Valencia C.F. – Bayer Leverkusen 3:1

Neben all den berechtigten Schiedsrichterdiskussionen gab es auch noch ein Fußballspiel im Mestalla – Leverkusen bewegte sich mit Valencia durchaus auf Augenhöhe.

Beide Trainer wechselten vor dem Spiel zweimal aus, behielten aber jeweils das nominelle 4-2-3-1 bei. Bei Bayer bekam Kießling den Vorzug vor Derdiyok, während Rolfes Schwaab ersetzte (Castro rückte dafür nach rechts hinten), bei den Gastgebern gab es einen Torwarttausch sowie einen Startplatz für Topal, der Albelda verdrängte.

Es war ein Spiel, in dem keine der beiden Mannschaften wirklich den letzten entscheidenden Zugriff auf das Zentrum – vor allem nach der Auswechslung Banegas und trotz 65 % Ballbesitz für Valencia im ersten Durchgang – gewinnen konnte, so dass sich die Partie taktisch mehr auf die Flügel verlagerte. Mit Dutt und Emery standen sich auch zwei ähnliche Trainer – hier der intelligente Hocharbeiter Dutt ohne Profihintergrund, der sich vor allem bei kleineren Klubs wie Freiburg profilierte, dort der ebenfalls junge, legere, kompetente Spanier, der ebenfalls nie Profispieler war und vor allem durch starke taktische Leistungen gegen die Großklubs beeindruckt – gegenüber, deren Maßnahmen und Teams sich weitgehend die Waage hielten, doch Emery ist der bessere Match-Trainer und errang schon einige taktische Erfolge gegen Barcelona, was hier letztlich entscheidend werden sollte.

Anfangsdruck der Hausherren

Offensive Pressing-Grundformation

Während die Bayer-Elf in der defensiven Phase – also bei gegnerischem Ballbesitz – weitestgehend eine 4-4-1-1-Ordnung einnahm, behielten die spanischen Gastgeber auch ohne Ball ihr 4-2-3-1-System bei. Dies hatte einen entscheidenden Vorteil, da so die beiden Außenverteidiger sehr weit aufrücken und die Leverkusener Flügelspieler bereits sehr früh unter Druck setzen konnten, was einer der Hauptgründe für den verkorksten Leverkusener Start war, als man die ersten Minuten überhaupt keine Befreiung fand. Doch nicht nur individuell wurden die Leverkusener gut verteidigt und hinten eingeschnürt, auch kollektiv entstand durch das Vorschieben der Außenverteidiger eine dichte 4-3-Stellung im Mittelfeld bei Valencia, welche für ihre Defensivstärke – bspw. dient sie als Grundgerüst für die Kompaktheit der „italienischen“ Formationen 4-3-1-2 und 4-3-2-1 – berüchtigt und auch aufgrund der vielen Dreiecke nur sehr schwer zu durchspielen ist – hier allerdings weiter vorne als bei obigen Formationen, was bisweilen sogar an die schematische Pressingformation des letztjährigen Barcelona erinnerte.

Bayer fand keine Anspielstationen, Friedrich war im Spielaufbau überfordert und kam nur auf eine Passgenauigkeit von 63 %, (passenderweise waren die beiden Außenverteidiger sogar noch schwächer, Toprak mit nur 71 % der beste der Verteidiger) Leno wurde zu vielen langen Bällen gezwungen und wies am Spielende eine unterirdische Passquote von 37 % auf – auch das zweifrüheste Gegentor der CL-Geschichte verschuldete er, wobei man auch Friedrich seinen Rückpass vorwerfen muss. So kam die Mannschaft von Rubin Dutt lange Zeit nicht zum Spielen, was dadurch verstärkt wurde, dass Valencia im Ballbesitz grundsätzlich der gleichen Prämisse folgte – dem Zurückdrängen des Gegners. Seit Jahr und Tag basiert das Aufbauspiel unter Emery darauf, dass sich einer der Sechser in der Rolle eines modernen Libero zurückfallen lässt – umso extremer, wenn Topal spielt – und mit den beiden Verteidigern eine Dreierkette bildet, so dass die beiden Außenverteidiger sehr weit aufrücken können und für Breite sowie zusätzliche Präsenz im Mittelfeld sorgen. Ein weiterer großer Effekt ist eben, dass die gegnerischen Flügelstürmer mitgezogen und weit in die Tiefe gedrückt werden.

Bayer in der Offensive gut, aber harmlos

Schließlich bedeutete es auch, dass Valencia selbst bei einem Ballverlust fast immer sicher fünf Spieler hinter den Ball bekommen würde, was in Kombination mit allerdings nur sehr wenigen zusätzlich zurückeilenden Spielern – einige warteten vorne auf Konter – und folglich einem eher schwachen Gegenpressing dazu führte, dass Leverkusen seine Angriffe, die mit der Zeit mehr wurden, relativ sicher bis ins letzte Drittel ca. 25 m vor das Tor entwickeln konnte und dann sogar recht leicht in den Strafraum spielen konnte, gegen die taktisch geschickt verzögernden Gegner aber kaum zu gefährlichen Abschlüssen kam, was beim Zuschauer den Eindruck erzeugte, die Leverkusener würden spielerisch sehr ansehnlich kombinieren – obwohl die Gefahr fehlte.

Angelpunkt der Leverkusener Angriffe waren die Seiten, von denen vor allem die rechte Flanke deutlich herausstach mit fast 50 % der Angriffe, die über sie gespielt wurden. Bender half hier unermüdlich aus und auch Schürrle ließ seine Seite immer wieder verwaisen, zog in die Mitte und unterstützte rechts – dies war aber auch eines der Probleme, warum man die Überzahlbildung auf der Seite nicht in Zählbares weiterentwickeln konnte: erstens ließ man die andere Flanke zu stark offen und fokussierte sich zu stark auf diesen Raum, zweitens scheiterte man am wieder einmal starken Mathieu (mit sieben erfolgreichen Tacklings schlug er sogar Bender um zwei und hatte mehr als doppelt so viele wie der dritte in dieser Statistik), drittens gelang es vor allem Sam nicht, Effektivität oder Durchschlagskraft zu produzieren, und viertens war das oben beschriebene Scheitern an der letzten gegnerischen Defensivreihe auch außen evident – sogar noch mehr, denn der Raum war kleiner und die Gegner durch das seitliche Verschieben geometrisch diagonaler stehend und damit schwerer zu durchspielen, da man den Gegner nach hinten weg lenkt.

Valencias zwei Probleme und die späte Lösung

Trotz ihrer Dominanz konnte sich aber auch Valencia keine Torchance nach dem 1:0 erspielen, stattdessen ließ man den Ball risikolos in den hinteren Reihen zirkulieren – so hatten die vier Verteidiger mit Abstand die meisten Ballkontakte – oder scheiterte mit den Angriffen relativ zügig, was hauptsächlich an zwei Problemen lag. Das erste hing mit ihren deeplying-playmaker im zentralen Mittelfeld zusammen. Zwar war Banega klarer Kontrolleur des Zentrums gewesen, doch auch schon er hatte für seine Verhältnisse und im Vergleich mit anderen Spielern dieser Rolle eine sehr geringe Passquote von 78 % – dies setzte sich auch bei seinem Ersatz Tino Costa (nur 60 %) fort. Ohne Banega konnte Valencia die Dominanz des Spiels nicht mehr halten und das Zentrum war endgültig neutrale Zone. Diese Neutralisation rührte von der unglücklichen Positionierung des linken zentralen Mittelfeldspielers her, welcher sich fast konstant im engen Raum zwischen Sam und Bender aufhält, der durch Benders Rechtsdrang umso enger war – folglich konnten sowohl Banega als auch Costa in vielen Fällen mit Hilfe der Athletik des starken Bender und Doppelung/Tripplung von hinten gepresst werden.

Nun kann man sich die Frage stellen, warum Emery seinen wichtigsten Spieler und Taktgeber der Mannschaft in diesen Bereich unter solchen Druck positionierte und dann auch dort ließ. Die Antwort liegt in der Klasse des Spielers selbst, welcher trotz dieser Situation der Herrscher über das Mittelfeld war – mit seiner unglaublichen Technik, Spielintelligenz und Übersicht konnte er sich immer wieder befreien, was dann automatisch zu einigen Räumen für die Kollegen führte. Nach der verletzungsbedingten Auswechslung äußerte sich der Bruch im Spiel Valencia nicht nur in Kontrolle, sondern auch in Chancen, denn derartige Befreiungsaktionen unter großem Druck konnte Tino Costa nicht liefern und ohne diese Impulse versteifte sich die Mannschaft zu stark auf das Flügelspiel (82 % der Angriffe liefen über Außen). Auf der einen Seite rochierten und kombinierten Pablo, Jonas und Soldado, auf der anderen rauschte der sehr offensive Mathieu nach vorne und erwischte Castro und Sam gelegentlich auf dem falschen Fuß, doch die Chancen blieben aus, weil man zu offensichtlich spielte – das zweite Problem. Bereits in den tiefen Zonen baute man den Angriff klar über eine Seite auf und blieb konstant auf dieser, so dass sich Leverkusen auf die Gefahr einstellte, den Raum verengte und trotz einiger, allerdings eben selten entblößter defensiver Schwächen relativ sicher über die Runden kam. Die besten Chancen entstanden, wenn Miguel oder Rami den Ball direkt um die Leverkusener Abwehr herum in den Lauf von Pablo spielten.

In der zweiten Halbzeit zog Emery seine Verteidiger tiefer nach hinten, womit er das Feld noch größer machen, vor allem aber Kießling und die Außenspieler locken wollte, um im Mittelfeld etwas mehr Platz zu machen, was durchaus gelang, und ließ seine Mannschaft in der Verteidigung stärker als Einheit agieren. Letztlich trugen zum Heimsieg für die Fledermäuse falsche Schiedsrichterentscheidungen sowie ein wenig Pech bei, außerdem hielt sich Tino Costa nun nicht mehr ausschließlich auf der halblinken Seite auf, sondern suchte auch mehr nach freien Räumen, und man streute als Team mehr und mehr Spielverlagerungen ein, mit welchen die engmaschig verteidigenden Leverkusener schon in Freiburg Probleme gehabt hatten – Pablo und Mathieu hatten Raum, um das 2 gegen 2 auszuspielen und das vorentscheidende 2:1 vorzubereiten, wobei sie davon profitierten, dass Sam zwar mitging und zu verteidigen versuchte, allerdings im Zweikampf nicht bestehen konnte. Sam, Rolfes, Friedrich, Leno – zu viele schwache Einzelleistungen an einem Tag sind nicht mehr zu kompensieren.

Fazit

Es war – nach der starken Anfangsphase der Platzherren – ein recht ausgeglichenes Spiel, in dem beide Mannschaften Strategien zeigten, Probleme hatten und sich weitgehend gegenseitig ausschalteten, das Valencia dann in der zweiten Halbzeit mit etwas Glück, aber auch den besseren Anpassungen glücklich, aber nicht unverdient gewann.

Franca 3. November 2011 um 17:14

Kann es sein, dass die mangelhafte Offensivkraft von Bayer04 in erster Linie auf das langsame und fehlerhafte Spiel von Rolfes, der möglicherweise gegen den Trainer spielt, zurückzuführen ist?

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Daniel 4. November 2011 um 11:12

@Franca Ich glaube weder, dass Rolfes der entscheidende Faktor für das Offensivspiel ist, noch, dass er gegend en Trainer spielt. Rolfes war in meinen Augen schon immer eine Schlafmütze der nur rumjoggt und spielverschleppende Kurzpässe spielt.
Ich glaube, er spielt auch nur in einer defensiven Spielvernichtenden Aufstellung eine Rolle. Ich würde auch gern mal wissen was er gegen den Trainer haben soll, diese Gerüchte hört man ja doch öfters. Dutt hat vor der Saison Ballack so stark gelobt, da kann Rolfes doch froh sein, dass Dutt Ballack es dann doch so schwer gemacht hat zu spielen. Letztendlich bekam Ballack doch nur durch die Verletzung von Augusto die Chance sich einzuspielen. Wenn Rolfes jetzt also gegen den Trainer spielt, wird er große Probleme bekommen denn neben seinem 1. Konkurenten Ballack, der im Gegensatz zu der Anfangszeit jetzt Spielzeit und Leistungen vorweisen kann, wächst auch der Wunsch einen Castro im Mittelfeld zu sehen.

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