Spieldynamik überdreht ins Leere
Das Stadtduell der Rivalen aus Lissabon kam nie so recht zur Ruhe: Eigenartige positionelle Verteilung, intensiver Rhythmus, vertikal angelegtes Passspiel und teils hektische Entscheidungsfindung steigerten sich gegenseitig hoch – etwas zu Lasten der Balance.
Wie schon in einigen anderen Stadtderbys der vergangenen Jahre zu beobachten, steht das Lissaboner Duell zwischen Sporting und Benfica derzeit für knappe und dynamische Schlachten, die gleichförmig hin und her wogen. Auch bei diesem Aufeinandertreffen entwickelte sich wieder ein intensives Pressing- und vor allem Kampfspiel, jedoch nicht ganz so stark und hochklassig wie schon in manch voriger Auflage. Auffällig waren die zahlreichen Parallelen zwischen den beiden Mannschaften in taktischer Hinsicht. Viele Mannorientierungen prägten die Synergien zwischen den 4-4-2/4-1-3-2-Formationen, fanden jedoch in – gerade in der Horizontalen – recht kompakten Grundstaffelungen statt.
Extreme Kompaktheiten an größere Zwischenlücken gereiht
Vertikal gab es speziell innerhalb der jeweiligen Defensivordnungen größere „Unregelmäßigkeiten“ in den Abständen. So zeigte sich bei Rui Vitórias Benfica das Bemühen, die Abwehrkette hoch spielen und enorm eng an das Mittelfeld anschließen, um somit kaum einen Zwischenlinienraum zuzulassen. Umgekehrt bedeutete das eine eher großräumige Organisation zwischen erster und zweiter Pressingreihe. Weniger aus zwei geschlossenen Defensivketten, also einer 4-4-0-1-1-haften Systematik heraus, hatte ein prinzipiell ähnliches Bild auf Seiten der Mannschaft von Jorge Jesus eine andere Akzentuierung: Bei den Gastgebern verfolgten die nominellen Außenstürmer ihre Gegenspieler etwas weiter zurückfallend in flachere Staffelungen.
Zwischendurch war daher das jeweils eigene Flügelduo sehr nah aneinander positioniert. Bei Benfica sah die Rollenverteilung eine engere Spielweise von Salvio und Cervi vor, die beim Halbraumeinrücken mannorientiert zugestellt, teilweise auch noch von den tief ins Mittelfeld gefallenen gegnerischen Flügeln bedrängt wurden, sofern diese gerade noch nicht aus der Grundordnung nach außen gerückt waren. Das führte insgesamt zu einer nicht immer ganz harmonischen Mischung: Einerseits gab es enge Abstände zwischen Abwehr und Mittelfeld, wo sich viele Spieler kompakt und flexibel in kleinräumigen Umgebungen an der letzten Linie tummelten.
Andererseits entstanden immer mal größere Zwischenräume im Mittelfeld, die sich gerade um einzelne, eher lose angebundene Akteure in den Halbräumen herum entwickelten. Bei Ballverlusten drohten für beide Teams also Balanceprobleme: Aufgrund der Struktur hätten die Hausherren etwas effektiver Raumgewinn im Umschalten generieren können, da ihre Ballgewinne häufiger gegen Salvio und Cervi in den Halbräumen stattfanden. Jedoch suchte Benfica aus dem von Pizzi angekurbelten Aufbau viele Bälle hinter die Linie zu spielen – mit weniger Risiko. Ganz saubere Konter entwickelten sich auch wegen der mannorientierten Zuteilungen kaum, so dass die ungewöhnliche Raumverteilung hauptsächlich das Hin und Her verstärkte, in dem sich das Spielgeschehen bewegte.
Zum Start öffnet Sporting
Sporting kam in der Anfangsphase besser mit dieser Konstellation zurecht. Einerseits lag das sogar an ihrer etwas breiter aufgestellten Offensive, dank der sie die Partie leichter mit Verlagerungen öffnen konnten. Auch wenn gerade der wendige Gelson Martins auf rechts viele Bälle forderte, handelte es sich nicht um einen reinen Flügelfokus, sondern eine solide genutzte Einbindung dieser Zonen, immer mal kombiniert mit Zwischen- und Halbraumläufen von Adrien Silva oder Schelotto. Auch der Start in die zweite Halbzeit sollte über diese Mechanismen gut gelingen, auf links jedoch zeigte sich die Rolle für den kombinativen, aber sich unfokussiert einbindenden Bruno César als zu breit. Der Führungstreffer entsprang einem Aussetzer Edersons.
Dass Sporting diese Einbindung ihres Flügeldribblers auf rechts in jenem Maße umsetzen konnte, bedingte sich andererseits auch erst aus der stärker 4-4-1-1-haften Defensivstruktur des Gegners. Umgekehrt schob Alan Ruiz oft über Fejsa hinaus ins 4-4-2 nach. Vor den beiden positionstreu gehaltenen Viererketten formierte Benfica gegen den Ball die Stürmer meist hintereinander versetzt, indem sich Rafa Silva klar an William Carvalho heftete. Da er sich dabei an seinen mittleren Kanal hielt und nur wenig vertikale Überlappungen in die Reihe dahinter stattfanden, ergaben sich formale Aufbaulücken für Sporting hauptsächlich in den Halbräumen neben dieser Keilanordnung. Von dort hatten sie die Möglichkeit, die Übergänge ins Angriffsdrittel etwas kontrollierter zu gestalten.
Hektik und längere Bälle
Im Endeffekt spielten sie aber auch diese Szenen häufig attackierend aus – in einem Spiel, das generell unruhig veranlagt war. Über die Gesamtstruktur, die Intensität und die vielen Wechselwirkungen an der präsent besetzten letzten Linie kam eine gewisse Hektik zustande. Gerade in der zweiten Halbzeit häuften sich Situationen, in denen Spieler nach Richtungs- und Ballbesitzwechseln oder Raumgewinn fast reflexartig zu frühzeitigen und vorschnellen Pässen in die Spitze griffen. Überhaupt bestimmten auch viele lange Bälle das Bild – ob in Lokalkompaktheiten hinein für den Kampf um Abpraller, stärker gelupft in Zwischenlücken, steil in den Raum und den Rücken der Verteidigungslinie oder einfach generell aufgrund der vertikalen Charakteristik.
Bezüglich der zweiten Bälle verbuchte Sporting minimale Vorteile dadurch, dass sie Dost klar als – teils zurückfallenden – Zielspieler fokussierten und ihre Offensivabteilung geschlossener in einer Art Dreiecksstaffelung darum herum zusammenzogen. Dagegen hatte Benfica zwar insgesamt etwas mehr horizontale Bewegungen nach innen, konzentrierte sich vertikal aber im Zentrum auf einen recht abgegrenzten Streifen im Rücken von William Carvalho. Dieser stopfte aber auch weiträumig nach vorne Löcher – in einer Anlage, die Räume nicht ganz so stringent, aber dafür flexibler zuschob. Beide Teams schließlich reagierten auf die zunächst hochverteidigenden Defensivlinien, indem die vorderen Akteure bewusst mit passiven Abseitspositionen spekulierten – als Ablenkung für einlaufende Bewegungen aus dem Mittelfeld.
Benfica passt an
Es war die Ausrichtung im Passspiel, an der die Gäste ab Mitte der ersten Halbzeit einige Änderungen vornahmen. Für die folgende Phase bis zur Pause legten sie nun einen Schwerpunkt auf die rechte Seite und direkte Diagonalpässe nach vorne, ungefähr in den Raum hinter Sporting-Linksverteidiger Jefferson. Gegen das Auffächern der Innenverteidiger hatten Dost und Alan Ruiz Probleme, die Aufrückräume so weitflächig zu kontrollieren, zumal Pizzi das Mittelfeld beschäftigen konnte. Nelsinho ließ sich aus seiner schon vorgeschobenen Position kurzzeitig wieder etwas nach hinten und außen fallen, um den Gegner zu strecken. Davor starteten die Offensivleute – nunmehr meist mit Cervi als Halbstürmer und Rafa Silva links – gegenläufige Bewegungen in die Tiefe in Richtung der Zuspiele von Luisão.
Oft spielte der brasilianische Routinier einfach geplant einfach in den Zielraum statt genau in den Laufweg, so dass man zumindest den Gegner nach hinten drücken und organisiert mal nachpressen konnte. So kam Benfica zunehmend besser ins Spiel, wenngleich ohne die letzte Ruhe im Ausspielen. Der Tabellenführer provozierte mit Tiefenläufen an der präsenten letzten Linie vorbei manchen brenzligen Moment plötzlich über die linke Seite und ließ dem Gegner kaum mehr Entlastung. Mit einem höheren 4-4-2-hafteren Pressing konnten die Gäste im zweiten Durchgang zudem für eine weitere Druckerhöhung sorgen, die das Spiel nochmals öffnete. Der Ausgleich resultierte jedoch aus einem direkt verwandelten Freistoß.
Durch das frühere Pressing musste Pizzi aus dem Mittelfeld weiter nachrücken und Fejsa großräumig nachsichern, ohne den Kontakt nach hinten zu verlieren. Dagegen kam Sporting über Zwischenlücken sogar wieder zu etwas mehr Ballbesitz, zumal dann nach dem 1:1. Sie versuchten nun verschärft mit Pärchenbildungen und Rochaden zwischen Bruno César und dem eingewechselten Bryan Ruiz zu antworten. Zwischenzeitlich konnte der Costa Ricaner das Spiel der Hausherren nochmals beleben, während sein Namensvetter zuvor zwar engagiert horizontal gependelt, mit seiner grobschlächtigen Spielweise aber für die Rolle als situativer Kombinationspartner nicht die Optimalbesetzung dargestellt hatte. Insgesamt kamen die jeweiligen Kollektive – jeweils mit nur fünf Abschlussversuchen aus dem Spiel in 90 Minuten – aber nur noch zu wenig klar gespielten Szenen.
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