Moderate Leipziger besiegen zähe Frankfurter
RB Leipzig hielt sich auch im zweiten Saisonspiel schadlos und gewann mit 2:1 gegen ein achtbares Team von Eintracht Frankfurt. Dabei kippte das Kräfteverhältnis in der Partie mehrmals.
Ausgangslage
Nach einer schwachen Vorstellung in Strasbourg im Rahmen der Europa-League-Qualifikation nahm Eintracht-Trainer Adi Hütter mehrere personelle und auch eine formative Veränderung vor. Die zwei enttäuschenden Ante Rebić und Mijat Gaćinović fehlten angeschlagen ganz im Kader. Für sie rückten Gonçalo Paciência und Dejan Joveljić in die Startelf. Zudem stellte Hütter ganz vorn um. Statt mit zwei Halbstürmern (oder Zehnern) ließ er nun Daichi Kamada alleinig auf der Zehn hinter zwei Sturmspitzen agieren.
Bei Leipzig hingegen war nahezu alles wie in der Vorwoche. Lediglich Christopher Nkunku ersetzte Kevin Kampl auf der linken Achterposition. Julian Nagelsmann scheint sich für den Beginn seiner Amtszeit auf eine 3-3-2-2-Grundordnung eingeschossen zu haben, wobei diese aufgrund einiger positioneller Spezifikationen schwerlich als nummerische Abfolge darstellbar ist.
Leipzigs Hybridformation
Denn sowohl Marcel Sabitzer als auch – mit ein paar Abstrichen – Nkunku füllten Hybridrollen aus. Das galt speziell für den Österreicher, der immer wieder zwischen Achter- und Außenstürmerposition pendelte. Nkunku hing etwas weiter zurück und driftete zuweilen in den Sechserraum, war aber auch oftmals auf dem linken Flügel zu finden. Kampl kippte beim Auswärtsspiel gegen Union Berlin noch vermehrt hinter Marcel Halstenberg ab und hatte dessen Vorstöße balanciert. Der attackierende Nkunku hingegen versuchte mit Halstenberg zusammen die linke Seite zu bespielen und damit auch Timo Werner zu assistieren.
Durch das insgesamt vorstoßende Element im Spiel beider Achter tat sich Leipzig jedoch phasenweise im Spielaufbau schwer. Die drei zentralen Verteidiger bildeten zusammen mit Diego Demme eine Art Raute bei der Spieleröffnung. Sie waren dadurch in Überzahl gegen das vordere Dreieck der Frankfurter. Allerdings variierten Paciência und Joveljić clever ihren Verteidigungsansatz zwischen klarer Manndeckung der beiden Halbverteidiger und einem Belauern der diagonalen Passwege von Ibrahima Konaté aus. Demme selbst konnte nach Ballannahmen nahezu nie aufdrehen, weil sich Kamada unmittelbar in seinem Rücken befand.
Frankfurt kassiert und kommt zurück
Interessanterweise wählte Frankfurt mit seiner ähnlichen Grundformation eine andere taktische Herangehensweise im Spielaufbau. Die drei zentralen Verteidiger der Eintracht fächerten viel weiter auf und nutzten insbesondere in der ersten halben Stunde der Partie immer wieder eine Asymmetrie, indem David Abraham auf rechts nahe an die Seitenauslinie ging und sich weiter als Makoto Hasebe und Evan Ndicka nach vorn bewegte.
Da Leipzig zumeist nur mit Timo Werner und Yussuf Poulsen anlief, waren diese beiden Spieler schon an Hasebe und Ndicka gebunden, während Abraham anspielbar schien, sofern er nicht vom Deckungsschatten Werners neutralisiert wurde. Im Zentrum nutzte Leipzig ebenso lose Mannorientierungen, allerdings mit variierender Intensität. Zudem orientierte sich Nkunku mit zunehmender Spielzeit des Öfteren an Abraham, bis dieser sich weiter zurückfallen ließ und Frankfurt von da an mit einer klassischeren Dreierreihe das Spiel eröffnete.
Die losen Mannorientierungen und die teils überschaubare Intensität im Pressing der Leipziger hatten jedoch ebenso zur Folge, dass sich die Eintracht mehrfach flüssig durch die Mitte kombinieren konnte, wenn Poulsen und Werner die ersten Aufbauspieler nicht gänzlich blockierten. Der Druck Leipzigs nahm gerade zum Ende der ersten Halbzeit ab. Da führten die Sachsen bereits nach einem Werner-Tor infolge einer Ecke mit 1:0.
Diese Varianz im Leipziger Pressing hatte allerdings auch Vorteile: Poulsen und Werner konnten in etwas zurückgezogener Position beispielsweise Rode, den besten Frankfurter Spielgestalter, weitestgehend neutralisieren und nach Rückpässen auf Hasebe und Ndicka mit mehr Tempo auf die Aufbauspieler Frankfurts zugehen, als wenn sie direkt statisch den Block gestellt hätten.
Auch die Positionierungen und Bewegungen von Sabitzer und Nkunku hatten nicht nur zur Folge, dass Demme im Zentrum auf sich gestellt war und die ersten Aufbaupässe nach vorn zumeist in Richtung der beiden Flügelspieler gespielt wurden, sondern dass sie sich auch vermehrt auf die Außen bewegen und somit die starke Frankfurter Doppelsechs umgehen konnten.
So war gerade die erste Halbzeit eine sowohl-als-auch-Angelegenheit für eine Leipziger Mannschaft, die jedoch mit nachlassender Intensität eine Frankfurter Dominanz ermöglichte, die sicherlich nicht nach dem Geschmack von Cheftrainer Nagelsmann war.
Zweite Halbzeit
Zur Pause wechselte der 32-Jährige Konrad Laimer für Demme positionsgetrau ein. Im Aufbau jedoch waren immer häufiger ungünstige 3-3-4-hafte Staffelungen zu erkennen, die dem Ballbesitzspiel der Leipziger nicht gut taten, sondern diese Phasen eher noch instabiler wirken ließen. Frankfurt konnte seinerseits die Dominanz der ersten Halbzeit bald schon wieder zurückerlangen und nun noch mehr als zuvor die Hausherren nach hinten drücken.
Gerade die frühen Vorstöße von Erik Durm und Filip Kostić banden Halstenberg und Lukas Klostermann nahe der Abseitsgrenze. Der Rückzug der Außenspieler war gekoppelt mit einer tieferen Grundpositionierung von Sabitzer und Nkunku. Die 5-3-2-Defensivformation bereitete dann die perfekten Voraussetzungen für Rode, um das Spiel nach und nach an sich zu reißen und die Angriffe der Frankfurter mit seinen Läufen und Pässen zu dirigieren. Nagelsmann reagierte auch ein weiteres Mal mit einem positionsgetreuen Wechsel, indem er Emil Forsberg für Nkunku brachte.
Leipzig befand sich Mitte der zweiten Halbzeit immer häufiger im Rückzug, hatte aber ungefähr ab der 70. Minute erkannt, wie es Frankfurt auf die Außenbahnen abdrängen kann. Dies hatte sicherlich auch damit zu tun, dass der Eintracht mit der Auswechslung Rodes der wichtigste Mittelfeldmann fehlte und dass sie insgesamt zu einem durchschlagsfokussierterem Spiel über Kostić tendierte.
Das 2:0 durch Poulsen per wunderbarem Direktabschluss nach einem Ballgewinn an der Mittellinie schien bereits den Schlusspunkt dieser Partie zu setzen. Frankfurt kam durch Paciência nochmal für ein paar Minuten ins Spiel zurück, musste sich aber trotz einer achtbaren Leistung geschlagen geben.
Fazit
Wie schon der Titel aussagt: Das war eine moderate Version einer Leipziger Mannschaft, die in den vergangenen Jahren mehr zu Extremen tendierte – sowohl was hohe Pressingintensität als auch schwache Endverteidigung betraf. Dieser etwas veränderte Spielstil könnte sich am Ende mit mehr Konstanz bezahlt machen. Nur fehlt es eventuell in manchen Phasen an Spielkontrolle, die ein entsprechendes Mittelfeldpressing bieten würde. Da wir uns jedoch in den ersten Wochen der Saison befinden, bleibt abzuwarten, inwieweit Leipzig in puncto Intensität noch zulegen kann, sofern es denn zulegen will.
Frankfurt kann seinerseits mit der Leistung zufrieden sein. Trotz der vielen personellen Umstellungen und Ungereimtheiten kann ein Gegner die Eintracht nie abschreiben und muss immer damit rechnen, dass sie ins Spiel zurückfindet. Dass Rode eventuell keine 90 Minuten gehen kann oder Kamada auf der Zehn noch ein wenig die passende Entscheidungsfindung fehlt, lässt sich gewiss beheben.
8 Kommentare Alle anzeigen
Koom 28. August 2019 um 09:27
Die Grundidee von Leipzig klang so, als ob man bewusst etwas „halbherzig“ Pressing auf die Abwehr erzeugte, um dann im Mittelfeld die Falle zu stellen. Die Balleroberung dort klappte aber wohl nicht stabil genug für diese Idee. Klingt aber in der Theorie nicht schlecht.
P.S.: Danke fürs Schreiben. Lese immer wieder gerne hier. 🙂
CE 29. August 2019 um 09:27
Es wurde jedoch keine wirkliche Pressingfalle gestellt. Deshalb war der Plan für diese Partie ein wenig halbherzig. Aber eine fundierte Bewertung von RB Leipzig ist natürlich erst nach einiger Zeit möglich.
Koom 4. September 2019 um 09:37
Ohne dich jetzt drauf festzunageln: Würdest du vermuten, dass das die Idee dahinter war, nur eben sehr schlecht gemacht? Oder gabs letztlich dafür keine echten Anzeichen und es war eher Respekt, dass man nicht so weit vorne draufgehen wollte, wie für RBL üblich und dadurch das Loch entstand?
CE 5. September 2019 um 21:37
Die Mannschaft wollte etwas zurückhaltender agieren und deshalb gab es nicht den notwendigen Zugriff. Das kann mit Respekt oder Kräftemanagement zu tun haben.
Peda 27. August 2019 um 10:44
„Leipzig befand sich Mitte der zweiten Halbzeit immer häufiger im Rückzug, hatte aber ungefähr ab der 70. Minute erkannt, wie es Frankfurt auf die Außenbahnen abdrängen kann.“
Der Satz klingt wie die Einleitung nach einer Erklärung, die dann aber nicht kommt.
Agierten Forsberg und Sabitzer dann wieder höher und stärker an den gegnerischen Sechsern orientiert oder wie schafften sie es aus dem zurückgezogenen 5-3-2 wieder die Oberhand zu erlangen?
PS: es ist sehr schön hier wieder einmal etwas zu lesen. Danke dafür!
CE 27. August 2019 um 10:52
Leipzig gewann nicht wieder die Oberhand, aber die Dreierreihe im Mittelfeld stand im Zentrum kompakter und ließ weniger Pässe durch. Zudem spielte Frankfurt wohl auch aus eigenem Antrieb häufiger über außen, aber das ist eine etwas vage Interpretation.
Daniel 26. August 2019 um 13:23
Wow, zwei Spielverlagerungsartikel an einem Spieltag 🙂 Darüber hab ich mich schon lang nicht mehr freuen dürfen, danke. Würd mich sehr freuen, wenn die Seite zur kommenden Saison wieder aktiver wird.
Versteht ihr, warum Orban linken Halbverteidiger spielt und Konaté ZIV? Ich würde das instinktiv andersherum anordnen. Orban ist in der Endverteidigung wahrscheinlich RBLs stärkster Akteur, hat aber gewisse Schnelligkeitsdefizite, die aufgedeckt werden könnten, wenn er außen aushelfen muss. Umgekehrt könnte Konaté seine starken Vorstöße in den Halbraum leichter durchführen als ins Zentrum.
@CE
In den beiden Grafiken ist Hinteregger Frankfurts linker Halbverteidiger. Tatsächlich saß Hinteregger in diesem Spiel aber 90 Minuten auf der Bank, die angesprochene Position spielte N’Dicka. Im Text steht’s richtig.
Über das Fazit hab ich mich etwas gewundert. Findest du wirklich, dass Leipzig in den vergangenen Jahren eine schwache Endverteidigung hatte? Kann ich so nicht teilen den Eindruck. Oder meinst du das bezogen auf Nagelsmanns Hoffenheim, da würd ich das absolut unterschreiben…
CE 26. August 2019 um 18:21
Das mit Ndicka hatte ich direkt verbessert. Allerdings dauert es auf der Seite immer ein wenig, bis die Aktualisierung wirksam wird. Letztes Jahr war die Endverteidigung bereits um einiges verbessert, die Jahre davor aber zuweilen richtig schlecht. Das hatte natürlich diverse Gründe.