Hamburger SV – FC Augsburg 0:1

Hamburg empfing Augsburg, welche sich nach der Winterpause langsam in der Tabelle nach oben orientieren.

Gefangen im 4-4-2/4-1-3-2-Pressing

Beide Mannschaften hatten eine ähnliche Ausrichtung in ihrer Arbeit gegen den Ball. Augsburg presste etwas höher in einem tiefen Angriffspressing, während Hamburg in einem Mittelfeldpressing agierte. Bei der Formation gab es aber interessante Gemeinsamkeiten, Effekte und Konsequenzen. Bei beiden Mannschaften wurde aus dem nominellen 4-2-3-1 (bei Augsburg war es zugegeben eher ein 4-1-4-1/4-2-3-1-Hybrid, auf dem Papier aber wegen Jis hoher Position in der Offensive relativ gleich) ein 4-4-2, welches aber oftmals zu einem 4-1-3-2 wurde.

Pressing des HSV im 4-1-3-2. Bei den Augsburgern war es etwas mannorientierter, aber formativ ähnlich.

Pressing des HSV im 4-1-3-2. Bei den Augsburgern war es etwas mannorientierter, aber formativ ähnlich.

Beim HSV war es zumeist Milan Badelj, der nachschob, während sich Augsburg abwechselte. Vorrangig war es natürlich Koo, der sich Richtung Badelj und Rincon bewegte. Beide Mannschaften stellten die gegnerischen Innenverteidiger mannorientiert zu, was sich insbesondere für Augsburg beinahe katastrophal auswirkte. Sie hatten in der ersten Hälfte phasenweise an die 60% Passgenauigkeit, Torwart Mohamed Amsif kam in der ersten Hälfte auf nur 20% angekommene Pässe.

Bei Hamburg kam dies nicht so stark zu tragen, weil sie sich einerseits natürlich auf den Innenverteidiger-Positionen mehr zutrauten, andererseits aber auch im Sechserraum viel beweglicher waren. Obwohl die Augsburger hoch und phasenweise sogar sehr gut pressten, konnten Badelj und Rincon den Ball gut behaupten.

Dies war wohl auch mit am interessantesten in dieser Partie. Badelj und Rincon konnten sehr oft in extremer Enge den Ball behaupten, insbesondere der fabelhafte Badelj zeigte sich sehr pressingresistent und intelligent in der Ballverteilung. Dadurch schlug das Augsburger Pressing fehl, Hamburg konnte dank ihrer sehr hohen Passgenauigkeit weit aufrücken und kratzte oftmals an den 70% Ballbesitz.

Hamburg überlud auch phasenweise den linken Flügel und die Halbräume, wodurch sie auch versuchten hinter die Räume des aufrückenden Sechsers Augsburgs zu kommen. Es gab bei Hamburg aber generell ein paar interessante Spielweisen, die kurz erläutert werden.

Thorsten Finks gruppentaktische Schachzüge

Bei den Rothosen kam besonders viel über links, wo es mit Jansen und Aogo eine offensive Pärchenbildung gab. Jansen erhielt dabei einige Lochpässe aus der Mitte und hatte mit Aogo auch einen Doppelpasspartner, um spielerisch in offene Räume zu kommen. Einige Male war es sogar Aogo, der aus dem Halbfeld in Richtung Auslinie ging und sich dort anbot.

Dieser Linksfokus der ersten Halbzeit wurde durch die restliche Mannschaft noch stärker provoziert. Son orientierte sich nämlich nicht nur (etwas überraschend) im Pressing nach vorne, sondern spielte auch offensiv fast immer als hängender Stürmer. Wieso war er dann trotzdem nominell der rechte Außenstürmer bei uns? Die Antwort ist einfach. Im Aufbauspiel startete Son von rechts und Arslan spielte als tiefer Zehner. Erst wenn sie in höhere Zonen kamen, ging Arslan situativ in den rechten Halbraum und Son zog von diesem in die Mitte.

Im Pressing blieb gleich oder orientierte sich Arslan dann nach rechts, Son unterstützte vorne Artjoms Rudnevs als zweiter Stürmer. Auch hier war dies eine unübliche Spielweise, aber letztlich konsequent. Son sollte mit seiner Dynamik mehr Druck auf den Innenverteidiger ausüben, außerdem war er nach hohen Balleroberungen sofort anspielbereit, um schnell gegen die aufgefächerte Formation der Augsburger kontern zu können. Arslan diente somit als Balancegeber; eine hochinteressante Rolle, die sehr gut auf ihn passt.

Grundformationen zu Beginn

Grundformationen zu Beginn

Dieser Linksfokus wurde aber später korrigiert. Diekmeier spielte in der zweiten Halbzeit sehr hoch, es gab dazu passend auch einige Veränderungen bezüglich Son. Dieser ging dann noch stärker in die Mitte und orientierte sich einige Male gar nach links, während Aogo als offensiver Achter agierte. Hamburgs Passmuster passten dabei außerordentlich gut zur Spielweise der Augsburger und sorgten für die klare Dominanz. Im Verbund mit dem extrem beweglichen Sechserraum waren sie die klar stärkere Mannschaft, scheiterten aber letztlich am Spiel im letzten Drittel.

Hier komprimierte Augsburg den Raum sehr gut, zeigte eine gute Strafraumverteidigung und profitierte natürlich auch von der schwachen Chancenverwertung der Hamburger. Diese hatten zum Beispiel nicht nur eine klare quantitative Überzahl bei Flanken (14:3), sondern spielten diese Flanken eigentlich auch sehr gut in die Mitte – oftmals war es dann der Flankenabnehmer, der eine tolle Möglichkeit zum Ausgleich verpasste.

Wechsel in der zweiten Spielhälfte

Wie schon erwähnt war Augsburg schwächer und rettete sich mit etwas Glück und einer guten Leistung um den Strafraum herum über die Zeit. Zusätzlich gab es einige Veränderungen von Markus Weinzierl, der seine Mannschaft zusätzlich stabilisieren wollte. Dafür brachte er zunächst Verhaegh als Rechtsverteidiger, wodurch der defensivstarke Vogt statt Koo in der Mitte spielte. Damit schränkte er gleichzeitig das Aufrücken im Pressing ein und Augsburg positionierte sich etwas stabiler im Mittelfeld mit einem klareren 4-4-2-Pressing.

Um dieses zu verbessern, kam später Oehrl für Mölders. Damit sollte zusätzlich mehr Defensivstärke durch ein tiefer aufgezogenes Pressing generiert werden. Augsburg stand stabiler, verengte den Raum besser und Hamburgs Torchancen bestanden nun öfter aus Distanzschützen. Nach wie vor war aber die Strafraumverteidigung der Augsburger das größte Problem. Thorsten Fink reagierte seinerseits darauf, indem er einen spielentscheidenden Wechsel vornahm.

Grundformationen am Ende

Grundformationen am Ende

In der 69. Minute kam Maximilian Beister für Rincon. Mit Beister spielte Hamburg dann kurze Zeit mit einer stärkeren Besetzung der rechten Seite, doch nach seiner roten Karte musste Diekmeier die rechte Seite nahezu alleine beackern. Zu zehnt spielte Hamburg aber weiterhin gut, kam aber nur zu wenigen Chancen – was aber auch an den schon erwähnten Veränderungen der Augsburger lag.

Dennoch hatte Fink bzw. Hamburg zu zehnt einige interessante taktische Sachen zu bieten. Bruma und Westermann agierten im Aufbauspiel vertikaler, gingen auch mit Ball am Fuß mehr nach vorne und rückten im Defensivspiel stärker heraus. Diekmeier spielte nun enorm hoch und beackerte die rechte Seite fast schon gänzlich alleine. Er wurde in der 84. Minute ausgewechselt und überraschenderweise ging dann Tolgay Arslan auf die Position des Rechtsverteidigers.

Badelj spielte mit dem enorm beweglichen Jiracek in der Schlussphase im zentralen Mittelfeld, Badelj schob sich zuvor schon höher im Aufbauspiel und agierte vertikal. Jiracek übernahm in gewisser Weise die Position des für ihn ausgewechselten Aogos mit stärkerem Fokus auf Spielgestaltung, während Slobodan Rajkovic (kam für Diekmeier) sich als Brechstange im Sturm positionierte. Letztlich brachten die Augsburger aber den Sieg über die Zeit.

Fazit

Es war alles andere als eine schlechte Leistung der Hamburger. Aogo, Badelj und die Abwehrkette zeigten eine starke Leistung, lediglich den Offensivspielern fehlte es an Zielgenauigkeit, ob im Abschluss oder im Passspiel. Im letzten Spielfelddrittel wurden viele hoffnungsvolle Angriffe unsauber zu Ende gespielt oder gute Hereingaben nicht verwertet.

Augsburg hingegen kam auf nur einen Torschuss – den Kopfball von Jan-Ingwer Callsen-Bracker in der 8. Minute zum Endstand. Sie verdienten sich zwar ihren Sieg mit viel Kampf und einer guten Strafraumverteidigung, waren aber im Spielgeschehen die schwächere Mannschaft.

Mike 17. März 2013 um 01:39

Gute Analyse, die man so genau so stehen lassen kann. Ich fand allerdings, dass der Sky Kommentator schon sehr mit HSV-Brille kommentiert hat. Wie steht es außerdem um die Abseitsentscheidung. Bei Sky meinte er neue Regel und kein Abseits, was ich nicht glauben kann. Wenn der Verteidiger wie hier nur noch den Ball berührt und eindeutig nicht bewußt klären kann, dann ist es für mich auch eindeutig Abseits, weil Son durch seine Abseitsposition einen klarer Vorteil hat. Man kann doch nicht einfach wie der Sky Kommentator argumentieren, der Augsburger hat den Ball berührt, also kein Abseits. Für mich völlig unverständlich. Dazu sprechen auch alle von einem nicht gegebenen Abseitstor, allerdings war auch klar zu sehen, dass der Abwehrspieler und Torwart nach dem Pfiff gar nicht mehr eingreifen und Son einfach machen lassen. So einfach wäre das Tor dann auch nicht geworden, selbst wenn nicht gepfiffen worden wäre, aber wie gesagt, ganz eindeutig Abseits für mich. Sportschau sagt das auch, Sky mal so und so und kicker sagt es war kein Abseits. Die Regel sollte doch eigentlich eindeutig sein, wie kann es da so gravierende Wahrnehmungen geben.

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Uwe 17. März 2013 um 17:04

Es hätte für den HSV schlussendlich das Meiste gepasst, wenn Rudnevs seine Chancen genutzt hätte. Diese waren zum Teil sehr gut herausgespielt.

Ich fand die Leistung des HSV insgesamt auch nicht so schlecht. Es war halt einer dieser Tage an denen die Kugel einfach nicht reingehen will.

Jedoch hätte ich es stimmiger gefunden, wenn Skjelbred statt Arslan gespielt hätte. Wie geht es euch da?

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Marc 16. März 2013 um 20:49

Starke Anslyse,danke! Tat gut diese Sachlichkeit nach dem Frustgeschimpfe auf dem HSV-Blog.

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RM 16. März 2013 um 20:52

Worüber wurde denn bitte geschimpft?

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blub 16. März 2013 um 21:07

Naja, vermutlich über die Rote Karte, die war ja nicht so eindeutig wie sie gemacht wird 😉

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jmk 16. März 2013 um 22:43

na, über den „ahnungslosen“ trainer natürlich, der völlig falsch aufgestellt hat & bei dem kein taktisches konzept zu erkennen ist; und über die „bocklose“ mannschaft, die ja immer „versagt“, wenn’s drauf ankäme.

wie es sich eben für ein „fanblog“ so gehört.

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HorstGünther 16. März 2013 um 20:12

Super Analyse wie immer.
Nebenbei bemerkt – weiß jemand wie der Kommentator heute hieß bei Sky? Den fand ich ganz gut, vor allem hat er auch mal ein bisschen die taktischen Formationen erläutert, die man ja im TV nicht so gut erkennen kann.

Augsburg kam wirklich nur zu wenigen Konteransätzen, und die wurden wirklich jämmerlich schlecht ausgeführt. Allerdings haben die Defensivwechsel von Markus Weinzierl relativ gut funktioniert, in der Schlussphase stand der FCA dann vergleichsweise sicher.

Ansonsten fand ich heute im Spiel Daniel Baier auffallend stark in Gefecht um umkämpfte Bälle. Koo dagegen der ja auch oft der einzige wirklich gute Spieler beim FCA war spielt dagegen für seine Verhältnisse eine eher mittelprächtige Rückrunde.

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IchliebedichmeinSportverein 16. März 2013 um 20:58

Wenn mich nicht alles täuscht war das Oliver Seidler. Um nochma gefährliches Halbwissen hinterherzuschmeißen: Ich glaube der war mal Stadionsprecher bei Wolfsburg…naja wir warn ja alle mal jung. Aber ich finde auch, dass das der Einzige bei sky ist, der zumindest auf gewisse grundtaktische Elemente eingeht.

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Szabics9 17. März 2013 um 00:07

Ja, war glaub ich Oliver Seidler. Ich war aber nicht immer ganz seiner Meinung, was aber sicherlich auch meiner Rot-Grün-Weißen Brille anzurechnen ist 😉

Ja, Daniel Baier war heute wieder extrem stark und präsent als Sechser. Dass er enorm wichtig für uns ist, hat man letztes Wochenende gesehen, als er gelb gesperrt war. Ich würde glatt behaupten er ist der wichtigste Spieler hier beim FCA.

Koo`s Leistungen schwanken in der Rückrunde ein bisschen. Oft ist es ein Genuss ihm zuzuschauen, da er technisch den meisten anderen Spielern beim FCA haushoch überlegen ist. Allerdings kommt bei ihm zur Zeit oft so ein Schlendrian rein und er wirkt ein bisschen unkonzentriert. Ich denke aber auch, dass sich die Gegner mittlerweile auf seine Spielweise eingestellt haben und ihn oft sehr gut in den Griff bekommen.

Achja, unser Konterspiel sollten wir nochmal intensiv trainieren 😀

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GoalImpact 16. März 2013 um 20:06

Danke für die Analyse. Das ist ja mal wieder super schnell. Noch schneller wäre nur noch vor dem Spiel.:-)

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