladeversuchen und ganz schwachen hohen Staffelungen geprägt, die in seltsamem Verhältnis zueinander stehen und ungewöhnlich vermengt sind.
Simples Direktspiel bestraft Mainzer Probleme selten
Gegen den Ball zeigte die Mannschaft von Kasper Hjulmand ein auch nach der leichten Formationsänderung weitgehend unangetastetes (Ausnahme der formale Seitentausch der Spitzen Okazaki und Djuricic) 4-4-2-Pressing, das die Paderborner recht früh zustellte und bei einem zurückfallenden Sechser mannorientiert auf diesen nachschob. Die insgesamt ohnehin sehr seltenen Aufbauszenen des Heimteams wurden durch diese Ausrichtung meistens erstickt und bestanden oftmals nur aus ineffektiven langen Bällen oder direkten Szenen über die Flügel. Dies war die Hauptroute des Paderborner Offensivspiels und konnte einige Male auch entlang gespielt werden, wenn die Mainzer beim Verschieben nach außen und dem Zusperren der Seite nicht konsequent genug agierten – was gelegentlich mal vorkam. Über ihre Flügelpärchen spielte Paderborn schnell und direkt die Linie herunter und griff schließlich zu einer Reihe an frühen Flanken. Diese waren aber eher plump eingebunden, verhinderten die Nutzung des herum driftenden Kachunga als Teil von kreativeren Flügelüberladungen und brachten nur wenig ein. Dass sie dadurch leichte Gefahr ausstrahlten, kam eher daher, dass die Mainzer Offensivreihe sich außen zu leicht und drucklos überspielen ließ und dann anschließend nicht immer konsequent genug weiter mit nach hinten rückte.
Vereinzelt stellten sich die 05er beim Nachschieben auf den zurückfallenden Sechser unkoordiniert und zu unkollektiv an. Eine der wenigen Ausnahmen war die Entstehung des 1:1, als Bakalorz eng verfolgt wurde, aber die Mainzer dahinter auf die vorderen Mannorientierungen schwach reagierten und ohnehin nicht optimal verschoben. So konnte Vrancic simpel in einem Loch angespielt werden und den Ball zum Flügel tragen. Die entstehende Mainzer Unkompaktheit in den Halbräumen wurde bei solchen Szenen normalerweise nicht bestraft, da Paderborn sehr direkt die beiden Außenspieler suchte und die deutlichen Lücken eben nicht bedient wurden, doch in diesem Fall kam der Ball mal etwas diagonaler dorthin und fand dann über den Umweg der verunglückten Klärung die gefährliche Zone. In der Phase nach diesem Treffer gelang es den Ostwestfalen etwas bewusster und besser, die Halbräume diagonal zu besetzen und anschließend vor allem durch Stoppelkamp auf halblinks dort hineinzuspielen anstatt immer nur die flache, schwach gestaffelte letzte Linie anzuvisieren. Von rechts machte Koc noch längere Wege herüber und zog ballnah über dem Halbraum in die Spitze – dies hatte Kachunga oft übernehmen müssen, der stattdessen in dieser Phase sich mit dem Halbraum selbst beschäftigen konnte.
Zweite Halbzeit
Zunächst lief die zweite Halbzeit in ähnlicher und wenig ereignisreicher Manier fort. Größere Änderungen gab es auch in den Ausrichtungen kaum. Die Hausherren stellten ihren Aufbau etwas um, ließen Vrancic tiefer agieren und schoben Bakalorz unterstützend ein wenig auf die rechte Seite heraus, was diesem Flügel die eine oder andere zusätzliche Szene einbrachte. Mainz gewann durch den eingewechselten Jara mehr Zug in den rechten Aufbauräumen und ersetzte später Brosinski durch Moritz, der in den Verbindungszonen etwas effektiver war und in der Endphase vereinzelt unterstützende Läufe auf links zeigte.
Weite Teile des zweiten Durchgangs waren aber eher ein Beispiel für die strategischen und taktikpsychologischen Folgen der jeweiligen Grundspielweisen in ihrer Wechselwirkung. Das insgesamt zu simple, aber druckvolle und engagierte Flügel- und Direktspiel des SCP sorgte immer wieder für quantitativ viele und oft tornahe Szenen, die sie gefährlich wirken ließen, Mainz zurückdrängten, deren Rhythmus etwas beeinträchtigten und somit gegen die in diesem Punkt instabilen 05er relativ einfach für eine gewisse Kontrolle und mehr Spielanteile als zuvor sorgte. Dagegen war das rhythmisch seltsame und etwas träge angelegte Spiel der Rheinhessen für Paderborns Defensivstil gut zu kontrollieren – das in seiner Ausführung teilweise passive, manchmal nur angedeutete, aber insgesamt doch engagierte Herumschieben mit immer mal wieder situativen Mannorientierungen passte effektiv dazu.
Erst in den allerletzten Minuten nahm die Partie noch einmal Fahrt auf, als Mainz sich durch einen konsequenteren Fokus auf die Linksüberladungen wieder besser in die Partie einschalten konnte und sich individuell vor allem Koo sowie Djuricic mit technischer Stärke sowie mehreren herausragenden Hackenaktionen verbindend wie ankurbelnd hervortaten. Bei Paderborn wusste die Ausrichtung nach dem Doppelwechsel zu gefallen – Rupp und Vucinovic pendelten zwischen rechtem Halbraum und Flügel, Bakalorz wurde vorgeschoben als eine Art Zehner positioniert und konnte von dort auch mit der einen oder anderen Freiheit ausweichen.
Auch wenn es nicht unbedingt systematisch war, wurde dies beim 2:1 aber belohnt, als der Mittelfeldmann nach einem Ballgewinn der Kollegen schließlich aus jener Position die Vorbereitung für Hünemeiers Treffer lieferte. In der hektischen Endphase verschuldete er fast einen Strafstoß, ehe Sippel in der 93. Minute eine weniger klare Situation ahndete und auf den Punkt zeigte. Wenn man wollte, könnte man interpretieren, dass die veränderte und tiefere Ausrichtung der Paderborner mit Bakalorz tendenziell wieder als Sechser neben Vracnic und Rupp als tiefem, etwas chaotisch davor gleitenden Akteur für Unordnung gesorgt habe – einen gewissen Einfluss dürfte es durchaus gehabt haben.
Fazit
Auch wenn es etwas glücklich zustande kam, war es doch auch aufgrund der offensiven Mainzer Steigerung in der Schlussviertelstunde ein leistungsgerechtes Remis. Beide Mannschaften lieferten dabei in etwa die erwartete Performance ab – Paderborn versuchte es über Flügeldruck, eine ordentliche Defensive und kleinere gute Umstellungen, Mainz hatte seine Momente, muss sich aber defensiv noch steigern und die Inkonstanz sowie Instabilität des seltsamen Rhythmus ablegen. Bisher zeigen sich die Rheinhessen ein wenig als wechselhafter Potentialverschwender, was letztlich gefährlich werden könnte. Paderborn gewann bei seinem Bundesliga-Debüt einige Sympathien und konnte seine Stärken ordentlich zur Geltung bringen, wird in dieser Spielzeit mit der simplen Spielweise aber sehr viel investieren und hart um den Klassenverbleib ringen müssen. Ihre taktisch starken Einzelspieler dürften sich dabei möglicherweise als wichtiges Plus erweisen. Schließlich wird es interessant sein zu sehen, ob sie ihrer Flügelspielweise durch einfachen Druck, Quantität und den einen oder anderen geschickten Kniff oft genug die nötige Effektivität verleihen können – was ihnen im Vorjahr den Aufstieg brachte und auch diesmal gelang.
1 Kommentar Alle anzeigen
Koom 25. August 2014 um 09:43
Danke für die Analyse.
Klingt noch nicht ideal für die Mainzer und man muss abwarten, ob das nur die ganz normalen Umstellungsschwierigkeiten eines Trainerwechsels ist (von einem Fachmann zum anderen) oder ob Hjulmands Spielweise für die Bundesliga zu „schwach“, also zu wenig konzentriert, konzertiert und kompakt ist. Die Offensivspielweise scheint ja durchaus halbwegs schon so zu sein, wie er es will – also ein aktuell noch eher halbgares Konstrukt aus Ballbesitz (eher Spielverschleppung) und Direktspiel. Fraglich, ob das so zu Mainz passt, die in der Bundesliga sich bislang immer über starke Defensive und überfallartige Angriffe am besten präsentierten, bei Phasen, in denen sie das Spiel über Ballbesitz gestalten wollen, eher uneffektiv wirken.