1. FC Köln – Hamburger SV 0:1
So richtig wusste man bei beiden Mannschaften vor diesem Spiel nicht, ob sie sich nicht nach oben oder unten orientieren sollten und was ein letztlicher Ausgang bedeuten würde.
Nach dem befreienden Sieg auf dem Betzenberg spielte bei den Hausherren, die weiter ohne Podolski auskommen müssen, dieselbe Startformation, welche allerdings in ihrer Besetzung verändert wurde. Riether rückte aus dem Zentrum nach rechts, Clemens von rechts nach links, Jajalo nach hinten und Peszko interpretierte die Rolle hinter Novakovic sehr frei.
Auch die Hamburger hatten zuletzt beim taktisch exzellenten 1:1 gegen die Bayern ein großes Erfolgserlebnis gehabt und dementsprechend ebenfalls wenig zu ändern – einzig durch die Sperre von Rincón war ein kleiner Umbau erzwungen, welcher allerdings durch den Startelfeinsatz von Kacar recht klassisch gelöst wurde.
Die Marschroute dieser Partie war von vorne herein klar, trafen doch mit Fink und Solbakken zwei zumindest aktuell unterschiedlich ausgerichtete Trainer aufeinander. Während Ersterer auf viel Ballbesitz Wert legt, setzt der andere auf ein schnelles Konterspiel aus einem 4-4-2 heraus.
Genau so stellte sich die Situation auch dar. Der HSV fächerte aus dem nominellen 4-4-2 durch die aufrückenden Außenverteidiger und die abwechselnd in eine Dreierkette zurückstoßenden Jarolim und Kacar in ein 3-5-2 auf, während Köln mit hochstehender Abwehr und zwei enorm eng zusammen stehenden Viererketten abwartete. Daraus resultierte eine enorme Ballbesitzquote von über 70 % für die Gäste, ohne dass es allerdings große Chancen gab – gelegentlich wurde etwas Tempo gegangen, doch bereits die Vorzeichen hatten auf ein zähes Match hingedeutet, was letztlich auch geschah.
Von der spielerischen und technischen Qualität war es insgesamt ein wenig hochklassiges Spiel und passte sich damit an die erste Sonntagsbegegnung zwischen Augsburg und Nürnberg an, welche torlos endete und eine ziemlich schwache war.
Hinter die hohe Abwehr spielen
Scheinbar bestand der Hamburger Plan – ebenso wie es in der Hinrunde die Dortmunder exemplarisch gegen den FC vorgemacht hatten – darin, Pässe hinter die hohe Kölner Abwehrreihe auf die beiden Flügelstürmer zu spielen. Diese postierten sich relativ nahe an ihren Außenverteidigern, um die beiden Ketten der Hausherren eng zu halten, so dass sich davor und dahinter die benötigten Räume auftaten.
Zu Beginn versuchte man noch, entweder direkt aus der Defensivzentrale die Flügelspieler zu bedienen oder zunächst die beiden beweglichen Stürmer anzuspielen, welche entgegen kommen, damit die Kölner Innenverteidiger herauslocken und ablegen sollten, damit ein Mittelfeldspieler den Pass in den freien Raum spielen könnte.
Allerdings waren diese Pässe meistens relativ riskant und ungenau, so dass sich kein durchschlagender Erfolg einstellte. Doch eine Handvoll Tormöglichkeiten ergaben sich schon, was die grundsätzliche Problematik der Kölner mit einem solchen Ansatz unter Beweis stellte und immerhin auch etwas Tempo und Aufregung in die Partie brachte, die immer ruhiger wurde, als die Hamburger im Verlauf des ersten Durchgangs ihre Taktik etwas anpassten.
Hamburg kontrolliert das Zentrum endgültig, aber entwickelt keine Torgefahr
Diese bestand nunmehr häufiger in einer flexiblen Besetzung des Raums im defensiven Mittelfeld, welches durch den zurückfallenden Sechser zunächst einmal relativ wenig von Hamburger Präsenz durchdrungen war, so dass man oftmals über Außen spielen musste. Dann allerdings bewegten sich verschiedenen Spieler in diesen Raum, um ihn zu bespielen – einer bzw. nach dem Auflösen der Dreierkette bei fortgeschrittenem Angriff beide Sechser, die beiden Stürmer, aber auch Sala von rechts sowie insbesondere Linksverteidiger Dennis Aogo, der immer mehr einen zusätzlichen Mittelfeldspieler gab und damit für mehr Gestaltungsoptionen sorgen sollte.
Der typische Spielzug sah nun so aus, dass der Ball von der Dreierkette zu einem Außenverteidiger wanderte und zurück, bis man den Ball von außen in diesen freien Raum auf die wechselnden Spieler hinein spielen konnte. Nun hatte man einige gute Möglichkeiten, den Angriff fortzusetzen, doch zwei Probleme taten sich dabei auf.
Der angesprochene Raum befand sich schematisch zwischen den beiden Kölner Stürmern sowie der höheren Viererreihe, was insbesondere zu Beginn zu Pressingsituationen gegen in diesem Bereich spielende Hamburger führte, da sie oftmals alleine oder nur zu zweit waren und dann von ihren Gegenspielern isoliert wurden. Mit der Zeit brachte der HSV gegen die diszipliniert verschiebenden Domstädter zwar mehr Spieler zum Kombinieren ins Mittelfeldzentrum, doch fehlte dann vorne die Präsenz – die Kombinationen fanden fast nur vor den beiden Kölner Defensivreihen statt, da diese kaum Raum zwischen den Linien gewährten.
Köln kommt auch nicht nach vorne
Ohnehin kamen die Hausherren durch die hohen Ballbesitzanteile des HSV selbst kaum zum Kontern – und wenn, dann wurden sie fast immer entweder durch die Nachteile ihrer Defensivformation oder vom Abseitspfiff gestoppt. Es gelang den Hamburgern, wie oben beschrieben, meistens sehr gut, den Abstand zwischen Kölns Mittelfeld und ihren Stürmern groß zu halten, so dass bei einem Ballgewinn in der Tiefe nur zwei Optionen zur Verfügung standen, die zudem weit entfernt postiert waren. Zwar versuchte Peszko den freien Raum auf Außen hinter den aufgerückten Diekmeier und Aogo durch Rochaden auf die Flügel auszunutzen, doch die Hamburger Dreierkette stand sehr sicher, war aufmerksam mit dem Abseitsstellen und konnte viele Szenen durch gute Antizipation lösen.
Generell fehlt den Kölnern hier eine gewisse Spielstärke im Team, was natürlich ohne den verletzten Podolski ganz besonders der Fall war und auch vom diesmal im zentralen Mittelfeld spielenden Jajalo nicht kaschiert werden konnte. Gerade im Spielaufbau agierten die Kölner ebenfalls wenig kreativ und verzichteten oftmals gegen das auch gute Hamburger Pressing auf einen Spielaufbau – Geromel spielte nur 9 Pässe (78 % erfolgreich, 4 Pässe lang), Jemal bis zu seiner Auswechslung 4 (75 % erfolgreich, 1 Pass lang) und McKenna im zweiten Durchgang 4 (50 % erfolgreich, 1 lang). Auf die individuelle Klasse der Spieler bezogen gehören die Kölner wohl zu den schwächsten Teams der Liga.
Zweite Halbzeit und Siegtor
Bis auf die Tatsache, dass Köln nach der Pause etwas mehr Initiative zeigte, gab es bei fortschreitender Spieldauer zunächst keine Änderungen, ehe die Hamburger in den letzten 20-25 Minuten noch einmal neuen Schwung fassten und sich das späte 0:1 durch Guerrero (88.) damit verdienten.
Zum einen pressten die Kölner nun öfters weiter vorne gegen die Hamburger Verteidiger und interpretierten ihre Formation oftmals wie ein 4-1-3-1-1, was allerdings offensiv wenig brachte, da man gerade im Ausspielen von schnellen Gegenstößen hochgradig ineffektiv (siehe Lanigs Schuss aus 30m) war, und hinten zu einem zunehmenden Verlust der Ordnung führte. Zum anderen wurde das Flügelspiel der Hamburger nun konsequent über Flanken durchgedrückt. In den ersten 60 Minuten schlug man 8 Flanken, in der letzten halben Stunde waren es dagegen 17 – eine relativ einfache Maßnahme, die ob der offensiven Außenverteidiger, der breiten Spielanlage sowie zweier Stürmer im Zentrum allerdings sinnvoll, legitim und effektiv war.
Fazit
Aktuell kann man zu den Kölnern nicht viel sagen. Es war klar, dass das Projekt Solbakkens nicht ohne Entwicklungsdellen oder Stagnationen auskommen würde, und es ist ebenso klar, dass die Erwartungen aufgrund des Spielermaterials nicht zu hoch gehängt werden können. Solange man von den Abstiegsrängen noch halbwegs komfortabel liegt, sollte die Situationen weiter beobachtet werden.
Auf den HSV bezogen war es ein typisches Spiel – hinten steht man sicher, ebenso souverän kontrolliert man Ball und Spielgeschehen, doch an der Erarbeitung von Torchancen hapert es noch, was allerdings durch die gute Defensive ausgeglichen wird.
10 Kommentare Alle anzeigen
Kurt C. Hose 17. Februar 2012 um 10:11
„Auf die individuelle Klasse der Spieler bezogen gehören die Kölner wohl zu den schwächsten Teams der Liga.“
In dieser Deutlichkeit hab ich das bisher noch nicht gelesen! Starke Meinung!
Aber ich denke, so falsch liegst Du damit nicht. Der Kölner Kader ist eben sehr unausgewogen und hat neben exzellenten (Poldi) und wirklich guten (z.B. Geromel, Riether als defensiver 6er, Rensing, Novakovic in Form) Spielern zu wenig soldide Durchschnittspieler (Brecko) und zu viele Spieler, die entweder nicht konstant Bundesliga-Niveau spielen (können?) oder zu „univalent“ für modernen Fußball sind. Linksverteidiger Eichner ist ein Beispiel für Gruppe 1, McKenna (den ich als Sportsmann sehr schätze) ein Beispiel für Gruppe 2. Als tiefer IV und Abwehrturm gut, für einen „modernen“ IV aber zu ballunsicher und zu langsam.
Der FC wäre eine gute Baustelle, um seitens spielverlagerung.de mit einer neuen Artikelform zu experimetieren, nämlich der „taktischen Kaderanalyse“ :).
Beim FC wird deutlich – und Du sprichst es in der Spielanalyse deutlich an – dass der Kader das Gesamtsystem nicht ordentlich und zuverlässig umsetzen kann, und der FC daher oft entsprechend schwache Leistungen zeigt, im besonderen nach individuellen Fehlern. Die Mannschaft ist sich dessen „psychologisch bewusst“, glaube ich, zumindest liefert das eine Erklärung für die vielen „Zusammenbrüche“ nach Gegentoren – nach dem Motto: „So, jetzt hat unser System mal wieder versagt und wir wissen, dass wir es jetzt aus eigener Kraft nicht mehr reißen können.“
Meiner Meinung sind insbesondere die Positionen der Außenverteidiger und die der „Offensivdruck erzeugenden“ Zentralspieler zu schlecht besetzt. Insbesondere die linke Seite ist defizitär, mit dem leider immer wieder scheiternden Eichner (gefühlt 80% der Gegentore kommen über seine Seite) und dem oft vorschnellen und „zu offensiven“ (= zu wenig defensiv) Pezko, der mit vielen Freiheiten oder einem „unkaputtbaren“ LV hinter sich seinen Fähigkeiten besser gerecht werden könnte … sozusagen Ribery-Style … 😉
Die Unzulänglichkeiten führen dazu, dass (a) bei guter Spielverlagerung des Gegners und konstantem Druck auf die Flügel diese irgendwann mal „brechen“ und dann das Solbakken-System versagt (bzw. geknackt ist) und (b) gerade gegen HH besonders sichtbar „nach vorne“ einfach zu wenig und zu ungefährliches passiert.
Denis 13. Februar 2012 um 18:52
Wieder ein gewohnt-guter Artikel. Wenn ich Kritik üben sollte, dann nur an der Tatsache, dass auf die Umstellung Solbakkens nach Jemals Verletzung (Riether als LV) nicht eingegangen wurde.
Aber nach nunmehr 21 Spieltagen kann man ja durchaus mehr zu Solbakkens System sagen. Ich frage mich langsam wirklich, ob diese Art des Fußballs in der Bundesliga konkurrenzfähig ist bzw. ob das System an sich Planschwächen hat (wie von Dortmund und auch hertha meisterhaft aufgezeigt) oder die taktische Qualität der FC-Spieler einfach nicht ausreicht, es hinreichend umzusetzen.
Fakt ist, dass der FC aus den letzten 10 Spielen nur 8 Pkt bei 11:18 Toren geholt. Das wäre auf eine Saison gerechnet ein Abstiegsplatz – und in vielen dieser Spiele hat Podolski durchaus mitgewirkt.
So oder so ist die Frage, ob das vorhandene Spielermaterial in einem anderen System nicht besser aufgehoben wäre. Ansatzweise hat Solbakken das ja auch erkannt und Peszko auf die Position hinter Novakovic gestellt, nicht mehr auf den linken Flügel, wo er näher und zentraler am Tor ist und gleichzeitig auch mehr Freiheiten hat. Gegenüber dem Lautern-Spiel war Peszko so auch auffälliger, stand aber noch zu oft im Abseits. Ein großes Problem des FCs ist allerdings auch an diese stelle Lanig, dem einfach das nötige Spielverständnis fehlt, um das Spiel schnell zu machen – eben bevor der Stürmer abseits steht. Ein modernerer Sechser neben Riether wäre hier gold wert. Jajalo und Matuschyk ist das durchaus zuzutrauen, aber der eine ist außer Form, der andere verliehen.
Bislang hat der FC mit fast dem gleichen bzw. schlechterem Personal seine besten Spiele (unter Schäfer und Finke) im 4-2-3-1 gezeigt.
Wie sehen die Taktikexperten die Frage nach Solbakkens System – und seiner Umsetzung durch die Spieler des FCs? Würde mich wirklich mal interessieren.
Max 14. Februar 2012 um 12:50
Das System hat durchaus Schwächen, viel schlimmer wirken sich aber zumeist die z.T. verheerenden individuellen Fehler aus. In Kombination mit dem Solbakkenschen System, in dem hinten die Null stehen muss damit man 1:0 gewinnen kann, kommt man dann eben zu 8 Punkten aus 10 Spielen.
guido 16. Februar 2012 um 07:41
Ein moderner 6er würde dem Spiel des Fc mehr als gut tuen. Allerdings nicht neben Riether (der ist RV, basta) sondern statt diesem.
Ich sehe „meinen“ FC gar nicht so schlecht. Hinten stehen wir streckenweise schon besser und das Spiel im Raum ist gar nicht sooo schlecht. Was fehlt ist Selbstbewustsein und (daraus resultierende) Laufbereitschaft.
Ich habe allerdings im Spiel gegen den HSV auch 2-3 Situationen gesehen (hier gar nicht erwähnt) bei denen sogar der Sky Mensch verzückt war.
Das umschalten von Raumdeckung auf aggresives Pressen der gesammten Manschaft.
Dies ist von den Stürmern ausgegangen und wurde in Sekunden umgesetzt.
Dadurch ergaben sich direkte Ballgewinne und auch sehr gute Chancen.
Zugegeben viel zu selten, aber sehr effektiv und kaum zu verteidigen.
Gerade in dem Spiel gegen den HSV, der sehr oft „hinten rumspielen“ musste (Weil alles zugestellt war), hätte das Signal zum Pressen viel öfter kommen müssen.
Allerdings kostet dies kraft und erfordert Laufbereitschaft.
Ich sehe den FC „Langfristig“ und mit diesem Trainer auf einem guten Weg.
Hoffentlich ist unser Trainer in der nächsten Saison noch der gleiche.
PW 16. Februar 2012 um 10:43
@ Max und Guido
Ich muss euch beiden recht geben. Ich sehe auch taktische Fortschitte beim FC, oder besser gesagt ein System, welches man in den letzten Jahren häufig nicht erkennen konnte.
Aber wenn das System dann mal einigermaßen funktioniert (zumindest Defensiv) bringt man sich immer wieder mit individuellen Fehlern ins hintertreffen, wie z.B. gegen den HSV.
In der Offensive sehe ich bisher leider nur Ansätze für das schnelle Spiel nach vorne. Haüfig gibt es dadurch, dass man hinten gut steht im Mittelfeld viel versprechende Ballgewinne(z.B. gegen Schalke). Daraus wird dann aber nichts gemacht, der Ball wird zu schnell wieder hergegeben oder zu unpräzise nach vorne gespielt. Aber gerade die Ballgewinne und schnellen Konter sind sehr wichtig in Solbakkens System.
Ich hoffe, die Mannschaft kann sich hier noch weiterentwickeln.
Max 13. Februar 2012 um 16:55
Bei den Kölnern bin ich mir auch nicht sicher, wie sich Solbakkens Ansatz weiter entwickelt. Von der Idee her passt das Spielsystem hervorragend zum Kölner Kader, aber irgendwie tut sich (Verletzungspech?) das Team extrem schwer die Vorgaben des Trainers umzusetzen.
Ich bin, gelinde gesagt, darüber verwundert, zumal sich auch schlechtere Bundesligaspieler nach einem guten Dreivierteljahr an die Vorgaben des Trainers gewöhnt haben sollten…
Paul 13. Februar 2012 um 16:43
Kein Gladbach-Schalke? 🙁
Schalke hatte wohl keine Taktik. 😉
TR 13. Februar 2012 um 20:10
@vonDumm und Paul:
http://www.11freunde.de/bundesligen/149190/der_borussen-express_rollt
HummelsFan 13. Februar 2012 um 15:28
Gute Analyse. Ich habe das Spiel gestern im Fernsehen verfolgt und kann dem Autor des Artikels nur Recht geben. Es war eine etwas langweilige Partie (bis auf die letzten 20 Minuten). Dem HSV fehlt es nach Vorne noch etwas an Präzession, was allerdings ( darf man der lokalen Presse glauben) seit letzter Woche intensiv trainiert wird. Im Vergleich zum Dortmund-Spiel des HSV kommen mittlerweile auch gute Vorstöße über die rechte Seite. Das Duo Sala / Diekmeier hat mir gestern auch besser als Jansen / Aogo gefallen. Mal sehen wie die Entwicklung unter Fink weitergeht, das Spiel gegen Bremen könnte da schon ein Gradmesser sein.
vonDumm 13. Februar 2012 um 14:53
Kommt Gladbach-Schalke noch? 🙂