Adventskalender Türchen 20: Zoltán Stieber
Der absolut dominante Sommertransfer bei den glücklosen Aufsteigern aus Fürth kam für etwa eine Million Euro aus Mainz und dribbelt meist den linken Flügel entlang. Zoltán Stieber ist der Name des flinken Ungarn, der eine ganz beeindruckende Bilanz bei seinem so offensivschwachen Team vorweisen kann.
Und zwar verbuchte er bei seinen zwölf Einsätzen bereits drei Tore und zwei Vorlage, was in Fürth bedeutet, dass er an 50% der Klubtore beteiligt war – naja, eigentlich nur 45%, aber das sensationelle Eigentor, welches der Wolfsburger Pogatetz für die Spielvereinigung erzielte, kann man ja nur schwerlich dem Team selber anrechnen. Das war übrigens auch eines von nur drei Toren, die Fürth ohne Stieber auf dem Platz erzielen konnte. Mit ihm hat Fürth also eine ca. 80% höhere Torquote als ohne ihn. Ohne Pogatetz‘ Unterstützung würde der Unterschied bei über 160% liegen – schon ziemlich heftig.
Die Abhängigkeit vom System
Diese Statistik überzeichnet allerdings den reinen Einfluss von Stieber, wenn man die Fürther Aufstellungen daneben legt. So hat Büskens in der Mitte der Hinrunde einen offensiven Plan B entwickelt, in dem die defensive Sechs geopfert wurde, damit Offensivallrounder Edgar Prib neben Spielmacher Fürstner zurückgezogen werden konnte. Daraus entstand in den Spielen eine Art 4-1-3-2, welches hohes Risiko mit sich brachte, aber für einen Großteil von Fürths Toren verantwortlich ist.
Dieses offensive Alternativsystem spielte Fürth bei den ordentlichen Spielen gegen Hoffenheim, Bremen und Hamburg, als die Spielvereinigung fast die Hälfte ihrer (selbst erzielten) Saisontore schoss. Als Prib wieder nach vorne gezogen wurde, gab es noch vier Tore gegen Frankfurt, Gladbach und Dortmund, anschließend aber trotz Stieber eine weitere Serie von vier torlosen Spielen. Nach diesen kehrte Prib noch einmal in die „Doppelsechs“ zurück und Fürth erzielte gegen Augsburg ein weiteres Tor.
In der Summe brauchte Stieber für drei seiner fünf Torbeteiligungen auch dieses offensive System, welches die Torquote von Fürth fast so massiv erhöhte wie Stieber selbst (vier Spiele 4-1-3-2 mit fünf Toren gegenüber dreizehn Spielen in defensiveren Systemen mit sechs Toren). Das ist nebenbei erwähnt auch ein strahlendes Beispiel für den massiven Einfluss, den Taktik auf Leistungen von Spielern und die Ergebnisse der Mannschaft hat. Gibt ja immer noch einen ganzen Haufen Verwirrte, die diesen Faktor abstreiten wollen…
Stiebers Qualitäten
Dass Stieber von diesem System so profitiert hängt auch mit einem recht massiven Linksfokus zusammen, den die Fürther besonders in diesem 4-1-3-2 praktizieren, sodass sie die Qualitäten des Linksfußes besonders in den Mittelpunkt gestellt werden. Das eröffnet ihm besondere Freiheiten in den druckvollen Dribblings, die ihn auszeichnen. Gleichzeitig bietet ihm das System zwei Abnehmer für seine gefährlichen Flanken, die ihm zum Beispiel im 4-2-3-1 fehlen.
Jenes flügellastige Spiel liegt dem spritzigen Tempodribbler mehr als ein kombinationslastigeres Spiel im Zentrum, für welches ihm etwas die Übersicht und Kreativität fehlt – vielleicht ein Grund dafür, dass die Mainz, die in der Offensive oft das Zentrum überladen, ihn ziehen lassen haben. Als Zehner oder hängende Spitze taugt er trotz seiner hohen Geschwindigkeit und des sauberen Abschlusses kaum.
Dafür bringt er aber eine hohe Spielintelligenz in der Ballferne mit. Oft gelingt es ihm, die Angriffe seiner Mannschaft gut zu erahnen, sodass er mit sehr gutem Timing von außen in die Spitze stoßen kann, wie bei seinem Tor gegen Dortmund – besonders, wenn er invers von rechts startet, kann er diese Stärke einbringen. In diesen Szenen spürt man den natürlichen, linearen Zug zum Tor, der Stiebers Spielweise prägt.
Da seine Mannschaft im Gegensatz dazu neigt, die Klarheit und Vertikalität in den Aktionen vermissen zu lassen, ist dieses individuelle Element ein großes Puzzlestück für die immense Wichtigkeit, die der Ungar für die Spielvereinigung besitzt. Ohne Stieber neigen die Fürther dazu, trotz Raum und Platz im Offensivzentrum lieber noch einmal nach außen zu spielen, anstatt gleich vertikal den Strafraum anzuvisieren. So wurde Büskens‘ Elf in den torlosen ersten Saisonwochen überaus vorhersehbar und selbst im Konterspiel oft leicht zu verteidigen. Diese festgefahrene Situation konnte Stieber mit seiner Art etwas auflösen.
Dennoch war der Tabellenletzte auch mit seinem Flügelflitzer nicht wirklich stark in der Offensive. Man ließ dem Gegner oft zu viel Zeit, nach außen zu schieben, es fehlte dann oft die Verbindung zum Sechser, der das Spiel dann noch einmal in einen anderen Raum hätte verlagern können, um überraschendere Angriffe aufzuziehen. Von einem insgesamt gestreuteren Offensivspiel würde wohl auch Stieber noch profitieren, der seine Diagonalläufe in die Spitze bisher noch zu selten einbringen konnte und auch kaum nach Verlagerungen vom anderen Flügel das 1-gegen-1 suchen durfte.
Spannend wird daher sein, wie Greuther Fürth die Rückrunde angeht, sowohl was die Personalpolitik, als auch die taktische Entwicklung angeht. Mit Zoltán Stieber haben sie einen Fixpunkt mit klaren Stärken und Schwächen, der so effektiv und umfassend wie möglich ergänzt werden sollte. Mal sehen, welche Rezepte sie dafür finden.
8 Kommentare Alle anzeigen
Acias 20. Dezember 2012 um 17:59
Bei mir als altem Alemannen hat er damals (verdammt, wie lang das mittlerweile gefühlt schon zurückliegt ;( ) in einer Saison einen wunderbaren Eindruck hinterlassen. Das ganze Spielsystem ist ja fast aufs Tandem Stieber-Auer ausgerichtet gewesen, mit zwei Leuten hinter ihm auf dem linken Flügel.
Hab mich auch gefragt, ob der fehlende Fokus auf seine Position bei Mainz wohl verhindert hat, dass er dort so auftrumpft wie bei uns oder jetzt immer mehr in Fürth.
Den Eindruck, dass Zoltán ein Spieler ist, aus dem mit der richtigen Taktik und mannschaftlichen Ausrichtung viel mehr rauszuholen ist, kann ich MR aus eigener Erfahrung nur bestätigen 😉 .
blub 20. Dezember 2012 um 12:57
ich wusste garnicht das ihr in die zukunft schauen könnt und bereits jetzt wisst was Büskens in der Rückkrunde für ein System entwickelt.^^
MR 20. Dezember 2012 um 20:15
Hö? Also bei den (mannigfaltigen!) Dingen, die ich aus der Zukunft schon weiß, benutz ich zur Beschreibung nur ganz selten Floskeln wie „Mal sehen…“.
blub 20. Dezember 2012 um 20:51
„So hat Büskens in der Mitte der Rückrunde einen offensiven Plan B entwickelt, in dem die defensive Sechs geopfert wurde…“
vermutlich eher in der Mitte der Hinrunde. oder halt letzte Saison, aber was hätte das mit Stieber zu tun.
MR 20. Dezember 2012 um 20:59
Ah, danke. Ich dachte du beziehst dich auf den abschließenden Absatz. Ändere ich in Hinrunde.
strwbrryflds 20. Dezember 2012 um 11:47
Zoltan Stieber hat nichts mit den Stieber Twins zu tuen 😀
Die sind rund 16 Jahre älter als er und heißen Christian und Martin.
Aus der Wikipedia über die Beiden:
„Heute treten die Stieber Twins nur noch selten als Rapper in Erscheinung. Christian Stieber geht seinem Beruf als Architekt nach, Martin Stieber betreibt in Heidelberg einen eigenen Hip-Hop-Laden.
Zu ihren 40. Geburtstagen (im November 2012) feierten die Stieber Twins in Heidelberg eine große „80 Jahre Stieber Twins“ Geburtstagsfeier“
juventino 20. Dezember 2012 um 12:43
Ich würde mal sagen das war ein kleiner Scherz 😛
firedo 20. Dezember 2012 um 14:29
ich fand die anspielungen gelungen und habe sogar geschmunzelt!