Adventskalender, Türchen 9: Scott Parker

Wenn man ein Musterbeispiel für einen Karriereknick finden müsste, wäre Scott Parker wohl ein ziemlich aussichtsreicher Kandidat – nur kennt ihn kaum jemand.

Scott Parker in Aktion (Copyright: goal.com)

In seinem Fall ist Parker allerdings kaum der öffentliche übersehene Spieler. Zwar blieb der in London geborene Parker, der als großes Talent galt, nach seinem nicht geglückten Durchbruch bei Chelsea größtenteils unbeachtet und zeigte beim Abstiegskandidaten West Ham gute Leistungen, spätestens in der vergangenen Saison wurde der Wert des arbeitsamen Mittelfeldspielers erkannt – trotz des Abstiegs seiner Mannschaft wurde er verdient von den Journalisten zum Fußballer des Jahres gekürt. Als er dann aber im Sommer einen neuen Klub suchte, wollte ihn scheinbar niemand verpflichten. Erst am letzten Tag der Transferperiode schlugen die Tottenham Hotspur zu, was sich für beide Seiten als ein absoluter Glücksfall erweisen sollte. Kürzlich erst sagte Spurs-Trainer Harry Redknapp: „Wenn man darüber nachdenkt, hat er den ganzen Sommer über bei West Ham gewartet. Jeder hätte ihn verpflichten können. Ich verstehe nicht, warum niemand anderes ihn holen wollte“.

Doch trotz dieses medialen Lobs wird der Spätstarter bzw. das spät gestartete ewige Talent dennoch von vielen nicht beachtet. Mit dem absoluten Aushängeschild der Mannschaft, Luka Modric, ergänzte er sich allerdings vom ersten Tag an perfekt und sorgte nach den unausgewogenen Partnern Livermore und Kranjcar für mehr Stabilität.

Defensivtaktisch ist der mittlerweile 31-jährige Parker sehr gut ausgebildet, verfügt über die nötigen Fähigkeiten und Anlagen und hat in seinen schweren Zeiten sowie Engagements bei kleinen Klubs viele Erfahrungen gesammelt und die defensiven Verantwortungen verinnerlicht. Beim Pressing fällt seine passende Einordnung in den Mannschaftsverbund ebenso wie seine dennoch vorhandene führende Position auf. Das Timing beim Attackieren gelingt ihm hier vorbildlich und gehört zu seinen größten Stärken. Dazu muss unbedingt auch seine enorme Laufstärke gezählt werden, die einen essentiellen Grundpfeiler seines Spiels markiert und es ihm ermöglicht, für seine Kollegen abzusichern, große Räume und potentiell vorhandene Löcher zu stopfen und das Zentrum dicht zu halten – dies alles führt defensiv auch zu einer gewissen Omnipräsenz und einer erhöhten Effektivität im Verschieben.

Schließlich muss bei seinen defensiven Leistungen im Zusammenhang mit der Tatsache, dass er exzellent pressen kann, auch die Qualität in der Balleroberung genannt werden. Dank seiner Robustheit bedient sich Parker zu diesem Ziel mehr seiner Zweikampfstärke als dem Abfangen von Pässen (2,7 Interceptions pro Spiel, Platz 11 in der Premier League-Rangliste), was er als defensiver Mittelfeldspieler natürlich auch beherrschen muss – doch der Fokus liegt auf dem direkten Duell und dem Tackling, von denen er im Schnitt 5,3 pro Premier League- Spiel gewinnt und damit der Vize-König der Liga ist.

 by Guardian Chalkboards

Zwar wird Parker dann häufig auf diese defensiven Aspekte reduziert und es ist sicherlich auch richtig, dass er diese am stärksten beherrscht und auch einige Mängel in Sachen Kreativität oder Sicherheit unter Druck vorweist, doch damit würde man ihm nicht gerecht. Er kann den Ball gut abschirmen und verliert ihn daher selten, stellt also eine risikolose Station in der Ballverteilung dar und bietet sich für die Kollegen auch immer als sichere Option in der Tiefe an.

Auch durch diese Intelligenz in seinen Bewegungen und seinem Stellungsspiel bei Ballbesitz seiner Kollegen kann er als Koordinator und ordnende Hand des Spiels im zweiten Drittel gesehen werden und agiert hier in gewisser Weise sogar gleichberechtigt bzw. abwechselnd mit Luka Modric.

 by Guardian Chalkboards

Genau durch diese Aktionen gleicht er seinen Nachteil in der Kreativität aus – er bewegt sich entweder weit nach hinten, stößt mit seiner Robustheit nach vorne vor oder bindet sich im Rahmen einer Pärchenbildung in die dynamischen Kombinationen des Teams mit ein, so dass er seine Stärken ausspielen kann, aber seine Schwächen durch die nah postierten und immer verfügbaren Kollegen kaschiert werden.

In diesem Jahr wurde Parker nach fünfjähriger Abstinenz und bisher nur insgesamt drei Berufungen wieder ins Nationaldress berufen, wo er sich scheinbar den Platz des lange gesuchten defensiven Mittelfeldspielers im Team der „Three Lions“ gesichert hat, als primärer Aufbauspieler – ähnlich wie in Tottenham, aber mehr als Ballschlepper – auftritt und für Defensivstärke sorgt. Man darf gespannt sein, wie weit es Parker mit den Spurs sowie den Engländern in dieser Saison trägt.

Ian 10. Dezember 2011 um 11:29

Parker spielt grandios diese Saison, ein sensationeller Einkauf von Tottenham, der dort perfekt reinpasst.

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someFM 9. Dezember 2011 um 13:59

Anscheinend/scheinbar wird anscheinend gerne verwechselt, ist aber nur scheinbar dasselbe. 😉

Die Rubrik Adventskalender bleibt natürlich trotzdem eine gelungene Idee. Die Auswahl der Spieler gefällt mir. Weiter so!

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boss 9. Dezember 2011 um 09:15

War OFFENSICHTLICH, bei tottenham-logo, dass s. parker drin ist. und vollkommen zu recht! spielt eine überragende spielzeit in nordlondon.

aber als allgemeine frage: es ist zwar häufiger so, dass die defensivspieler eines teams meistens weniger im fokus stehen, aber bis jetzt waren >80% der spieler ZDM’s. Sehen wir auch noch ein porträt von einem RA, ST oder ZOM? 😉

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OM 9. Dezember 2011 um 11:06

hanke und lewandowski haste gesehen? immerhin geht’s hier um „unsung heros“ und offensive spieler stehen nun mal naturgemäß mehr im fokus als defensivspieler. vor allem defensive mittelfeldspieler werden oft kaum beachtet oder unterschätzt…

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False9 9. Dezember 2011 um 11:08

Boss, was sind denn Lewandowski und Hanke? 😉 Die ZDMs sind halt oft übersehene Taktgeber und Laufwunder, die sind für sowas prädestiniert. Wobei ein bisschen Diversität nicht schaden könnte.

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datschge 9. Dezember 2011 um 00:56

Das Türchen ist heute aber früh offen. =)

Dass er zum Spieler des Jahres gekürt wurde, hat mich positiv überrascht. War schon extrem schräg zu verfolgen, wie dann bis soweit zum Schluss keine Angebote gab. Aber ich habe in der PL schon öfters den Eindruck bekommen, dass die Vereine lieber bis zum letzten Tag mit den Abschlüssen warten statt wie hierzulande häufiger praktiziert Spieler frühzeitig zu binden.

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