Atlético Madrid – Real Madrid 1:0

Der erste Titel in Spanien ist vergeben: Atlético gewinnt den Supercopa gegen den Stadtrivalen Real Madrid. Nach einem 1:1 im Hinspiel genügt den Rojiblancos ein 1:0 im feurigen Vicente Calderón. Diego Simeone wurde derweil noch in der ersten halben Stunde herausgestellt. 

Der Blick zurück

Aber erst einmal zurück zum Hinspiel vom Dienstag, dass Unentschieden endete.  Ein Tor von James wurde durch Raúl García nach einem Eckball kurz vor Schluss noch ausgeglichen. Auffällig war die recht durchwachsene Leistung der Rojiblancos in der ersten Halbzeit. Nach den Abgängen von Diego Costa und Filipe Luís versucht Diego Simeone dem Anschein nach, das System Atléticos zu konservieren und mit neuen Spielern auszustatten. Allerdings war das 4-4-2 weniger horizontal kompakt. Der erste Pressingblock in Form der zwei Neuner war weiter entfernt vom Mittelfeldband. Zugleich übte vor allem Mario Mandžukić wenig Druck im Pressing aus, bevor er umspielt wurde. Im Anschluss versuchte der kroatische Neuzugang einige Mal rückwärts zu pressen. Aber die Mittelfeldreihe stand zu tief, wodurch die Aufbauaktion Reals nicht im Tempo gebremst wurde und dieses Rückwärtspressing verpuffte. Insgesamt wirkte Mandžukić bereits in der Vorbereitung, wo man in den ersten vier Partien lediglich einen Treffer erzielen konnte, als Sorgenkind. Er war im Hinspiel gegen den Stadtrivalen nicht eingebunden und auch von sich aus zu inaktiv. Selten rückte Mandžukić auf die Außenbahn und strebte beispielsweise Duelle mit Dani Carvajal an, obwohl Atléticos Stürmer mit längeren Bällen gesucht wurde.

Grundformation in der ersten Halbzeit des Rückspiels

Grundformation in der ersten Halbzeit des Rückspiels

Insgesamt agierten die Colchoneros in vielen Phasen wie eine Light-Version des letztjährigen Teams. Das Mittelfeldband stand nicht enger als die beiden Außenverteidiger, was eigentlich eine besondere Form des Defensivspiels in der vergangenen Saison war. Trotzdem wurde Real immer wieder auf die Flügel geleitet und der amtierende Champions-League-Sieger nahm dies auch an, indem er auf den Außenbahnen die Durchschlagskraft suchte. Vor allem Gareth Bale war zusammen mit Carvajal in dieser Hinsicht auffällig. Eroberte Atlético aufgrund der weiterhin vorhandenen Zweikampfstärke den Ball, griff häufig das Gegenpressing der Ancelotti-Truppe, indem sie mit ihren vorgerückten Akteuren recht simpel auf den Außenbahnen isolieren konnte. Man nutzte also das leitende Element des Stadtrivalen in diesem Punkt pragmatisch. Folglich versandeten zahlreiche Umschaltaktionen bereits in der eigenen Spielhälfte. Häufig entstanden sogar frühe, gefährliche Ballverluste. Auf der Gegenseite spielen natürlich auch die Pressingmonster namens Toni Kroos und Luka Modrić.

„Altes“ Atlético und Carlettos Wechselfehler

Im Rückspiel zeigte sich das Angriffspressing der Rojiblancos von der altbekannten Seite. Mandžukić traf nicht nur nach zwei Minuten zur Führung. Er agierte in Kombination mit Antoine Griezmann sehr gut gegen den Aufbau der Gäste. Grundsätzlich war Atlético in einer Mischung aus 4-2-2 und 4-4-1-1 konstituiert. Griezmann wich horizontal und diagonal etwas stärker aus und fungierte gerade im Umschaltspiel als Zehner im Zwischenlinienraum und damit ballsichere Passoption für steile Zuspiele. Damit nahm Simeone wiederum Mandžukić ein wenig Druck von den Schultern, indem der Kroate nicht derart viele Bälle verarbeiten musste.

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Treffer zum 1:0

Der Führungstreffer zu Beginn fiel recht simpel. Mandžukić gewann ein Kopfballduell gegen Raphaël Varane, infolgedessen der Franzose den Zugriff auf den gegnerischen Stürmer verlor. Griezmann verlängerte etwas überraschend gegen Sergio Ramos.  Mandžukić schob ein.

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Abstoß von Moyà

Atlético verengte in der Folge immer wieder auffällig das Feld. Hier schob beispielsweise bei einem Abstoß von Miguel Moyà vom rechten Fünfereck Linksverteidiger Guilherme Siqueira weit hinein, stand fast vor Diego Godín. Koke war als nomineller Linksaußen komplett ins Zentrum eingerückt.

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Carvajal mit Ball an der Außenlinie

Diese enge Staffelung wurde auch gegen den Ball deutlich. Während die horizontale Kompaktheit im Hinspiel zeitweilig fehlte, standen in dieser Szene bei Ballbesitz der Gäste an der rechten Seiten Juanfran sowie Raúl García an der verlängerten Linie des Fünfmeterraums. Etwas Atlético-untypisch positionierte sich auch der Außenverteidiger nicht ein Stück weit breiter, sondern bewachte innen Karim Benzema.

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Attacke auf Coentrão

Dafür war Fábio Coentrão breitegebend sehr allein auf der Außenbahn. Der Portugiese sollte mit seinen Vorstößen auch diese Lücke etwas kompensieren, da James Rodríguez oftmals in den Zehnerraum einklappte. In tieferen Position wurde aber Coentrão aggressiv von Mandžukić angelaufen. In dieser Szene blockt zudem García den Passweg nach vorn. Lediglich Toni Kroos vorm Mittelfeldband der Rojiblancos war eine Anspieloption, konnte aber in den Schatten von Mandžukić geraten.

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Atléticos 4-4-2

Aber die enge Abwehrlinie blieb kein konstantes Merkmal. In vielen Szenen war die letzte Reihe der Hausherren wieder breiter und folglich nahmen die Außenverteidiger das Leiten auf die Flügel auf.  Zudem waren wieder eindeutigere Pressingphasen zu erkennen, wodurch auch die vertikalen Linienabstände klarer aussahen und der Verengung dienten.

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James vor der Doppelsechs – Carvajal mit Diagonallauf

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Szene mit einer anderen Perspektive – eine minimale Schnittstelle war offen

Trotzdem kam Real zu einigen Chancen in der ersten Halbzeit. Häufig waren James und/oder Toni Kroos beteiligt. Besonders Real Madrids Zehner fand aufgrund seiner grandiosen Ballverarbeitung selbst im äußerst engen Zwischenlinienraum noch Zugriff auf den Ball und Mittel zur Weiterleitung. Zudem sprintete Carvajal mehrmals von außen ein. Das Loch zwischen Innen- und Außenverteidiger wurde hierbei effektiv bespielt, sofern Tiago und Gabi die Aktionen James‘ nicht stoppen konnten.

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Alonso auf James und sofortiger Abschluss des Kolumbianers

Doch die Einbindung von James erfolgte häufig nur über riskante Vertikalpässe von Alonso und Co. Trotz des Drucks der Rojiblancos fanden die Gäste mehrmals Wege durch die Schnittstellen.

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James hinter den Sechsern mit Schussgelegenheit

In dieser Szenen wurde James sogar im Zwischenlinienraum hinter Tiago und Gabi gefunden. Auch hier erfolgte im Anschluss ein Torabschluss.

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Xabi ohne Möglichkeiten

Doch in anderen Phasen kappte Atlético sehr konsequent die Passwege für den Spielaufbau von Real Madrid. In dieser Szene konnte der abgekippte Xabi Alonso keine vertikale Anspielstation finden, er spielte schlussendlich nach außen, was die Rojiblancos bezwecken wollten.

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Kross tief im Aufbau vor dem situativen Dreierblock

Kroos schien derweil etwas blass zu bleiben. Aber er gab dem Spiel seiner Mannschaft auch Struktur. Im Gegensatz zu Modrić positionierte sich der deutsche Nationalspieler eher selten breit. Lief es im Aufbau von Real Madrid schleppend, schaltete sich Kroos über den linken Halbraum ein. Allerdings geriet er somit vor den ersten Block der Hausherren. In dieser Szene ist Ancelottis Mannschaft quasi zweigeteilt.

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Neue Aufteilung nach der Pause

Der italienische Trainer reagierte zur Halbzeitpause und nahm Kroos raus. Für ihn kam Linksaußen Cristiano Ronaldo. Wahrscheinlich wollte Ancelotti damit mehr Durchschlagskraft über den linken Flügel erzeugen. Doch er entzog seiner Mannschaft auch eine ordnende Hand. Mehrheitlich agierte Real Madrid in der Folge in einem 4-2-3-1/4-2-1-3 bei eigenem Ballbesitz. Defensiv rückte James auf die linke Achterposition und es entstand ein 4-3-3. Atlético konnte dies insgesamt einfacher verteidigen. James‘ Bewegungen waren vorhersehbar, sein horizontaler Pendelradius wurde kleiner. Die Außenstürmer konnten gut mannorientiert bewacht werden. Die Zentrale der Gäste wurde von beiden Neunern bearbeitet. Eine große Gelegenheit hatte Real Madrid in der zweiten Halbzeit nicht.

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Lücken in Reals Sechserraum bei Schnellangriffen von Atlético

Hingegen brach Atlético mehrmals durch. Bei Umschaltaktionen oder Schnellangriffen war zum Teil der gegnerische Sechserraum verwaist.

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Versuchte Flügelisolation, aber schlecht gestaffelt

Ansonsten konnte Ancelottis Team auch selten Druck auf Atlético ausüben. Die Rojiblancos gewannen zunehmend die Oberhand. Versuchte man, wie in dieser Szene, beispielsweise Koke auf dem Flügel zu isolieren, passte die situative Staffelung nicht.

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Lauern auf Bales Ballannahme mit anschließendem Ballgewinn

Die Hausherren hingegen übten unter anderem nach Verlagerungsbällen sofort Druck aus und gewannen das Spielgerät zurück.

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Gegenpressing: Ramos Pass in Richtung Marcelo landet bei Atlético

Zugleich bereiteten sie nicht nur mit ihrem Mittelfeldpressing Real Madrid einige Schwierigkeiten. Durch kurze überfallartige Läufe wurden die Passwege aggressiv attackiert. Insgesamt wurden 15 Zuspiele abgefangen und viele weitere durch Anschlusszweikämpfe gewonnen.

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Leitend auf die Flügel

Dazu dienten auch bis zum Ende der Partie die sehr konzentriert ausgeführten Aktionen zum Leiten auf die Außenbahnen. Durch die ausgedünnte Zentrale der Gäste war dies zudem einfacher möglich.

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Simeone behielt auch von der Tribüne aus das Zepter in der Hand

Wenngleich Diego Simeone nach rund 27 Minuten den Stadioninnenraum verlassen musste, konnte er weiterhin Anweisungen geben. Die Hauptribüne im Vicente Calderón reicht bis kurz hinter die Trainerbank. Da war der Kommunikationsweg zwischen Simeone und Co-Trainer Germán Burgos überschaubar kurz.

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Umschaltversuch der Hausherren

Trotz zahlreicher Balleroberungen mussten die Gastgeber bis zum Schluss zittern. Umschaltaktionen aus der zweiten und dritten Pressingphase Atléticos, sprich dem tiefen Mittelfeld- oder Abwehrpressing, versandeten häufig im improvisierten Kombinationsspiel. Das Ausschwärmen geschah oftmals etwas wild und unabgestimmt. In dieser Szene versuchte Mandžukić nach rechts durchzustarten, prallte (!) aber an Ramos ab. Auf eine Ablage auf Tiago folgte ein kurzer Pass auf Gabi. Die Dynamik ging verloren. Diese Problematik war bereits in der vergangenen Saison des Öfteren zu beobachten.

Fazit

Das frühe Tor begünstigte natürlich Atléticos Vorgehensweise. Real Madrid musste, um die Verlängerung zu erreichen, noch treffen, schaffte dies aber über 88 Minuten nicht. Dabei schienen die Offensivaktionen im ersten Durchgang noch gefährlicher. James verhielt sich sehr flexibel in seinen Positionierungen. Der Neuzugang von der AS Monaco wurde gerade nach einer halben Stunde mehrmals im Zehner- beziehungsweise Zwischenlinienraum gefunden. Auch Carvajals Diagonlläufe zeigten Wirkung. Coentrão war auf der linken Außenbahn weniger präsent, was aber zum einen an der ungleichen Flügelaufteilung bei den Gästen und zum anderen am Pressing von Mandžukić, García sowie Juanfran lag. Die Herausnahme von Toni Kroos zugunsten der stärkeren Präsenz und Durchschlagskraft auf links stellte sich zum Schluss als Fehler heraus.

Die Anhänger von Atlético können derweil aufatmen. Simeone versucht mit teils neuen Akteuren im bewährten System das Niveau aufrecht zu erhalten. Der heißspornige Argentinier konnte hinsichtlich dieses Aspektes bereits in der Vergangenheit Erfahrungen sammeln. Im Vergleich zum Hinspiel war bereits wenige Tage später eine klare Leistungssteigerung zu erkennen, die jene bekannten Grundkomponenten enthielt.

Danke an laola1.tv für das Bildmaterial!

king_cesc 23. August 2014 um 20:58

Welche Alternativen Wechselvarianten werden denn vorgeschlagen?

Ronaldo für …

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kvist4 23. August 2014 um 21:27

… Alonso würde mir jetzt spontan einfallen.
Kroos dann als tiefster mittelfeldspieler James auf die 8.
Er hätte dann auch im Di-Maria Style die einrückenden Bewegungen Ronaldos ausgleichen können, so wie gegen Sevilla im Uefa Supercup.

Antworten

CE 23. August 2014 um 23:54

Ronaldo gar nicht zur Pause einwechseln. Ganz von der Grundsatzdiskussion abgesehen, ob CR aktuell in derartigen Partien Wirkung entfalten kann, hatte Real Madrid zwischen der 25. und 45. Minute vier Torchancen. Man war keineswegs ungefährlich.

Antworten

king_cesc 24. August 2014 um 10:41

Wie hätte dann die Ausgleichende Bewegung auf den linken Flügel ausfallen müssen?
Benzema als Unterstützung für Coentrao? Oder Coentrao bewusst alleine lassen und mit Rechtsfokus weiterspielen?

(Übrigends auch meine einzige kleine Kritik am Artikel: Man hätte für die Hauptkritikpunkte eventuell einen kleinen Lösungsvorschlag einbauen können, damit der Lerneffekt größer wird.)

Antworten

CE 24. August 2014 um 21:33

Naja, ich glaube kaum, dass Ancelotti hier mitliest 😉

Man hätte Coentrão auf dem Flügel alleine lassen, teilweise García/Mandžukić binden und Kroos situativ Halbräume geben können. Mehr Druck über diese Seite erzeugt dann auch ein frischer Isco (für Alonso zum Beispiel). Marcelo als Wechseloption für Coentrão hätte es auch gegeben – vielleicht als ein-/vorrückender Außenverteidiger, kombinativ mit Kroos, sowie es in der zweiten Halbzeit des Hinspiels gemacht wurde.

Antworten

king_cesc 25. August 2014 um 12:46

Danke für die Antwort!

Die neue Seite find ich übrigends auch gut!

CE 25. August 2014 um 13:33

Kein Problem & besten Dank. Vor allem TE wird es freuen.

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