Borussia M’Gladbach – VfL Wolfsburg 4:1
Nach der etwas unglücklichen Niederlage trat Wolfsburg in Gladbach gegen die Borussia an und war erpicht darauf, hier drei Punkte zu holen. Die Gladbacher unter Trainer Favre hatten allerdings etwas dagegen und waren bislang noch unbesiegt, am ersten Spieltag hatte man sogar auswärts gegen die Münchner Bayern einen Sieg erringen können. Mit einer ähnlichen Taktik wollte man heute die Punkte gegen Felix Magaths Wölfe behalten.
Wechselwirkung der jeweiligen Formationen
Die Wolfsburger traten mit der klassischen Magath-Taktik an. Mit einer Raute im Mittelfeld und einem klassischen Sturmduo vorne besann sich Magath auf seine Taktik früherer Erfolge mit den Wölfen und etwas überraschend begann Neuzugang Hitzlsperger, der kaum Trainingseinheiten mit der Mannschaft hatte. Neben ihm agierten Träsch und Josué, während Makoto Hasebe die Rolle als Spielmacher hinter den Spitzen Helmes und Mandzukic übernahm. Vor Benaglio agierten Russ, Kjaer, Schäfer und Salihamidzic in der Viererkette.
Gladbach spielte ähnlich wie gegen die Bayern mit einer 4-4-1-1-Formation, doch es gab einige kleine Veränderungen, die sich eklatant auf das Spielgeschehen auswirkten. Für den gesperrten Brouwers rückte Nordtveit vom defensiven Mittelfeld in die Innenverteidigung und wie schon im letzten Spiel gegen Stuttgart begann Bobadilla statt des verletzten Igor De Camargo. Ein weiterer und extrem interessanter Wechsel war der Seitentausch von Arango und Reus. Im Normalfall spielte Arango auf links und Reus auf rechts, doch Lucien Favre stellte die beiden gegen Wolfsburg umgekehrt auf, was wohl an der Raute der Wölfe lag. Dadurch, dass die beiden nun Rollen als inverse Winger hatten und mehr Torgefahr entwickeln konnten, konnte man einerseits die Außenverteidiger der Wolfsburger etwas öfter hinten binden und die eigenen Außenverteidiger mit einfachen taktischen Mitteln wie dem Hinterlaufen effektiv auf simple Weise ins Offensivspiel miteinbinden. Dadurch entgingen die beiden Flügelstürmer einer Doppelung und waren wohl die stärksten Spieler auf dem Platz.
Neben diesen beiden und den spielintelligenten und ausdauernden Außenverteidigern Jantschke und Daems ist insbesondere Raul Bobadilla ein großes Kompliment zu machen. Der Mittelstürmer zeigte sich extrem präsent und lauffreudig, gewann sehr viele Zweikämpfe um den Strafraum herum und konnte die Fans mit einigen technisch starken Aktionen zum Applaudieren bringen. Hanke agierte etwas zurückgezogen hinter ihm und half sehr gut in der Defensive mit, was zu einem schwachen Spielaufbau bei den Wolfsburgern sorgte.
Josué blieb sowohl defensiv wie offensiv unauffällig, da er schlichtweg keinen Gegenspieler und keine Anspielstationen hatte. Hanke setzte Josué unter Druck und versperrte ihm oftmals den Pass zu den zentralen Mittelfeldspielern, während sich Hasebe zwischen der Doppelsechs der Gladbacher, Thorben Marx und dem bärenstarken Neustädter, befand. Die beiden Stürmer konnten aufgrund des von der Doppelsechs zugestellten Passweges nicht flach angespielt werden und die hohen Bälle sorgten für einen Luftzweikampf mit dem kopfballstarken Dante. Die hohen weiten Bälle, die man noch im Spiel gegen die Bayern zeigte, wurden somit zur Ineffektivität verurteilt und die einzigen gefährlichen Aktionen verzeichnete Wolfsburg über die Außen und in der Anfangsphase, wo der Führungstreffer durch Hasebe in der zwölften Minute fiel.
Die Borussen steckten aber nicht auf und nur drei Minuten später fiel dann das 1:1.
Ursache für das Gegentor der Gladbacher war die zu Beginn leicht zu tiefe schematische Grundstellung, welche man wohl psychologisch begründen könnte. Diese tiefe Position gewährte den Außenverteidigern der Wolfsburger Raum und das Zentrum konnte dann nachrücken. Beim 1:1 hingegen profitierte man von der nun erhöhten schematischen Position, die man aufgrund des Rückstandes eingenommen hatte. Kjaer rutschte unter Bedrängnis aus, Bobadilla schnappte sich den Ball und legte vor Benaglio auf den besser postierten Reus, welcher unbedrängt verwandelte.
Als die Gladbacher bei Ballbesitz der Wolfsburger höher spielten, stockte das Aufbauspiel Wolfsburgs und Gladbach konnte in die Gegenoffensive gehen. Dies ist insbesondere Neustädter zu verdanken, welcher mit 22 Zweikämpfen die allermeisten im Laufe des Spiels bestritt – führend bei Wolfsburg war Josué mit 15. Hitzlsperger, der als halblinker zentraler Mittelfeldspieler eigentlich viel präsenter im Defensivspiel hätte sein müssen, bestritt nur vier Zweikämpfe.
Als sich Salihamidzic in der 23. Minute verletzte und der junge Schulze für ihn kam, war dies das Todesurteil für Wolfsburg. Reus, welcher, ebenso wie Arango, aufgrund der Raute und den dadurch fehlenden Gegenspielern auf Außen extrem viel Platz hatte, zerlegte seinen unerfahrenen Gegenspieler nach allen Regeln der Kunst und holte gegen ihn in der 32. Minute auch einen Elfmeter heraus, welchen Daems eiskalt verwandelte.
Kurz vor dem Halbzeitpfiff krönte Bobadilla seine Leistung mit einem Kopfballtreffer nach einer Ecke und das Spiel war mehr oder weniger gelaufen. Gladbach ließ in der zweiten Halbzeit den Ball laufen und kontrollierte Spiel wie Gegner. Die 65% Ballbesitz, welche Gladbach gegen Ende des Spiels für sich verzeichnen konnte, waren eine eindrucksvolle Zahl, ebenso wie die 21 Torschüsse – Wolfsburg kam auf sieben.
Neben den starken individuellen Leistungen zeigte sich die Entwicklung der Gladbacher unter ihrem Trainer Favre insbesondere in der Pass- und Zweikampfstatistik. Mit unglaublich starken 85,3% angekommenen Pässen hatte man über 13% mehr als Wolfsburg und man gewann auch über 55% sämtlicher Zweikämpfe in dem Spiel. Dadurch, dass die Gladbacher so extrem ballsicher und erfolgreich im Attackieren des Gegners war, konnte man sein eigenes Spiel problemlos von hinten aufbauen und den Zauberern Arango und Reus eine sichere Defensive bieten, die ihre Vorstöße absicherte.
Nach gut einer Stunde kam Lakic für Mandzukic, doch dieser Wechsel brachte trotz der schwachen Leistung Mandzukics keine Veränderung, denn er behob die grundlegenden Probleme der Wolfsburger nicht. Neben der bereits erwähnten schwachen schematischen Raumverteilung war es die psychische und physische Zermürbung durch das ballsichere Spiel der Gladbacher, welche die Gäste verzweifeln ließ. Man rannte im gesamten Spiel starke 121km (Gladbach: 117,4km) und musste viel mehr intensive und schnelle Läufe als Gladbach hinlegen, um deren Passstafetten in die Breite auszugleichen, da man sonst Lücken im Defensivverbund geöffnet hätte. Der Unterschied lag hier bei 33% bei den schnellen und 15% bei den intensiven Läufen – sechs Spieler bei Wolfsburg rannten über 11km, was eine unglaubliche Ziffer ist.
Besonders interessant wird es unter Berücksichtigung der Tatsache, dass man weniger sprintete als die Gladbacher, welche somit einfach mehr qualitative Läufe machten.
In der 67. Minute setzte Marco Reus den Schlusspunkt, als er einen traumhaften Spielzug mit Außenrist-Maßflanke Arangos perfekt verwertete und seinen Gegenspieler Schulze abermals schlecht aussehen ließ.
In der Schlussphase beschränkte sich Gladbach auf das Verteidigen mit Ball und ließ Wolfsburg noch zu ein paar Chancen kommen, welche am Ergebnis nichts mehr änderten.
Fazit
Ein absolut verdienter Sieg für den vermeintlichen Underdog, der mit 4:1 ein Ausrufezeichen setzte.
Neben der Kritik an Felix Magath, der seine Mannschaft nicht richtig auf- wie einstellte und später durch schlechte Wechsel seine Fehler nicht korrigieren konnte, ist ein großes Lob an Lucien Favre anzubringen. Was der Schweizer in kurzer Zeit mit dem letztjährigen Fast-Absteiger geschafft hat, kann man nicht genug wertschätzen und seine Mannschaft zeigte, dass sie nicht nur gut und organisiert verteidigen kann, sondern ebenso im Offensivspiel absolut erstligareif ist. Besonders bei der Ballsicherheit ist die eklatante Verbesserung aller Ehren wert und zeigt sich perfekt in der Statistik: Dante hatte 74 Pässe, Jantschke (mit 100 Ballkontakten aktivster Spieler) brachte 61 Pässe, während bei den Wolfsburgern die Spitzenreiter in dieser Statistik, Russ und Josué, nur schwache 26 Pässe versuchten.
Alles in allem ein toller Erfolg für Gladbach und man wird sehen, wie lange diese Höhenflug unter Lucien Favre anhalten wird. Seine Handschrift – eine disziplinierte und sattelfeste Abwehr, gekrönt von einem dynamischen Kurzpassspiel mit Schwerpunkt auf vertikalem Spiel nach Umschalten – ist allerdings bereits jetzt unverkennbar.
14 Kommentare Alle anzeigen
xc 23. August 2011 um 14:00
woher hast du die daten „intensive“ und „schnelle“ läufe!?
auch espn?
RM 23. August 2011 um 14:14
Nein, das ist von bundesliga.de.
Renzi 22. August 2011 um 10:37
Sehr gute Analyse,
was ich interessant finde ist die durchschnittliche Position. Noch schöner wäre wenn man sie nach Ballbesitz und ohne Ballbesitz aufteilen könnte.
Aber trotzdem erkennt man doch wie die Gladbacher ihre Offensivbemühungen auf die rechte Abwehrseite (der Wolfsburger) konzentrieren. Die „Unterbeschäftigung“ der Gladbacher Viererkette ist ebenfalls gut erkennbar: Die durchschnittliche Position der Abwehrspieler ist identisch mit der Standardaufstellung bei Ballbesitz .
Wo hast du die Grafiken im Netz gefunden? War auch immer auf der Suche nach einer guten Übersicht habe aber leider nichts so gutes gefunden. bundesliga.de finde ich da nicht so überragend.
Finde diesen Blog sehr interessant und werde ihn weiter verfolgen, nebenher lese ich gerade noch das Werk von Jonathan Wilson.
Weiter so und viele Grüße
vengo 21. August 2011 um 22:57
prima analyse *clap clap*
aber:
Josué blieb sowohl defensiv wie offensiv unauffällig, da er schlichtweg keinen Gegenspieler und keine Anspielstationen hatte. Hanke setzte Josué unter Druck und versperrte ihm oftmals den Pass zu den zentralen Mittelfeldspielern, während sich Hasebe zwischen der Doppelsechs der Gladbacher, Thorben Marx und dem bärenstarken Neustädter, befand…
schlicht keinen mitspieler war wohl gemeint ;-))
weiter und gruß aus berlin
V
http://www.poruzzi.de
RM 21. August 2011 um 23:13
Nein, denn das Gegenspieler bezog sich auf seine defensive Unauffälligkeit – war wohl etwas missverständlich geschrieben von mir.
Duelp 21. August 2011 um 11:11
Im Normalfall spielte Arango auf links und Reus auf rechts, doch Lucien Favre stellte die beiden gegen Wolfsburg umgekehrt auf, was wohl an der Raute der Wölfe lag.
Unverdientes Lob für Favre. Zum Glück ist der Mann bescheiden:
Favre hielt den Ball in Sachen Bobadilla betont flach, genauso wie er sich für den Schachzug, dass Marco Reus ab der 20. Minute mit Juan Arango sehr erfolgreich für das restliche Spiel die Seite tauschte, nicht als ‚Taktikfuchs‘ feiern lassen wollte. »Das war überhaupt nicht geplant«, räumte er stattdessen freimütig ein. »Letzte Saison gegen Freiburg, da haben wir zu Pause bewusst so umgestellt. Aber heute war es die Entscheidung der Spieler«.
(Quelle: http://torfabrik.de/profis/borussia/datum/2011/08/21/favre-manchmal-will-ich-auch-zu-viel.html)
Duelp 21. August 2011 um 11:12
Hoppla, cite-Tag hat nicht funktioniert. Der erste Satz sollte als Zitat gekennzeichnet sein.
Niklas 21. August 2011 um 00:35
@ RM: Hast du das Spiel von Anfang an gesehen?
Weil dann wäre dir bestimmt aufgefallen, dass Wolfsburg anfangs bei gegn. Ballbesitz mit einem 4-2-3-1 spielte. Mandzukic ging dabei auf links außen, sein Pendant war Träsch, während Hitzlsberger mit Josue die Doppel Sechs bildete. Ich kann mir vorstellen, dass Magath wohl Reus, der anfangs noch auf rechts spielte, aus dem Spiel nehmen wollte. Dies gelang auch ganz gut, denn Gladbach spielte in den ersten Minuten Spielzüge nur über die rechte Seite und wegen dem dichten Mittelfeld waren viele Ballverluste auf Gladbacher Seite die Folge. Vor allem gefiel mir Hitzlsberger in jener Phase gut, da er oft auf den Flügel presste und Ballverluste provozierte. Nach dem 1:1 tauschten Reus und Arango die Seiten und bei Wolfsburg war nun auch bei gegn. Ballbesitz im Mittelfeld eine Raute zu erkennen. Was dann passierte hast du gut beschrieben. Was vllt noch etwas fehlte, war das Galdbach beim Kurzpassspiel während den Kombinationen die Positionen tauschten. Dies sah meistens so aus, dass der tiefer stehende Spieler den höheren Spieler anspielt und der tiefere Akteur den Schwung mitnimmt und dann etwas höher steht als sein Mitspieler und er den Ball wiederbekommt. Dies war vor allem beim Duo Hanke und Marco Reus oft zu erkennen. Dabei ist der Vorteil, dass in manchen Situation der vorerst höhere Spieler einen Gegenspieler bindet und er somit Raum für seinen Mitspieler schafft. Was man noch zu Wolfsburg sagen kann, ist, dass ihre größten Fehler waren, dass sie kaum die 6er pressten, die nicht die spielstärksten sind (Neustädter gestern offensiv sein bestes Spiel bislang) und das dennoch die Abwehrreihe recht hoch stand, sodass die schnellen Offensivspieler der Borussia dies auch oft zum Vorteil nutzen konnten.
RM 21. August 2011 um 00:43
Ja, ich sah das Spiel von Beginn an und ich denke, dass Mandzukics Anfangsphase eher seinem Spielstil geschuldet war – ich kenne ihn bereits seit einigen Jahren und er agierte sowohl bei Dinamo Zagreb als auch in der kroatischen Nationalmannschaft so. Kann natürlich sein, dass ich mich hier irre, aber dies zumindest meine Entschuldigung/Erklärung, wieso ich es unter Umständen falsch wiedergegeben bzw. nicht wiedergegeben habe.
BenHasna 21. August 2011 um 23:42
Das passte schon, 4-2-3-1 habe ich bei Wolfsburg definitiv zu keinem Zeitpunkt gesehen. Mandzukic mag zuweilen nach links ausgewichen sein, aber na ja, war meines Erachtens klar von Beginn weg eine Raute – unerklärlicherweise allerdings. Die anscheinend ohnehin (noch) nicht funktionierende Raute genau in diesem Spiel wieder zu versuchen, war eine sehr skurrile Entscheidung von Magath.
44² 20. August 2011 um 23:09
Puh…hat Magath also gegen ein Team mit sehr defensiv ausgerichteten Sechsern und auf Flügelspiel fokussierter Offensive mit einer Raute verteidigt. Und das auch noch als der Außenverteidiger auf Seite des überragenden gegnerischen Spielers durch einen völligen Grünschnabel ersetzt werden musste.
Ich bin mal etwas anmaßend und merke an, dass ich viel Geld auf einen hohen Gladbacher Sieg gesetzt hätte, wenn mir das vorher wer gesagt hätte…
Tinoforce 20. August 2011 um 12:49
Hallo,
ein weiterer Artikel zu meinen Fohlen, Daumen hoch!
Die Arbeit die in eurer Seite steckt ist unglaublich, weiter so.
Obzezzed 20. August 2011 um 09:57
Sehr gute Analyse!
Man hätte den Magath noch bissl bloßer stellen können, denn wie der spätestens nach dem 2:1 sein Team hat ins offene Messer rennen lassen, war einfach unfassbar. Keine taktische Anpassung an die Gladbacherspielweise, das Mittelfeld der WOB’s war vollkommen überfordert und streckenweise gar nicht vorhanden, so schien es jedenfalls.
Der Tausch der Seiten von Reus und Arango hat taktisch das Spiel entschieden, da WOB sich dieser taktischen Finesse nicht angepasst hat.
Warn tolles Spiel.
VFL1900 20. August 2011 um 09:21
Eine sehr gelungene Analyse und ich kann dir bei deinem Lob für Lucien Favre nur beipflichten, auch wenn ich es durch die Borussia Brille sehe, so ist doch klar eine Entwicklung des Teams unter dem Trainer zu sehen.
Zudem sollte Felix Magath mal überdenken, ob Simon Kjaer überhaupt bundesligatauglich ist, unabhängig von seinem Fehler zum 1:1, war sein Spiel wiederholt sehr unglücklich und wichtige Zweikämpfe hat er verloren. Exemplarisch der Zweikampf gegen Bobadilla, dessen Pass dann zur Großchance von Hanke führte.
Macht weiter so mit euren Berichten, grüße aus Mönchengladbach