FC Bayern München – FSV Mainz 05 0:0
Man hatte die Meisterschaft wohl schon abgeschenkt. Darauf deutete zumindest Jupp Heynckes‘ Aufstellung hin, welcher einige Stammspieler für das Real-Spiel schonte. Die nominell großen Namen spielten zumeist nur, um wieder Selbstvertrauen zu tanken oder sich Spielpraxis zu holen, hierbei kann man natürlich Arjen Robben und Bastian Schweinsteiger nennen. Im Interview mit Sky sagte Heynckes bereits, dass die Dortmunder ein verdienter Meister seien und schließlich agierten die Bayern so, wie ihr Trainer sich im Interview zeigte. Ruhig und der Situation bewusst spielten sie ihren Stiefel herunter und hatten fast 80% Ballbesitz, Großchancen gab es dennoch nicht en masse. Dies lag daran, dass die Zielstrebigkeit fehlte und die Mainzer mit etwas Glück und viel Laufarbeit (über 7 Kilometer mehr als die Bayern) einige Male noch im letzten Moment den Ball erobern konnten. Bei den Gästen ging allerdings nur wenig nach vorne, obwohl die Bayern sich teilweise im Zweikampf ungemein passiv zeigten (nur fünf Fouls), konnten die Gäste keinen einzigen wirklichen Torschuss herausspielen. Das Ballbesitzspiel der Bayern drückte sie zu weit nach hinten hinein und man konnte nicht schnell genug nach vorne kommen, um wirklich gefährlich zu werden.
Die Bayern – ein Ausblick in die Zukunft?
Die Bayern rückten trotz einigen Spielern der zweiten Garnitur nicht von ihrem üblichen System ab. In einem 4-4-2/4-2-3-1-Hybrid spielte man das gewohnte Kurzpassspiel mit eingestreuten lagne Bällen, die aber relativ wirkungslos waren. Ivica Olic, der als Mittelstürmer begann, kann solche Bälle nur selten behaupten und die Gegner der Bayern stehen zumeist so tief, dass sich keine Räume für tödliche Pässe dieser Art finden. Ohne Mario Gomez vorne fehlte es teilweise auch an der Präsenz, obwohl Olic natürlich wie gewohnt kämpfte. Er wurde zwar in der sechzigsten Minute ausgewechselt, hatte dennoch die meisten Sprints aller Spieler in dieser Partie und hochgerechnet wäre er gar auf 12,3 Kilometer Laufdistanz gekommen. Ein hypothetischer Spitzenwert, damit wäre er knapp vor Elkin Soto mit 12,2 Kilometern gelandet. Bei den Bayern war es der lange rekonvaleszente Schweinsteiger mit etwas über 11,5 Kilometern, der den Spitzenplatz für sich beanspruchen durfte. Ein weiterer Vorteil Olics neben seiner läuferischen Fähigkeiten ist natürlich die Möglichkeit, dass er auf die Flügel ausweicht und zentral Platz macht.
Dies geschah meist im Verbund mit Thomas Müller, der sich ungemein viel ohne Ball bewegte und sehr oft Arjen Robben die Position als hängender Stürmer überließ. Der Niederländer zeigte sich nach seinem verschossenen Elfmeter sichtlich motiviert und war überall auf dem Platz wiederzufinden, elf Kilometer sowie über 80 Ballkontakte sind für ihn ein überdurchschnittlicher Wert. Nichtsdestotrotz fehlte es in an diesem Spiel etwas an der Unterstützung seiner Mitspieler, dazu kam, dass er nicht so unbekümmert war wie in seinen besten Spielen. Zu selten schloss er selbst ab oder verpasste den richtigen Zeitpunkt zum Abspiel.
Da sich Müller, Olic und insbesondere Robben ungemein frei bewegten und ihre Positionen tauschten, hatte Heynckes mit Alaba auf der linken Flügelstürmerposition einen richtigfüßigen und sehr kombinationsstarken Spieler aufgestellt. Der Österreicher ist lauf- wie defensivstark und das Gegenteil eines egoistischen Spielers, was dafür sorgen sollte, dass sowohl Müller, als auch Olic und Robben eine sichere Anspielstation auf links hatten. Alaba rückte einige Male ein und ließ Contento hinterlaufen, welcher als Linksverteidiger spielte.
Auffällig war jedoch, dass der stark spielende Contento und Rafinha auf der gegenüberliegenden Seite der Viererkette hoch aufrückten, sich einige Male aber ins Zentrum bewegten. Anstatt das Spiel breit zu machen, worunter besonders der rochierende Müller litt, gingen sie oft ins Mittelfeldzentrum und verdichteten dort den Raum.
Im Spielaufbau waren sie relativ breit, allerdings nur auf der ballnäheren Seite. Die Innenverteidiger machten das Spiel ohnehin extrem breit und Schweinsteiger ließ sich nach hinten fallen. Damit organisierte man sich im Aufbauspiel mit einer Dreierkette und einer weiteren Dreierkette davor. Tymoshchuk spielte zentral und bewegte sich viel, während oftmals Robben zurückkam und sich ebenfalls im Mittelfeld anbot. Contento und Rafinha rückten auf, während Schweinsteiger erst nach dem Aufrücken des Balles ins zweite Spielfeld sich wieder zwischen den beiden Innenverteidigern wegbewegte. Zumeist ging er dann auf die Halbpositionen, vorrangig links, wo er Lücken stopfte und die Außenspieler beim Vorrücken unterstützte. Diese Positionierung war weiterhin ungemein wichtig, damit er unter Pressing des Gegners weite Diagonalbälle zur Spielverlagerung auf die andere Seite spielen konnte.
Das Mainzer Problem
Eigentlich schlagen sich die Mainzer gegen den großen FC Bayern immer sehr gut, was zumeist an ihrem guten Mittelfeldpressing sowie dem schnellen Umschalten lag. Auch mit dem Abwehrpressing hatten sie Erfolg, doch dieses Mal gab es kaum Torchancen. Woran das lag? Nun, die Mainzer spielen ein numerisch unterlegenes, dafür aber sehr schnelles Offensivspiel. Das Ziel ist es, dass man Schnittstellen sucht und trotz weniger Mann in der Offensive gegen große Gegner zu Chancen kommt, indem die einstudierten Laufwege extrem schnell bespielt werden. Beispielsweise ist hier Szalais Ausweichen zwischen Außenverteidiger und Innenverteidiger mit darauffolgendem blitzschnellem Antritt nach vorne in den Raum zu nennen.
Da man dieses Mal allerdings extrem tief hinten stand und nur wenige Bälle sah, kam man zumeist gar nicht so weit. Das Umschalten funktionierte ohnehin nur mittelmäßig (für Mainzer Verhältnisse) und sie wurden durch die hoch aufgerückten und stark ballseitig spielenden Münchner voneinander isoliert.
Interessant zu sehen war es, wie Thomas Tuchel seine Mannschaft nach vorne zu scheuchen versuchte. Er gestikulierte und schrie, man solle sich weiter vorne positionieren und mit dem Pressing früher beginnen, allerdings konnten die Münchner immer den sicheren Pass anbringen. Schweinsteiger bewegte sich viel und bot sich tief als sicherer Posten an, Badstuber rückte teilweise mit auf und der gegenüberliegende Außenverteidiger schob ballorientiert mit, um Kurzpassstafetten schneller abschließen zu können. Die berühmten Mainzer Konter kamen kaum zum Tragen und es fehlte letztlich an einer Sache, die auch dem Rekordmeister abging: der Zielstrebigkeit und dem unbedingten Willen des gesamten Kollektivs. Später kamen sogar noch Ribéry und Gomez, die etwas versuchten, letztendlich waren die Mainzer entweder da oder die Bayern schienen nicht gewollt, ihre Überlegenheit zu nutzen.
Die Daten, Grafiken und Statistiken ohne expliziten Verweis sind von bundesliga.de und espn.
9 Kommentare Alle anzeigen
JayPies 16. April 2012 um 17:29
Stimmt nicht ganz, zurückfallen lassen ja, aber niemals zur dreier Kette bei den sich die AV bewußt nach vorne geschoben haben
Robert 15. April 2012 um 18:24
Beeindruckt hat mich die konsequente und geschlossene Umsetzung des Mainzer Defensivkonzepts. Ich denke in diesem Spiel hat man diesbezüglich wieder deutlich den Vorsprung von Mainz vor Mannschaften wie Kaiserslautern, Berlin oder Köln gesehen. Sie haben es geschafft in der Spielfeldmitte und vor dem Tor den Bayern wenig Räume zum Bespielen zu überlassen. Und damit mit ein wenig Glück und viel Können beim Umsetzen der Defensivstrategie ein 0-0 zu ermauern.
Offensiv war es aus Mainzer Sicht jedoch sehr übersichtlich. Die hohen langen Bälle auf Szalai wurden schnell durchschaut.
Die defensive Dreierkette der Bayern beim Aufbauspiel kam mir aber nicht neu vor. Ich denke das ist Schweinsteigers Spiel gegen zwei gegnerische Spitzen. Ich vermute man hat es länger nicht gesehen weil Kroos die Position ein wenig anders interpretiert.
Ich würde mich auf alle Fälle freuen wenn Tuchel mal eine Mannschaft bekommt offensiv stärkere Qualitäten hat…
LW 15. April 2012 um 19:56
Kann dir nur zustimmen, was die Taktik von Mainz angeht und bezüglich Tuchel.
Es würde mich sehr freuen, den mal bei einer indivduell gut besetzten Mannschaft zu sehen und zu sehen, was der da so bringen kann.
Und zu Schweinsteiger: Ich glaube nicht, dass er das vorher so geamcht hat. In bestimmten Partien zwar schon, wie einmal unter Louis van Gaal gegen Dortmund z.B. aber ansonsten glaube ich nicht so oft.
AcmBO 16. April 2012 um 14:15
Meine auch, dass man das Zurückfallen von Schweinsteiger auch unter van Gaal gesehen hat, vorallem als Pranjic 10/11 Lv gespielt hat. Problem war da aber dann das Kroos im Zm nie die Räume abdecken konnte.
C 15. April 2012 um 15:58
früher nannte man das übrigens Libero…
C 15. April 2012 um 15:38
Da hat Heynckes ja mal wirklich taktisch was ausprobiert. Was mich gestern aufgeregt hat war das ultra langsame Aufbauspiel der Bayern, was va Boateng da bot war ne Frechheit für die Zuschauer die da Eintrittsgelder bezahlt haben… gut vll war das so geplant (wissen wir ja nicht) um sich wirklich für Mittwoch zu schonen, wenn ich mir aber die Tracking Daten ansehe dann lag das Spiel deutlich über dem Schnitt der Bayern, insofern fand ich dann auch die Aufstellung mit den geschonten Spielern etwas merkwürdig. Bemerkenswert fand ich, dass Rafinha wenn er mal Platz bekam offensiv relativ ordentlich spielte.
aley 15. April 2012 um 15:01
naja ich fand es gab deutlich interessantere Partien am Wochenende ….. zum Beispiel hat der Hsv Hannover meiner Meinung nach 90 Minuten lang dominiert oder das spannende 3:3 zwischen der Werkself und Hertha. Es muß nicht immer nur Bayern sein ….
JayPies 15. April 2012 um 14:22
Die dreier Kette im Spielaufbau war schon lange überfällig, um darauf zu reagieren, dass sonst Badstuber massiv gestört worden ist den Spielaufbau zu betreiben. Hat auch teilweise gut funktioniert….
Aber die Aufteilung der davorstehenden Kette aus AV und Tymo war unglücklich. Grade Tymo als 6er wirkte isoliert wodurch die erste dreier Kette die gute Wirkung auch oft verlor.
Ich denke aber hier sollte man aufbauen in der Zukunft, weil es auch viel Variabilität bietet in Form 3-3-3-1, 3-4-2-1, oder 3-4-3 wodurch ich persönlich eine Verbesserung des Aufbauspiels grade gegen Defensive gut organisierte Mannschaften sehe.
Der Part mit Müller stimmt, den grade eine schnell Verteilung der Bälle in die Spitze geht Bayern total ab, was durch das angepasste Aufbauspiel (siehe oben) doch besser gefördert würde….
Michi 15. April 2012 um 12:58
Vielen Dank für die schnelle Analyse!Ich habe hierzu eine Frage:
„Anstatt das Spiel breit zu machen, worunter besonders der rochierende Müller litt, gingen sie oft ins Mittelfeldzentrum und verdichteten dort den Raum.“
WArum litt Müller drunter? War es nicht seine Aufgabe, nach rechts auszuweichen, um die Mitte etwas frei zu machen?