VfB Stuttgart – Hertha BSC 5:0
Der VfB Stuttgart feiert mit dem 5:0 über Hertha BSC ein echtes Erfolgserlebnis. Labbadias Elf zeigte sich verbessert im Vergleich zu den letzten Partien, profitierte aber auch von einer ganz schwachen Leistung ihres Gegners.
Der 21. Spieltag bot ein Duell der Formschwachen: Stuttgart gewann keins der letzten sieben Spiele, die Hertha aus Berlin war gar seit neun Partien sieglos. Labbadia ließ Cacau auf der Bank und trat nur mit einem Stürmer in einem 4-2-3-1 System an. Die Hertha überließ zunächst den Hausherren das Spielfeld, sie zogen sich in ihre eigene Hälfte zurück und konzentrierten sich auf das Verteidigen. Die beiden Außenstürmer Ebert und Bastians standen im nominellen 4-4-1-1 sehr tief. In der Mitte gingen Niemeyer und Ottl aggressiv auf die gegnerischen Sechser, so dass ein recht unübliches Bild entstand: Das 4-4-1-1 wurde in vielen Situationen fast schon zu einem 6-3-1, mit Raffael auf einer Linie mit den zentralen Mittelfeldspielern.
Hertha in Theorie und Praxis
Durch diese unorthodoxe Formation, die Hertha bereits gegen andere Teams verwendete, entstand ein recht großer, freier Raum im zentralen Mittelfeld. Die Stuttgarter wussten allerdings zu Beginn nicht, was sie mit diesem anfangen sollen. Es wurde abermals deutlich, dass sowohl ein moderner, räumlich denkender Zehner als auch ein effektives Kurzpassspiel durch die Mitte fehlt. Selbst wenn Hajnal diesen Freiraum besetzte, konnten die Stuttgarter Aufbauspieler ihn entweder nicht anspielen oder aber der Ungar musste den Angriff mangels Anspielstationen in der Nähe abbrechen.
Herthas Grundstrategie, den VfB auf den Flügeln zu stellen und nach Ballgewinnen schnell zu kontern, war angesichts der aktuellen Stuttgarter Probleme im Spielaufbau auf dem Papier keine schlechte. Skibbes Plan hatte in der Praxis allerdings zwei große Haken: Zum einen war das Zweikampfverhalten auf den Flügeln viel zu nachlässig. Morales war der einzige Außenspieler, der eine positive Zweikampfbilanz vorzuweisen hatte (55%). Ebert (46%), Bastians (37%) und Kobiashvili (31%) gingen gegen ihre Gegenspieler unter. Besonders vor dem 0:3 war die schwache Leistung auf links zu erkennen, als der oft aufrückende Bouhlarouz frei flanken konnte, obwohl der Berliner Verteidiger direkt neben ihm stand.
Das viel schwerwiegendere Problem war aber das abstrus planlose Konterspiel des Aufsteigers. Nach Ballgewinnen versuchten sie, schnellen Ein-Kontakt-Fußball zu spielen, scheiterten aber schon im Ansatz. Magere 72% Passgenauigkeit unterstreichen, wie oft und vor allem wie schnell sie den Ball nach einer Eroberung verloren. Es war dabei erneut die hohe Abhängigkeit von Raffael zu erkennen, bei fast jedem Angriff suchten sie ihn. Die drei zentralen Mittelfeldspieler der Stuttgarter gingen jedoch zu dritt gegen ihn vor. Gentner, Hajnal und Kvist isolierten den Herthaner Spielmacher, wodurch sein Team jegliche Struktur im Angriffsspiel verlor.
Stuttgart laufstark und leidenschaftlich
Dass Hertha über 90 Minuten keinen einzigen vernünftigen Konter fahren konnte, lag auch am Stuttgarter Gegenpressing: Durch den leicht zurückhängenden Hajnal, der auf beiden Flügeln aushalf, konnten sie den Gegner nach Ballgewinnen stark unter Druck setzen. Dieses Spiel unterstrich zudem abermals Jürgen Klopps Leitspruch: Gutes Pressing gelingt nur bei hoher Laufbereitschaft und mit viel Leidenschaft. Die Stuttgarter warfen sich in jeden Ball, besonders die Außenstürmer Okazaki und Harnik gingen jedem Ball hinterher. Auch Gentner und Hajnal halfen viel aus, so konnte man teilweise einen Vier-Mann-Block um die gegnerischen Außenverteidiger aufbauen, der alle möglichen Passwege zustellte.
Das starke Pressing war umso wichtiger für die Stuttgarter, als dass sie ihre stärksten Angriffe vortrugen, wenn die Herthaner noch nicht sortiert waren. Nach frühen Ballgewinnen klappte das Zusammenspiel Harnik-Ibisevic, beide ergänzten sich in ihren Laufwegen und Pässen. Die Besetzung freiwerdender Räume funktionierte in diesen Momenten besser als im freien Spielaufbau. Das 0:2 durch Harnik nach Pass Ibisevic untermauerte, wie intuitiv die Stuttgart Offensive in starken Situationen agiert. Nicht unterschlagen werden darf aber, dass sich die Herthaner zuvor im zentralen Mittelfeld ohne Not den Ball abnehmen ließen – wie so einige Male in dieser Partie.
Zur Halbzeitpause war das Spiel beim Stande von 0:4 und nach einer roten Karte gegen Ottl bereits gelaufen. Nach dem Wiederanpfiff waren die Berliner einzig darauf ausgelegt, nicht komplett unterzugehen. Sie agierten jetzt fast durchgehend in einer Fünferkette am eigenen Sechszehner. Stuttgart tat ihnen den Gefallen und arbeitete nicht mehr so hart wie noch in der ersten Halbzeit – ihre geschundene Seele war spätestens nach dem 5:0 befriedigt.
Fazit
Was der VfB Stuttgart unter der Woche für die Bayern war, wurde nun Hertha BSC für die Stuttgarter: Gegen einen schwachen Aufbaugegner reichten leichte Verbesserungen, um zu einem echten Erfolgserlebnis zu kommen. Durch das leidenschaftliche Gegenpressing und die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor konnten sie kaschieren, dass ihr Spielaufbau in den ersten 20 Minuten alles andere als kreativ war. Was dieser Sieg wirklich bedeutet, wird sich erst in sieben Tagen zeigen – wenn die Stuttgarter wieder einen echten Gegner haben.
Hertha hingegen steckt nach dem zehnten Ligaspiel in Folge ohne Sieg tiefer denn je in der Krise. Wie groß ist Skibbes Anteil daran? Fakt ist: Der spielerische Abwärtstrend begann bereits Anfang November. Seitdem ist von dem Herthaner Ein-Kontakt-Fußball, den sie an den ersten zehn Spieltagen zelebrierten, wenig übrig geblieben. Bereits unter Babbel zeigte sich einige Schwächen im Spiel nach vorne. Die Abhängigkeit von Raffael und die Kreativlosigkeit auf den Außenbahnen waren bereits Ende des letzten Jahres ein Manko des Hauptstadtclubs. Die einzige Spitze, in diesem Spiel Lasogga, ist die ärmste Sau auf dem Platz und verhungert regelrecht.
Der größte Vorwurf an Skibbe lautet, dass er bis jetzt keinerlei Änderungen an diesem Konzept vornahm. In völliger Verkennung der Tatsache, dass die Berliner Taktik bereits bei seiner Ankunft nicht mehr optimal funktionierte, hält er unbeirrt an System und Kontertaktik fest. Defensiv funktioniert seine Mannschaft gut, nach vorne war sie in dieser Partie ein Totalausfall. Stuttgart wurde es defensiv leicht gemacht. Hinzu kommt mittlerweile Unkonzentriertheit (zahlreiche Fehlpässe) plus fehlende Zweikampfstärke (heute auf den Außenbahnen). Skibbe muss unbedingt taktische Stellschrauben drehen, ein Zurückfinden in die Spur mit der aktuellen Marschroute scheint nicht möglich.
2 Kommentare Alle anzeigen
Tzaduk 14. Februar 2012 um 17:25
Vor allem ist leider nicht Lasogga, sondern vielmehr der arme Kraft die ärmste Sau auf dem Platz. Ich sehe auch nicht, dass die Innenverteidigung derzeit erstligareif agiert – was aber vor allem am Kopf als an grundsätzlichen Fähigkeiten zu scheitern scheint. Mit Mijatovic und Hubnik ist nicht grundsätzlich falsch geplant, ein fitter Franz ergänzt die Innenverteidigung insgesamt gut – nur ist die derzeitige Performance so überraschend unterirdisch, dass „selbst“ ein Trainerwechsel nicht zu helfen schien – oder scheint, ich bin gespannt, wie sich das nach dem Weggang von Skibbe gestaltet.
Einstimmig festzuhalten ist: Die Hertha ist zu abhängig von ihrem einzigen „Spieler“ – Wenn Rafael wegfällt, und sei es durch Gegenspieler, ist die Bande kopflos. Hier ist dringend Unterstützung vonnöten, Torun oder auch Ebert, geschweige denn Ronny scheinen nicht in der Lage, im Zweifel ihrem Spielmacher zu Hilfe zu eilen. Ottl und Niemeyer sind da eher zerstörerisch, Niemeyer vielleicht noch leicht spielfähiger.
Die Außen könnten hier die Mitte entlasten, wenn sie selbst gestalterischer agieren würden. Lasogga würde sich über vernünftige Zuspiele von den Flügeln sicher freuen. Ich frage mich, warum man Ebert da nicht auch mal wieder durch Rukavytsya ersetzt, und sei es, um Ebert auch zu zeigen, dass er mehr machen muss. Auf der anderen Seite gilt dann das gleiche, offenbar zeigen die offensiveren Spieler auf den Flügeln, Ben-Hatira oder auch Torun, wenig Durchschlagskraft im Training – schade für die Mannschaft.
Ein neuer Trainer müsste m.E. für mehr Schwung auf den Flügeln sorgen, um die Mitte um Rafael zu entlasten, sowie die Innenverteidigung moralisch ausreichend aufbauen, dass die grds. fähigen Innenverteidiger wieder funktionieren. Na, viel Spaß…
joe sixpack 13. Februar 2012 um 15:23
das die mannschaft defensiv gut funktioniert ist wirklich totaler unfug. Seit monaten, eigentlich seit dem abgang von madlung, simunic schon, ist die eigentliche schwaeche der hertha das immer wieder katastrophale defensiv leistung gezeigt wird. Man erinnere sich doch bitte einmal gegen leverkusen, gladbach und freiburg die punkte verspielt wurden.
http://www.berliner-kurier.de/hertha-bsc/hertha-bsc-buli-olympiastadion-bayer-leverkusen,7168990,11222464.html
ps.: allerdings ist gut das simunic weg ist,