VfL Wolfsburg – Hamburger SV 1:1

Wolfsburg findet erst spät das Mittel gegen die Hamburger Raute, insgesamt ein gerechtes Unentschieden.

Finks Umstellungen

Nach dem tollen Spiel gegen Schalke musste Fink etwas umstellen. Arslan fehlte gelbgesperrt, Jansen fällt verletzungsbedingt länger aus. Als Linksverteidiger rückte Bruma ins Team, anstelle von Arslan begann Rincon. In der Vorberichterstattung sah man häufig eine Formation mit Rincon als Sechser der Raute, in der Badelj demnach auf die Zehn rücken sollte.

Startformationen

Im Spiel sah man in der Anfangsphase aber tatsächlich eine andere Anordnung: Bei Hamburger Ballbesitz riss Badelj wie schon gegen Schalke den Spielaufbau an sich, indem er sich zwischen oder neben die Innenverteidiger fallen ließ.

Rincon sollte seine physischen Stärken davor einbringen und die Offensive mit vertikalen Läufen unterstützen, wie es beispielsweise Khedira tut.

Aogo spielte im Vergleich zum Spiel gegen Schalke breiter, da er statt dem offensiven Jansen den gelernten Innenverteidiger Bruma hinter sich hatte. Dieser hielt sich im Spiel nach vorne zurück und beschränkte sich in Ballbesitz meist darauf, das Spiel im zweiten Drittel breit zu halten und den Ball zum anspielenden Spieler prallen zu lassen.

Auf der anderen Seite blieb das gut harmonierende Paar Diekmeier/Skjelbred bestehen. Diekmeier zeigte seine langen Sprints die Linie entlang, während Skjelbred sich im Halbraum neben ihm anbot. Passend dazu waren die Bewegungen Beisters, der als zweite Spitze oft auf die Flügel auswich. Rückte er nach rechts, um Diekmeier zu unterstützen, konnte Skjelbred das schematische Loch der Hamburger auf der Zehnerposition füllen. Rincon sicherte in diesen Situationen den rechten Halbraum.

Badelj reagiert auf Diegos Bewegungen

Rincon verfolgt Diego, Badelj spielt tief

Besonders Interessant war, wie sich die erste Halbzeit in zwei Phasen unterteilte: Anfangs spielte Wolfsburg ein recht klares 4-3-3, in dem Diego sich die Bälle aus der Tiefe holte und sie von dort ins letzte Drittel spielen oder tragen sollte.

Rincon agierte jedoch sehr mannorientiert und verfolgte den Brasilianer. Badelj besetzte dann den Sechserraum, wo wegen Diegos Ausflügen nach hinten kein Gegenspieler auf den HSV-Dirigenten wartete. Badelj konnte problemlos zweite Bälle nach langen Pässen auf Dost aufsammeln und in aller Ruhe verteilen.

Kurz vor dem Führungstor der Hamburger entschied sich Diego dann, höher zu stehen. Dies sollte den Wolfsburger Sechsern Raum und Zeit am Ball geben, da Diego in der Theorie nun Badelj und Rincon band.

Ohne schnelle Seitenwechsel wird es gegen die Raute schwer

Als Diego wieder höher spielte, ging Badelj vor und bildete mit Aogo und Skjelbred eine schwer zu überwindende Dreierkette. Rudnevs und Beister zeigten gutes Rückwärtpressing gegen Schäfer und Fagner – dies war später nicht mehr der Fall.

Badelj ließ Diego und Rincon jedoch alleine und rückte weiter vor. Zusammen mit Aogo und Skjelbred  auf den Halbpositionen machte er das Zentrum sehr eng, sodass Hasebe und Polak keine Vertikalpässe spielen konnten.

Folglich suchten die beiden Sechser häufig die Außenverteidiger, die keinen direkten Gegenspieler hatten. Hamburgs ballnaher Achter schob dann heraus, Badelj und der ballferne Achter schoben nach. Hier zeigten die Wolfsburger dann ähnliche Probleme wie Schalke am Dienstag.

Sie schafften es nicht, das Spiel über die Sechser oder Innenverteidiger so schnell zu verlagern, dass der gegenüberliegende Außenverteidiger den riesigen Raum vor sich nutzen kann.

Dass Beister und Rudnevs sich zeitweise hervorragend im Rückwärtspressing gegen die Außenverteidiger zeigten, erschwerte dem VfL den Spielaufbau noch mehr. Dies war später in der Schlussphase nicht mehr der Fall – was für Hamburg teuer werden sollte.

Hamburg musste also nur wenige Schritte nach links und rechts machen, um die Wolfsburger vor Probleme zu stellen. Die Gastgeber wurden in der ersten Halbzeit nur durch Distanzschüsse oder Standards gefährlich. Der HSV hatte zwar weniger, aber dafür deutlich hochwertigere Chancen und hätte durch Badelj kurz vor der Halbzeit das 2:0 machen müssen. Der Kroate zeigte, dass er in jedem Spielfelddrittel zu überzeugen weiß, was ihn zu einem unheimlich wertvollen Spieler in Finks Team macht.

Zweite Hälfte: Anlaufprobleme der Wölfe, danach Druck über die Flügel

Eine knappe Viertelstunde lang lief das Spiel im zweiten Durchgang genauso wie zuvor. Wolfsburg gelang es nicht, die Seiten schnell genug zu wechseln, Hamburg kontrollierte die wichtigen Räume und konterte hin und wieder gefährlich.

Kurz vor seiner Auswechslung hätte Beister das 2:0 machen müssen, danach lief nicht mehr viel zusammen im Spiel der Hamburger. Sie leisteten sich viele Fehlpässe, teilweise enorm ärgerliche im Umschaltmoment auf die Offensive und liefen so in Gegenkonter – was einer Mannschaft in Führung nicht passieren darf.

Ab der 60. Minute nahmen die Konzentrationsschwächen der Hamburger weiter zu, außerdem ließ ihre Disziplin im Verschieben etwas nach. Wolfsburg spielte nun konsequent über die Außenverteidiger und kam zu vielen Hereingaben (29). Sie erarbeiteten sich so einige Halbchancen und Ecken. Letztere sorgten immer wieder für Gefahr, besonders Naldo und Dost setzten sich häufig gegen ihre Gegenspieler durch und kamen zum Abschluss.

Rudnevs und Son zeigten in der Schlussphase kein Rückwärtspressing auf die Außenverteidiger, was diese sichtlich genossen. Möglicherweise war Rudnevs platt, Son hingegen schien schlichtweg nicht zu wissen, dass er das Spiel erst auf Schäfer lenken und unmittelbar danach Druck auf selbigen machen musste.

Belohnt wurden die Gastgeber dann durch den Ausgleichstreffer durch Kjaer, der jedoch irregulär war: Bei der Ecke unmittelbar vor Schäfers Flanke hatte Olic Adler regelwidrig bedrängt, sodass dieser nicht vernünftig klären konnte. Nichtsdestotrotz zahlte sich hier das verstärkte Spiel über die Flügel aus – Wolfsburg hatte später noch Pech mit einem Pfostenschuss durch Vierinha, nachdem sie auf der rechten Seite durchgebrochen waren.

Finks Wechsel bringen nicht den gewünschten Erfolg

Fink wechselte offensiv und brachte Sala für Skjelbred. Der Gedanke dahinter war sicherlich, den immer offensiver werdenden Schäfer zu binden. Außerdem ist Sala schneller als Skjelbred und kann Schäfer im Bedarfsfall besser verfolgen. Sala spielte jedoch nicht konsequent auf der (halb-)rechten Seite im Mittelfeld, sondern zeigte sich sehr flexibel und tauchte immer wieder im Zehnerraum oder sogar links auf.

Da der HSV aber nur noch mit wenigen Spielern aufrückte (Son, Rudnevs, Sala und mit Abstrichen Aogo), konnten sie die Angriffe nie zu Ende spielen. Schäfer hatte also freie Bahn und konnte durch Salas Fehlen Druck über die linke Seite machen. War Salas Spielweise von Fink gewollt, muss man ihm diese Auswechslung ankreiden, denn Schäfer gehörte zu den auffälligsten Akteuren in der Schlussphase. Verfolgte Fink mit dem Wechsel jedoch das oben genannte Motiv, muss Sala sich sicherlich einiges an Kritik gefallen lassen.

Auch der erste Wechsel der Hamburger war etwas unglücklich: Beister präsentierte sich laufstark und kreativ. Er wechselte permanent zwischen Zehner, zweiter Spitze und Außenstürmer, sodass er für Wolfsburg schwer zu fassen war. Der für ihn eingewechselte Son blieb zu starr auf der Position der zweiten Spitze, was Wolfsburg den Aufbau erleichterte. Sie spielten um Rudnevs und Son herum auf die freien Außenverteidiger. Da die Hamburger Stürmer kein erwähnenswertes Rückwärtspressing betrieben, konnte Wolfsburg also sehr einfach zwei gegnerische Akteure aus dem Spiel nehmen.

Der letzte Wechsel Finks war nachvollziehbar, da er mit Scharner einen kopfballstarken Abwehrspieler brachte, der sich im offenen Spiel direkt vor den Innenverteidigern positionierte. Scharners Kopfballstärke sollte helfen, die Wolfsburger Standardsituationen, die in der Schlussphase im Minutentakt vor das Tor von Adler kamen, zu verteidigen.

Fazit

Eine starke Schlussphase bleibt in der Nachbetrachtung oft besser hängen als ein guter Start. Dennoch kann man von einem gerechten Unentschieden sprechen, da Wolfsburg in der ersten Hälfte teilweise extrem hilflos und planlos agierte.

Hamburg hatte bis zur 60. Minute die klar besseren Chancen, die zudem ausgespielt waren und nicht durch Standards vorbereitet waren. Hamburg wirkte in der letzten halben Stunde müde, was vielleicht ein Grund für die vielen Fehlpässe im Aufbau sowie bei Kontern war. Wolfsburg konzentrierte sich voll und ganz auf das Spiel über die Flügel und wurde – wenn auch durch eine umstrittene Situation – dafür belohnt.

Während Hamburg zwar insgesamt mehr als drei Kilometer mehr als Wolfsburg lief (119.2 – 116), bauten die Wolfsburger mehr auf ihre Dynamik: Sie absolvierten mehr intensive Läufe als ihre Gegner, was sich vor allem bei den Flankenläufen in der Schlussphase zeigte. Mit etwas Glück gewinnt Wolfsburg dieses Spiel, mit etwas mehr Genauigkeit hätte der HSV es aber auch zweimal vorentscheiden können.

KingKong 4. Dezember 2012 um 13:50

Kleine Anmerkung: ihr habt Vieirinha (insgesamt 3 i’s) falsch geschrieben.

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Jonny LaGente 4. Dezember 2012 um 13:38

Fink setzt jetzt auf das System der Raute, mit dem er schon beim Fc Basel sehr erfolgreich war.

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PS 4. Dezember 2012 um 11:07

Danke für diese treffende Analyse!
Mir hat auch der Kommentar zum Einsatz von Sala gefallen, wo PP abgewägt hat, ob die Einwechslung ein Fehler von Fink war oder nur Sala nicht so gespielt hat, wie es nötig gewesen wäre. Ruhig mehr davon!

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Flamewars 4. Dezember 2012 um 09:35

Ich kann deinen Ausführungen nur zustimmen!
Nur eine Sache, die mir beim Lesen dieser an sich gelungenen Analyse aufgefallen ist, muss ich doch loswerden.
Bei der Lektüre hatte ich unweigerlich das Gefühl hier hätte der Autor mehr Sympathien für den HSV als für den VfL. Neutral klingt der Text bzw. einige Formulierungen in Gänze nicht ganz, auch wenn es die Analyse durchaus ist.

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PP 4. Dezember 2012 um 15:18

Nun ja, liegt wohl daran, dass Hamburg 2/3 der Partie die bessere Spielanlage hatte, daher auch mehr positiv erwähnte Aspekte in der Analyse.

Vielleicht war ich auch vom Spiel gegen Schalke noch so begeistert, dass sie zu gut wegkamen… Ob ich mehr Sympathien für den HSV als für die Wölfe hege, weiß ich gar nicht.

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Pippo 4. Dezember 2012 um 07:29

Nur für die Info ;

Der Wechsel Beister -> Son war leider nicht taktischer Natur, sondern Beister zog sich wohl schon in der ersten Halbzeit einen Muskelfaserriss zu und fällt bis zum Ende des Jahres wohl aus.

Ansonsten klasse Analyse, wobei endlich mal Badelj die Wertschätzung bekommt, die er verdient. Für mich momentan einer der, wenn nicht sogar der beste Sechser der Liga!

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