Droit au but… – MX

1:2

…übersetzt heißt das: „Schnell zum Tor.“ Für bedingungslose Schnelligkeit ist Roberto De Zerbi allerdings weniger bekannt – vielmehr für sein eher abwartendes, kontrolliertes Aufbauspiel. So war es auch gestern beim Auswärtsspiel gegen Stade Rennes.

Jorge Sampaoli ist zurück in Frankreich! Nach einem Intermezzo in Brasilien will der Argentinier bei Stade Rennes erneut sein Können unter Beweis stellen. In seinen ersten fünf Spielen als Trainer holte er zwei Siege und musste sich dreimal geschlagen geben – allerdings immer nur knapp. Am Samstagabend stellte er seine Mannschaft in einer 3-4-2-1-Grundformation auf: Samba stand im Tor, davor agierten Hateboer, Ostigard und Wooh in der Dreierkette, auf den Schienen spielten Truffert und Assignon, davor agierten Gouiri und Blas im Halbraum, während Kalimuendo im Sturmzentrum auflief.

Beim Ex-Club von Sampaoli läuft es unterdessen hervorragend. Die letzten sechs Partien vor dem Duell in Rennes wurden allesamt nicht verloren, fünf davon gingen sogar als Sieger hervor, darunter ein klarer Erfolg gegen die Mitkonkurrenten um Platz 2, AS Monaco. Roberto De Zerbi wählte ebenfalls das 3-4-2-1-Grundsystem: Rulli stand im Tor, mit Cornelius, Murillo und Balerdi bildete er die Dreierkette. Im Zentrum agierten Rongier und Højbjerg, auf den Schienen standen Henrique und Merlin. Im Halbraum spielten Rabiot und Greenwood, während Maupay als zentraler Stürmer fungierte.

Marseilles frühe Aufbaumuster

Dementsprechend hoch war auch die Spannung vor diesem Kracher in der Ligue 1. Relativ früh in der Partie wurde jedoch deutlich, wer die Initiative im weiteren Verlauf übernehmen würde: Olympique Marseille.

Roberto De Zerbi ließ seine Elf mit einem Ballbesitzanteil von rund 68% aus einem 3-2-2-3 im mittleren Aufbau agieren. Aus diesem Dreieraufbau heraus wurde breit gespielt, wobei die Halbverteidiger Murillo und Cornelius meist an der Außenkante der Halbräume positioniert waren. Allgemein war diese Aufbaustruktur durchgehend auf Höhe der Mittellinie zu beobachten, da Rennes aus dem 5-3-2-System keinen Druck auf die Dreierkette ausübte.

Vielmehr konzentrierte sich besonders die erste Pressinglinie aus Kalimuendo und Blas darauf, Marseilles Sechserraum zuzustellen. Die zweite Pressinglinie hingegen fokussierte sich primär auf den Ball, insbesondere bei Ballbesitz von Balerdi. Sobald der Ball zu einem der Halbverteidiger gespielt wurde, drehten sich die Spieler und nahmen die Achter von Marseille, Rabiot oder Greenwood, in Markierung. Dieses Drehen für die Markierung erwies sich jedoch als problematisch, da sich insbesondere Greenwood mit seinem Tempo mehrfach durch das Ausbrechen sich lösen konnte und der Markierung entkam – er war dann anspielbar.

OM im 3-2-Aufbau

Rennes hatte in den vorherigen Spielen ein Muster entwickelt, bei dem die Flügelverteidiger – hier Truffert – nach außen verschoben, um auf den Ball zu reagieren. Diese wurden jedoch von Marseilles Flügelverteidiger, Henrique, gebunden, sodass Truffert nicht auf Greenwood herausverteidigen konnte. Rabiot agierte weniger ausscherend, sondern schob eher im Halbraum bis zur letzten Linie. In seinem Fall konnte der Halbverteidiger Hateboer mehrmals herausverteidigen, wodurch er grundsätzlich auf Sprung verteidigte.

Marseille pflegte auch interessante Muster, bei denen der Sechser direkt in den Aufbau eingebunden wurde: Højbjerg brach mehrfach aus dem Rücken Kalimuendos heraus und besetzte die Position eines Halbverteidigers, wodurch Murillo diagonal auf den Flügel verschieben konnte. Dies hatte zwei Vorteile: Zum einen brachte man Højbjergs exzellente Pass- und Spieleröffnungsqualität in den Aufbau, zum anderen hatte man eine zusätzliche Anspielstation in der Breite, was aufgrund des Hochschiebens der Flügelverteidiger weitgehend fehlte. Entsprechend gut funktionierten diese Ansätze, wobei Kalimuendo oft überfordert wirkte, da er sich nicht sicher war, ob er nun Højbjerg oder Murillo verfolgen sollte oder ob er einfach stehen bleiben sollte. Anfangs entschied er sich für Letzteres, was Marseille mehrfach ermöglichte, in die Breite zu kommen.

…ist das noch 3-2?

Neben der Aufbauvariante über das 3-2 entwickelte Marseille relativ früh eine Alternativsystematik, die eher einem 2-4-Aufbau ähnelte. Dabei rückte der Halbverteidiger Cornelius etwas breiter und auf Höhe der Sechser, während Greenwood strukturell tiefer und breiter agierte. Rabiot übernahm in diesem Fall die Rolle eines zentraleren, offensiveren Mittelfeldspielers. So entstand eine 2-4-Anordnung, die in ihrer Struktur einem V ähnelte.

In den ersten Versuchen funktionierte diese alternative Systematik nicht besonders erfolgreich, da Cornelius und Greenwood von den Außenspielern des 5-3-2 von Rennes angelaufen wurden. Der Pressingweg war dabei so kurz, dass ein komplettes Aufdrehen nahezu unmöglich wurde. Eine Verbesserung zeigte sich, als Rabiot zunehmend dynamisch in den Halbraum verscho (was zu Anfang der Partie komplett fehlte), wodurch ein volles Aufdrehen für ein Abspiel nicht mehr zwingend erforderlich war.

V-Aufbau von Marseille

Auf der anderen Seite war es mehrfach erfolgreich, dass Greenwood beim Ballbesitz Murillos diagonal in den Zwischenlinienraum nach vorne schob, wodurch Gouri etwas mitgezogen wurde. Dadurch wurde ein Pass in die Breite auf Henrique möglich. Dies bot eigentlich eine gute Ausgangslage für ein Ablagespiel auf den relativ freien Greenwood. Allerdings hätte Henrique diese Ablagen mit seinem linken Fuß spielen müssen, was sein schwächerer Fuß ist, weshalb er dabei Schwierigkeiten hatte.

Teilweise rotierte auch die Besetzung innerhalb des V-Systems: Murillo rückte in die Rolle eines rechten Außenverteidigers, Greenwood blieb als zentraler offensiver Mittelfeldspieler, und auf der linken Seite übernahm Rabiot die Position eines linken Außenverteidigers. Dieses Muster zeigte positive Effekte, da Cornelius mehrfach sehr aggressiv und weit andribbelte, bevor er den Pass auf Rabiot spielte. Dadurch hatte James weniger Zeit, um auf Rabiot herauszurücken. Rabiot, der auf engem Raum seine Stärken hat und über einen exzellenten First Touch verfügt, konnte so häufig aufdrehen und andribbeln.

Zudem profitierte Marseille von Greenwoods Dynamik im Zehnerraum. Er band die Halbverteidiger mehrmals effektiv, was insbesondere im letzten Drittel und in der Box Vorteile schuf.

Zu Beginn fiel jedoch auf, dass Merlin als linker Flügelspieler (Grundposition: Schienenspieler) im isolierten 1-gegen-1 Probleme hatte. Die Anspiele von Rabiot spielte er meist zurück, da Assignon direkt den Zweikampf suchte und Merlin dadurch nicht in Aktion kommen ließ.

Sampaolis Elf presst aggressiver

Nach rund 16 Minuten blendete die Redaktion der Ligue 1 eine Statistik ein: Balerdi, als mittlerer Innenverteidiger, hatte bis zu diesem Zeitpunkt bereits 25 Pässe gespielt, während die gesamte (!) Mannschaft von Rennes lediglich auf 22 Pässe kam. Das verdeutlicht die Charakteristik dieses Spiels bis zu diesem Zeitpunkt recht anschaulich.

Rennes änderte jedoch genau in dieser Phase sein Verhalten: Durch das Vorschieben von Matsuiwa in die zweite Pressinglinie formierte man sich zu einem 5-4-1. Dabei wurden neue Muster implementiert: Kalimuendo im Mittelsturm lief Balerdi nun im Bogen an – Blas teils instinktiell Cornelius auf der anderen Seite. Dabei hielt Kalimuendo zunächst den Deckungsschatten auf Højbjerg und zog seinen Laufweg anschließend nach links, um Cornelius zu isolieren. Matsuiwa steckte dabei die Markierung auf Højbjerg enger, sobald Kalimuendo den Bogenlauf ansetzte.

5-4-1 im aggressiveren Mittelfeldpressing

Auf der linken Seite lief Gouiri den Halbverteidiger Murillo an und hielt dabei den Deckungsschatten auf Greenwood. Der Schienenspieler Truffert übernahm eine Doppelrolle: Einerseits sollte er Greenwood herausverteidigen, falls dieser sich aus dem Deckungsschatten lösen konnte, andererseits hatte er mit Henrique einen direkten Gegenspieler.

Diese Staffelung führte zwangsläufig dazu, dass Wooh häufiger aus der Abwehrlinie heraus verteidigen musste, wodurch sich immer größere Lücken in der Verteidigungslinie auftaten. Tendenziell hätte insbesondere Maupay diese Freiräume direkter belaufen können, was Rennes noch mehr unter Druck gesetzt hätte.

Marseilles Reaktionen auf Sampaolis Veränderungen

Marseille tat sich in der Folge schwerer, über die Halbverteidiger Progression zu erzeugen. Die Bewegungen aus dem Sechserraum in die ballnahen Zonen wurden durch mannorientierte Markierungen von Kalimuendo bzw. Blas effektiv isoliert. Auch in der Breite wurden Henrique und Merlin meist nicht angespielt. Damit nahm Rennes Marseille die offensichtlichsten Optionen im Aufbau, zumal es in den ersten Szenen dieser Art an wirklich koordinierten Bewegungen in Richtung des Balles mangelte.

Folgemuster auf der rechten Seite

Nach einigen Minuten fand Marseille jedoch eine Lösung, die aus einem 2-3-Aufbau heraus entstand: Halbverteidiger Murillo schob auf die letzte Linie, wodurch Henrique im Halbraum agierte. Dies führte dazu, dass Wooh häufiger „auf Sprung“ herausverteidigte. Wenn Henrique dann weit auf den Flügel auswich, hoffte Greenwood, dass Wooh ihm folgen würde, sodass er selbst frei den Tiefenlauf starten konnte.

Balerdi konnte jedoch aufgrund des geringen Abstands zu Kalimuendo keinen langen Ball spielen, was diese Dynamik abschwächte. Zudem fehlte ihm durch das Aufrücken von Murillo eine tiefere, breite Option im Aufbau. Zwar kippte Henrique diagonal nach rechts ab, doch Gouiri blockierte den Passwinkel geschickt, wodurch Balerdi ihn nicht erreichen konnte. Dementssprechend schnell beendete Murillo auch seinen Ausflug in die letzte Linie wieder.

Auf der linken Seite etablierte Marseille meist eine diagonale Verbindung zwischen Cornelius, Rabiot und Merlin, die auch immer wieder rotierten. Rabiot profitierte davon logischerweise, da er trotz des direkten Anlaufens von James mehrfach den Pass in den Zwischenlinienraum auf Maupay spielen konnte. Diese Muster scheiterten jedoch häufig, da Maupay Probleme im Wandspiel hatte. Zusätzlich erschwerte das langsame Nachschieben von Højbjerg und Rongier aus dem Zentrum die Situation, da es dadurch oft an Unterstützung in der Anschlussaktion fehlte.

Rennes wieder konservativer gegen den Ball

Gegen Ende der ersten Halbzeit kehrte Stade Rennes trotz des eigentlich recht erfolgreichen, aggressiveren Pressings wieder zu einem konservativeren, passoptionenorientierten Ansatz zurück und formierte sich grundsätzlich in einem 5-4-1.

Kalimuendo ließ dabei den mittleren Innenverteidiger Balerdi weitgehend unbeachtet und konzentrierte sich stattdessen darauf, die Halbverteidiger lose zu verfolgen, um Rückpässe auf Balerdi zu verhindern. Spielten die Halbverteidiger den Ball in die Breite, lief Kalimuendo entsprechend weiter durch und isolierte so die Rückpassoption. Möglicherweise war diese konservative Herangehensweise auch darauf zurückzuführen, dass Rennes Marseille gezielt keine Rückpassmöglichkeiten geben wollte, statt durch ein aktiveres Pressing größere Risiken einzugehen.

Rennes wieder konservativer

Marseille reagierte gut darauf, dass Rennes durch zentrale Mannorientierungen die Sechser Højbjerg und Rongier nahezu komplett aus dem Spiel nahm. Højbjerg agierte zunehmend als rechter Halbverteidiger, allerdings eher strukturell angelegt als dynamisch eingebunden. Gleichzeitig rückte Rabiot verstärkt in die Rolle eines linken Flügelspielers, während Merlin in den linken Halbraum einrückte. Ziel dieser Anpassung war es, einen Spieler in der Breite zu positionieren, der auch in kleinräumigen Szenen die Tiefe anspielen konnte – hier sollte Merlin mit seinem Tempo eingesetzt werden. Die regelmäßigen Verlagerungen von der rechten auf die linke Seite, die man in dieser Phase sah, trugen wohl dazu bei, dass Kalimuendo ein eher konservatives, rückpassorientiertes Verhalten zeigte. Diese Herangehensweise war erfolgreich: Marseille gelang es nur selten, diese Muster effektiv zu nutzen.

Auf der rechten Seite agierte Murillo in einer Pärchenbildung mit Henrique. Die hohe Positionierung Murillos, kombiniert mit dem zurückhaltenden Anlaufen der Halbverteidiger, hatte den Effekt, dass er oft angespielt werden konnte. Dies zwang die zweite Pressinglinie von Rennes dazu, sich weit nach hinten zu verschieben, um zu reagieren. Besonders Gouiri musste weite Sprints nach hinten absolvieren, bevor er aus einem seitlichen Pressingwinkel Zugriff erhielt. Dadurch wurde Rongier immer wieder frei positioniert. Theoretisch hätte Murillo ihn finden können, jedoch tat sich Murillo schwer damit, in engen Räumen zu agieren. Vielmehr liegt ihm das Spiel um Drucksituationen und Ballungen herum.

Zusammen mit Henrique zeigte er zwar Ansätze im Zusammenspiel durch Doppelpässe und „Spielen und Gehen“, jedoch verteidigten Wooh und Truffert diese Bewegungen sehr konsequent weg – aus einem solchen Ballgewinn fiel das 1:0. Woohs ballorientierte Herangehensweise führte, wie bereits beschrieben, zu einer Öffnung des Zwischenraums. Greenwood besetzte diesen Raum nun immer häufiger, doch Marseille fand ihn in der Tiefe leider zu selten.

Das 1:1 als Musterbeispiel

Kurz vor der Pause agierte Rennes unsauber und konnte die Verlagerung über Balerdi nicht verhindern, wodurch das Team gezwungen war, weit von links nach rechts zu verschieben. Diesen Freiraum nutzten Murillo und Henrique in ihrer Pärchenbildung effektiv: Über die volle Breite spielte Balerdi einen Ball auf Henrique, während Murillo mit seinem enormen Tempo im Halbraum durchschob. Über ein Ablagenspiel mit Rongier, der sich im Duell gegen James durchsetzte – James konnte nur von hinten attackieren und hatte dadurch einen Nachteil –, wurde die Situation weiter vorangetrieben und schließlich das 1:1 vorbereitet.

Das 1:1

Murillo hatte zwar im Laufduell gegen Wooh die Innenseite des Duells, wobei Wooh aber durch seine ballorientierte Körperhaltung gezwungen war, sich erst zu drehen, um mit Murillo ins Laufduell zu gehen. Dies verschaffte Murillo den entscheidenden Vorteil. Henrique, anders als Murillo, zeigte zudem seine Fähigkeit im Ablagenspiel auf engstem Raum, was in dieser Szene für das Anspiel von Rongier wohl war – auch beim 2:1 war es ein ähnlicher Pass auf Vorlagengeber Greenwood. Hier demonstrierte Marseille eine nahezu perfekte Umsetzung – ein kleiner Kontrast zu den bisherigen Ansätzen, die oft eher befriedigend statt wirklich überzeugend waren.

Sampaoli stellt wieder um

Nach dem Seitenwechsel brachte Sampaoli Seko Fofana für den im Anlaufen offenbar unzufriedenstellenden Kalimuendo. Dementsprechend zeigte sich Rennes in der häufigsten Spielphase des Abends – dem Mittelfeldpressing – in einem leicht angepassten 5-3-2. Fofana übernahm die Rolle des linken Außenspielers in der zweiten Pressinglinie, während Blas und Gouiri fortan als Doppelsturm agierten.

Diese beiden Akteure konzentrierten sich – wie zuvor Kalimuendo und Blas in der ersten Hälfte – stark auf das Zustellen des Sechserraums. Marseille versuchte, diese Ausrichtung auszunutzen, indem sich ein Sechser, meist Hoje´berg, vor den Pressingwall abkippte – dann entstand zeitweise auch ein Viereraufbau – um den Doppelsturm auseinanderzuziehen. Gleichzeitig agierte Rongier etwas höher, um den zentralen Mittelfeldspieler Matusiwa zu binden. Dadurch öffnete sich für Balerdi der Passweg in die letzte Linie auf Maupay.

Dieses Angebot nahm Balerdi jedoch nur selten an – wohl auch, weil das Wandspiel über Maupay in der ersten Halbzeit mehrfach gescheitert war. Stattdessen bemühte er sich, weiterhin die Halbverteidiger in das Aufbauspiel einzubinden.

In der zweiten Halbzeit verfeinerte Marseille dort die bereits in der ersten Hälfte erkennbaren Muster nochmals. Rabiot agierte weiterhin häufig auf der vollen Breite der linken Seite, positionierte sich jedoch ballnah etwas tiefer. Dies diente einerseits dazu, besser anspielbar zu sein, andererseits zog er dadurch den gegnerischen Flügelverteidiger Assignon frühzeitig heraus. Dadurch öffnete sich der Zwischenraum für Merlin, der mehrfach durch Rabiots präzise Pässe direkt in die Tiefe geschickt wurde und sein Tempo effektiv einsetzte.

Ballfern übernahm Højbjerg zunehmend die Rolle eines rechten Halbverteidigers, wodurch Murillo breiter und höher agieren konnte, häufig in einer klaren Pärchenbildung mit Henrique. Diese strukturelle Anpassung erleichterte es Marseille, gezielt und effektiv die Seiten zu verlagern. Henrique wurde in der Breite oft angespielt, während Murillo dynamisch im Halbraum nachschob, um Tiefenoptionen zu schaffen und die Verbindung ins letzte Drittel herzustellen.

Greenwood orientierte sich zunehmend in den rechten Halbraum, was besonders dann vorteilhaft war, wenn Maupay Ostigard band. Dadurch ergaben sich oft 3-gegen-2-Situationen, die Marseille dynamisch ausspielen konnte. Greenwood suchte dabei regelmäßig den Zwischenraum, wo er nach einem Anspiel seine Dribbelstärke und Dynamik ausspielen konnte, was die Defensive von Rennes mehrfach vor erhebliche Probleme stellte.

Verfeinerungen zur 2. Halbzeit

Rennes hatte zunehmend Schwierigkeiten mit der Struktur des 5-3-2, da ballferne Spieler wie Balerdi oder Højbjerg zwar lose markiert wurden, die Abstände jedoch im Falle eines Rückpasses häufig zu groß waren, um effektiven Druck auszuüben. Dies ermöglichte es Marseille, vermehrt flache Verlagerungen durchzuführen und das Spiel gezielt auf die ballferne Seite zu verlagern – wie etwa beim Treffer zum 2:0, der direkt aus einer solchen Situation resultierte.

OM gegen den Ball

Rennes hatte über die gesamte Partie hinweg kaum längere Ballbesitzphasen. Nach Ballgewinnen suchte man sofort die Tiefe – insbesondere über den antrittsstarken Blas – jedoch waren diese Bemühungen oft ineffektiv, da sie aus einer instabilen Struktur heraus initiiert wurden.

Marseille agierte im Pressing mit einem 5-2-3 gegen das 3-2-5 der Gastgeber, was eine formale Spiegelung erzeugte. Dieser Ansatz wurde bewusst gewählt, um durch gezielte Mannorientierungen die zentralen Räume zu schließen. Die zentralen Mittelfeldspieler Marseilles orientierten sich in der Regel an den Akteuren in Rennes’ zweiter Aufbaulinie. Maupay ließ sich als Mittelstürmer situativ in tiefere zentrale Zonen fallen, um dort einen der zentralen Spieler von Rennes zu übernehmen. Der ballnahe Außenstürmer hielt konsequent den Deckungsschatten im Halbraum, um ein direktes, flaches Spiel auf Gouiri oder Fofana zu unterbinden. Der ballferne Außenstürmer häufig eine Zwischenposition zwischen Halbverteidiger und Zentrumsspieler einnahm. Diese Staffelung führte dazu, dass Rennes’ Dreierlinie im höheren Aufbau häufig bewusst offen gelassen wurden. So konnte die zweite Pressinglinie sich stärker auf das Halten der Räume und das Schließen der Schnittstellen konzentrieren, während abkippende Spieler gezielt aufgenommen wurden.

Rennes im Spielaufbau

Die Grundidee hinter diesem Ansatz war es, Rennes’ Aufbau gezielt auf die Flügel zu lenken. Hier sollten die aufgerückten Schienenspieler angespielt werden, die Marseille durch aggressives Herausrücken und Verschieben an der Seitenlinie unter Druck setzen wollte. Besonders nach Rückpässen gab es klare Pressingauslöser: Maupay setzte dann aus seiner tieferen Position sofort Druck, was die Mittelfeldspieler dazu veranlasste, ebenfalls aggressiv nachzuschieben.

Sobald Rennes es schaffte, sich mit den tiefer agierenden Schienenspielern zu drehen (was jedoch selten der Fall war), entstanden große Abstände zwischen Marseilles Linien. Diese Räume versuchte Rennes durch abkippende Bewegungen der ohnehin häufig überladenen letzten Linie zu attackieren. Dabei offenbarten die Halbverteidiger – die aufgrund des Aufrückens der Zentrumsspieler diese Räume verteidigen mussten – Cornelius und Murillo vereinzelt Unsicherheiten im Herausverteidigen, agierten teils zögerlich oder unpräzise. Häufig fehlten Rennes die nachrückenden Bewegungen aus dem Mittelfeld, wodurch der gewonnene Zeitvorteil nicht konsequent genutzt werden konnte. Stattdessen resultierten diese Versuche häufig in direkten Zweikämpfen, die Marseille in den meisten Fällen für sich entschied.

Zusätzlich ergaben sich für Rennes strukturelle Probleme aus der risikoreichen Staffelung im 3-2-5. Ballverluste in der Breite konnten schwer kompensiert werden, da durch die weiträumige Anordnung zu wenige Spieler in Ballnähe positioniert waren. Dies verhinderte effektive Gegenpressing-Mechanismen und ermöglichte es Marseille, vermehrt über schnelle Spieler wie Greenwood gefährlich umzuschalten.

Dieser taktische Zwiespalt stellte Rennes zunehmend vor Probleme. Einerseits wollte man mit risikoreichen Vertikalpässen Drucksituationen umgehen, andererseits fehlte es ohne diese Zuspiele an Möglichkeiten, das gegnerische Tor effektiv zu attackieren. Gleichzeitig wurden Ballverluste in diesen Drucksituationen zur Einladung für Marseille, schnell umzuschalten und die entstandenen Freiräume konsequent zu nutzen.

Allgemein setzte Rennes zunehmend auf lange Bälle, indem man über abkippende Schienenspieler versuchte, Merlin und Henrique herauszuziehen, um dann über den Halbraum die Tiefe im Zwischenraum zu attackieren. Die Ansätze, besonders von Gouiri, waren mehrmals gut, doch oft war das Timing des Abspiels zu spät, wodurch entweder Gouiri schon im Abseits stand oder Marseille die Situation erfolgreich verteidigen konnte. Notfalls zeigte auch Torspieler Rulli gutes Rauslaufverhalten, um diese Angriffe zu entschärfen. Diese missglückten langen Bälle waren eher nicht förderlich für das Momentum von Rennes und gaben in den ohnehin schon eher wenigen Ballbesitzphasen zusätzlich einen Zufallsfaktor und eine hohe Fehlerquote mit, was das Angriffsverhalten noch unbeständiger machte.

Fazit

Am Ende war der Sieg von Marseille ungefährdet. Nichtsdestotrotz hatte man gerade zu Beginn im Ballbesitz leichte Probleme, aus der Struktur heraus zu agieren, vor allem als Rennes zeitweise aggressiver auftrat. Rabiot und Højbjerg improvisierten jedoch gut schon in der ersten Halbzeit, und nach der Pause wurden die eher dynamisch hergestellten Muster in einen strukturellen Rahmen etwas besser integriert.

Etwas schade war, dass Rennes Marseille im Defensivverhalten nicht vor größere Herausforderungen stellte. Insbesondere die Mannorientierungen wurden kaum bearbeitet, während Rennes selbst immer wieder mit Marseilles Rotationsspiel und der fluiden Positionswechsel kämpfte.

MX machte sich in Regensburg mit seiner Vorliebe für die Verübsachlichung des Spiels einen Namen. Dabei flirtete er mit der RB-Schule, blieb aber heimlich immer ein Romantiker für Guardiolas Fußballkunst. Aktuell ist er als Analyst in einem NLZ tätig.

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