TEs Bundesliga-Check: „Taktik ist überwertet“ ist überbewertet

TE packt in dieser Woche die ganz heißen Eisen an: Er meint, die Aussage, „Taktik wird überbewertet“, wird gnadenlos überbewertet. Thomas Tuchel, Julian Nagelsmann und Rainer Widmayer treten als Zeugen auf. Außerdem: Gegen wen punkten die Bundesligisten besonders oft?

Spielverlagerung-Autor TE sucht sich nach jedem Bundesliga-Spieltag zwei bis drei Aspekte heraus, die er kurz und knackig analysiert. TEs Bundesliga-Check ist der Analysehappen für Zwischendurch – eine Spielwiese für taktische Beobachtungen, die in den “langen” Spielanalysen keinen Platz finden.

Ich hab‘ Bock auf Stress. Thema heute: Wird Fußballtaktik überbewertet?

Zuletzt hat diese Debatte mal wieder an Fahrt gewonnen. Dieter Hecking hat sich in der Süddeutschen Ende des vergangenen Jahres relativ unverblümt zu Spielverlagerung geäußert:

„Ich finde Taktik wirklich wichtig, aber man darf keine Geheimwissenschaft daraus machen. Es gibt heute ja sogar Internetportale, da werden nach Spielen angebliche Gedankengänge von uns Trainern dargelegt. Ich habe mir das mal durchgelesen nach einem Wolfsburg-Spiel. Ich habe mich gefragt: Diese hochkomplexen Dinge soll ich mir ausgedacht haben?“

Armin Veh hat neulich im Doppelpass in eine ähnliche Kerbe geschlagen. Frank Wormuth, Chefausbilder des DFB, meldete sich vergangene Woche ebenfalls zu Wort:

„Man sieht plötzlich Dinge, die vielleicht gar nicht da sind oder zumindest so nicht intendiert waren. Das ist wie bei einer Vernissage, wo dann Menschen ergriffen vor einer Leinwand mit Farbklecksen stehen, sich fragen, was ihnen der Maler sagen wollte und anschließend irrsinnig viel Geld dafür bezahlen. Was uns der Maler sagen wollte? Nichts. Der hatte vielleicht nur einen schlechten Tag (lacht). Trotzdem reden alle über den Fußball: Mensch, hasse, gesehen, der Hecking. Und die Trainer sagen: So weit haben wir gar nicht gedacht.“

Ich möchte gern zwei Gegenargumente bringen. Das deeskalierende Argument wäre, dass ein Trainer automatisch einen anderen Blick auf ein Fußballspiel hat als ein Taktikanalyst. Die Fehleinschätzung, die vor allem Hecking vornimmt, ist, dass wir die Arbeit des Trainers analysieren. Es ist aber keine Trainer-, sondern eine Taktikanalyse. Ich für meinen Teil versuche als Autor einer Taktikanalyse, jene Teile eines Spiels zu filtern, die mir aus meiner Sicht (!) taktisch wichtig waren und die einen Einfluss auf das Spielgeschehen hatten. Ob der Rechtsaußen nun in die Mitte zog, weil Hecking ihm das gesagt hat, weil er sich seinem Gegenspieler entziehen wollte oder weil der Windhauch am Flügel seine Frisur zerstörte, ist für mich zweitrangig.

Ironischerweise liefert Wormuth das passende Beispiel mit:

„Es geht immer zuerst um die Qualität der Spieler, nicht um Grundordnungen und Systeme. Wenn ein Pep Guardiola aus einer Viererkette eine Dreierkette macht, in dem er David Alaba ins Mittelfeld zieht, dann ist für den Gegner vor allem das Problem, dass nun ein überragender Kicker plötzlich zentraler und offensiver auftaucht. Darauf muss ich als gegnerischer Trainer dann reagieren.“

Letztlich ist ja genau das, was wir mit unseren Taktikanalysen beschreiben: Wenn Pep Guardiola David Alaba ins Mittelfeld zieht, hat dies konkrete Auswirkungen auf das Spiel. Alaba bringt seine persönlichen Stärken und Schwächen nun auf einer anderen Position ein. Das Münchener Aufbauspiel verändert sich, der Gegner steht vor anderen Aufgaben in der Defensive. Wormuth hat Recht, dass die Qualität der Spieler und nicht die Grundordnung im Vordergrund steht. Dadurch dass er dies auf Taktikanalysen bezieht, macht er hier einen Fehler, den viele „altgediente“ Trainer machen: Taktik ist nicht nur eine Frage der Formation. Jeder Spielverlagerung-Autor würde die Aussage, dass Zahlenspiele wie 4-3-3, 3-5-2 oder 4-2-3-1 überbewertet werden, sofort unterschreiben. Taktik endet hier aber auch nicht, sondern fängt erst an. Nicht nur der Trainer braucht die richtige „Taktik“, sondern auch Alabas Gegenspieler, damit dieser ihm nicht davonsprintet.

Alles nur ein Missverständnis also? Definieren Hecking, Wormut & Co. Taktik einfach nur anders als wir? An guten Tagen würde ich mit dieser versöhnlichen Note enden.

Ich bin heute aber in eskalierender Stimmung. (Schöne Grüße an dieser Stelle an meinen Sohn, der seit einigen Tagen zu dem Schluss gekommen ist, fünf Uhr sei eine gute Zeit zum Aufwachen.) Und daher möchte ich klipp und klar sagen: Die Meinung, Taktik sei überbewertet, wird absolut überbewertet. Trainer können sich so als Männer des Volkes geben – nicht umsonst verbindet Wormuth seinen Sermon gegen Taktik mit der nicht minder populistischen Fehleinschätzung, Maler einer Farbklecks-Wand hätten einfach nur einen schlechten Tag erwischt. Fans wiederum freuen sich, ihre „Taktik wird überbewertet, Fußball ist ein einfaches Spiel“-Monologe mit Zitaten von Erfolgstrainern untermauern zu können.

Über Spielverlagerung habe ich mittlerweile genug Einblick in das Fußballgeschäft erhalten, um guten Gewissens sagen zu können: Die Jungs, die in den Vereinen arbeiten, denken nicht groß anders als wir. Sie müssen Taktik natürlich anders vermitteln, weil sie jeden Tag mit Spielern, nicht mit Lesern zu tun haben. Aber in ihrem stillen Kämmerchen sitzen sie genauso wie wir vor ihrer Taktiktafel und machen sich Gedanken, welche Taktik denn die Richtige sei.

Vergangene Woche saß ich mit Rainer Widmayer, Co-Trainer von Hertha BSC, zusammen auf dem Podium einer Veranstaltung, die sich um Taktik drehte. Widmayer analysierte dort die Taktik seiner Hertha mithilfe von Grafiken und Videos. Er erläuterte das 4-4-2-Mittelfeldpressing seiner Hertha. Später zeigte er Bis ins kleinste Detail, wie sich die Spieler bei Ballbesitz postieren sollen. Wenn wir diese Analyse exakt so auf Spielverlagerung veröffentlichen würden, würde die „Taktik ist überbewertet“-Fraktion sofort schreien: „So viel Gedanken macht sich doch kein Trainer!“ Doch, machen sie.

Nicht nur Widmayer. Die Woche zuvor saß ich im Publikum bei einer Veranstaltung, auf der Thomas Tuchel sprach. Er erzählte, wie er teils stundenlang in seinem Büro sitzt und seine Spieler auf der Taktiktafel verschiebt, bis er die richtige Variante gefunden hat. Julian Nagelsmann erzählte dem kicker kürzlich, der große kommende Entwicklungsschritt im Fußball sei, taktische Kriterien mithilfe von Statistiken zu erfassen. „Wie lange bewegt sich mein Stürmer im Deckungsschatten und ist nicht anspielbar? Wie ist sein Freilaufverhalten? Wie viele Spieler haben wir bei einer Balleroberung vor dem Ball?“ Fragen, die – wenn wir wie so stellen würden – das Gelächter so mancher Fans zur Folge hätte. „Deckungsschatten, wer benutzt schon dieses Wort?“ (Dass die Sprache, die wir nutzen, manchmal durchaus etwas zu komplex ist, habe ich hier bereits ausgeführt.)

Bei Widmayer hat das Taktische etwas Zweckmäßiges, bei Tuchel etwas Künstlerisches, bei Nagelsmann etwas Wissenschaftliches. Natürlich gibt es noch andere Themengebiete, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen. Doch Taktik ist ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit, und auch keiner, den man unterschätzen oder unterinterpretieren sollte.

Da können die älteren Herrschaften unter den Trainern oder Journalisten noch so oft behaupten, Taktik sei überbewertet. Sie wird nicht überbewertet. Die Vereine zahlen viel Geld an Trainer, Scouts und Taktikanalysten, um sich exakt mit den Fragen auseinanderzusetzen, mit denen wir uns hier auf dieser Seite auch auseinandersetzen. Man muss das, was wir tun, nicht mögen, man muss sich nicht mal dafür interessieren. Jeder Fan soll Fußball so konsumieren, wie er es für richtig hält. Aber so zu tun, als wären wir weltfremde Nerds, deren Arbeit nichts mit der Praxis zu tun hat, ist einfach Quatsch. Und es wird nicht weniger Quatsch, wenn Veh & Co. mit ihren Anno-Dazumal-Geschichten beim einfachen Fan punkten wollen.

Punkte nach Tabellenstand

Als seichten Ausklang nach dieser weniger seichten Eröffnung habe ich eine kleine Statistik vorbereitet. Die älteren Leserinnen und Leser werden sich erinnern, dass ich bereits in der vergangenen Saison untersucht habe, wie sich die Bundesliga-Teams gegen Top-Teams und wie gegen Abstiegskandidaten schlagen. Der aktuelle Tabellenstand erschien mir ein guter Zeitpunkt, um diese Statistik mal wieder auszugraben. Ich habe hinter Köln (Kampf um Europa) und Schalke (Abstiegskampf) einen kleinen Strich gezogen und jeweils die Punkte pro Spiel berechnet, die Bundesliga-Teams gegen Gegner aus diesen drei Tabellenregionen geholt haben:

Hier erkennt man deutlich den Unterschied zwischen Bayern auf der einen und Leipzig und Dortmund auf der anderen Seite: Die Bayern haben bislang jedes Spiel gegen die Abstiegskandidaten gewonnen, Leipzig und Dortmund nicht. Hertha sammelt seine Punkte, wie bereits im letzten Jahr, vornehmlich gegen Teams aus der unteren Tabellenregion. Bei Schalke und Köln ist dieser Effekt ebenfalls zu erkennen. Hoffenheim ist besonders stark gegen die Teams aus der Tabellenmitte, Leipzig punktet mit großer Regelmäßigkeit gegen die Konkurrenten im Kampf um Europa.

Ausführliche Analysen des 22. Spieltags

Bayern München – Hamburger SV 8:0

Realist 5. März 2017 um 20:07

Wie abgehoben seid ihr denn? Was haben denn eure tollen Konzept- oder Laptop-Trainer bisher gerissen?

Trainer wie Heynckes, Happel, van Gaal, Ferguson, Wenger usw. haben sicherlich nicht völlig ohne ausreichendes Wissen bezüglich Taktik, aber auch allem Anderen was zum Fußball gehört, erfolgreich ihre jeweiligen Mannschaften trainiert. (auch ohne besonders innovativ sein zu wollen)

Wenn dann irgendwann mal die tollen „Laptop-Trainer“ mit ihrem absolut neu erfundenen Fußball die gleichen Erfolge eingefahren haben, kann man sich gerne mal weiter unterhalten.

Als kleine Anregung zum Nachdenken – neu ist nicht zwangsläufig besser. Nehmt euch und eure Analysen einfach nicht ganz so wichtig, denn auch andere Herangehensweisen können erfolgversprechend sein.
Ihr habt die Wahrheit sicherlich nicht für euch gepachtet. Sollte euer Horizont nicht ausreichen, dies zu erkennen, dann liegt das Manko eindeutig bei euch, nicht bei den Leuten die eine andere Ansicht haben, als ihr sie verbreitet.

Habe die Ehre!

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MR 6. März 2017 um 05:34

Du scheinst eine nicht ganz richtige Vorstellung von unserem Selbstverständnis zu haben. Ich glaube wir haben die größten Fans von Ferguson, Happel und van Gaal in unseren Reihen. Fergie haben wir eine eigene Artikelreihe gewidmet und Heynckes ein riesiges Porträt:
https://spielverlagerung.de/2014/12/28/einleitung-zur-serie-sir-alex-ferguson/
https://spielverlagerung.de/2014/12/25/trainerportraet-jupp-heynckes/

Gerade van Gaal wird ja außerdem häufig für eine zu taktische Sichtweise kritisiert.

Wir haben nicht den Anspruch, dass wir Taktik erfunden haben. Wir sind nur die, die innerhalb der Medien am liebsten über das Thema sprechen.

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Mlisiewi 6. März 2017 um 11:14

….Bin jetzt hier schon langjähriger Leser der (in meinen Augen tollen) Seite, und kann Ihre Kritik nicht ganz nachvollziehen. Habe hier bestimmt schon mengenmäßig Artikel im 3stelligen Bereich gelesen, und dabei sind mir weder in den Artikeln selbst noch in den Kommentarbereichen jegliche selbstverherrlichende noch abgehobene Kommentare der Autoren aufgefallen. Mal davon ab, dass Ihr Beitrag doch recht destruktiv und „unwissend“ (s. Antwort des Autors) daher kommt…

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Camp Mou 6. März 2017 um 12:16

Abneigungen gegen Dinge, die man nicht kennt, sind ja auch nichts ungewöhnliches.

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Koom 6. März 2017 um 11:49

Eigentlich muss man die Autoren hier gar nicht verteidigen – vor allem, wenn der Angriff so beinahe trollmäßig kommt – aber mir scheint, dass der „Realist“ von SV.de noch nicht viel gelesen hat. Oder unter der Krankheit leidet, die man oft im Internet sieht: Ersten Absatz gelesen, dann direkt losgepoltert.

Was die von dir genannten Trainer vor allem voraus hatten, war eben auch Verwendung von Taktik, Strategien und Ideen und die Mehrzahl der Trainer ihrer Zeit hatten diese auch einfach nicht. Sich darüber abzuheben wird immer schwieriger, da auf diesem Gebiet immer besser gearbeitet wird.

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Michi 2. März 2017 um 09:39

Ich freue mich auf den Artikel, wenn Dein Sohn Zähne kriegt 🙂

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ode. 28. Februar 2017 um 23:23

Hallo,

ich möchte meinen Senf dazu geben in dem ich meine Wertschätzung für die Seite hier ausdrücke. Ich bin definitiv eher Fan von Tobis Artikeln. Extreme Tiefenanalysen benötige ich persönlich nicht so sehr. Trotzdem lese ich sie hin und wieder gern.

Es macht auch den Reiz einer solchen Seite aus, dass die Schreiber unterschiedliche Stile und Zwecke verfolgen.

Zur angestoßenen Debatte: Ich denke, dass man unterscheiden muss, was Trainer in der Öffentlichkeit sagen und was sie damit bezwecken wollen und was sie tatsächlich tun. Ich kann mir wirklich gut vorstellen, dass Hecking keine Lust hat regelmäßig die Tiefen seiner Taktik in der Bild oder bei Sky offen zu legen. Bei den Medien geht es schlicht nicht um sinnvolle Analysen. Die deutsche Diskussionskultur rund um den Fussball ist viel zu sehr von den Helden und Geschichten der Sportart bestimmt.

Bei Roger Schmidt ist mir kürzlich aufgefallen, wie nebensächlich (teils hilflos) er versucht hat die Elfmeter-Krise wegzulächeln und herunter zu spielen. Sinngemäß: „Darum kümmern wir uns nicht. Irgendwann treffen wir schon wieder…“ Ein Zitat weiß ich sogar noch fast im Wortlaut: „Wir trainieren keine 11-Meter.“ Ich dachte immer nur, dass das grob fahrlässig ist. So was sitzt tief im Kopf und muss bearbeitet werden!

Nach der Winterpause wurde dann bekannt, dass Schmidt die Spieler psychologisch beraten und betreuen ließ um den 11er-Fluch zu besiegen. Und siehe da, der erste 11er nach der Winterpause wurde von Hakan gleich versenkt. So was bei Sky zu diskutieren hat wenig Sinn. Und vermutlich will Hecking sich auf solche Dikussionen auch gar nicht erst einlassen. In den entprechenden Medien.

Ich hab längst die Illusion verloren, dass mehr Taktikdebatte in Massenmedien möglich ist als 100%Meijer, die kurze Taktikanalyse im Sportstudio (die ja eigentlich auch nur lustige Grafiken in Spielszenen einbaut und taktisch gar nichts erklärt) oder auch mal ein Stanni im EM-Studio. Was ich schade finde. Ich würde gern auf einem anderen Niveau unterhalten werden.

Aber die halbe Nation kauft morgens beim Bäcker auch die Bild. Wo ich immer denke: „Schmeiß die Kohle doch gleich in den Mülleimer!“ So sind sie halt.

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Koom 1. März 2017 um 10:28

> Ich würde gern auf einem anderen Niveau unterhalten werden.

Ich finde es schade, dass im Fernsehen weitestgehend auch nur die gleiche Tonart angeschlagen wird beim Fußball. Selbst auf Sendern, die sich komplett nur Sport (und überwiegend Fußball) widmen gibt es fast nur Stammtisch. Ich fände bspw. eine – sagen wir mal – Spielverlagerung-TV auf Sport1 am Montag abend ganz cool, wo man dann tatsächlich überwiegend nur analytisch an den Fußball herangeht.

Andererseits ist da auch einfach das Problem, dass vernünftige Analytiker bereits in Lohn und Brot bei Vereinen (oder anderen Firmen) stehen und die dafür keine Zeit haben. Wohingegen es 100te Ex-Fußballer und andere Promis gibt, die für nen kleinen Betrag ein bisserl launige Phrasen dreschen.

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Schorsch 1. März 2017 um 13:40

Sportereignisse finden zwar in unserer Gesellschaft und damit auch unter den TV-Konsumenten eine sehr hohe Akzeptanz, allerdings ist dies auf ganz bestimmte Sportarten und Sportereignisse begrenzt. Das ist in allererster Linie Fußball, d.h. Bundesliga, DFB-Pokal, Champions-League, Länderspiele der Herren-A-Nationalmannschaft inkl. WM- und EM-Turniere. Länderspiele (inkl. Turniere) der Frauennationalmannschaft und der Nachwuchsteams vielleicht auch noch. Daneben gibt es die Olympischen Spiele, Formel 1 oder diverse Wintersportarten, vielleicht noch Handball-WM/EM oder einige wenige sonstige Sportereignisse. Das macht diese Sportarten/-ereignisse lukrativ und deshalb werden sie von den entsprechenden Verbänden selbst oder über private Unternehmen vermarktet. Die Übertragungsrechte werden sehr teuer verkauft. Da können nur die ‚big player‘ im TV-Markt mitbieten. Entweder weil sie das Geld per Gebühren zur Verfügung haben (ö.-r. TV-Anstalten) oder weil sie den Sport als Vehikel nutzen, um ein neues TV-Modell in den Markt zu bringen (pay-tv-Anbieter), oder weil sie sich höhere Zuschauerquoten und damit höhere Werbeeinnahmen versprechen (Privat-TV). Während die ö.-r. Anstalten ’nur‘ über die Verantwortbarkeit der Höhe der Verwendung ohnehin vorhandener Gelder entscheiden müssen, sieht die Sache bei privaten Anbietern schon anders aus. Jedes Investment muss finanziert werden und muss einen zufriedenstellenden Gewinn abwerfen. Ein kleines Licht unter den privaten Anbietern wie der Spartensender sport1 (ganz gleich, zu welchen Unternehmensgruppe dieser gerade gehört) hat da keine so guten Karten und wird sich immer bei den beliebten TV-Sportarten mit Nischen (z.B. Montagsspiel der Zweiten Bundesliga) und Zweit- und Drittvermarktungsrechten begnügen müssen. Damit man damit auch Geld durch höhere Werbeeinnahmen verdienen kann, benötigt man möglichst viele Zuschauer, was nicht so einfach ist. Die Idee mit dem ‚Doppelpass – Der Fußballstammtisch‘ war da schon genial, das muss man den Machern lassen (ganz gleich, wie man die Qualität dieser Sendung einschätzt). Ein populäres Grundthema (Fußball), ein geschickt gewählter Sendetermin (später Sonntagvormittag/Sonntagmittag), relativ geringe Produktionskosten, Unterhaltung statt Information. Auch die ‚Spieltagsanalyse‘ am (sehr) späten Montagabend zielt ja eher auf die Aufschlüsselung einzelner Spielszenen ab, als auf eine tiefergehende taktische Analyse von Spielen. Dabei werden z.B. sog. ‚Aufreger‘ genommen (Fouls, Elfmeterentscheidungen, Platzverweise, etc.) und die Tore einer Partie. Dinge also, die viele Fußballanhänger noch vom Wochende präsent haben und über die gesprochen wird. So lockt man für diese späte Stunde noch so einige Zuschauer. Wieviele Zuschauer hätte man, wenn man stattdessen eine Taktikanalysesendung à la ’spielverlagerung‘ senden würde? Wenn die Verantwortlichen sich sicher wären, dass es mehr als bisher wären, würden sie bestimmt nicht zögern, so etwas zu probieren. Aber ich bin mir sehr sicher, dass man eine solche Sendung als zu großes Risiko ansieht. Und anders als beim ö-r. geht es nicht nur um Geld/Finanzierung, sondern auch um den Job der Verantwortlichen. Von einem Sender wie sport1 sollte man mMn daher kein entsprechendes Engagement für eine solche Sendung erwarten.

Anders sieht es nach meiner Auffassung bei den ö.-r. aus. Da sollte man wesentlich mehr erwarten dürfen. Man muss es mMn sogar. Ich will jetzt nicht mit dem ‚Bildungsauftrag‘ kommen, das wäre wohl etwas zu hoch in das Regal gegriffen (und hat für mich persönlich immer auch das Gschmäckle von Volkspädagogik). Aber neben der reinen Sportberichterstattung und dem ganzen Zirkus und Zinnober, der mittlerweile rund um Sportereignisse gerade im ö.-r.-TV betrieben wird (so bekommt man halt nicht nur für z.B. die 90 Minuten eines Fußballspiels viele Zuschauer, sondern erhöht diese Zahl auch in der Zeit vor und nach einer Spielübertragung), kommt doch die tiefergehende Betrachtung viel zu kurz oder findet gar nicht statt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich nicht so sehr viele für eine solche tiefergehende Betrachtung interessieren. Aber eine möglicherweise gar nicht so kleine Minderheit tut es dennoch. Und auch diesen Zuschauergruppen hat das ö.-r.-TV gemäß Staatsverträgen Rechnung zu tragen. Wenn nicht auf den Hauptsendern ARD und ZDF oder in den Dritten Programmen der ARD, so wäre auf dem einen oder anderen Spartensender der ö.-r. durchaus Raum und Gelegenheit, z.B. eine
Taktiksendung à la ’spielverlagerung‘ zu installieren. Die Produktionskosten würden sich relativ gering gestalten (ok, sie wären höher als irgendwelche Wiederholungen, die sonst auf diesen Kanälen so laufen) und möglicherweise würde sich die Zuschauerzahl sogar steigern.

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tobit 1. März 2017 um 15:01

Im Prinzip haben nur die ÖR und Sky die Kapazitäten für solche „experimentellen“ Formate. Alle anderen haben keine „freien“ Sendeplätze, oder ihnen fehlen die Rechte. Möglich wäre das ganze natürlich auch außerhalb des TV (wie aktuell schon teilweise), da ist aber dann die Reichweite noch geringer.

Wenn ich mir eine „Traum“-Sendung basteln dürfte, dann würde sie von Alex Bommes moderiert (der einzige Moderator im aktuellen TV, der genug „Sportkompetenz“ hat) umd RM, CE und ES als „SV-Vertreter“, sowie ein oder zwei wechselnde Gäste (z.B. Trainer oder Analysten) würden jeweils ein (oder zwei) Spiele anhand eines Einspielers mit charakteristischen Szenen vorstellen über die dann noch diskutiert würde (im Prinzip Sportschau+Dopa mit Taktikfokus).
Aber dazu wird es wohl nie kommen ????

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Koom 1. März 2017 um 15:44

Bei den ÖR würde ich allein wegen des „Bildungsauftrags“, den diese Sender haben, eigentlich zwingend erwarten, dass man den Fußball nicht nur als Unterhaltung begreift, sondern auch von anderen Seiten beleuchtet. Sehe ich also ganz wie du (und kann umso weniger verstehen, warum man einen Dampfplauderer wie Scholl engagiert).

IMO sind die Kosten für so ein Format überschaubar. Man sieht ja an den endlosen (und sinnlosen) Polittalkshows, das sich sowas schnell und einfach organisieren und produzieren lässt. Das Problem liegt dann eher – wie gesagt – im fachlichen und der Präsentation. Wer auf dem Gebiet richtig was kann, ist schon bei einem Verein oder Beratungsfirma unter Vertrag und die werden nen Teufel tun, denjenigen sich präsentieren zu lassen. U.u. ist das ja wie ein Ausplaudern eines Börseninsiders.

Und dann eben auch die Präsentation: Nichts gegen die SV.de-Autoren, Tobias Escher machte das bei ROGON-TV ganz ordentlich und sympathisch – aber da braucht es auch Leute, die ihm Bälle zuspielen oder sich für Anspiele anbieten, sonst wird es eintönig.

Machbarkeit hin oder her: Seltsam, dass es ein fachlich-analytisches Format es noch nicht ins TV geschafft hat, wo doch jeder kleine Fitzel Fußball sonst übertragen wird.

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Yilde 2. März 2017 um 11:39

Kennt hier jemand eigentlich „MindGame“? Ist (glaube ich) ein Indisches Format, in welchem ein Moderator zusammen mit einem schottischen Trainer der in Indien trainiert Championsleaguespiele taktisch unter die Lupe nimmt. Kostentechnisch sollte so ein Format locker machbar sein und ich denke auch, dass so etwas auf dem Deutschen Markt potenzial hätte.

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Peda 28. Februar 2017 um 14:48

Danke für diesen Diskussionsbeitrag, TE! Er war wieder einmal dringend notwendig.
Phipser spricht unten schon einige Punkte an, die auch mir im Kopf herumschwirrten. Ich will es aber noch einmal selbst ausformulieren:

Was ist Taktik?
Marco Henseling und René Maric geben in ihrem Buch eine ausführliche Definition des Begriffs (kann man in der Amazon-Vorschau nachlesen), wie er im Fußball meinem Verständnis nach richtigerweise verwendet werden sollte:
„Bei der Taktik handelt es sich um alle organisierten Maßnahmen, die daraus ausgerichtet sind, die Spielziele situationsorientiert zu erreichen. Die Situationsorientierung bezieht sich auf die durch den Gegner beeinflussten Umstände von Raum- und Zeitdruck während des Spiels. [..] Man unterscheidet bei der Taktik zwischen Individual-, Gruppen- und Mannschaftstaktik. [..]“
Aber die breite Öffentlichkeit hat ein ganz anders Bild davon: wenn eine Mannschaft „zu taktisch“ agiert, dann hat man sie in Wirklichkeit einfach zu defensiv und vorsichtig wahrgenommen. Bei Ideenlosigkeit im Offensivspiel spricht man gerne vom behindernden „taktischen Korsett“, obwohl zumeist das Gegenteil der Fall ist. Wird der Trainer nach dem Schlusspfiff gefragt, ob seine Mannschaft heute mit der „falschen Taktik aufgelaufen“ ist, meint der Mikrofonständer damit meistens die Grundordnung.
Solange mit Taktik jeder das meint, was er will, wird sich die Diskussion keinen Schritt vorwärts bewegen.

Was ist taktische Analyse?
Auch dazu gibt es aus dem Kreis der Spielverlagerer eine passende Erklärung. Ich darf wieder einmal auf MRs Spielverlagerungs-Manifest verweisen.
„Wichtig ist, dass nicht nur geplante Dinge taktisch betrachtet werden. Die Feststellung eines taktischen Sachverhaltes bedeutet nicht, dass dies eine konkrete Vorgabe oder Planung des Trainers war. Wenn sich aus den Wechselwirkungen zwischen zwei Teams organisch ein bestimmtes Muster ergibt, so ist dieses ebenfalls taktisch zu betrachten. [..]“
Da liegt eigentlich schon der Hund begraben. Hecking und Wormuth gehen nämlich sehr wohl davon aus, dass ein beschriebener Sachverhalt eine konkrete Vorgabe oder Planung war. Das hat aber nie jemand behauptet und ist auch völlig absurd, wenn man ein wenig darüber nachdenkt!
Geh zu einem x-beliebigen Kleinfeldturnier und schau dir Hobbymannschaften an. Die spielen alle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne konkrete Vorgaben, die über die Grundformation hinausgehen würden. Und trotzdem lassen sich bestimmte Muster erkennen. Spielaufbau, Offensivrouten, Umschaltverhalten verlaufen oft in sehr klaren Bahnen ohne vorher festgelegt zu werden.
Oder nehmen wir als anderes Beispiel die musikalische Analyse her. Auch da ist das größte Missverständnis, dass für Außenstehende nicht klar zu sein scheint, dass es sich hier um eine rein deskriptive Disziplin handelt. Im 18. Jahrhundert schrieb niemand ein Werk in Sonatenhauptsatzform, es war andersrum. Der Aufbau und die wiederkehrenden formellen Muster vieler musikalischer Gattungen dieser Zeit führten zur Entwicklung dieser musikwissenschaftlichen Theorie. Daher gibt es auch kaum Werke, die wirklich streng danach gegliedert sind bzw. der Form zu 100% entsprechen. Es gibt ja auch nicht das Angriffspressing.
Es gibt aber sehr wohl einen qualitativen Unterschied zwischen der Analyse darstellender Kunst, klassischer Musik und eines Fußballspiels: ein Gemälde wird maximal durch sich ändernde Farbtöne verfälscht, stellt sich davon abgesehen aber direkt so dar wie vom Künstler intendiert. Bei klassischer Musik stehen zwischen Komponisten und Zuhörer unter anderem die Veränderung des Stimmtons, die qualitative Entwicklung der Instrumente und Musiker sowie natürlich die Interpretation des Dirigenten. Und im Fußball hat man neben anderen Einflüssen vor allem den Gegner, der die Vorstellungen des Trainers nur vage erkennen lässt.
Aber es muss in dieser Diskussion endlich akzeptiert werden, dass eine Analyse rein deskriptiv und nicht präskriptiv ist. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch wieder einmal meinen Vorschlag einbringen, dass die mehrere Autoren unabhängig voneinander ein Spiel analysieren sollten, am besten auch noch einige der regelmäßigen Leser. Das könnte vielleicht dazu beitragen besser zu verstehen, was Analyse kann und ist.

Sind intuitive Expertisen den Analysen überlegen?
Die Frage hat so formuliert vielleicht nicht viel mit der Diskussion zu tun, sie schwingt meiner Meinung nach aber immer mit. Dieter Hecking arbeitet seit rund zehn Jahren durchgehend als Cheftrainer in einer der besten Ligen der weltweit beliebtesten Sportart. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass er sein Verständnis von professionellem Fußball für relevant hält und Neues als Spinnerei abtut. Es ist aber auch nicht zwingend richtig.
Damit man in einem Tätigkeitsfeld eine intuitive Expertise entwickeln kann ohne ständig über fehlleitende Heuristiken zu stolpern, müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein:
* ein möglichst vorhersehbares, wenig zufälliges Tätigkeitsfeld
* die Möglichkeit zum Erlernen der Regelmäßigkeiten durch ständige Praxis und unmittelbares Feedback
Das meint zumindest Nobelpreisträger Daniel Kahneman und dem vertraue ich in der Hinsicht. Medizin beispielsweise deckt das erste Kriterium wunderbar ab, da sich die menschliche Biologie nur extrem langsam verändert. Das zweite Kriterium ist aber stark vom Fachgebiet abhängig: der Anästhesist erhält bei seiner täglichen Arbeit unmittelbares Feedback und wird dadurch eine zuverlässige Intuition entwickeln können. Der Radiologe dagegen hat dieses direkte Feedback nicht (wenn er denn überhaupt eines erhält), wodurch er sich kaum auf seine intuitive Expertise verlassen sollte. Professionelle Schachspieler sind ein anderes Beispiel, auf das beide Kriterien zutreffen. Wenn der Herr Carlsen sich bei einem Spiel nur auf seine Intuition verlässt, wird dabei kein wirklich schwaches Spiel herauskommen (können). Experten könnten seine Züge anschließend unter allen Gesichtspunkten der Schachtheorie zerlegen und würden doch nichts überinterpretieren. Denn auch wenn er seine Züge nicht bedächtig und reflektiert gewählt hat, liegt seiner Intuition eine Unmenge an Praxis mit unmittlbarem Feedback auf der Basis jener Schachtheorie zu Grunde.
Ob ein Trainer ähnliche Fähigkeiten entwickeln kann, wage ich ehrlich gesagt zu bezweifeln. Im Fußball als low scoring game ist das Ergebnis immer stark vom Zufall abhängig. Und TEs naive Hoffnung in Ehren, aber in diesem Multimillionen-Euro-Business zählt meist nur das. Dadurch beraubt man sich aber der Möglichkeit eine verlässliche Intuition zu entwickeln. Eine Intuition und ein Vertrauen darauf entwickelt man ohnehin – das machen auch Börsenmakler, ohne ersichtlicher Grundlage. Aber verlässlich ist sie nicht, weil das Feedback nichts anderes als Zufall ist und man auch nicht weiß, ob das eigene Handeln einen Einfluss darauf hatte.

Ist Taktik also überbewertet? 42.

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MR 28. Februar 2017 um 21:11

Sehr guter Beitrag, danke.

Zum letzten Punkt möchte ich etwas ergänzen bzw. widersprechen: Das Ergebnis ist nicht das einzige Feedback für einen Trainer! Eine Kernkompetenz als Trainer ist es, die Leistung der eigenen Mannschaft korrekt einzuschätzen. Je nachdem wie gut man darin ist, bewertet man dabei nicht nur jede Chance und jede Chance auf eine Chance, sondern jeden Angriff und jede Aktion. Man benötigt natürlich wiederum entsprechende Heuristiken, um diese Bewertung durchzuführen. Dafür braucht man entweder analytische und/oder statistische Arbeit und/oder eine Intelligenz und Erfahrungen, um intuitiv die Qualität von Aktionen und Situationen korrekt zu bewerten. Letzteres ist meines Erachtens deshalb auch eine absolut entscheidende Fähigkeit für einen Trainer. Diese Fähigkeit wird im übrigen auch von analytischen Tätigkeiten geschult, hilft andererseits der analytischen Tätigkeit ganz enorm.

In diesem Kontext ist auch Tobis verlinkter Tweet anders zu lesen: Natürlich geht es den Entscheidern um das Ergebnis. Es sollte aber logischerweise das zukünftige Ergebnis entscheidend sein. Man trifft die Entscheidungen ja, um die zukünftigen Ergebnisse zu beeinflussen. Dementsprechend sollten die Leute schon schlau genug sein, die Kriterien zu betrachten, die sich als gute Predictor für Ergebnisse herausgestellt haben. (Und das sind halt eher Shots und xG als Goals.)

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Peda 1. März 2017 um 09:27

Ja, da habe ich etwas den Faden verloren. Aber der Kommentar ist erschreckend lang geworden und ich wollte zu einem Ende kommen. 😀

Ich wollte im letzten Teil einfach nur zwei Dinge anmerken:

1) man kann nicht in jedem Tätigkeitsfeld zum Experten werden: wenn mein Feedback keine verifizierbaren Kriterien enthält (weil nicht vorhanden oder ignoriert), dann werde ich meine Intuition nur geringfügig verbessern können. Da muss man sich selbst eine strikte Assessment/Reassessment-Politik auferlegen, um voranzukommen (dazu fallen mir als gute Beispiele auch Ensembleleitung im Amatuerbereich und Neuroathletiktraining ein).

2) Menschen entscheiden erschreckend irrational und sind oft den primitivsten Algorithmen unterlegen: zu dieser erschreckenden Kenntnis muss man kommen, wenn man Kahnemans Buch selbst liest und die enthaltenen Selbstversuche ausprobiert. Verlustaversion (z.B. auf Unentschieden spielen) endet ja gerade im Fußball oft fatal. Mein Lieblingsbeispiel dazu ist Professor Orley Ashenfelter, der Weinkritiker auf der ganzen Welt seit über 25 Jahren zur Verzweiflung bringt. Mit nur drei Parametern sticht er bei Prognosen zur Preisentwicklung eines Jahrganges alle aus: Niederschlag im Winter, Temperatur im Wachstum, Niederschlag in der Erntezeit. Amüsierend (haha, Weinsnobs!) aber auch deprimierend

Wenn ich das zusammennehme, wage ich zu behaupten, dass sich Trainer, die langjährig im Profibereich tätig waren bevor Metriken wie xG & Co auftauchten, aufgrund ihres reichen Erfahrungsschatzes nur sehr schwer bis gar nicht mehr in ihrer Entscheidungsfindung beeinflussen lassen.
Bauchentscheidungen durch bewusste Abwägungen zu overrulen erfordert nämlich enorme kognitive Anstrengungen.

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FAB 1. März 2017 um 11:54

„…dass sich Trainer, die langjährig im Profibereich tätig waren bevor Metriken wie xG & Co auftauchten, aufgrund ihres reichen Erfahrungsschatzes nur sehr schwer bis gar nicht mehr in ihrer Entscheidungsfindung beeinflussen lassen.“

Beeindruckende These, die die ganze Diskussion sehr gut auf den Punkt bringt und die ich absolut teile.
Zusätzlich muss man auch noch sagen, dass der „altmodische“ non-Laptop-Trainer auch oft gar nicht die Kompentenz hat, mit diesen Techniken umzugehen. Es ist also nicht nur ein nicht-Wollen, sondern oft auch ein nicht-Können und da es um den Job / die Existenz geht, versuchen diese Trainer natürlich im Sinne seiner „altmodischen“ Methoden zu argumentieren.
Dieser Kulturwandel findet allerdings nicht nur im Fussball statt. Die Digitalisierung wird alles umkrempelt. Bekanntlich wird im Silicon Valley fleissig an den Super-Algorithmen gearbeitet, um menschliches Handeln generell vorherzusagen? Die Werbeindustrie und die Geheimdienste investieren bereits heute Milliarden und die „old-Economy“ wie die Autoindustrie, Maschinenbau springt gerade auf diesen Zug auf. Dieser Wandel ist nicht mehr umkehrbar.
Das sind Fragen die über Taktik im Fussball natürlich deutlich hinausgehen. Der Fussball ist aber keine Parallelwelt, sondern wird genauso von diesem Kulturwandel erfasst.
Konsequenz: der Non-Laptop-Trainer wird in sehr naher Zukunft komplett aussterben.
Bei den Medien wird es etwas länger dauern, weil deren Zielgruppe einfach schon relativ alt ist. Der durchschnittliche Fernsehzuschauer von einem Fussballspiel bei ARD oder ZDF dürfte ja bereits um die 60 Jahre alt sein! D.h. es ist damit zu rechnen, dass dort dieser Trend weiterhin verleugnet wird.

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AP 1. März 2017 um 22:49

Geiler Kommentar

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Koom 6. März 2017 um 14:17

Es gab bei SCRUBS mal eine Folge mit einem wirklich netten, sympathischen alten Oberarzt, der veraltete Praktiken verwendete und dadurch das Leben seiner Patienten riskierte. Der knorrige Chefarzt entlies ihn daraufhin mit dem Hinweis, das auch er noch regelmässig zu jeder Schulung und Seminar gehen würde, trotz all seiner praktischen Erfahrung.

So sehe ich das auch bei Trainern. Es ist egal, ob die 26 oder 62 sind. Es ist eine Frage der Einstellung. Erfahrung ist ein Bonus, weil man manche neueren Erkenntnisse wahrscheinlich in einen besseren Kontext stellen kann und auch entscheiden kann, ob es für die aktuelle Arbeit relevant ist. Auch ein Jupp Heynckes „lernte“ bspw. noch Gegenpressing. Über Ferguson könnten und wurden schon Abhandlungen geschrieben.

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Gh 6. März 2017 um 15:18

ja, haha, dick van dyke wird von kelso „beschuldigt“ dass seine diabetiker keine ace-hemmer bekommen. dass diese allerdings bei diabetikern anderen hypertonika vorzuziehen ist eine immer noch offene frage und keine gesicherte erkenntnis. hatte der alte dickie also doch nicht so ganz unrecht.

Koom 6. März 2017 um 15:53

Was zur Analogie natürlich wunderbar passt. 🙂

Gh 7. März 2017 um 14:03

es ist halt so: man kommt euphorisch aus einem studium, vollbepackt mit wissen, das allerdings unter „laborbedingungen“ erworben wurde, hinein in die trübe wirklichkeit und stellt fest: au weia, so wie in der studie klappt des aber nicht. letzlich sind halt viele beobachter und trainer voreingenommen und haben eine sehr selektive wahrnehmung, ziehen surrogatparameter zur bewertung ihrer arbeit ran (in den ersten 15 Min haben wir ganz doll gepresst). roger schmidt hat sich da etwas hervorgetan. ich als fan von barca seh ja auch gerade als gesichert an, dass morgen 5:0 gewonnen wird. aber n euro würd ich nicht drauf setzen.

Koom 7. März 2017 um 16:24

Um mal kurz bei dem Alt vs. Neu-Kontext noch mal hinzugreifen: Es hilft, wenn man auch alte, (vermeintlich) überholte Techniken und Praktiken kennt – sowohl in Medizin wie auch im Fußball. Wie Klopp bspw. Tuchels BVB schlichtweg schockierte, als er die langen Eisen in der Euroleague rausholte und damit die eher Laborbedingungs-Fußballer komplett rausnahm, weil sie mit der Intensität, Leidenschaft und Druck nicht klarkamen.

Und im Fußball lohnt sich das sowieso, weil sich offensichtlich alles wiederholt – wenn auch mit moderneren Mitteln.

wurstverkäufer 10. März 2017 um 04:21

Das Buch von Kahneman sollte man aber mit gebotener Skepsis lesen:

https://replicationindex.wordpress.com/2017/02/02/reconstruction-of-a-train-wreck-how-priming-research-went-of-the-rails/

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Peda 13. März 2017 um 11:06

Danke für den Link, interessanter Artikel!

Hast du dir auch die Kommentare dazu durchgelesen?
Dort antwortet unter anderem Daniel Kahneman selbst in sehr offener Art und Weise.
Auch der Urheber schreibt, dass andere Kapitel des Buches weit besser aussehen als jener über Priming – und Priming habe ich in meiner Argumentation gar nicht verwendet.

Eigentlich bestätigt der Artikel noch meine Argumentation, wenn sogar Kahneman selbst fälschlicherweise seine Intuition gegenüber statistischer Relevanz den Vorzug gibt.

Mich würde sehr interessieren, was RM über das Thema zu sagen hat, immerhin studiert er ja Psychologie.

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GST 28. Februar 2017 um 11:54

Mir gefällt der Artikel sehr gut und ich stimme auch mit der Ansicht überein. Lediglich die Bezeichnung derjenigen Fans, die sich für Taktikanalyse nicht interessieren, als „einfache Fans“ stieß mir ein wenig auf. Das klingt etwas elitär. Es sind Fans, die am Fußball andere Dinge schätzen als Taktikanalyse.

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Fanto 28. Februar 2017 um 11:07

Taktikwissen und Spielverlagerung ist gut, gewinnt aber keine Spiele. Wie vieles im Leben braucht es von allem etwas. Fitness, Motivation, Willen gepaart mit der richtigen Aufstellung und Mut der Trainer auch neue Sachen auszuprobieren ist eine gute Mischung. Fussballer sind alles Individualisten. Bei einigen ist die Qualität schon Kindesalter da, andere müssen hart an sich arbeiten, wiederum anderen sind an der frischen Luft. Man sollte als Taktiknerd nicht mehr hineininterpretieren als da ist. Bei Börsenmakler sieht die Sache wiederum anders aus.

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ES 28. Februar 2017 um 10:01

Eine kleine Schärfung (die Euch natürlich sehr bewusst ist, die ihr aber aus Gründen der Lesbarkeit des Beitrags nicht elaboriert habt): Taktik an sich ist ja die Gesamtheit aller (bewussten oder unbewussten) Aktionen auf dem Spielfeld, die (vermeintlich oder tatsächlich) dazu führen, das Ziel, ein Tor zu schießen oder eines des Gegners zu verhindern, unterstützen.

Was wäre, wenn es Taktik nicht gäbe, darf man sich an einem kleinen gedanklichen Experiment vor Augen führen: Stellen wir uns vor, alle Aktionen der 22 Spieler auf dem Platz (ob mit oder ohne Ball) wären ausschließlich zufallsgesteuert. Das wäre das perfekte Spiel ohne jegliche Taktik. Das Spiel wäre atemberaubend uninteressant. ich vermute, selbst in 100 Spielen würde nicht ein einziges Tor fallen. Mit dem Gedanken kann und wird kein Trainer der Welt Taktik unterschätzen.
Der genaue Disput, der in dem Artikel angesprochen wird, ist also vielmehr die Frage (und jetzt wird es fast schon schwierig), ob die aktive, intellektuell ausgearbeitete, methodische und explizite Vorgabe von bestimmten taktischen Elementen durch den Trainer wichtig ist oder nicht. In dieser Kompliziertheit wird das alles auch wieder schwer zu bewerten.

Nehmen wir mal an, der Trainer hat einen Schlüsselspieler mit bestimmten taktischen Fähigkeiten (die der Trainer nur intuitiv erfasst, vielleicht misinterpretiert er sogar die taktische Fähigkeit des Spielers als eine technische). Der Trainer findet den richtigen Draht zu dem Schlüsselspieler, bestärkt ihn in seinen Stärken (der Trainer ist halt kein Intellektueller, sondern ein guter Führungstyp) und plötzlich wirkt das Spiel der Mannschaft taktisch sauber und durchdacht. Ist der Trainer jetzt ein Taktikfuchs?

Nicht missverstehen: Ich verstehe schon den Kern der Aussage des Artikels,nämlich dass die explizite und methodische Beschäftigung mit taktischen Elementen zum Kern-Handwerkszeug des professionellen Trainerstabs gehört.

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Koom 28. Februar 2017 um 11:48

Fußball vergleicht man gerne mit Schach. Natürlich holpert dieser Vergleich auch hier und da, aber er bringt vieles treffendes.

Nehmen wir mal Arjen Robben. Beim Schach wäre der ein Springer. Du wirst beim Schach aus ihm keinen Turm oder die Königin machen, er bleibt ein Springer. Du musst wissen, wie du ihn ideal einsetzt, damit er hilfreich ist. Anders gesagt: Man kann einen Fußball nur begrenzt „formen“. Entweder hat er keine großen Stärken (und Schwächen), dann ist er aber auch relativ beliebig einsetzbar.

Die Herangehensweise an den Kader macht nun viel aus. Du hast Trainer, die erkennen sehr schnell ihre Schachfiguren und ordnen sie entsprechend an. Ich würde spontan Hecking als solchen bezeichnen. Nimmt man ihm spezielle Figuren weg, dann hat er auch erst mal Probleme, weil „sein Spiel“ kaputt und fehlerhaft ist. Dann hast du Trainer wie Guardiola, denen ihre Schachfiguren erst mal relativ egal sind, weil jeder wird wie eine Dame light oder „verbesserter Bauer“ behandelt, indem er ihnen Strukturen „aufzwingt“, in denen sie agieren sollen. Wenn da ein Spieler ausfällt, ist das schade, aber meist weniger dramatisch, weil er einen anderen auf die gleiche Position stellen kann, der (überschaubar) auch das gleiche tun soll.

Bitte nicht wertend verstehen, es sollen nur Beispiele sein. Es gibt ja auch noch das Beispiel Peter Neururer, der aus seiner Mannschaft eine Horde geschlossen stehender Bauern macht, wo 1-2 Königinnen die Standardsituationen treten. Was im Grunde erst mal gut funktioniert: Verteidigen kann jeder, unabhängig von seinen Stärken. Und für die Offensive braucht es nur die 1-2 Experten für den ruhenden Ball.

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ES 28. Februar 2017 um 14:01

Der Vergleich mit Schach, den wir ja immer mal wieder hatten, ist deshalb so spannend, weil Schach ja ausschließlich Taktik ist (wenn man mal grob die beiden Bereiche Taktik und Strategie, die beim Fußball gerne in das eine Wort Taktik zusammengefasst werden, auch für Schach zusammenführt). Man würde ja nie sagen: „Oh, der Springer hat heute eine besonders feine Technik“ oder „Da hat sich aber die Konditionsbolzerei beim Läufer gelohnt!“. Alles Technische, Körperliche fällt beim Schach weg (auch beim Schachspieler, wobei wiederum witzigerweise die Bedeutung der körperlichen Kondition bei Schachspielern im selben Verhältnis zu steigen scheint wie die der Taktik im Fußball; alle Top-Schach-Profis sind mittlerweile im Wesentlichen auch gut trainierte Athleten – Ausnahme gleich unten).

Wassyl Iwantschuk ist ja mit seinen jetzt bald 48 Jahren neulich Schnellschachmeister geworden, und hat dabei die ganze „Jugend“, incl. Weltmeister Magnus Carlssen hinter sich gelassen. Das hat der sicher nicht gemacht, weil er die bessere Rechentiefe oder das modernere methodische Vorgehen hatte, sondern durch einen Großteil an Intuition und Erfahrung. Frag den mal nach der Bedeutung seiner physischen Vorbereitung.

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pb 27. Februar 2017 um 23:07

Eine kurze Anmerkung zur Diskussion um die verwendete Sprache: Ich bin selber Journalist und muss für eine ziemlich bekannte Zeitschrift komplexe Sachverhalte für die Leser verständlich aufbereiten.

Das richtige Niveau zu treffen, ist dabei eine ständige Herausforderung und eben auch eine ganz entscheidende Qualifikation für den Job. Weder erstklassige Technik am Ball noch erstklassige Analysefähigkeit allein reichen für eine Profikarriere im Fußball bzw. Journalismus aus.

Übersteiger und andere Tricks muss man dosiert und zweckgerichtet einsetzen ( außer man ist Jay-Jay Okocha ). Das trifft auch auf die Verwendung von für den Großteil der Leserschaft eher unvertrauten Begriffen wie Deckungsschatten zu. Man muss sich immer fragen, ob so eine Neuschöpfung einen Mehrwert bringt. Zu meiner Studienzeit war das beliebteste Beispiel der Atomwaffensperrvertrag – Wörtliche Übersetzung Nicht-Weitergabe-Vertrag ( Non-Proliferation-Treaty ). Klarer Mehrwert ohne Komplexitätsreduzierung. Josef Joffe hat daraus letztens ein selbst in Denglisch furchtbares Konstrukt gezimmert, das habe ich wohl aus Selbstschutz schon wieder vergessen. Der Punkt ist, sowas passiert auch alten Hasen. Die sollten es allerdings besser wissen.

Kritisch wird es dann, wenn man sich in einen Rausch schreibt, und solche Wortschöpfungen mit einem Haufen von starken Adjektiven und Adverbien umgibt. In diese Falle tappt der eine oder andere SV-Autor gelegentlich schon 😉

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MR 28. Februar 2017 um 10:09

Abgesehen von TE und CE haben die meisten SV-Autoren aber auch keinen journalistischen Anspruch, sondern einen analytischen. Wir sind primär ein Analyse-Blog und kein Unterhaltungsmedium. Gerade TR, RM und mir geht es quasi nur darum, dem Inhalt möglichst gerecht zu werden, alles andere ist mehr oder weniger Beiwerk und Bonus.

Und dabei haben wir halt ein Problem: Wir reden über ganz viele Sachen, über die sonst keiner redet oder über die früher keiner geredet hat. Deshalb nutzen wir ganz viele neue Wörter. Und das machen wir so häufig, dass es keinen Sinn ergibt, diese Wörter jedes Mal neu zu erklären. (Wir müssten aber mal das Taktiklexikon updaten.)

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pb 28. Februar 2017 um 16:08

Unterhaltungsmedium ? Ich arbeite nicht für die „Bunte“ 😉

Der post war auch gar nicht als diss gemeint, sondern als freundlicher Hinweis. Wenn man für ein Publikum schreibt, muss man sich über solche Dinge eben Gedanken machen. Bei den meisten Artikeln hier passt es mMn ja auch und der pauschalen Kritik einiger Trainer und Leser schließe ich mich ausdrücklich nicht an.

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Ein Zuschauer 28. Februar 2017 um 17:33

Man sollte sich dieser Effekte bewusst sein. Doch wenn man sich trotzdem entscheiden möchte analystische Präzision Massentauglichkeit vorzuziehen, dann kann man das ja einfach tun.
Jeder Autor sollte sich überlegen an welches Publikum er sich richtet und jeder Autor darf sich entscheiden an welches Publikum er sich richtet. Und wenn MR, TR und RM sich nun mal entscheiden hier auf sv sich an die Leute richten zu wollen, die bereit sind sich auf allerlei Feinheiten, Komplexitäten und sprachliche Neuerungen einlassen wollen (dass MR anders kann zeigt er ja bei den ruhrnachrichten), dann dürfen die sich genau so entscheiden. Da ist dann eine Beratung wie man etwas anderes als das, was man möchte, auch ein bisschen fehl am Platz.

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MR 28. Februar 2017 um 20:39

Ich hab das auch nicht als Diss wahrgenommen, ich wollte das nur klarstellen. Aus journalistischer Hinsicht kann man bspw. vieles an einem Artikel von TR kritisieren, das geht aber weit an dem vorbei, was die Idee und die Qualität dieser Artikel ist. Der Artikel soll das Spiel abbilden, er soll es nicht einer Zielgruppe erklären. Was man damit anfangen kann, ist dementsprechend natürlich hochgradig subjektiv. Und das muss man eben verstehen, wenn man richtig einordnen will, was wir hier machen.

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ES 28. Februar 2017 um 16:47

„Deckungsschatten“ finde ich eine überaus großartige Wortschöpfung, das ist bildlich und das ist sofort intuitiv verständlich. Wer immer den Begriff erfunden/geprägt/verbreitet hat: Gratulation und mehr davon!

„Nicht kohärente Tiefenstaffelung“ dagegen (hat das mal jemand tatsächlich gesagt, oder bilde ich mir das gerade ein?): Schwerer Tobak! Trotzdem im Zweifelsfall: Lieber ein schlecht gewähltes und kompliziertes Wort für die richtige Sache als ein leicht verständliches, das aber die Sache falsch widergibt.

Im Übrigen: Ich verstehe manches, aber längst nicht alles, was hier geschrieben wird. Muss ich das? Habe ich da etwa ein Anspruch drauf? Ich finde Nein. Bei einem Artikel, der mir zu gestelzt daher kommt, halte ich es mit Marcel Reich-Ranicki: „Man muss eine Suppe nicht auslöffeln, um festzustellen, dass sie nicht schmeckt.“

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tobit 28. Februar 2017 um 17:35

Deckungsschatten finde ich auch sehr intuitiv.
Inkohärente Tiefenstaffelung dauert etwas, finde ich aber immernoch halbwegs verständlich, wenn man sich unter den Teilbegriffen zumindest ein bisschen was vorstellen kann. Ansonsten bin ich voll und ganz bei dir – wer die Musik bezahlt, der darf auch das Stück aussuchen. Auf SV.de sind das halt die Autoren, die ja auch teilweise für andere Medien (da dann meist zielgruppenangepasst etwas simpler in der Sprache und mit weniger Tiefgang in der Analyse) schreiben.

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blub 28. Februar 2017 um 19:59

Das problem an „inkohärente tiefenstaffelung“ ist doch das niemand eine Ahnung hat was überhaupt „kohärenz“ bedeutet. Jetzt könnte man da auch ein einfacheres Wort verwenden, aber das Problem ist ja nicht ein Neologismus der Autoren, sondern ein bereits (un)bekanntes deutsches Wort.

zum vergleich: „Tiefenstaffelung“ hab ich schon auf Kreisligaplätzen gehört.

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MR 28. Februar 2017 um 20:46

Das Problem bei der inkohärenten Tiefenstaffelung liegt m.E. daran, dass es nicht exakt genug. Inkohärent ist eine sehr ungefähre, allgemeine Begrifflichkeit in dem Kontext. Man kann sich deshalb nichts konkretes vorstellen, weil es nicht sehr konkret beschreibt. Man müsste dann erst einmal genauer schreiben, inwiefern die Staffelung inkohärent war.

Das ist also nicht überspezialisiert und verkopft, sondern eher das Gegenteil. Das haben wir übrigens relativ oft, dass wir eher metaphorisch, zusammenfassend, abstrakt daherreden und gar nicht so detailliert analysieren, wie man uns das „vorwirft“. Tatsächlich ist die detaillierteste Form der Analyse sehr leicht verständlich. Die geht nämlich nur an der konkreten Situation: Der müsste da stehen, der dort, der muss sich so bewegen, die müssen enger zusammenstehen, der muss den Pass spielen und nicht den anderen. Diese ganzen Details versuchen wir irgendwie griffig und abstrakt zusammenzufassen. Das ist tatsächlich auch eine sehr merkwürdige Herangehensweise, die Stärken und Schwächen hat. Als Trainer kann man das in der Vermittlung manchmal nutzen, in der persönlichen Planung öfter, aber häufig kann einem das auch auf den Fuß fallen. Ich glaube, teilweise ist das durchaus ein Schwachpunkt unserer Analysen. (Teilweise aber auch eine unserer größten Stärken.)

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blub 28. Februar 2017 um 22:28

Natürlich ist die Zusammenfassung und Mustererkennung(und Benennung) eure Stärke. Jeden Moment des Spiel einfach nur abbilden kann jeder der genug aufwand betreibt.

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ES 1. März 2017 um 17:35

Man kann den „Konflikt“ auch so beschreiben, dass es schlicht unterschiedliche Motivationen gibt:

1) Ihr habt eine Motivation zu schreiben. Da Ihr von dem Eure Beiträge konsumierendem Publikum (nämlich von uns) kein Geld bekommt für das, was Ihr schreibt, nehmt Ihr manchmal nur bedingt Rücksicht darauf, ob es uns gefällt oder ob wir das verstehen (Oh je, es wird schon wieder kompliziert: Manchmal kann es für den eigenen Gedankengang extrem erhellend sein, wenn man genau auf den Laien im Schreiben Rücksicht nimmt (mir fällt da gerade der Mathematiker Euler im 18. Jahrhundert ein, der sich mit seinen Schriften nicht eher zufrieden gab, bevor nicht sein Barbier sie auch verstanden hat (mussten schlaue Barbiere mit Lateinkenntnissen gewesen sein))). Ihr dürft daher mit unanschaulichen und noch nicht zu Ende gedachten Begriffen wie köhärenter Tiefenstaffelung um Euch werfen, wenn Ihr Lust darauf habt oder aktuell wegen noch nicht abgeschlossener Begriffsfindung nicht anders könnt (Eitelkeit ist im übrigen ja durchaus auch eine legitime Motivation).

2) Der Redakteur einer Zeitschrift wird für das bezahlt, was er schreibt. Das bindet ihn bei aller journalistischen Unabhängigkeit zumindest an Leser, an Abonnenten und an Chefredakteure. Die Motivation darauf Rücksicht zu nehmen ist ganz offensichtlich, auch überhaupt nicht verwerflich. Es bedeutet auch nicht, dass er/sie deswegen nur nach dem Gusto der Masse schreiben muss (jedenfalls nicht immer).

3) Die Redakteure von Sendungen wie Doppelpass versuchen nicht, das Publikum mit Fachinformationen zu versorgen, sondern binden es durch das Gefühl der sozialen Teilhabe. Der Zuschauer soll das Gefühl entwickeln, mit Dieter Hecking beim Frühschoppen am Stammtisch zu sitzen, egal worüber dabei geredet wird. Soziale Gruppenbildung funktioniert aber am Besten durch Abgrenzung von anderen. Die verkopferten Taktik-Spinner kommen da gerade recht (umgekehrt funktioniert die Bindung ganz offenbar auch ganz blendend, wenn man sich emotional gegen den gemeinen unwissenden Fan abgrenzen kann, siehe verschiedene Beiträge hier)

4) Der Trainer wiederum wird alles dafür tun mit seiner Mannschaft erfolgreich zu sein. Wenn ihm dabei der Begriff der kohärente Tiefenstaffelung hilft, prima. Wenn nicht, widmet er sich anderen Dingen.

Alles legitime Motivationen, wobei jedesmal der Output ganz natürlich eine anderer ist. Schwierig wird es nur dann, wenn die Erwartungshaltung an die jeweiligen Akteure eine nicht vorhandene Motivation unterstellt.

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Gh 27. Februar 2017 um 21:46

o mei, jeder will halt ein bestimmtes image verkaufen. watzke hat nen ziemlichen taktiknerd zum trainer, trotzdem will er „echte liebe“ (zitat) verkaufen. klingt ungefähr so ehrlich wie die angebote auf der reeperbahn. die taktik-frickler müssen dann ins hinterzimmer zum tüfteln wie die rocket girls bei der nasa.

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Izi 27. Februar 2017 um 21:45

Ich glaube, es gibt bei der Debatte zwei Dinge, die wir uns vor Augen halten sollten:

Der Begriff „Taktik“ ist oft negativ konnotiert als „zu viel über unplanbare Dinge nachdenken“ (siehe Hecking) und die daraus resultierende Fixierung darauf, Taktik sei auf die Formationswahl beschränkt.
Die Empfänger der Botschaft. Machen wir uns nichts vor: Die überwältigende Mehrheit der Bundesbürger ist im Bezug auf Leseverständnis mit den sv-Artikeln überfordert. Wenn sich ein Trainer auf der Pressekonferenz in diesem Duktus äußert, wird er als besserwisserischer Spinner abgetan. Und er macht sich damit unbeliebt bei denen, die ihn nicht verstehen.

So sind wir, die wir TE unterstützen und genauso denken, Außenseiter, die von ihren Idolen zu selten die Ausführungen hören, die sie interessieren…

Ein genialer Artikel, für den mir kein Adjektiv gut genug scheint! 😀

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Lavington 27. Februar 2017 um 20:41

Im Vorbeischreiben LT einen Digital Orgasm besorgt und mal argumentativ kräftig aufgeräumt – Respekt TE, läuft bei dir. Und das, weil Sohnemann die Nacht schon um5Uhr beendet. Klingt mir verdächtig, als wärst du – lieber TE – noch im Studentenmodus hängengeblieben, wo man auch länger schlafen zu können meint :-P. Für uns in jedem Fall eine grandiose Zukunftsperspektive, wenn – leider erst in plus-minus 15 Jahren – dieser zu rühmende Sohn (nennen wir ihn mal TJE) BESTENFALLS um 5Uhr auch mal wieder nach Hause gekommen sein wird – in einem Zustand des quasi „taktischen Fouls“;-). Wenn Vatti sich dann zur Kolumne setzt, kann es nur noch besser werden:-).

Und ja, wird an der Prägung der Trainer liegen, wo mancher älterer gewiss weniger taktisch geprägt wurde und ergo noch ist (schlicht auch weil das höchste der Gefühle eine Taktik-Kreidetafel war, mit der eingie heutiger Facetten nunmal auch gar nicht zu erfassen/darzustellen/zu vermitteln waren). Frei nach Max Planck: das ändert sich erst, wenn die heute jungen alt geworden sind. Sprich auch in der Wissenschaft setzt sich so manches noch so argumentativ bestens Begründete erst dann durch, wenn die Anhänger der vorigen Theorie „ausgestorben“ sind. Völlig fußballfernes Beispiel hier:
http://www.spektrum.de/news/der-anfang-vom-ende-dunkler-materie/1437827
Jetzt wohl gewiss auch kein Argument fürs „Aussitzen“, aber erst wenn – vermittelt u.a. der DFB-Schulungen – eine Trainergeneration komplett durch und durch mit „SV-artiger Taktik“ sozialisiert wurde und nach und nach die „Alten“ abgelöst hat, werden derlei Vorbehalte sich ausgeschlichen haben…

Grüße an DEN SOHN

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Izi 27. Februar 2017 um 23:22

Wenn Taktik etwas Neues wäre, das jetzt erst Einzug in den Fußball erhält, wie müsste man dann die Arbeit von Manuel Fleitas Solich, Alf Ramsey, Viktor Maslov, Ernst Happel, Rinus Michels, Valeriy Lobanovsky, Arrigo Sacchi und Johan Cruyff bezeichnen?

Taktik ist kein neuer Trend. Sie ist eher wie Kunst oder Musik: Jeder kann einen Stift oder ein Instrument in die Hand nehmen, aber nur in wenigen Händen transzendiert das Gespielte Instrument und Spieler 🙂 Und wenn mehrere Genies zur gleichen Zeit auf den Plan treten, hat man gleich eine neue Ära.

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Schorsch 28. Februar 2017 um 14:55

„Wenn Taktik etwas Neues wäre, das jetzt erst Einzug in den Fußball erhält, wie müsste man dann die Arbeit von Manuel Fleitas Solich, Alf Ramsey, Viktor Maslov, Ernst Happel, Rinus Michels, Valeriy Lobanovsky, Arrigo Sacchi und Johan Cruyff bezeichnen?“

Man darf diese Aufzählung gerne ergänzen. Da gibt es etliche Trainer, die sich in der Geschichte des Fußballs um den Aspekt ‚Taktik‘ verdient gemacht haben. Herbert Chapman, Hugo Meisl, Béla Guttmann oder Helenio Herrera sind nur einige von ihnen. Und wenn man nach Deutschland schaut, dann sollte man Sepp Herberger, Hennes Weisweiler oder auch Helmut Schön nicht vergessen. Alle diese Trainer haben der Taktik einen bevorzugten Rang in ihrer (auch täglichen) Arbeit eingeräumt. Natürlich nicht mit den Mitteln, wie sie heute auch dank moderner Technik möglich sind; die Entwicklung schreitet in jedem Bereich fort. Aber die Taktiktafel gibt es schon sehr, sehr lange im Fußballtraining. Und sie ist bereits vor mehr als Hundert Jahren zum Leben erwacht 😉 , zumindest bei nicht wenigen Trainern.

Im Grunde genommen ist Taktik ein fester Bestandteil des Spiels, seit es das Spiel in seiner modernen Form mit all seinen Regeln gibt.

Es ist auch nie so gewesen und es ist auch heute nicht so, dass die Wertigkeit von Taktik bei Trainern eine Frage des Alters ist. Es gibt heute junge Trainer, die Taktik eher weniger stark gewichten, und es gibt heute ältere Trainer, die diesen Aspekt stark gewichten. Und umgekehrt. Im übrigen wird es mMn keinen Trainer geben, welcher der Taktik einen nur sehr untergeordneten Stellenwert beimisst.

„Da können die älteren Herrschaften unter den Trainern oder Journalisten noch so oft behaupten, Taktik sei überbewertet.“ „Und es wird nicht weniger Quatsch, wenn Veh & Co. mit ihren Anno-Dazumal-Geschichten beim einfachen Fan punkten wollen.“ Zwei Sätze aus TEs Artikel, die mich ein wenig stören. Sicherlich, weil ich selbst älter (sogar deutlich älter als die Herren Hecking oder Veh) und dennoch ‚taktikaffin‘ bin. Ich habe in meinem bisherigen Leben überdies sehr, sehr viele Fußballer, Fußballtrainer und Fußballinteressierte kennengelernt, die sich intensiv mit Fußballtaktik befasst haben bzw. dies nach wie vor tun. Die zitierten Sätze wecken in mir den Eindruck, als ob es einen Gegensatz zwischen ‚modernen‘ Jungen und ‚konservativen‘ Alten gäbe. Das kann natürlich auch nur ein rein subjektiver Eindruck sein. In diesem Zusammenhang vielleicht nicht ganz uninteressant: Der im Artikel erwähnte Rainer Widmayer ist gerade einmal 3 Jahre jünger als der ebenfalls zitierte Dieter Hecking… 😉

Den Begriff ‚einfacher Fan‘ finde ich in diesem Zusammenhang auch nicht so passend. Wer ist überhaupt ein ‚einfacher Fan‘ und warum sollte dieser sich nicht für taktische Aspekte interessieren bzw. warum sollte man bei ihm mit ‚Anno-dunnemals‘-Geschichten punkten können? Ist möglicherweise alles nur eine Frage der Aufbereitung. Und was man nicht gänzlich außer acht lassen sollte: Fußball ist heute ein Teil der Unterhaltungsindustrie, wie zumindest der Fußballer Thomas Müller unlängst anmerkte. Und im Entertainmentbetrieb werden auch gerne einmal lockere Sprüche geklopft. Vielleicht alles nicht ganz so ernst nehmen… 😉

Dass man mehr von ‚Anno-dunnemals‘ erzählt mit steigendem Alter (wobei Armin Veh ja auch erst Mitte 50 ist), liegt in der Natur der Sache, wenn man mehr Lebenszeit hinter als noch vor sich hat. Ein Ernst Happel hat allerdings auch von ‚Anno-dunnemals‘ erzählt, wenn er von der Einführung des Pressing bei Feyenoord gesprochen hat… 😉

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Izi 28. Februar 2017 um 22:51

Super Beitrag, dem ich nur voll zustimmen kann! 🙂

Die genannten Trainer habe ich vergessen (Asche über mein Haupt), sie und noch weitere nennt Jonathan Wilson in seinem großartigen Buch.

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FAB 1. März 2017 um 17:40

„…Wenn Taktik etwas Neues wäre …“
„… Jeder kann einen Stift oder ein Instrument in die Hand nehmen …“
Ich glaube keiner hat behauptet, dass Taktik etwas Neues ist. Es geht aber darum, dass Taktik mit anderen Methoden bzw. anderen Techniken angewendet wird. Eben nicht mehr einfach nur mit einem Stift an der Tafel. Die nahe Zukunft wird so aussehen, dass Trainer auf komplexe Computerprogramme zugreifen werden. Das für diese Computerprogramme extrem viele Daten abgegriffen und ausgewertet werden. Spielverlagerung macht das bei seinen Analysen ja gar nicht wirklich, weil es dazu weder die Daten noch die Programme hat.
Sinnbildlich steht für mich Spielverlagerung aber für eine neue Art Fussball zu betrachten. Im Sport selbst gehe ich davon aus, dass fast alle Vereine schon viel weiter sind als uns die Mainstreammedien glauben machen wollen. Siehe TE’s Beispiele Widmeyer, Nagelsmann usw. D.h. dort ist der Laptop-Trainer doch kurz davor den Non-Laptoptrainer komplett abzulösen. Hecking und co. betrachte ich dabei als die letzten Dinsosaurier.
Bei der Darstellung von Fussball in den Medien wird das alles aber viel langsamer gehen. Wir sind als Medienkonsumenten noch die Berieselung mit Bildern gewohnt. Das wird sich ändern, aber vermutlich noch 10-20 Jahre dauern. Ich bin mir sicher, dass es irgendwann die breite Masse langweilig findet 90 Minuten einfach nur dem Ball hinterher zuschauen und danach irgendwelchen Phrasendreschern zuzuhören. Die Medien werden neue Formen der Darstellung finden müssen. Ich habe keine Ahnung wie die Zukunft weitergeht. Vielleicht gibt es ja irgendwann nicht mehr das Monopol der Rechte, sondern konkurrierende Formate, zunehmende Interaktivität (sozusagen als Zusammenspiel von Real-Live-mit irgendwelchen Alternativen, nachdem Motto, ich bestimme selber wer wie spielt und will schauen was passiert oder wechsele einen bestimmten Spieler ein – Computerprogramme können das dann sicherlich simulieren und mit den Daten aus dem Livespiel verknüpfen… irgendwelche fussballspielende Androiden, was weiß ich schon wie in 20 Jahren das Fussballgeschäft aussehen wird.

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Izi 1. März 2017 um 19:30

Interessante Ideen! 🙂

Zu „die Vereine [sind] schon weiter“: Der FC Midtjylland scoutet ausschließlich, indem ein Computer Daten eines Spielers in ihr Datenmodell zu integrieren versucht. Je nach Übereinstimmung wird dann der Spieler gekauft oder nicht…

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tobit 2. März 2017 um 00:51

Gescoutet nach spielerischer Qualifikation wird bei Midtjylland und Brentford tatsächlich mit dem Computer aber die finale Spielerauswahl erfolgt auch nach klar wirtschaftlichen (also am Markt unterbewertete Spieler) und charakterlichen Gesichtspunkten mit mehr oder weniger klassischen Scouts „vor Ort“.
Auch beim BVB wird glaube ich statistische Datenanalyse zum Scouting benutzt, sonst kämen wohl die wenigsten auf Schürrle und Bellarabi als Mkhitaryan-Nachfolger. Einerseits unterscheiden sie sich voneinander und von Mkhi in vielen Punkten, andererseits haben die drei in sehr speziellen Punkten starke Ähnlichkeiten, was für mich auf ein klar nach bestimmten Statistiken definiertes Spielerprofil hindeutet.

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roysan 3. März 2017 um 23:41

Danke für den Link zu dem großartigen Spektrum Artikel.

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AP 27. Februar 2017 um 19:25

Ich wage mal den Vergleich aka Wormuth, obwohl ich von Kunst wenig verstehe, und sage, es gibt in Deutschland nur einen, der beide Parteien gut versteht und auch gut verbindend erklären kann. Er ist halt aber aktuell im englisch sprachigem Raum unterwegs.

Danke TE, dass Du gegen das Geblubber, aus welchen Gründen es auch kommt, ankämpfst.

Ich wage einen weiteren Vergleich um unsere Schwarz-Weiß Brillen mal abzulegen und bisschen Farbei ins Spiel zu bringen. Richard David Precht, mag man von ihm halten was man mag, erklärt Sachen so, wie es keiner vor Ihm einem breiteren Publikum erklären konnte. Da Precht nichts mit Fussball am Hut hat und Kloppo noch paar Jahre Spaß in Liverpool vermittelt, braucht es diese TE`s und MR`s und RM`s dieser Welt.

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E.A. 27. Februar 2017 um 18:21

Also ich würde zwischen Grundordnung und explizit der Formation differenzieren.
Zahlenspielerein sind wahrlich eher zweitrangig, aber die situative Ordnung und die Möglichkeiten die sie mitbringt sind ja Faktoren die auch unabhängig vom jeweiligen Spieler von Bedeutung sein können.
Ich denke da an möglicherweise bessere Staffelungen und Dreiecksbildungen, das Prinzip des 3.Mannes, usw.
Dass man so einzelnen Spielerfähigkeiten im Gesamtkonstrukt (in dieser spez. Situation) noch stärker zur Geltung bringen kann, ist natürlich auch ein gültiges Argument.

Während man in allen wissenschaftl. Bereichen die Prinzipien der Systemtheorie hinsichtlich der Komplexität von Aufgaben und deren Lösungsmöglichkeiten in Betracht gezogen wird und überall Daten Einzug bekommen, kann man aber nicht ernsthaft darauf beharren in einem milliardenschweren Geschäft dies nicht genausozuhändeln.
Kein vernünftig geführtes Unternehmen kann so blind sein die Komplexität nicht möglichst zu reduzieren oder die Fehleranfälligkeit und damit das Risiko nicht möglichst gering haltenzuwollen.

Eigentlich ist das nichtmal eine Diskussion wert und total überflüssiger Nonsense den „Analyse-Gegner“ von sich geben.

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Dr. Acula 27. Februar 2017 um 18:17

da bin ich deinem sohn zu dank verpflichtet; nichts geht über krawall. vor allem, wenn er gegen leute wie hecking oder wormuth gerichtet ist.
ich bin überzeugt, dass der punkt mit der „altgedientheit“ dieser agenten einerseits natürlich provokativ ist, andererseits dahinter mehr steckt, als man denkt. der fußball steht knietief in einer übergangsphase: auf der einen seite stehen leute wie hecking und gisdol (und leider verdammt viele spieler), für die komponenten wie wille, gras fressen, dazwischen hauen und anführer eine entscheidende rolle spielen. auf der anderen seite natürlich trainer wie pep oder tuchel, die das spiel sezieren, eigene und gegnerische stärken/schwächen analysieren und lösungen finden wollen. aber viel wichtiger sind die jungen trainer, die das kapieren. RM natürlich, auf höherer ebene der genannte nagelsmann. der erfolg der letzten gruppe verglichen mit hecking und co spricht für sich.
ein, wenn nicht DAS zentrale argument der „Taktik-/SV-Kritiker“ ist ja bekanntlich, dass sich trainer das unmöglich in dieser komplexität überlegen und viel zu viel hineininterpretiert sei. mal davon abgesehen, dass TE dieses argument entkräftet hat (das mit der frisur war eindeutig CR7!!), sehe ich diese analysen hier wie eine übersetzung. (das) fußball(-spiel) ist die eine sprache, die analyse die andere. TE und die übrigen autoren übersetzen in die eine richtung, nämlich vom spiel zur analyse. der irrtum, dem die kritiker anheimgefallen sind, ist der, dass diese übersetzung auch andersherum funktioniere. das ist nicht der fall. man kann ja wohl nicht erwarten, dass spieler, die in ihrer freizeit in hotel-lobbies pinkeln und fremde mit dönern bewerfen, sowas verstehen würden. wo kämen wir denn da hin?
aber es ist nun mal so, dass simplifizierung in unserer gesellschaft immer gut ankommt (politik unterscheidet sich da nicht groß von fußball: verdammt, der schäuble soll den griechen net immer unsere kohle in den hintern schieben, sondern die steuern senken!!!11!!11). insofern wird TEs sohn wohl noch öfter als grund herhalten müssen, dass papa gift und galle spuckt. aber hey, das ist das salz in der suppe im internet 😉

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HW 27. Februar 2017 um 18:12

Was den Vergleich mit der Kunst betrifft. Vielleicht sollten manche Leute nur Vergleiche ziehen mit Dingen, von denen sie auch Ahnung haben.

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Camp Mou 28. Februar 2017 um 10:25

ignoranz ggü. moderner Kunst kommt halt immer gut.

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HW 27. Februar 2017 um 18:10

Das Wort Geheimwissen Schaft ist ziemlich unpassend wenn man über Internetportale spricht. Das ist doch eher das Gegenteil, da liegt taktisch viel mehr offen als bei anderen. Ich will damit Hecking nicht angreifen. Es gibt neben der Taktik viele andere wichtige „Geheimwissenschaften“ im Fußball. Oft viel undurchsichtiger, oder viel schwieriger von außen einschätzbar als die Taktik. Die zwischenmenschlichen Beziehungen in einem Verein zu Managen kann viel schwieriger zu begreifen sein, weil so viele Charaktere aufeinander treffen.

Aber egal. Jeder der den Begriff Geheimwissenschaft und Internetportal in einem Satz liest, sollte den Widerspruch wittern.

Der Rest der Diskussion ist mir egal. Meiner bescheidenen Meinung nach sollten weder Trainer, noch Spieler diese Sportblätter lesen. (Natürlich widerspricht dies dem Vermarktungswillen des Fußballs.) Und wenn Spieler und Trainer nichts auf Kritik im Blätterwald geben sollten, warum sollte es dann SV anders machen.

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Max 27. Februar 2017 um 18:08

Die statistische Auswertung finde ich ein wenig problematisch innerhalb der Saison, da es ja hinsichtlich Spielplan doch zu Verzerrungen kommen kann. Das macht für mich nur Sinn nach Saisonende. Je nach Spielplan sind es momentan bei einer Mannschaft vielleicht nur 7 Spiele gegen einen Gegner aus einem Block, davon vllt. 5 mal auswärts jetzigem Stand.
Die Einteilung in die Blöcke ist ja auch nur Momentaufnahme, d.h. da kann sich auch noch was ändern. Eine gleichmäßige Einteilung in 6er Blöcke wäre mE auch passender bzw. statistisch sauberer.

Andererseits interessierts am Ende der Saison wahrscheinlich keinen mehr und für eine Trendeinschätzung ist es allemal gut 😉

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gurkentruppe 28. Februar 2017 um 14:45

Dem möchte ich mich anschliessen. Das ist für mich nur eine Spielerei ohne Wert. Selbst nach der Saison wird dies nicht aussagekräftig sein. Dafür sind das einfach zu wenige Datenpunkte. Die Topteams gewinnen so viele Spiele, das schon EIN anderes Spielergebnis das Bild völlig verschieben kann. Und wie wir alle wissen, ist Fussball doch im Vergleich zu anderen Sportarten mehr von Zufällen abhängig (wichtiger Spieler verletzt/gesperrt, Tor einfach nicht getroffen, dummes Gegentor kassiert, Schiedsrichterfehler etc.).

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Phipser 27. Februar 2017 um 17:05

Ich hätte drei weitere Erklärungsansätze dafür, dass Taktik als überbewertet angesehen wird.

1.
Einige klassische Komponisten hatten ein angeborenes musikalisches Talent, wodurch sie ein fertiges Stück im Kopf hören und in einem Zug in allen Stimmen zu Papier bringen konnten. Diese Musik wird heutzutage auf mathematischer Ebene analysiert und man kann so Gesetzmäßigkeiten finden, nach denen das Stück zusammengesetzt ist. Man kann es aber auch dabei belassen zu sagen: „Die Musik klang einfach gut und der Komponist hat sich mit Sicherheit nicht die selben Gedanken gemacht“. Trozdem sind die wissenschaftlichen Indizien da und lassen sich klar aufzeigen. So ist es vielleicht auch im Fußball. Ein Trainer, der jahrelang damit erfolgreich war, dass er instinktiv die richtigen Entscheidungen in Sachen Taktik getroffen hat, wird freilich nicht die Meinung vertreten, dass Fußball in dem Maße wie hier praktiziert taktikwissenschaftlich erklärbar ist.

2.
Ein erfolgreicher Trainer, der seinen Wettbewerbsvorteil in seiner Herangehensweise an die Taktik begründet sieht, wird sicherlich nicht freiwillig verraten wollen, was ihn denn nun so erfolgreich macht. An Nagelsmanns Stelle würde ich mich auch auf so schwammige Faktoren wie Motivation berufen.

3.
Es besteht eine undefinierte Grauzone zwischen dem Taktik in der Theorie ausarbeiten auf der einen Seite und Motivation auf der anderen: Das praktische Vermitteln der Taktik. Wenn Nagelsmann sagt, Taktik sei nur 30%, der Rest ist Motivation (das genaue Zitat weiß ich leider nicht mehr), meint er vielleicht, das Ausarbeiten einer Taktik am Laptop sind nur 30% der Arbeit. Der weit größere Teil besteht darin, die Taktik an die Spieler zu vermitteln und dieses Vermitteln fällt für ihn mit in den Bereich der Motivation.
Das sind alles natürlich nur Vermutungen…

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Schorsch 2. März 2017 um 00:11

Zu Deinem Punkt 3 nachfolgend einige Zitate von Nagelsmann:

„Die mentale Seite macht sicher 70 Prozent der Arbeit aus, 30 Prozent sind Inhalt. Wenn ein Trainer fachlich top ist, aber sozial ein Idiot, dann wird er niemals große Erfolge haben. Wenn ein Trainer aber eine gute Beziehung zu seinen Spielern aufbauen kann, fachlich jedoch 30 bis 40 Prozent hinter der Weltspitze liegt, kann er trotzdem ins internationale Geschäft kommen. Der Menschenführer ist mehr wert als der Topfachmann.“

„Taktik zum Beispiel ist total untergeordnet der persönlichen Beziehung, als Trainer bist du immer sozial gefragt, fast mehr als Psychologe.“

„Es gibt sehr viel verschiedene Spielertypen. Man muss schon wissen, mit welchem Spieler man wie redet. Man darf auch nicht alles in Mannschaftskreis ansprechen, weil manche Spieler eine bestimmte Rhetorik vielleicht gar nicht verstehen. Man muss immer auch Einzelgespräche einstreuen und wechseln zwischen Fachlichkeit und der Sprache der Spieler.“

„Ein flapsiger Spruch kann in bestimmten Situationen hilfreicher sein als eine fachliche Analyse. Hier viel abzuwechseln hilft, sich nicht zu schnell als Trainer abzunutzen. Die Halbwertzeit eines Trainers ist ja begrenzt – auch bei mir. Aber ich will versuchen, sie durch rhetorische Kniffe herauszögern.“

„Ich schließe nichts aus bei Neuverpflichtungen, es gibt zum Beispiel keine Altersbegrenzung bei der Auswahl. Wichtig ist, dass ich ein gutes Gefühl habe im Gespräch mit möglichen Zugängen. Ich spreche vorab mit jedem Kandidaten, um zu sehen, ob es einen Draht gibt. Und wenn er ins Gesamtgefüge passt und wir auf einer Wellenlänge liegen, kann er ruhig auch etwas älter sein.“

Ich persönlich glaube nicht, dass sämtliche dieser Aussagen so einfach dahergesagt sind, z.B. um den Medien ihr Futter zu geben. In diesen Aussagen stecken für mich einige ganz wesentliche Erkenntnisse eines Trainers. Dass Nagelsmann ein ausgezeichneter Fachmann ist, steht für mich außer Frage. Aber er zeigt mit solchen Äußerungen auch, dass er seine Trainertätigkeit reflektieren kann. Ein kluger Mann. Wenn man genau liest, dann wird man einiges entdecken, was an einen Rehhagel oder Hitzfeld erinnert.

In diesem Zusammenhang etwas (wenn auch nicht ganz) off topic:
Wolfsburg hat Jonkers als neuen Trainer verpflichtet. Der war schon einmal bei den Wölfen und war seinerzeit u.a. als Taktiktrainer tätig. Das gibt es bei diversen Clubs. Überhaupt differenziert sich die Trainertätigkeit im Spitzenfußball (anderen Sportarten folgend) immer stärker in Teilsegmente mit entsprechenden Verantwortlichen auf. Deren Arbeit ist dabei auf die entsprechende Ziele hin abgestimmt. Der Chefcoach nimmt dabei immer mehr die Rolle eines General Managers ein, der die Zielrichtung vorgibt, die Abstimmungsprozesse koordiniert und kontrolliert und letztlich die Entscheidungen trifft, da er auch die Verantwortung trägt. Dabei sollte er schon über Kompetenzen in allen relevanten Bereichen verfügen, muss aber keineswegs überall der Fachmann schlechthin sein. Kluges Delegieren gehört zum erfolgreichen Führen dazu. Deshalb muss mMn ein Trainer auch nicht der ausgewiesenste Fachmann z.B. im (essentiellen) Bereich Taktik sein. Er muss nur jemanden in seinem Stab haben, der dies ist. 😉

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tobit 2. März 2017 um 01:25

Zu den Nagelsmann-Zitaten: einiges davon erinnert doch stark an Tuchels Aussagen aus Mainzer Zeiten, insbesondere das zu den verschiedensten Charakteren und wie man mit ihnen umgeht, deckt sich fast komplett mit den Tuchel-Zitaten von damals. Was Typen wie Nagelsmann und Tuchel, oder auch Dardai (der einen sehr guten Draht in die Mannschaft zu haben scheint) von Hitzfeld und Rehagel in früheren Tagen unterscheidet, ist ihr reflektiertes Bewusstsein diesen Tatsachen gegenüber und ihr „Zeitgeist“-bedingt anderes Autoritätsverständnis.

Zu der Ausdifferenzierung der Trainer-Felder:
Gut delegieren kann aber längst nicht jeder. Pep z.B. scheint dafür das absolute Vertrauen in die jeweils handelnden Personen zu brauchen (siehe Clinch mit Müller-Wohlfahrt). Andere pfuschen gerne Mal dem Fitness-trainer dazwischen.
Letztlich muss halt der Cheftrainer Entscheidungen treffen, was von ihm ein gewisses Maß an Kompetenz in allen Bereichen verlangt. Ohne Kompetenz in der Menschenführung (bzw. -„fischerei“) wird es keiner packen, aber ohne taktisches Grundverständnis wird er Trainer auch bei noch so guter Zuarbeit der jeweiligen Spezialisten nicht in der Lage sein konstant die richtige Taktik zu wählen oder spontan auf neue Umstände zu reagieren. Beim Mentalen (hier: Motivation/Überzeugung, eigentlich zählt Taktik für mich auch zu den mentalen Komponenten des Spiels) kann man dem Chef-Teainer halt kaum helfen, da er die ausgearbeiteten Ideen seines Staffs gegenüber allen anderen vertreten muss.

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Schorsch 2. März 2017 um 14:45

Nagelsmanns bisheriger Werdegang legt nahe, dass Tuchel einen entscheidenden Einfluss auf ihn hatte. Da sollte eine gewisse Nähe der Ansichten nicht wundern.

Ich bin mir nicht sicher, ob sich das Verständnis von Autorität in ihrer Auswirkung auf die tägliche Arbeit einer Führungskraft tatsächlich so sehr dem jeweiligen ‚Zeitgeist‘ beugt. Letztlich muss man als Führungskraft nach meiner persönlichen Erfahrung (auch im Bereich Sport/Fußball) immer überzeugen können, damit Menschen dauerhaft folgen. Überzeugen werde ich aber ohne Kompetenz nicht können. Ich meine damit fachliche und soziale Kompetenz. Ohne diese Kompetenzen, ohne diese Fähigkeit zu überzeugen werde ich mir mMn keine ‚Autorität‘ bei den zu führenden Menschen erwerben können. Autorität qua Amt alleine hat noch nie ausgereicht.

Warum sprichst Du Rehhagel und Hitzfeld (man könnte auch andere nennen) das von Dir angesprochene „reflektierte Bewusstsein“ ab? Nach meiner Auffassung zeigt gerade der Werdegang Rehhagels, dass er irgendwann begonnen hat, zu reflektieren. Sonst wäre ihm mMn die Wandlung vom jungen ‚Heißsporn-‚ und ‚Haudrauf‘-Trainer zum langfristig denkenden und handelnden Fußballlehrer in seiner Bremer Zeit nicht gelungen. Und er hätte nicht nach Werder und dem Scheitern in München noch solche Erfolge erreichen können. Erst in seiner letzten Phase hat er sich nach meiner Einschätzung dieser Reflektion verweigert. Hitzfeld als jemand, der Dinge durchaus intellektuell durchdringen kann, hätte mMn ohne diese Reflektion ebenfalls nicht auf diesem Niveau so lange so erfolgreich wirken können.

Junge Trainer wie Nagelsmann, Tuchel bei Übernahme der Profi-Mannschaft von M05 oder auch Dardai bringen für mich einen ganz entscheidenden Vorteil mit: Sie alle haben zwar ihre erste Station als Chefcoach angetreten, waren/sind aber nicht unerfahren als Trainer. Im Gegenteil, als Trainer im Nachwuchsbereich konnten sie jede Menge an Erfahrung sammeln. Das ist nach meinem Dafürhalten für die eigene Autorität nicht unwichtig. Klar, es gibt auch Beispiele, wo jemand quasi frisch vom Spielfeld weg zum Cheftrainer berufen wurde und auch ohne entsprechende Erfahrung sehr schnell erfolgreich wurde; Klopp beispielsweise. Ganz so einfach ist es nicht, plötzlich diejenigen zu führen, mit denen man gestern noch auf dem Platz gestanden hat und die vielleicht sogar älter sind als ich. Aber wie auch immer, mit fachlicher und sozialer Kompetenz wird ein Trainer ganz gleich welchen Alters und ganz gleich in welcher spezifischen Situation er ein Team übernimmt, die notwendige Autorität erlangen.

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tobit 2. März 2017 um 17:20

Rehhagel und Hitzfeld sind persönlich sicherlich sehr Reflektionsaffin, aber so detaillierte Aussagen zum Umgang mit verschiedenen Spieler- und Menschentypen wie von Tuchel oder Nagelsmann (teilweise auch mit psychologischem oder allgemein wissenschaftlichem Hintergrund) sind mir bei ihnen nicht im Gedächtnis geblieben.
Ich denke schon, dass das Autoritätsgefühl sich besonders in den letzten 15 Jahren stark verändert hat, und sich das auch in den Fusballvereinen zeigt. Hierarchische Distanzen sind insgesamt kleiner geworden und werden auch von den „Untergebenen“ noch weniger einfach hingenommen als früher. Dabei geht es vor allem um die grundsätzliche Idee des Trainer-Mannschaftsverhältnisses, die bei Hitzfeld, Rehhagel, Magath oder van Gaal sicher anders aussieht als bei Tuchel, Klopp oder Nagelsmann. Das mag auch an deren Anfängen als sehr junge Trainer (kaum älter als ihre Spieler) liegen aber es zieht sich doch durch alle Bereiche der Gesellschaft, dass Autorität abgebaut wird und einer kollegialen Führungsart eines „Ersten unter (fast) Gleichen“ weicht.

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ES 27. Februar 2017 um 16:28

Anti-Intellektualismus kommt immer gut an, egal in welchem Bereich. Da ist der Fußball leider nicht das einzige Themenfeld. Wenn ich BL-Trainer wäre, wäre ich in der Öffentlichkeit der große Taktikverächter, unabhängig davon, was ich wirklich mache. Hat ja auch noch nie geschadet, sich dümmer zu stellen als man in Wirklichkeit ist. Insofern würde ich nicht jede Aussage in der Richtung auf die Goldwaage legen.

Es kommt hinzu: Je älter der Trainer, desto größer wird der Anteil an Erfahrung und Intuition in der Arbeit gegenüber dem Analytischen und der vollständigen sauberen intellektuellen Ableitung. Auch das gilt für alle Bereiche. Das war sogar bei Spitzenwissenschaftlern, wie Einstein oder Gauß, nicht anders. Das heißt nicht, dass es schlechter ist. Deshalb holt sich ein guter älterer Fachmann auch gerne junge Leute, die die Detailarbeit übernehmen. Das ergänzt sich im Idealfall ganz wunderbar.

Es gibt natürlich auch mangelnde Bereitschaft, neue oder tiefere Erkenntnisse und Methoden in die Arbeit mit aufzunehmen oder schlicht Faulheit oder Schlampigkeit. Was bei Hecking, Veh und Co. jeweils los ist, weiß ich nicht.

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Koom 28. Februar 2017 um 09:36

Finde ich gut erklärt. Jeder macht irgendwelche Dinge gut, ohne vielleicht zu wissen, warum oder wie er es „gut“ macht. Nehmen wir mal „Menschenkenntnis“ bzw. sympathisch sein. Es gibt eine Menge Tricks und Kniffe, wie man seinem Gegenüber suggeriert, dass man sympathisch ist. Ob man das tun sollte, wenn man ein amorpher Menschenhasser ist, sei mal dahingestellt. Fakt ist, dass das funktioniert.

Beim Fußball sind solche Sachen wie Sympathie, Motivation und Autorität auch wichtig. Gerade letzteres ist schwierig, wenn der Spieler teilweise das Doppelte oder Dreifache von dem verdient wie der Trainer und der wesentlich „Unkündbarere“ ist.

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Palazzo 28. Februar 2017 um 09:58

Das Interview hab ich auch gelesen ( SZ ? ).Entlarvend, fand ich , daß Hecking vorher sinngemäß noch über ein Treffen der Championsleague Trainer geschwärmt hat ,bei diesem sei das Niveau so hoch gewesen sei – da wolle er wieder hin . Nach der Aussage über SV ,einige Zeilen später , hat das meine Einschätzung bestätigt , das
Heching “ ein One Hit Wonder “ ist und bleibt .

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Schorsch 28. Februar 2017 um 13:29

Ohne den guten Dieter Hecking unnötig in Schutz nehmen zu wollen, so bin ich mir nach wie vor nicht sicher, inwieweit es sich bei der zitierten Interviewstelle nicht um eine vielleicht sogar nicht ganz so ernst gemeinte, (selbst)ironisch-flapsige Bemerkung handeln könnte. Dieses Zitat wurde hier schon einmal thematisiert, und ich hatte mich seinerzeit ähnlich dazu geäußert. Ich verstehe schon den Zusammenhang, da ich das Interview gelesen habe (ok, Lesen und Verstehen sind zweierlei… 😉 ), bin mir aber wie gesagt nach wie vor nicht sicher. Vielleicht könnte man Hecking ja bei Gelegenheit direkt dazu befragen.

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Palazzo 1. März 2017 um 13:21

Wenn dem so sein sollte, hat er die Ironie und /oder den Humor gut versteckt .

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Schorsch 1. März 2017 um 23:12

Mag sein, mag nicht sein; ich weiß es halt nicht. Wobei Ironie als bestimmte Variante des Humors nicht immer so leicht zu erkennen ist, zumal wenn es sich um Geschriebenes handelt. Gesprochenes ist immer mit Intonation, Gestik, Mimik verbunden. Bei schriftlichen Texten fehlt dies und entsprechende Kennzeichnungen sind bei posts im Internet gebräuchlich, in Printmedien nicht. Wie auch immer, eine Äußerung wie ‚Und das alles soll ich mir ausgedacht haben?‘ o.ä. finde ich persönlich schon ganz witzig, wenn sie sozusagen mit einem ‚Lächeln‘ getätigt wird. Kann natürlich auch spöttisch gemeint sein, aber Spott ist auch eine Art von Humor. Solange Spott nicht verletzt und herabwürdigt, ist er für mich völlig in Ordnung. Und das tut diese Äußerung Heckings nicht. Hecking selbst weiß, dass er sich selbst Woche für Woche der Kritik aussetzt. Diese kann sachlich geübt werden, mit Ironie verbunden sein oder auch spöttisch geübt werden. Damit muss er leben. Genau wie jeder andere, der sich mit dem was er tut (und wie er es tut) in die Öffentlichkeit begibt. Da ist eine gute Portion Humor immer gut.

Apropos. Wenn ich etwas tue, von dem ich absolut überzeugt bin, dann wird mich auch unberechtigte Kritik oder Spott nicht umhauen. In solchen Fällen ist es mMn immer besser, mich nicht provozieren zu lassen und gelassen zu reagieren (wenn ich überhaupt reagiere). Wenn ich wie gesagt von dem was ich tue überzeugt bin, dann wäre alles andere nicht souverän. Mit einer guten Portion Humor als Reaktion (am besten noch mit einem ‚Sich-selbst-auf-die-Schippe-nehmen‘ verbunden) setze ich mMn den passenden Konter. Ist nicht immer leicht, gelingt mir auch nicht immer oder gar zu selten, ist letztlich aber die souveränste Reaktion.

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Stefan S 28. Februar 2017 um 11:38

Für mich die beste Antwort hier!

Wissenschaft und Theorie alleine können hier nicht die Lösung sein, aber ein sehr gutes Hilfsmittel um zum Ziel zu kommen. Trainer die sich das zu nutze machen und darüber hinaus die passende Intuition und auch Führungsstärke haben werden am Ende des Tages wohl die erfolgreichste Mischung haben.

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LT 27. Februar 2017 um 16:03

Kennt jemand außer mir dieses Gefühl, wenn man einen Text liest und eine Mischung aus Orgasmus, Neid, es nicht selbst geschrieben zu haben (man hatte doch die exakt selben Gedanken im Kopf) und Anerkennung fühlt? Vielen Dank für diesen Artikel. Ich fürchte nur, es bleibt lange Zeit ein Kampf gegen Windmühlen. Und Änderung ist erst in Sicht, wenn es mehr Midtjyllands gibt und Nagelsmanns Worte in die Tat umgesetzt werden.
Ist nicht gerade dieses Zusammenspiel aus Wissenschaft, Statistik, Kunst, individueller Geistesblitze oder eben Aussetzer und einer Prise Zufall das Tolle an diesem Sport und an diesem Spiel?

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tobit 27. Februar 2017 um 19:47

Ja, jetzt sogar gleich zweimal. Einmal bei TEs Text und dann nochmal bei deinem Kommentar ????

Das tolle am Fußball ist, dass (außer meinen Kommilitonen) jeder eine Meinung dazu und eine bevorzugte Art der Beschäftigung damit hat. Und alle haben irgendwie Recht.
Taktik als 100%ig gewollte Ausprägung der Trainer-Idee ist überbewertet, genauso wie die Fokussierung auf Motivation/Wille/Zeichen setzen. Die Gesamtqualität aus Motivation (z.B. Klopp), taktischer Vorbereitung (z.B. Guardiola), Fitness (z.B. Cristiano Ronaldo) und instinktiven Genialität (z.B. Ribery) wird sich am Ende FAST immer durchsetzen (Gegenbeispiel Chelseas CL-Titel 2012).

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HW 27. Februar 2017 um 22:03

Wobei das Schubladendenken: Klopp macht hauptsächlich Motivation, Guardiola hauptsächlich Taktik, Ronaldo nur Fitness usw. schon der grundlegende Fehler ist.

Ronaldo hat eben auch an seiner Technik hart gearbeitet und er funktioniert in bestimmten taktischen Rahmenbedingungen besser (was gut für ihn aber nicht gut fürs Team sein muss; Ronaldo hier nur genannt weil er ein Beispiel war). Ribery ist auch nicht nur der „Straßenfußballer“. Er braucht auch Fitness und Taktik usw.
Klopp sagt selbst, er habe einen guten Umgang mit seine Spielen. Aber das bedeutet nicht, dass er auf Taktik, Training usw. verzichten kann.

Jeder Trainer hat gewisse Stärken und Schwerpunkte. Aber ganz auf einen bestimmten Bereich kann kein Trainer verzichten. Selbst ein bewusstes Verzichten auf Taktik würde zur Folge haben das Team mit irgendeinem taktischen Chaos aufs Feld zu schicken. Und ohne Motivation? Die Alternative wäre entweder bewusste Demotivation oder unbewusste (De-)Motivation (man muss in der Woche ja irgendwie mit den Spielern reden).

All diese Dinge stehen nicht gegeneinander, sondern sie greifen ineinander. Problematisch wird es wenn man nur auf einen Part fokussiert. Allerdings ist das nicht das Problem eines Beobachters wie SV, sondern nur eine Frage der Balance für die handelnden Personen. Ein Trainer muss analysieren, er kann dabei bis ins letzte Detail gehen. Aber er muss eben auch entscheiden wieviel und vor allem in welcher Form er die Erkenntnisse an die Mannschaft weiter gibt. Ob er nun Statistiken oder Videos zeigt oder ob er basierend auf Analysen Trainingseinheiten entwickelt ist abhängig von der gewünschten Wirkung auf die Spieler. Jeder Spieler braucht da eine andere Dosierung.

Diese ganzen Sachen sind Probleme der Praxis. Pauschalaussagen braucht man deswegen nicht diskutieren. Sie sind eh nie richtig.

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tobit 28. Februar 2017 um 07:08

Klar ist Ronaldo nicht nur Fitness, aber seine Fitness ist eine der ihn hauptsächlich definierenden Stärken. Dass jeder die Kombination aller Aspekte braucht, habe ich ja auch gesagt, aber Riberys Spiel hat einen anderen Schwerpunkt als Ronaldos, was sie jeweils zu guten Beispielen eines Aspekts macht. Genauso bei Klopp und Guardiola.

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CHR4 28. Februar 2017 um 14:37

Solange man die beobachteten Phänomene auf dem Feld beschreibt, mag ein Blick allein auf die Taktik ausreichen, häufig ist jedoch für das Verständnis, WARUM bestimmte Sachen passieren, das Einbeziehen der anderen Faktoren ebenso wichtig und hilfreich.

Beispiel für ähnliche Beobachtung mit unterschiedlichen Auslösern:
Offensivspieler X trägt wenig zur Defensivarbeit bei
mögliche Ursachen:
– Motivationsproblem
– körperliche Ursachen: mangelnde Fitness oder leicht angeschlagen nach vorherigem Foul im Spiel
– zockende Rolle im taktischen System
– bewußte Schonung, Verletzungsrisiken minimieren, weil in 3 Tagen ein viel wichtigeres Spiel ansteht

Bis vor einiger Zeit hatte ich hier durchaus den Eindruck, das die beobachteten Dinge, dann bei der Ursachenforschung zu sehr auf den taktischen Bereich beschränkt wurden. Ich erkenne hier aber durchaus Ansätze für Veränderungen, beispielweise in TEs Fazit zum CL-1/8-Final-Hinspiel (https://spielverlagerung.de/2017/02/16/das-ende-von-arsenal/): “ Es waren vor allem die „nicht-taktischen“ Tugenden, die dieses Spiel so anders wirkten ließen als die Auftritte zuletzt …“

Was mir hier taktisch immer noch zu wenig beleuchtet wird, ist die Analyse des Verhaltens bei Standardsituationen und welche Muster und Varianten hier häufiger von den Teams verwendet werden. Für mich ist der taktische Fokus hier zu sehr auf das „Open Play“ eingeengt. Die Top-Teams erzielen ja durchaus um die 20% ihrer Tore nach Standards – die müssen selbstverständlich auch erst herausgespielt/provoziert werden, aber während ich Verständnis dafür habe, dass das 1-gegen-1-Pokerspiel bei Elfmetern hier ausgeklammert wird, fehlt mir die explizite genauere Betrachtung, des gruppentaktischen Verhaltens bei eigenen und gegnerischen Freistößen und Ecken.

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HW 27. Februar 2017 um 22:06

Nein, das mit dem Orgasmus kommt eigentlich nicht zusammen mit Neid vor. Und wenn, dann hoffentlich nicht beim Lesen.

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Koom 27. Februar 2017 um 15:38

Danke für das gemässigte, aber doch deutliche auf den Tisch hauen für die Pro-Taktik-Fraktion. Natürlich hört es „der Pöbel“ [tm], vor allem aber Boulevard-Medien wie SportBild, Sport1 und kicker (ja, der ist deutlich mehr Boulevard als „Fachblatt“) gerne, wenn man Fußball auf Motivation, Gras fressen und Zweikampfstärke reduziert – aber das wäre eben einfach nur Quatsch und würde den Fußball nur unzureichend erklären.

Ein wenig muss man sich auch immer ins Gedächtnis rufen, dass speziell Trainer mal mehr mal weniger bereitwillig „mit jedem“ über Taktik sprechen. Guardiola hatte ja nur sehr rare lichte Momente, wo er präzise wurde, ansonsten war meistens alles supersuper. Ancelotti sagt praktisch gar nichts zu seinen Überlegungen. Tuchel kann eingehend dozieren. Generell gibt es aber nur noch wenige Trainer, die öffentlich tieferen Einblick geben, sei es aus Unlust oder weil sie nicht als nerdiger Laptoptrainer und Besserwisser dargestellt werden wollen. Man sieht ja auch an Scholl, dass Fußballdeutschland lieber einen taktikfreien Deppen „analysieren“ lässt, der sich über (heute gang und gäbe) Dreierketten aufregt, anstatt etwas differenziertere Meinungen, die auch mal vom Ergebnis unabhängig sind, sich anzuhören.

Und nur zur Sicherheit: Taktik ist nicht alles. Aber es ist sicherlich einer der großen wichtigen Grundpfeiler für nachhaltigen Erfolg einer Fußballmannschaft.

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tobit 27. Februar 2017 um 20:01

Zur Verteidigung Peps: er wurde halt auch fast nie explizit zur Taktik gefragt, sondern meist sehr allgemein zu einem Spiel(er). Wenn jemand Fragen zur Taktik gestellt hat (ich meine die SZ hätte das Mal als Experiment gemacht), dann hat er darauf auch Taktikbezogen geantwortet, ohne natürlich zu viel seiner Überlegungen zum folgenden Gegner preiszugeben.
Tuchel redet einfach lieber (und auf deutsch wahrscheinlich auch besser, weil flüssiger) über (individual)taktische Möglichkeiten, selbst wenn er nicht explizit dazu gefragt wird, bleibt dabei aber dann meist auf „niederer“ Stufe (legt also auch nicht zu viele Gedanken offen).

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rb 28. Februar 2017 um 08:29

zum von tobit genannten Experiment: http://www.spiegel.de/sport/fussball/pep-guardiola-schweigen-als-taktik-a-1093866.html

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Izi 27. Februar 2017 um 21:29

Volle Zustimmung!

Was die Analysten betrifft: Holger Stamislawski war bei der EM2016 ein Lichtblick, außer mir wollte das in meinem Umkreis nur fast keiner sehen: Ein Spiel gewinnt man schließlich nur durch Arbeit und Leidenschaft…

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Koom 28. Februar 2017 um 09:20

Es gibt Lichtblicke, aber vor allem viel Schatten. Stanislawski geht leider die natürliche Medienpräsenz eines Klopps ab (aber das Niveau erreicht ja kaum ein Moderator), aber fachlich war das sehr gut. Und dazu gab es ja Oliver Welke (der sehr großartig moderiert und schlagfertig ist) und Oliver Kahn, der sich vom EIERWILLE-Monster zu einem entspannten Typen gemausert hat, der sich eine Menge Wissen zu Taktik und Fußball angeeignet hat und auch – weiterhin entspannt – in Relation zu seiner eigenen Karriere anwenden kann. Für mich momentan mit weitem Abstand das stärkste Gespann.

Aber es ist eben so: Die Masse will scheinbar lieber einen rumätzenden Scholl hören, anstatt sowohl fachlich als auch von der Unterhaltung höherwertigeres. Gepaart mit einem Opdenhövel, der sowieso einfach nur Karrierist ist und dem egal ist, was er gerade moderiert. Er hat ja seinen Zettel.

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Yilde 28. Februar 2017 um 11:38

Naja, es ist aber auch immer leicht, einfach von der „Masse“ zu sprechen, die dies oder das tut/sagt/mag/nicht mag. In meinem persönlichen Umfeld merke ich schon, dass Beiträge wie Stanislawski bei der EM oder sogar Erik Meijer einen Effekt darauf haben, wie der Fussball gesehen wird. Natürlich kann man da nun keine sofortige 180 Grad Wende erwarten, längerfristig denke ich aber, dass sich da schon ein Umdenken einstellen wird. Die „Masse“ ist eben auch keine völlig homogene Gruppe „auf den Kopf Gefallener“, vielen Leuten fällt irgendwann auch auf, dass Analysen á la Scholl (gewonnen: Sie waren heute wach, mutig – Körpersprache gut – verloren: ängstlich, schläfrig – Körpersprache schlecht) wenig Mehrwert bringen und ganz ehrlich irgendwann auch für den Zuschauer langweilig werden.

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Koom 28. Februar 2017 um 12:27

Stimmt. Das gibt es ja auch in jeder „Branche“, wo man versucht, den Mainstream festzulegen. Letztlich entmündigt man aber meistens eben den „Kunden“, weil der einfach nur das Populärste oder verbreitetste Format wählt. Wer Nationalmannschaft schaut, sieht halt ARD und ZDF und landet eben bei den Scholls und Netzern. Das die sich entweder schnell abnutzen, oder in einer verbalen Gewaltspirale sich immer weiter reinsteigern müssen, liegt dann auf der Hand.

Generell fände ich es gerade für die ÖR wesentlich besser, wenn man den fachlich-sachlicheren Ansatz wählen würde. Das muss jetzt ja nicht furztrocken sein, deswegen auch mein Lob für Welke-Kahn-Stanislawski (wo ich vielleicht einen fachlich noch versierteren als Stanislawski bevorzugen würde).

Es ist ein Trugschluss, dass sich Schlagzeilen besser verkaufen. Auch die BILD hat ständig zurückgehende Zahlen, trotz Skandaljournalismus hoch fünf. Ich bin mir sicher, dass es eine größere Zielgruppe gibt, die sich für Fakten, Transparenz etc. mehr interessieren würde.

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Yilde 28. Februar 2017 um 11:44

Bei Guardiola hängt es aber auch sehr stark davon ab, mit wem er redet und wie detailliert die Fragen sind – Jüngst hat er in einem Interview mit Henry relativ offen und ausführlich über seine Probleme, sich taktisch an die PL anzupassen schwadroniert.

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CHR4 28. Februar 2017 um 14:44

@ Yilde: Das Interview mit Henry interessiert mich sehr, hast du einen Tipp, wo man da lesen/sehen/hören kann? bzw. Wo hast du es gesehen? … würde mich sehr freuen … 😉

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Yilde 28. Februar 2017 um 14:56

Ich bin mir immer unsicher, wie das hier mit Link-Verbreitung so gehandhabt wird, sonst hätt ich es gleich angehängt. https://www.youtube.com/watch?v=9eajVUNs_Wo

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CHR4 2. März 2017 um 03:04

Merci beaucoup! Werd’s mir morgen gleich mal ansehen – dann hab ich noch die Nacht Vorfreude 😉

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