Greuther Fürth – Schalke 04 0:2

Zuhause empfingen die Fürther einen der CL-Aspiranten, nämlich den FC Schalke 04. Dies bedeutete auch ein Aufeinandertreffen des Fürther Trainers Mike Büskens mit seinem ehemaligen Arbeitgeber, bei dem er bis heute einen hohen Stellenwert als ehemaliger Spieler und Trainer genießt. Besonders motiviert vor heimischen Fans gegen den Ex-Verein zu gewinnen wollte Büskens alle Register ziehen und stellte seine wenig überraschend defensivorientiert auf, was letztendlich ins Auge gehen sollte.

Wechselwirkungen der jeweiligen Formationen

Grundformationen zu Spielbeginn

Die Gelsenkirchner begannen mit einem Hybridsystem aus 4-3-3 und 4-2-3-1, was vorrangig an Holtby lag. Dieser bewegte sich nicht nur im nominellen Zehnerraum, sondern ließ sich insbesondere beim Aufbau- und Defensivspiel weit nach hinten fallen, um die beiden Sechser zu unterstützen. Außerdem rochierte er auch auf die Seiten, wo er beispielsweise die Position von Afellay auf dem rechten Flügel übernahm. Dieser bewegte sich nämlich sehr oft diagonal nach innen oder suchte Positionen in der Mitte, wie er es von seiner Zeit in den Niederlanden und insbesondere vom FC Barcelona noch gewohnt ist. Links spielte Draxler, was letztlich dafür sorgte, dass die Knappen eine der wenigen Mannschaften sind, welche ein 4-2-3-1 wirklich im klassischsten Sinne – also mit drei offensiven Mittelfeldspielern statt gelernten Stürmern – hinter einer Solospitze spielen können.

Diese alleinige Spitze stellte Huntelaar dar, welcher einige Torchancen hatte, diese aber für seine Verhältnisse ausgesprochen schwach vergab. Allerdings war es keine schwache Leistung des Niederländers, er nutzte beispielsweise das passive Abseits auf interessante Art und Weise, bewegte sich im Kombinationsspiel und auch im Pressing intelligent, um seinen Mitspielern zu helfen. Zwar fehlte ihm durch die Suche nach Löchern oftmals die Bindung ins Spiel, doch bei den wenigen Ballkontakten war er meist in aussichtsreicher Position.

Auf der Doppelsechs spielte Neustädter zumeist tiefer und zentraler als Jones, womit es eine Rollenaufteilung in eine horizontale und eine vertikale Sechs gab. Dennoch halfen sowohl Jones als auch Holtby Neustädter im Spielaufbau und ermöglichten es ihm, sich bei Bedarf nach hinten zwischen die Innenverteidiger fallen zu lassen. Dadurch wurden die Außenverteidiger nach vorne geschoben, während Holtby dafür sorgte, dass es weiterhin eine vertikale Bindung durch das Zentrum gab.

Die Fürther begannen nicht in einem 4-1-4-1, sondern wählten ein 4-4-1-1 für diese Partie. Damit wollten sie Sararer die Möglichkeit geben, sich auf beiden Seiten bei Angriffen zu beteiligen und schnell zu kontern sowie im Zentrum kompakt zu stehen. Schmidtgal auf links und Nehrig auf rechts in der Viererkette gingen mit nach vorne, für sie sicherten im Normalfall gar beide Sechser ab, welche ihre Rollen konservativ interpretierten und ihre offensiven Aufgaben in Form von umschaltenden Pässen verrichteten.

Als vorderste Anspielstation begann Edu, welcher sich auf die Seiten fallen lassen und für die Außenspieler als vertikale Passoption anbieten sollte. Dahinter gab es auf der Doppelsechs mit Fürstner und Pekovic zwei Spieler, welche insbesondere die Kreise von Holtby stören sollten, was aber wegen Jones‘ Rolle auch zu zweit schwer ausführen war. Auf diese Rolle kommen wir im weiteren Artikelverlauf noch zu sprechen. Auf den Flügelpositionen im Mittelfeld begannen Klaus auf rechts und Prib auf links, welche im Angriff bei Möglichkeit Pärchen mit ihren Außenverteidigern bilden sollten.

Kontern in Unterzahl

Der Kompromiss zwischen offensiver Gefahr und defensiver Stabilität wurde Fürth letztlich zum Verhängnis. Gegen die individuell starke Abwehr der Schalker hatten sie kaum eine Chance ihre Unterzahlkonter effektiv abzuschließen. Zwar waren sie dann zumeist vor schnellen Gegenstößen gefeit, hatten aber weder allzu viel Ballbesitz noch konnten sie innerhalb des gesamten Spiels einen Schuss auf den Kasten von Unnerstall verbuchen.

Schalke lenkt das gegnerische Pressing und kommt im Mittelfeldpressing dann über die Laufarbeit der beiden Sechser sowie die Flügelbeschränktheit des Gegners, welche durch die defensive Doppelsechs entsteht

Dies lag auch daran, dass die Fürther sich verstärkt auf die Außen konzentrierten und spätestens ab dem letzten Spielfelddrittel das Zentrum verwaisen ließen. Dadurch konnten Schalkes Sechser aber auf die Seite verschieben und die Außenverteidiger unterstützen, was letztlich zur Folge hatte, dass entweder die Außenverteidiger Fürths ununterbrochen nach vorne gehen und hinten Räume öffnen mussten oder die Erfolgswahrscheinlichkeit der Angriffe außerordentlich gering war. Durch diese Spielweise erlaubten die Fürther den Schalker Außenstürmern auch, dass sie zockten – sie mussten kaum Defensivarbeit verrichten und konnten sich vorne bereits ideal für kommende Gegenstöße und Pässe im Umschaltspiel positionieren.

In weiterer Folge waren zwei taktische Faktoren, welche ihren Ursprung bei den Knappen und nicht in der taktischen Ausrichtung der Fürther hatten, entscheidend für den extremen Außenfokus der Gastgeber. Der erste Faktor war das Pressing der Schalker. Huntelaar lief die Innenverteidiger von seiner mittleren Position locker und im Bogen an, verstellte ihnen als im Idealfall den Weg auf den Sechser und danach zum Partner in der Innenverteidigung zurück. Die beiden Außenstürmer spielten im Pressing oftmals wie Halbstürmer und öffneten die Passwege auf die Außenverteidiger. Stattdessen versperrten sie mögliche Pässe ins Mittelfeld und zwangen den Gegner entweder zu weiten Bällen oder Herausspielen über die Außen.

Der zweite Faktor war das Zocken der Schalker Flügel selbst. Durch ihre seltenen Verfolgungen der Außenverteidiger gingen diese mit Ball am Fuß nach vorne und zwangen sich selbst zu einer Beteiligung am Angriff, während sich der ballnahe Außenstürmer Schalkes im Rückraum und dem geöffneten Loch positionierte.

Vertikale Rollen bei Schalke: Jones und Matip

rot ist der Raum, wo Matip hineinschob und mit Ball aufrückte; grün ist der Raum, wo Jones zweite Bälle gewann und sich ohne Ball positionierte

Wegen der Kompaktheit des Gegners standen die Schalker oftmals ebenfalls in Unterzahl im letzten Spielfelddrittel. Eine ähnlich aussichtslose Stellung wäre womöglich auf ein 0:0 hinausgelaufen, wenn Stevens nicht eine offensivere Lösung als Büskens mit den Außenverteidigern gefunden hätte. Zuerst war es wichtig, dass die wenigen guten Pressingaktionen des Fürther Angriffs ausgehebelt wurden. Darum kümmerte sich Neustädter, der in der Nähe der Innenverteidiger agierte und sich bei Bedarf dazwischen fallen ließ. Kamen die Schalker dann ins zweite Drittel, so zogen sich die Fürther zumeist zurück. In weiterer Folge schob entweder Jones oder Matip nach vor, beide sollten Überzahlen herstellen – Matip, weil er ohnehin keine defensiven Aufgaben im Ballbesitz hatte und durch seine Ruhe wie technische Stärke eine Verstärkung im Mittelfeld war.

In dieser Disziplin ist er auch Jones überlegen, welcher sich oftmals nach vorne orientierte. Dadurch konnte Huntelaar nicht in die Mangel genommen werden, der Gegner wurde noch stärker nach hinten gedrängt und weite Bälle konnten auf Jones gespielt werden, der dank seiner Physis Bälle aus der Luft heraus behaupten kann. Außerdem kann das Pressing früher und höher gefahren werden, wenn ein zweikampfstarker und aggressiver Spielertyp wie Jones vorne agiert, Holtby sowie auch die Flügelstürmer in der von Jones mit seinen Läufen geöffneten Zentrale Räume fanden, um spielgestalterisch zu wirken.

Fazit

Die Schalker griffen primär über die Mitte an, da Afellay, Holtby und eben auch Neustädter und Jones vorzugsweise dort agierten. Allerdings gab es über die Flügel mit Fuchs und Höwedes beziehungsweise eben den Flügelstürmern ähnlich viel Betrieb, während die Fürther sich vornehmlich auf die Seiten konzentrierten. Laut whoscored.com kamen nur 20% der Fürther Angriffsversuche über die Mitte, bei Schalke waren es 37%. Schalke griff am seltensten über die rechte Seite (mit dem eher defensiven Höwedes und dem einrückenden Afellay) an, Fürth kam über ihre linke Seite mit fast 50% am öftesten, was einerseits an der Überlegenheit Pribs gegenüber Klaus lag sowie an Sararers verstärktes Ausweichen nach links. Alles in allem war es eine gute Leistung von Schalke, welche nur wegen ihrer Chancenverwertung nicht höher gewannen.

Steffen 16. September 2012 um 00:59

„Allerdings war es keine schwache Leistung des Niederländers, er nutzte beispielsweise das passiv Abseits auf interessante Art und Weise, […]“ (Abschnitt Wechselwirkungen der jeweiligen Formationen)

Vielleicht eine kurze Erklärung dazu?

Ansonsten ein sehr guter Artikel!

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RM 16. September 2012 um 11:18

Beispielsweise stand er im Abseits, wenn Lochpässe auf die Flügel kamen und diese dann nach vorne gingen. Dadurch hatte er einen Vorsprung auf die Innenverteidiger und stand nach Durchbrechen der Flügel nicht mehr im Abseits.

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Julius 16. September 2012 um 12:20

Ähnlich wie es Huntelaar schon letzte Saison in der Rückrunde gegen Wolfsburg gemacht hatte?

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RM 16. September 2012 um 13:46

Ja, er hat das mWn nach bereits so praktiziert, auch öfter und mit mehr Erfolg, wobei ich die genauen Spiele nicht mehr im Gedächtnis habe.

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Pommesdieb 17. September 2012 um 00:18

und ich habe nie verstanden, wieso dies eine neue spielsituation sein soll und somit das passive abseits nicht aktiv wird. auch wenn der ball auf der anderen seite sein mag, so wird sich trotzdem durch eine abseitsstellung ein vorteil verschafft. nach meinem verständnis ist das dann eben abseits.

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MR 17. September 2012 um 00:38

Ich finde, man kann das so rechtfertigen, dass ja erst ein anderer Mitspieler aus nicht-Abseits hinter den Stürmer kommen muss. Also du musst die Abseitslinie ja letztendlich knacken. Wenn du sie ein mal geknackt hast, sie noch mal knacken zu müssen, ist schon mal etwas fragwürdig. Aber vor allem kann die Verteidigung ja, wenn sie aufmerksam ist und gut zurückweicht, den vorstoßenden Spieler theoretisch auffangen. Wenn der durchstoßende Spieler „hinter“ den Stürmer kommt, dann muss es den Verteidigern auch möglich sein. Wenn sie es dennoch nicht schaffen, ist es eigenes Verschulden. Und das ist es ja de facto auch wirklich, der Witz an der Geschichte ist ja, dass die Verteidiger in diesen Situationen tatsächlich oft abschalten und das wird halt durch diese Regel bestraft. Somit hat die Regel ihre Berechtigung mMn.

Und es gibt sehr sehr viele Situationen, in denen diese Berechtigung auch tatsächlich intuitiv anerkannt wird. Nur wenn die Verteidiger wirklich massiv pennen und das ganze auf sehr viel Raum passiert, wird die Regel mal angezweifelt. Hier zB ist glaub ich kein Mensch auf die Idee gekommen, da wäre Sahin Abseits gewesen, ist aber genau das gleiche.

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RM 17. September 2012 um 12:16

Persönlich denke ich auch, dass ein weiterer Grund wohl ist, dass es schlicht zu kompliziert wäre, auch solche Abseitssituationen durchgehend zu erkennen.

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Sebastian 16. September 2012 um 00:44

Schöne Zusammenfassung. Ich bin mehr und mehr der Auffassung, dass Schalke mit Neustädter ein übertragender Fang gelungen ist. Läuft die Räume stark zu, guter Ballverteiler in der eigenen Hälfte – entwickelt sich zu einer Kopie von Busquets.

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