Mit Díaz und Zittern zu drei Punkten

2:1

Ein knappes Spiel zwischen Hamburg und Hannover wird durch Glück, eine passable Zentrumspräsenz und Spielstandseffekte entschieden.

Marcelo Diaz erlöst uns von Heiko Westermann

Der HSV hatte in dieser Saison viele Probleme im Aufbauspiel und tat sich schwer, über den Sechserraum nach vorne zu kommen. Vielfach griff man auf lange Bälle zurück, um das Mittelfeld zu überspringen und durch die Ballrückeroberung in höheren Zonen zu Angriffen zu kommen. Das führte aber meist zu einem sehr strategisch ineffizienten Offensivspiel. Mit der Verpflichtung Marcelo Diaz‘ sollte sich dies bessern; und das tat es auch.

Grundformationen

Grundformationen

Diaz zeigte auf der Sechs ein gutes Bewegungsspiel, eine sehr gute Entscheidungsfindung und eine starke Passverteilung. Unterstützt wurde er hierbei von Rafael van der Vaart. Die beiden boten sich für die Innenverteidiger an, verteilten die Bälle und versuchten das Pressing Hannovers zu umspielen. Desweiteren kippten sie auch ab, wobei dies etwas überraschend van der Vaart übernahm.

Bei näherer Betrachtung ist dies allerdings gar keine schlechte Idee. Diaz ist geschickter beim Besetzen der engen Räume im Mittelfeld, antizipiert Spielverläufe besser und wird der Ball unter Druck nach vorne gebolzt, so ist Diaz ein besserer Akteur im Gegenpressing dahinter als van der Vaart. Die abkippende Rolle ist somit eine unorthodoxe, aber in diesem Kontext durchaus passable Rolle für den Niederländer.

Im Spielaufbau nutzten die Hamburger also ein 4-2-1-3. In diesem schoben die Flügelstürmer weit nach vorne. Müller und Jansen machten dadurch das Spiel breit, Olic besetzte den Raum dazwischen. Stieber versuchte sich für die Sechser freizulaufen und die Flügel zu unterstützen sowie mit seinen Bewegungen zwischen den Linien hinter dem gegnerischen Mittelfeld Raum für Diaz und van der Vaart zu schaffen. Stieber überlud insbesondere die linke Seite, wo man mit Jansen versuchte durchzubrechen, während Müller mit Olic den Strafraum besetzte.

Insgesamt fehlte es dem HSV zwar nach wie vor an den passenden Staffelungen und Bewegungen beim Kombinationsspiel im letzten Drittel, aber im ersten Drittel war man diesbezüglich stabiler. Dies hatte positive Nebeneffekte auf die vorderen Spieler, weil sie bessere Anspiele erhielten und die Angriffe effizienter weiterführen konnten. Trotz suboptimaler Staffelungen.

In der Arbeit gegen den Ball überzeugten die Hanseaten wie eh und je.

Defensiv zwischen 4-4-1-1 und 4-1-4-1

Das Defensivspiel ist in dieser Saison ohnehin kein wirkliches Problem beim HSV. In der Gegentorstatistik liegen sie sogar im oberen Tabellendrittel. In diesem Spiel zeigten sie allerdings eine leichte Anpassung im Vergleich zu den ersten Wochen unter Joe Zinnbauer. Das sehr aggressive, relativ hohe und in den ersten zwei Linien in der Horizontale extrem kompakte Pressing wurde ad acta gelegt.

Gegen Hannover formierte sich der HSV in einem tiefen Mittelfeldpressing und ließ die Innenverteidiger meistens in Ruhe. Vermutlich war dies so geplant, weil die Mannschaft von Tayfun Korkut in der tiefen Ballzirkulation sehr gut ist und auch Torwart Ron-Robert Zieler sehr gut einbindet. Der Torhüter rückt immer bis ein paar Meter vor den Strafraum und bietet sich dort als Anspielstation für die Viererkette und Sechser an, der mit seiner guten Passtechnik den Ball schnell verlagert und damit häufig sehr dynamisch die Seiten wechselt.

Insofern war der Rückzug der Pressinglinie durchaus passend, obgleich man damit etwas instabiler als in vielen Spielen mit dem höheren Pressing stand und schlichtweg weniger eigene Präsenz in höheren Zonen hatte. Im tieferen Pressing variierte man zwischen 4-4-1-1 und 4-1-4-1.

Stieber bewegte sich häufig hinter Olic, beide stellten gemeinsam vorrangig die beiden Sechser Hannovers zu. Dabei übernahm Stieber eine tiefere Rolle auf den etwas höheren Sané, Olic wiederum presste auch gelegentlich auf die Innenverteidiger oder stellte einfach den zentralen Raum passiv zu.

Die Bewegungen von Diaz und Van der Vaart brachten letztlich die variablen Wechsel zwischen 4-1-4-1 und 4-4-1-1. Van der Vaart positionierte sich öfters neben Stieber, wodurch ein 4-1-4-1 entstand. Ansonsten bildete van der Vaart eben eine Doppelsechs mit Diaz, aus welcher insbesondere Letzterer häufig herausrückte, um freie Anspielstationen zu versperren oder die gegnerische Ballzirkulation zu stören.

Nach der Halbzeit wurde es noch klarer und durchgehender ein 4-4-1-1 mit Ansätzen eines 4-4-2 gegen den Ball, auch weil Jiracek für van der Vaart eingewechselt wurde. Die Hannoveraner dominierten allerdings trotz des Hamburger Siegs das Spiel; zumindest zwischen den beiden Strafräumen.

Hannovers gute Ballzirkulation mit mangelnder Zentrumskontrolle

Korkut arbeitet bei Hannover am Ballbesitzspiel und am Pressing. Sieht man sich die letzten Spiele an, erkennt man das beispielsweise ganz gut an den Passmustern Zielers, dem flexiblen Abkippen der Sechser oder auch der Variabilität im Pressing. So pressen die Hannoveraner gerne beim höheren Pressing auch im 4-2-1-3, was in dieser Partie nicht praktiziert wurde. Stattdessen gab es ein 4-4-1-1, in welchem sich die Flügelstürmer in puncto Herausrücken nach vorne zurückhielten und es somit recht klassisch interpretierten.

Beim eigenen Ballbesitz waren sie ganz gut. Sie ließen Hamburg verschieben, wechselten häufig die Seiten und versuchten durch die Bewegungen von Stindl und Kiyotake einen freien Spieler hinter dem Mittelfeld Hamburgs zu generieren. Das Problem war aber, dass Hamburg die zentralen Räume im zweiten Drittel relativ gut versperrte. Dadurch kam Hannover immer wieder auf die Flügel und musste sich dort durchsetzen, wodurch sie in weiterer Folge viele Flanken oder Halbchancen hatten.

Nach dem Seitenwechsel gab es allerdings kleinere Umstellungen. Briand ging von der rechten Seite auf die linke, Kiyotake rückte verstärkt ein. Deswegen wurde wohl auch Joao Pereira für Sakai eingewechselt, um mit mehr Frische den Flügel breitegebend entlang der gesamten Seite zu besetzen.

Korkut nahm allerdings weitere Anpassungen vor: Stindl rückte nach der Einwechslung Sobiechs für Schulz öfter in den Sechserraum, Briand tauschte wieder mit Kiyotake und Schmiedebach ließ sich bei höherer Ballzirkulation Hannovers vermehrt zurückfallen, um die Innenverteidiger auffächern zu lassen. Das sollte wohl die Flügel besser bespielbar machen und die Geschwindigkeit der Seitenwechsel erhöhen.

Sané rückte von der Sechs in die Innenverteidigung und vorne besetzten mit dem vorschiebenden Briand sowie den zwei Stürmern Sobiech und Joselu gleich drei Spieler das Sturmzentrum. Stindl schob von der Sechs oft weit nach vorne und besetzte den Zwischenlinienraum. Es war darum gar nicht ganz klar, ob die Formation im Mittelfeld eine sehr breite Raute oder eine flache Vier war. Defensiv gab es ebenso situativ beides zu sehen, obgleich die flache Vier wie die Grundformation schien.

Die Ballzirkulation im zweiten Spielfelddrittel wurde dadurch nicht viel besser, aber die Verlagerungen und Flanken effektiver; beim Anschlusstreffer zum 2:1 befanden sich gleich drei Spieler am gegnerischen Torwart. Letztlich brachte der HSV aber mit Hängen, Würgen und Leiten auf die Flügel die Partie.

Fazit

In gewisser Weise war dieser Sieg für Hamburg eine Mischung aus Glück, die Vorteile einer frühen Führung und einer passablen Offensivausrichtung, garniert mit einer in der Mitte starken Abwehr. Hannover hatte mehr Schüsse, hatte viel mehr vom Ball und dominierte spätestens in der zweiten Halbzeit auch zwischen den beiden Strafräumen die Räume. Hamburg hatte ein paar wenige vielversprechende Konter, Hannover wiederum viele Halbchancen und Flanken. 6:21 Schüsse bringen selten einen Sieg, aber in diesem Spiel kamen die Hanseaten noch einmal damit davon. Die erste Halbzeit war aber in puncto Zirkulation und Verschieben stärker, als die zweite Hälfte. Eine Mischung aus der ersten Halbzeit und den sehr aggressiven Pressingansätzen aus der Hinrunde sowie bessere Struktur in den letzten Dritteln sollte das Ziel für den HSV werden. Hannover hatte … auch viel Pech in den letzten drei Spielen, Kopf hoch.

mk 7. Februar 2015 um 22:23

„Kopf hoch“. Haha, danke. Aber ich habe ehrlich gesagt Hamburg weniger durchschnittlich gesehen, als du. In meinen Augen waren sie ziemlich schlecht, wenn man mal von den Standard-Ok-heiten im Pressing absieht (mit ein bisschen wohlwollender Objektivität waren sie da ganz gut). Aber mein Urteil ist auch mit ziemlicher Sicherheit zu sehr von dieser lächerlichen Pech-Ansammlung in den letzten Spielen und der Enttäuschung wegen ein paar leider nicht aus der Vorbereitung transportierten Fortschritten verfälscht. Und dann hab ich eben nicht mal die Anti-Spam-Rechnung auf Anhieb rausgekriegt. Scheiß-Abend… Aber danke für Analyse und die versuchte Aufmunterung.
Diaz ist natürlich ein unlauterer Wettbewerbsnachteil für alle Mannschaften, die noch nicht gegen Hamburg gespielt haben. Man sollte Transfers übertrieben guter Spieler zu schlechten Mannschaften verbieten. Tactical Fair Play oder so…
/rant

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CF 8. Februar 2015 um 00:07

Im Vergleich zu dem Paderborn Spiel wirkten sie offensiv aber umeiniges strukturierter und sauberer. Die Rollenaufteilung war klarer und auch gruppentaktisch zeigten sie einige simple, aber relativ gute Ansätze. Fand ich gar nicht sos checkt, wobei das halt lange noch nicht gut war, geht aber in die richtige Richtung. Genauso wie Hannover, die wirklich einen Sprung gemacht haben, mit das interessanteste Team in der Bundesliga

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mk 8. Februar 2015 um 00:14

Ha, endlich erhört mich jemand im Hinblick auf „96 ist gar nicht so langweilig“! 😉
Ja, ich bin nach ein paar Stunden (und einer möglicherweise signifikanten Menge intravenös zugeführten Alkohols) auch nicht mehr so endlevel-kritisch mit Hamburg. Sie können momentan offenbar nicht mehr. Den Fortschritt kann ich nur schwer bewerten, hab vom Paderborn-Spiel nur ein paar Minuten gesehen. Und wenn man in den offensiven Spurenelementen noch was Positives finden konnte, muntert mich das ein bisschen auf.
Mut macht mir außerdem, dass momentan viele Trainer stumpf zu werden scheinen, Korkut aber trotz des Ergebnistrends beim angedachten Spiel bleiben will. Immerhin etwas.

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