LIGAtotal!-Cup – Tag 1
In den beiden 2x 30 Minuten-Halbfinals des LIGAtotal!-Cups setzten sich Dortmund mit 1:0 gegen Mainz und der HSV mit 2:1 gegen die Bayern durch. Das Mini-Turnier ist eine sehr interessante Standortbestimmung für die Teilnehmer – Grund genug zu schauen, wie weit die einzelnen Teams sind.
FSV Mainz 05:
Beim ersten Auftritt in der neuen Arena setzte Tuchel auf das bewährte 4-3-1-2 (4-4-2 mit Raute) aus der Vorsaison. Die defensiven Mechanismen funktionierten dabei schon ziemlich gut – die Mitte war durch die Formation sehr kompakt; kam der Gegner über außen, gingen beide Schritte des Verschiebens ordentlich und kompakt von statten.
Die Mainzer Offensive allerdings war größtenteils von Harmlosigkeit geprägt. Nicolai Müller, nominell auf der Zehner-Position, fand keine Räume und selten den Ball, schuf zwar durch Ausweichen ein wenig Platz, aber so fehlte es – abgesehen von Ivanschitz – an Ideen. Der andere im Mittelfeld spielende Neuzugang, Julian Baumgartlinger, konnte auch noch nicht die erhofften Akzente setzen. Der Österreicher ist ein unscheinbarer, aber ordnender Akteur mit viel Potenzial vom Typus Passspieler – doch hier wurde er von den Dortmundern übermannt.
Am meisten konnte bei den 05ern der neue Rechtsverteidiger Pospêch überzeugen, der bereits in Kopenhagen für seine extreme Offensivstärke bekannt war – dort öffnete ihm die enge Positionierung von Bolanos die Außenbahn, hier war er der einzige Mainzer auf rechts und nutzte den Platz zu einigen tollen Vorstößen. Allerdings bekam er meistens den Ball in den Lauf gespielt, während er bei Kopenhagen auch eine extreme Zahl an Ballkontakten aufweisen konnte. Die Mainzer eröffneten das Spiel aber primär über das Zentrum – jedenfalls war das der Plan, denn gegen die Dortmunder war man dort unterlegen.
Generell ist die sicherlich dürftige Mainzer Vorstellung nur schwer einzuordnen – nicht nur individuell, sondern auch taktisch gesehen war man Dortmund nicht gewachsen. Man traf zum einen auf einen extrem starken Gegner, zum anderen konnten die neuen Spieler diee Ideen ihres Trainers noch nicht voll umsetzen.
Tuchel besticht vor allem durch konkrete taktische Maßnahmen, er ist ein Matchtrainer – aber so etwas zeigt man nicht in einem Vorbereitungskick. Indem er Choupo-Moting nach links versetzte, um der starken rechten Dortmunder Seite entgegenzuwirken, deutete er dies an – und war damit das Sinnbild für seine Mannschaft, deren Leistung man eben nur schwer beurteilen kann.
Startaufstellung Mainz: H. Müller – Pospêch, Bungert, Kirchhoff, Caligiuri – Polanski – Baumgartlinger, Ivanschitz – N. Müller – Chuopo-Moting, Allagui
Borussia Dortmund:
Bisher beschäftigt sich der Text nur mit Mainz, aber man trotzdem kommt man nicht darum herum, dass der Leser schon erfährt, wie der Stand der Dinge beim deutschen Meister ist. Grundsätzlich präsentierte sich Dortmund wie gewohnt – starkes Pressing mit wechselnden Intensitäten, welches Kontrolle über Mittelfeld und Spiel brachte, exzellente Raumverknappung und variables Angriffsspiel.
Aber Jürgen Klopp probierte selbstverständlich auch aus und scheut sich auch nicht, seine Teamstruktur weiterzuentwickeln. So war das System auf dem Papier weiterhin das 4-2-3-1 der Vorsaison, doch gerade in der zweiten Halbzeit spielte Moritz Leitner sehr hoch und stieß immer wieder nach vorne.
Kevin Großkreutz begann als Linksverteidiger – dieses Experiment erwies sich allerdings als nicht unbedingt förderlich, denn gelegentlich wirkten die Vorstöße zu vorschnell und bisweilen kopflos. Doch viel bedauernswerter war die fehlende Breite, die mit Großkreutz und Perisic auf der Seite entstand.
In der zweiten Halbzeit sah dies deutlich besser aus, als Großkreutz auf die andere Seite wechselte und links Chris Löwe, der eine sehr forsche und beeindruckende Vorstellung ablieferte, spielen durfte. Die beiden Außenverteidiger schufen Breite und brachten gefährliche Flanken, während die kreativen Offensivspieler das Zentrum fluteten. Hier sah das Verständnis auch schon sehr ausgereift aus, ebenso die Aufteilung der Rollen – Götze spielte eher eine spielmachende Rolle, während Perisic mehr einen inversen Winger abgab. Zusammen mit Leitner und Kagawa konnte man hier vor allem in Hälfte zwei immer wieder Lücken reißen, kombinieren und rochieren.
Besonders auffällig wurde auch wieder eine weitere Dortmunder Stärken der Vorsaison: Sie können die Schwächen des Gegners gezielt nutzen. Beim Pressing spielten ihnen die hohe Zahl an Mittelfeldspielern ebenso in die Hände wie die individuellen Duelle aufgrund der Mittelfeld-Spiegelung, sie legten mit konsequentem Flügelspiel die bei Mainz fehlende Breite offen, und als deren Abwehr für mehr Zugriff weiter aufrückte, passten sie ihr Spiel flexibel an.
Sehr viele Schwarz-Gelbe verdienten sich ein Lob – dabei darf man die gewohnt sichere Innenverteidigung nicht vergessen und insbesondere Mats Hummels, welcher viele Vertikalvorstöße unternahm, Bälle antizipierte und ablief oder klärte (wobei hier Kehl zunächst einige Probleme hatte, die Passwege zu schließen). Inwieweit die Dortmunder Leistung durch die in der Situation liegenden Vorteile gegenüber den ihnen in die Karten spielenden Mainzern bestärkt wurde, kann man nicht sagen – aber stark war die Leistung auf jeden Fall, Klopp hat eine beeindruckende Frühform erarbeiten können.
Startaufstellung Dortmund: Weidenfeller – Piszczek, Subotic, Hummels, Großkreutz – Leitner, Kehl – Götze, Kagawa, Perisic – Lewandowski
Bayern München:
Personell nichts Ungewöhnliches beim Favorit aus München – der auffällig nervöse, aber letztlich solide Köz spielte als Back-Up für Rafinha, während Boateng noch nicht fit war und deshalb in der Defensivzentrale van Buyten und Badstuber das Duo bildeten. Das konkrete taktische System, welches sich hier zweieinhalb Wochen vor dem Bundesligastart zeigte, war jedoch sehr interessant.
Gerade in der Anfangsphase spielte Schweinsteiger sehr weit links, um die Bayern dort mit den beiden Rechtsfüßen Lahm und Ribéry nicht zu eng werden zu lassen. Weil Gustavo deshalb zum Halten der Abstände sehr zentral agieren musste und Köz noch recht vorsichtig wirkte, wurde die rechte Seite zunächst gar nicht genutzt – man war zu linkslastig und, auch wenn Lahm und Ribéry einige vielversprechende Kombinationen zeigten und gut harmonierten, nicht ausbalanciert.
Mit zunehmender Spieldauer wechselten deshalb Gustavo und Schweinsteiger vermehrt die Seiten, was zwar die rechte Seite mehr mit einbezog, wodurch allerdings einiges an Sicherheit und Stabilität verloren ging. Generell fehlte es im Mittelfeldzentrum noch an Präzision, Fehler und Ballverluste sollten noch minimiert werden.
Sehr wohltuend präsentierte sich Thomas Müller, der nicht unbedingt groß auffiel, aber sehr gut für die Mannschaft arbeitete – ein Nachzügler der Vorbereitung ist er nicht. Er stand tiefer als in der letzten Spielzeit, was dem Mittelfeld ungemein half, zudem stellte er sich als Spielpartner für seine Kollegen sowie für Rochaden zur Verfügung und konnte sich auch gut zwischen den Linien anbieten.
Ribéry trieb sich überall auf dem Platz herum, machte einen sehr motivierten, ehrgeizigen und bissigen Eindruck und stand oft sehr zentral – es sieht ein wenig danach aus, als würde die Tendenz mehr in Richtung Kreativkopf oder sogar Spielmacher gehen als in Richtung Dribbler.
Gegen einen extrem tiefen HSV tat man sich in der zweiten Halbzeit dann sehr schwer, die Außenverteidiger standen höher, aber der Spielaufbau wurde dadurch erschwert, dass Schweinsteiger ihn häufig aus einer Position zwischen Köz und van Buyten vornahm – die Passoptionen und Feldaufteilung waren so nicht ideal.
Insgesamt fehlt es noch an der Feinjustierung bei den Münchenern, bei denen Müller, Ribéry und Lahm am besten gefielen: Timing des letzten Passes, Präzision im Mittelfeld, Abstände der Spieler untereinander und vor allem ein abgestimmtes Gesamtsystem.
Startaufstellung Bayern: Neuer – Köz, van Buyten, Badstuber, Lahm – Gustavo, Schweinsteiger – Robben, Müller, Ribéry – Gomez
Hamburger SV:
Aufgrund der doch erheblichen Umstrukturierungen, konnte man auch auf den Bundesliga-Dino sehr gespannt sein. Michael Oenning wählte eine 4-2-3-1-Formation und eine eher abwartende, reagierende Ausrichtung – dies war aber auch stark durch den Gegner bedingt. Die Grundstrukturen sahen schon brauchbar aus, allerdings gab es in der Defensive noch einige Dinge zu verbessern:
Die Abstände in der Defensivzentrale waren nicht eng genug, wodurch man dort für Bayern einige Lücken ließ, ebenso zwischen den Linien, denn teilweise fehlte es im Mittelfeld ein wenig an der Staffelung. Einen guten Eindruck machte dort Gojko Kacar, der offensiver spielte als Jarolim und einige Male gut nach vorne verschob und Ballgewinne im Zentrum erringen konnte.
Von dort gingen die meisten Gegenzüge des HSV aus, denn so gibt es die meisten Optionen, die Angriffe zu dirigieren – das zweite Tor stand hier exemplarisch, als man Bayern in der Vorwärtsbewegung den Ball am Mittelkreis abnahm und ihn dann nach außen verteilte. Der Torschütze dieses Tores und auch des ersten Treffers war der junge Son, der sein Talent eindrucksvoll untermauerte – eiskalt vor dem Tor, aber auch spielerisch stark, er konnte nicht nur hinter die Abwehr geschickt werden, sondern auch selbst sich fallen lassen und kreieren.
Im Großen und Ganzen hat der HSV diesen ersten Test gut gemeistert, allerdings gibt es noch bestimmte Dinge, die man auf jeden Fall anzugehen hat, was aber bei diesem Umbruch nicht ungewöhnlich ist. Drückend ist noch die Problematik des eigenen Spielaufbaus, der gestern nicht wirklich überzeugen konnte. Potenzial und vielversprechende Ansätze präsentierten die Hamburger aber in jedem Fall.
Startaufstellung Hamburg: Mickel – Diekmeier, Mancienne, Westermann, Aogo – Kacar, Jarolim – Ben-Hatira, Töre, Elia – Son
4 Kommentare Alle anzeigen
BenHasna 20. Juli 2011 um 13:27
Finde auch vieles sehr zutreffend, habe noch ein paar Gedanken zu Mainz:
Für mich sah das zuweilen eher nach (aus der Not geborenem) nach links hängendem Hybrid zwischen 4-3-1-2 und 4-3-2-1 aus. Choupo-Moting spielte zweitweise eher auf der Höhe Müllers als Allaguis und eben meist auf der linken Seite. Begründet lag dies wohl an der Linksverteidiger-Position. Caligiuri ist kein gelernter Aussenverteidiger und dazu Rechtsfuss. Da waren also keine Vorstösse zu erwarten und defensiv vielleicht etwas Hilfe benötigt, zumal gegen Götze und Pisczcek. Auf der eigenen rechten Seite konnte man dann eher darauf vertrauen, dass Pospech für die Breite im Spiel sorgen und man defensiv klar kommen würde gegen nach innen ziehende Perisic/Grosskreutz.
War wohl das beste, was man im Sinne „Schadensbegrenzung“ tun konnte in dieser Situation, aber hat natürlich auch eigene Stärken/Möglichkeiten zunichte gemacht, z.b. fehlte jemand, der Grosskreutz stärker hätte fordern können der Linie entlang oder generell die Präsenz vorne drin. Und war etwas ungewohnt selbst für die „alten“ Spieler – letzte Saison war es oft die eigene linke Seite um Fuchs, Soto, Noveski, Schürrle, die spielerisch für den Unterschied sorgen sollte.
44² 20. Juli 2011 um 12:25
Perfekte Zusammenfassung, kann alles genau so unterschreiben.
Die Vorfreude auf die Saison steigt gerade mit jeder Spielminute, wenn man BVB-Fan ist. 🙂
Perisic bestätigte übrigens meinen Youtube-Eindruck, dass sein Timing beim Anlaufen von Kopfbällen unglaublich präzise ist. Bin gespannt, ob er das konstant zeigt, und auch wie gut er spielerisch noch reinkommt.
Ach und danke, dass du 4-3-1-2 schreibst. Die Raute als „4-4-2“ zu bezeichnen find ich völlig gaga.
LUIZ GUSTAVO 21. Juli 2011 um 19:46
Die allgemein im Genre verwendete 442 mit Raute wird gerne auch als 41212 bezeichnet, um die Hierachie besser zu verdeutlichen ohne das Wort Raute sagen zu müssen ;D
Das 4312 kommt dem am nähesten, wobei hier die 3 Mittelfeldspieler auch als verkappte 6er angesehen werden können (siehe Teams von Ralf Rangnick) und kaum eine Raute zu erkennen wäre .
Gruß
44² 22. Juli 2011 um 13:14
Ja stimmt, 4-1-2-1-2 kann man natürlich auch sagen. Ist der gleiche Unterschied wie zwischen 4-1-2-3 und 4-3-3. Bisschen komplizierter, aber detaillierter. Ich benutz das situationsbezogen nach Zweckmäßigkeit.
Nur 4-4-2 suggeriert ja eine Viererkette, die es nicht gibt, und ist durch den Zusatz „mit Raute“ auch noch komplizierter.
Das ist so als würde man „Schweinebraten in Scheiben“ sagen, anstatt „Schinken“. 😀