Enttäuschendes Zweitligaspitzenspiel
In einem etwas enttäuschenden Spiel zwischen zwei Mannschaften aus der Zweitliga-Spitzengruppe gewinnt Braunschweig glücklich, während es Dresden mit einer unnötigen Niederlage nicht gelingt, sich ins Aufstiegsrennen einzumischen.
Grundausrichtung
Torsten Lieberknecht rückte von der zuletzt (gegen Fürths interessante Offensive) eingesetzten Dreierkette wieder ab und formierte seine Mannschaft in einem 4231, dessen offensiver Fokus lange vor allem auf Außenverteidiger Reichel lag.
Dem setzte Dynamo unter Uwe Neuhaus ein asymmetrisches 433 entgegen, bei dem Berko als echter Linksaußen spielte, während Aosmann sich immer wieder ins Mittelfeld fallen ließ und es dann Rechtsverteidiger Niklas Kreuzer oblag, den Flügel zu besetzen.
Dabei mussten beide Mannschaften auf prägende Mittelfeldakteure verzichten: Dresdens Hartmann, der sowohl defensiv als auch im Spielaufbau das ordnende Element der Sachsen ist, fiel verletzt aus, während es Braunschweigs umsichtigem Sechser Quirin Moll gelang, für beide Spiele gegen seinen ehemaligen Verein gelb-gesperrt zu sein.
So begann das Spiel mit deutlich mehr Ballbesitz für die Gäste aus Sachsen, die von Braunschweigs zunächst eher tiefem 442-Mittelfeldpressing in der Anfangsphase nur passiv gestört wurden. Erst wenn Dresdens Achter Niklas Hauptmann oder Andreas Lambertz (den ich nicht Lumpi nennen werde) an den Ball kamen, wurden sie von dem einrückenden Hochscheidt und den Sechsern Boland und Kijewski angegriffen.
Dresdens enttäuschende Spielanlage
Dass es zu solchen Szenen in der ersten Hälfte nur recht selten kam, lag vor allem daran, dass Dresden deutliche Schwächen im Spielaufbau zeigte. Zwar ließ Dynamo den Ball recht geduldig laufen – auch als Braunschweig nach der Anfangsviertelstunde begann, auch höhere Pressingeinlagen einzustreuen. Dabei fehlten aber augenscheinlich sowohl Strukturen als auch der Anspruch, mit Kombinationen auch die vorderen Mannschaftsteile zu erreichen.
Im defensiven Mittelfeld agierte Konrad zu statisch, weshalb er ohne großen Aufwand von Hernández lose mannorientiert gedeckt werden konnte. Konrad gelang es weder, sich selbst produktiv anspielbar zu machen, noch, Räume für Pässe vor allem auf Hauptmann zu öffnen. Auch gelegentliches Zurückfallen zwischen die Innenverteidiger verbesserte die Situation kaum, da Braunschweigs Pressingspitzen weiter wenig Mühe hatten, Dresdens zentrale Optionen in ihren Deckungsschatten zu halten,
Das Resultat dieser Ziellosigkeit in Dresdens eigentlich ambitioniertem Aufbauspiel waren zunehmend mehr unkontrollierte Bälle in Richtung der Außen(verteidiger), die Braunschweig stärker ins Spiel brachten – allerdings auch das ohne viel Ertrag.
Trotz Konrads guter defensiver Antizipation machte sich vor allem darin Hartmanns Fehlen deutlich bemerkbar. In seiner Abwesenheit lag die Last, für Verbindungen über das gesamte Mittelfeld hinweg zu sorgen, fast ausschließlich bei Hauptmann. Obwohl der 20-jährige hochtalentiert ist, war er mit dieser Aufgabe etwas überfordert.
Hauptmann konnte dabei dank seiner sehr hohen Pressingresistenz viele Bälle behaupten und hatte einen großen Aktionsradius, ihm fehlten aber zu oft Angebote für Folgeaktionen nachdem Braunschweigs erste Pressingwelle überspielt war. Ohne den gesperrten Stefaniak gelang es Dynamo oft nicht, den Zehnerraum zu besetzen. Darüber hinaus ließ Hauptmann sich hin und wieder etwas viel Zeit in der Entscheidungsfindung, was zu nicht immer klugen Verzögerungen und letztlich den meisten Ballverlusten aller Spieler führte.
Trotzdem war Hauptmann an vielen von Dresdens (insgesamt wenigen) ordentlichen Offensivszenen im ersten Durchgang beteiligt, die in Halbraumkombinationen mit Erich Berko bestanden, an deren Ende es Dynamo aber nicht gelang, die Endverteidigung Braunschweigs zu überspielen. Die lässt ohnehin im Ligavergleich die meisten Schüsse zu, blockt davon aber auch mehr als jedes andere Team.
Auch Braunschweig ist offensiv limitiert
Wie bereits angesprochen hatte die Eintracht etwa ab Mitte der ersten Halbzeit mehr Spielanteile, nutzte diese aber wenig effektiv.
Das primäre Ventil der Bemühungen der Mannschaft von Torsten Lieberknecht waren Vorstöße des – trotz der Viererkette – eher als wing-back spielenden Ken Reichel. Im Allgemeinen ist Braunschweig darauf ausgelegt, in Zweikampfsituationen, die durch Mannorientierungen im Mittelfeld provoziert werden, Bälle zu gewinnen und im Anschluss sehr direkt in die letzte Linie oder eben über die weit aufrückenden Außenverteidiger, die so recht prominente Rollen haben, weiter zu spielen.
Dazu, dass dabei Reichel mehr zum Zug kam als sein Pendent Phil Ofosu-Ayeh, trug neben deren ohnehin verschieden hohem Aufrücken auch die Asymmetrie in Dresdens Formation bei. Auf deren rechter Seite orientierte sich Aosmann defensiv eher ins Zentrum und verfolgte nach Ballverlusten Boland, weshalb sich Rechtsverteidiger Kreuzer oft allein um diese Seite kümmern musste.
Dresden brauchte also nach Ballverlusten immer wieder zu lange, die rechte Außenbahn in seiner 4141 Defensivformation zu besetzen und ermöglichte Braunschweig so Durchbrüche auf dieser Seite. Weil den Niedersachsen aber (zunächst) ohne die etatmäßigen Stürmer Kumbela und Nyman die übliche Präsenz in der letzten Linie fehlte, und der sich in den freien Räumen neben Konrad anbietende Hernández nur selten gefunden wurde, blieb es letztlich oft bei individuellen Aktionen von Reichel oder Hochscheidt vor ihm.
Mittel, mi denen die Lücken in den Dresdner Zwischenlinienräumen hätten ausgenutzt werden können, wurden in Dribblings von Boland und Kijewski und direkten Anspielen in die Halbräume nur angedeutet.
2. Halbzeit
Auch in den zweiten 45 Minuten änderten sich diese Dynamiken kaum, fiel das Niveau der Partie aber insgesamt.
Dresden bemühte sich nun seltener überhaupt um Spielaufbau, statt die Probleme, die es damit in der ersten Phase des Spiels hatte, zu lösen. Hauptmann war weniger präsent und wurde schließlich für Hilßner ausgewechselt, der aus dem Zentrum eher auf den linken Flügel zog. Hauptmanns Rolle als spielerischer Monopolist übernahm nun der nach Verletzung erstmals ebenfalls eingewechselte Gogia, der auch die damit einhergehenden Probleme erbte.
Bei Braunschweig kam zur Pause Nyman für Abdullahi, hatte aber – bis er die einzige eher zufällig aus einem Ballverlust an der Strafraumkante entstandene große Chance des Spiels vergab – ebenso wenig Einfluss auf die Partie.
Fazit
Ein Spiel, von dem man sich mehr versprechen konnte, kann die These, dass es in der zweiten Liga keine wirklich gute Mannschaft gibt, nicht widerlegen.
Weil Braunschweig mit Reichels Fernschuss in der Nachspielzeit zum dritten Mal in den letzten fünf Spielen aus einem Unentschieden einen Sieg macht gehört Eintracht weiter zu den Aufstiegsasprianten – anders als Dynamo, das als Aufsteiger nur auf eine gute, keine überragende Saison zurück blicken wird.
5 Kommentare Alle anzeigen
tobit 11. April 2017 um 18:18
Sehr schön, hier immer wieder neue Leute zu sehen. Der Stil des Artikels gefällt mir auch sehr gut.
Eine Frage habe ich allerdings: Wie kommst du darauf, dass der Braunschweiger Sieg glücklich (und die Niederlage für Dresden unnötig) war? Ich habe zwar das Spiel nicht gesehen, aber wenn man den expected Goals vertrauen mag, war es doch absolut folgerichtig, dass die Eintracht gewonnen hat (auch wenn sie natürlich ihre Mega-Chance vergeben haben). Auch deine Beschreibung wirkt nicht so, als seien die Dresdner hier die überlegene Mannschaft gewesen, die ihr Potential ausgeschöpft hätte.
dr 11. April 2017 um 19:14
Naja, der Vorteil in xG besteht eben fast ganz aus der einen Großchance, die auch nicht wirklich erzwungen oder systemisch bedingt war. Und auch die Weise, in der das Tor gefallen ist, macht den Sieg per se glücklich.
Es stimmt natürlich, dass Dresden nicht überlegen war, aber das heißt eben nur, dass ein Sieg für jede der Mannschaften glücklich gewesen wäre. Denn Braunschweig hat in den 91 Minuten vor dem Tor auch nicht wirklich genug getan, sich drei Punkte zu verdienen.
tobit 12. April 2017 um 17:23
Die Argumentation ist schlüssig. Danke für die Erläuterung. Ich war nur über die Einleitung gestolpert, die gefühlt dann nicht zu den Ausführungen im Artikel und den xG passte. Für mich klang die Einleitung so (hauptsächlich basierend auf dem „unnötige Niederlage“), als hätte Dresden hier gewinnen müssen – was dann der Artikel nicht bestätigte.
blub 11. April 2017 um 16:00
Oh ein neuer Autor. Freut mich 🙂
dr 11. April 2017 um 19:09
nicht ganz neu 😉