Frankfurter Pressing-Umstellungen führen zum Sieg über Galatasaray – MH

5:1

Eintracht Frankfurt gewinnt am ersten Champions League Spieltag mit 5:1 gegen Galatasaray Istanbul. Dabei lagen die Frankfurter nach rund 10 Minuten mit 0:1 zurück, konnten allerdings auch aufgrund eines angepassten Pressings das Spiel drehen. Hier findet ihr eine Aspektanalyse zum Frankfurter Angriffspressing gegen das Istanbuler Aufbauspiel.

Frankfurt startete wie gewohnt aus einem nominellen 4-2-3-1. Vor den beiden Mittelfeldspielern Chaibi und Larsson agierte Uzun auf der 10er Position. Auf der linken Seite spielte Flügelspieler Knauff vor Linksverteidiger Brown. Im Abwehrpressing veränderte sich diese Staffelung zu einem 4-4-2 mit Burkardt und Uzun bzw. Knauff in der ersten Pressinglinie. Im Übergang ins Angriffspressing wurde zudem wie gewohnt mannorientiert verschoben.

Galatasaray startete ebenfalls aus einem nominellen 4-2-3-1. Im Aufbauspiel veränderte sich die Staffelung je nach Höhe des Ballbesitzes zu einer Art 3-2-5 oder 4-2-4 durch die Positionierung der Außenverteidiger. Als Breitengeber agierten auf der rechten Seite Flügelspieler Sané und auf der linken Seite Außenverteidiger Elmalı. Der linke Flügelspieler Akgün schob dazu immer wieder ins Zentrum und agierte als eine Art „freier Spieler“. Rechtsverteidiger Sallai schob gleichzeitig bei höherem Ballbesitz etwas ein, um den 3er Aufbau zu bilden.

Aufbauspiel Galatasaray

Das Aufbauspiel von Galatasaray war geprägt durch häufige Rotationen. Als grundsätzliche Orientierung diente das bereits beschriebene 3-2-5. Aus diesem wurden immer wieder Positionswechsel gesucht, um die gegnerische Manndeckung im Angriffspressing zu manipulieren. Auf der linken Seite konnte der als Breitengeber fungierende Elmalı die Höhe variieren. Im tieferen Spielaufbau kam er häufig weiter entgegen, während er sich ebenfalls regelmäßig auf Höhe der letzten Linie positionierte. Flügelspieler Akgün sollte für zentrale Überzahl sorgen und schob immer wieder ins Zentrum, teils sogar auf die rechte Seite. Als Reaktion auf den hochschiebenden Außenverteidiger rotierte der linke Sechser, Lemina, auf die linke Außenverteidigerposition. Stürmer Yılmaz rotierte wiederum bei tiefstehendem Außenverteidiger und in die Zentrale abgekipptem Flügelspieler auf die halblinke Position.

Die linksseitigen Rotationen Galatasarays führen zu einer ständig nötigen Neuorientierung der Frankfurter Pressingspieler.

Ziel dieser Rotationen war es, die Manndeckung zu manipulieren und bestimmte Frankfurter Gegenspieler zu binden. Aufgrund des in die Mitte Abkippens von Flügelspieler Akgün wurden die beiden Innenverteidiger Koch und Theate gebunden. Dabei positionierte sich Akgün vor Stürmer Yılmaz, um die letzte Linie aufzuziehen und 1gg1 Duelle zu ermöglichen. So entstanden unterschiedlichste Aufbaustrukturen, die für die Frankfurter in beinahe jeder Situation eine neue Orientierung erforderte. Schob beispielsweise Elmalı hoch, musste er von Collins aufgenommen werden und die gesamte letzte Kette wurde durch die 4 Offensivspieler Galatasarays gebunden. Das erschwerte maßgeblich den Frankfurter Übergang in die Manndeckung, da aufgrund der Positionierungen der Stürmer Innenverteidiger Theate zu weiten Wegen bei der Übergabe gezwungen wurde.

Dadurch, dass alle Spieler der Abwehrkette gebunden sind, werden Übergaben erschwert.

Frankfurter Pressing

Der Frankfurter Plan war es, wie bereits in den Spielen zuvor, durch die Übergabe der Gegenspieler des Innenverteidigers und Außenverteidigers, aus einer +1 Überzahl gezielt in die Manndeckung überzugehen. Das hat den Vorteil, dass zunächst Räume auf bzw. hinter der letzten Kette abgesichert werden können und die Gefahr eines langen Balles, der eine 1gg1 Situation verursacht, durch einen zusätzlichen absichernden Spieler minimiert wird.

Gleichzeitig kann nach Lenken des Angriffs die Übergabe in die Manndeckung für einen möglichst maximalen Druck auf die Gegenspieler erfolgen. Je nach gegnerischer Staffelung und Abläufe im Spielaufbau passen sich die Frankfurter Pressingstrukturen an. Beispielsweise kann in den Abständen auf die Gegenspieler bei den sich auf den Sprung befindenden Pressingspielern variiert werden, um entweder (bei größeren Abständen auf die Gegenspieler) mehr Sicherheit in der Absicherung zu schaffen oder (bei kleineren Abständen auf die Gegenspieler) mehr Druck zu erzeugen.

Galatasaray versuchte diese Übergabemomente so schwierig wie möglich für die Frankfurter zu gestalten, indem die Wege im Moment der Übergabe in die Manndeckung möglichst groß werden sollten. So führten die oben angesprochenen Rotationen zu langen Wegen Theates, der Flügelspieler Sané übernehmen sollte, damit Brown auf den noch freien und flach positionierten rechten Außenverteidiger Galatasarays umspringen konnte.

Aufgrund der Positionierung der Angreifer Galatasarays ergeben sich lange Pressingwege für Theate und Brown. Zusätzlich ist Theate aufgrund der Rotationen in der Zwickmühle gegen zwei Gegenspieler.

Ebenfalls versuchte Galatasaray das Zentrum durch gewisse Rotationen zu öffnen bzw. die Frankfurter Mittelfeldspieler dazu zu bringen, aus dem Zentrum zu schieben. Die Frankfurter schoben mit Larsson manndeckend auf Halbraumspieler Gündogan und mit Uzun manndeckend auf den tieferen, rechten Sechser Torreira. Chaibi befand sich je nach Aufbauseite auf dem Sprung auf den höherschiebenden Sechser Lemina. Aufgrund der Rotationen von Lemina auf die Außenverteidigerposition übernahm Doan diesen häufig und Chaibi oder Collins (je nach Rotation von Akgün und Emalı) blieben ungeplant ohne Gegenspieler. Gleichzeitig rotierten teilweise Gündogan und Torreira gegenläufig was zu Übergabeschwierigkeiten im Zentrum führte.

Aufgrund der Schwierigkeiten, das Aufbauspiel Galatasarays durch Übergaben wie gewohnt pressen zu können, suchte Frankfurt etwa ab der 15. Minute engere Abstände zu den Gegenspielern, um schneller in die reine Manndeckung zu kommen. Brown schob direkt hoch, Theate direkt auf Sané, gleichzeitig deckten Collins und Koch die beiden verbliebenen Stürmer. Es entstand ein 3gg3 auf letzter Linie. Zwar wurde der Druck auf Galatasaray erhöht, was zu häufigeren Ballverlusten im Aufbauspiel führte, allerdings ergab sich dadurch auch ein höheres Risiko bei langen Bällen aufgrund der isolierten 1gg1 Situationen. Immer wieder gelang es (weiterhin), die mit viel Raum im 1gg1 starken Spieler, wie beispielsweise Sané, in solche Situationen zu schicken. Die engeren Abstände führten dennoch zu einem deutlich ausgeglicheneren Spiel mit häufigeren Ballgewinnen.

In der 30. Minute konnte Frankfurt eine längere Unterbrechung nutzen, um größere Umstellungen im Pressing vorzunehmen. Flügelspieler Knauff attackierte nun nicht mehr den rechten Innenverteidiger Galatasarays, sondern orientierte sich zu Außenverteidiger Sallai. Dadurch konnte Brown bei Sané bleiben und Theate musste nicht mehr weite Wege auf die Außenbahn zur Übernahme Sanés gehen. Gleichzeitig war es nun kein Problem mehr, wenn alle 4 Verteidiger gebunden wurden, da diese nicht mehr umspringen mussten. Den freien Innenverteidiger sollte fortan hauptsächlich Uzun pressen, indem er einen Pressingschatten auf Sechser Torreira erzeugte. Das Aufbauspiel über die rechte Seite Galatasarays konnte dann durch ballseitiges Verschieben manndeckend gepresst werden. Hierzu rückte Chaibi auf Uzuns ursprünglichen Gegenspieler Torreira und der ballferne Doan schob ebenfalls ins ballnahe Zentrum ein.

Frankfurter Pressing-Umstellungen: Dadurch, dass auf der letzten Linie nicht mehr umgesprungen werden muss, erhält Frankfurt situativ deutlich besseren Zugriff mit weniger Risiko. Die Veränderungen sorgen für den Spielumschwung.

Die Veränderungen im Pressing führten zu deutlich besserem situativen Zugriff und gleichzeitig zu einer deutlich besseren Absicherung. Die dadurch entstandenen Ballgewinne konnte Frankfurt durch längere Ballbesitzphasen zu einer dominanteren Spielweise nutzen. Eine dieser Ballbesitzphasen führte am Ende der Halbzeit zu dem 2:1 Führungstreffer. Unmittelbar danach führte eine Balleroberung nach dem umgestellten Angriffspressing zu einem Freistoß, der wiederum das 3:1 zur Halbzeit besorgte.

Fazit

Galatasaray konnte Frankfurt in den ersten 30 Minuten auch aufgrund eines sehr schwierig zu fassenden Spielaufbaus angepasst an das typische Frankfurter Pressing mit bestimmten Übergabemomenten vor Probleme stellen. Die Frankfurter Umstellungen waren bestens geeignet, um leichter Druck ausüben und eine bessere Absicherung herstellen zu können. Die kurze Unterbrechung des Spiels kam dem Frankfurter Trainerteam um Toppmöller sehr entgegen, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Folglich waren die Anpassungen des Pressings maßgeblich verantwortlich für den späteren 5:1 Erfolg und einem gelungenen Auftakt in der Champions League.

Autor: MH ist Fußball-Aficionado von Herzen. Seine Wohnung gleicht einer Fußball-Bibliothek in deren Regalen Bücher über die großen Taktiker von Rinus Michels bis Pep Guardiola stehen. Das Buch von Spielverlagerung.de fehlt hier natürlich nicht. Für MH ist Fußball nicht nur ein Spiel. Es ist ein Lebensgefühl. Auf X ist er unter Mh_sv5 zu finden, auf LinkedIn ebenso.

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