Teamanalyse: RB Leipzig
Dass RB Leipzig über kurz oder lang für Furore in der Bundesliga sorgen wird, war vorhersehbar. Aber mit welcher Geschwindigkeit Ralph Hasenhüttl und seine Spieler bereits jetzt durch das deutsche Fußballoberhaus pflügen, ist mehr als beeindruckend. CE und TW haben sich die Herzstücke des Leipziger Spielsystems näher angesehen.
In Einklang mit dem Markenimage des geldgebenden Brauseherstellers stehen die Roten Bullen für aufregenden Vollgasfußball. Wie auch andere Teams und Trainer mit dieser Strategie ziehen sie ihre Stärke aus der Balleroberung. Nur mit dieser Strategie wären sie jedoch in der Pressing-Bundesliga nicht allein. Irgendetwas macht die Mannschaft von Neu-Trainer Ralph Hasenhüttl besser als die Konkurrenz.
Im Vergleich zur vergangenen Saison dem Aufstiegsjahr in der 2. Bundesliga, hat Hasenhüttl detaillierte Veränderungen im Pressing vorgenommen, die vor allem auf eine kontrolliertere Forcierung von Ballgewinnen abzielen. Weiterhin wird frühzeitig Druck ausgeübt, jedoch wird der Ball nicht blind gejagt, sondern dynamisch im Übergang aus der ersten zur zweiten Linie abgefangen. Dabei sind leitende Bewegungen der vorderen Anläufer, die passenden Trigger und Fokuspunkte von entscheidender Bedeutung. Und sie bilden die Grundlage für Gegneranpassungen auf Basis der konstant angewandten 4-2-2-2-Grundformation.
Aber es wäre töricht, die Roten Bullen allein auf ihre allseits bekannte Stärke in der Arbeit gegen den Ball zu beschränken. Sie verfügen über eine sichere Ballzirkulation innerhalb der letzten Linie. Aufgrund der schnellen Integration von Mittelfeldjuwel Naby Keïta sowie der erneut an den Ligaverhältnissen gewachsenen Performance von Abräumer Diego Demme verfügen die Sachsen über die individuelle Klasse, die engen Mittelfeldräume durch Dribblings und schnelle Kombinationen zu überwinden. Ergänzt wird dieser Motor des Systems durch den aggressiven Halbraum- und Flügeldribbler Emil Forsberg, der zusammen mit Keïta die drei gedankenschnellen Angreifer Marcel Sabitzer, Yussuf Poulsen und Timo Werner einsetzt.
Kaderanalyse
Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Aufsteiger verfügte RB Leipzig bereits zum Zeitpunkt der Ankunft im Oberhaus des deutschen Fußballs über einen hochkarätigen Kader. Auf internationale Topstars, wie sie seinen Kollegen Carlo Ancelotti und Thomas Tuchel zur Verfügung stehen, muss Hasenhüttl jedoch verzichten. Die Leipziger nehmen mit einem vergleichsweise großen Transferetat seit einigen Jahren fast ausschließlich gezielte Verpflichtungen im Kontext der präferierten Spielphilosophie vor. Spieler wie Keïta und Werner sind mittlerweile in ganz Europa begehrt, da diese Kicker durch eine gelungene Einbindung in das System ihr Potenzial freisetzen und somit riesige Wertsteigerungen erfuhren. Sie sind nachvollziehbare Ergänzungen für ein einstudiertes und stimmiges Gesamtkonstrukt.
Transfers
Im vergangenen Sommer verließen mit Georg Teigl und Stefan Hierländer zwei vormalige Ergänzungsspieler den Verein ablösefrei. Zusätzlich wurden Atınç Nukan, Massimo Bruno und Anthony Jung verliehen. Die ersten beiden haben gewiss das Potenzial, um mittelfristig auf eine Zukunft im Kader der Roten Bullen zu hoffen. Jung hingegen verlor seinen Stammplatz an Halstenberg in der vergangenen Saison und ist nun wichtiger Bestandteil der Mannschaft des FC Ingolstadt, so dass dieser voraussichtlich nicht zurückkehren wird. Auch Omer Damari und Nils Quaschner wurden verliehen. Sie werden jedoch auch in Zukunft keine Rolle in der sächsischen Metropole spielen.
Auf der Ausgabenseite wurden in den Sommermonaten, zieht man die Angaben von Transfermarkt.de zurate, glatt 50 Millionen Euro in neue Kicker investiert. 15 Millionen wurden jeweils für Oliver Burke (vormals Nottingham Forest) und Naby Keïta (Red Bull Salzburg) an die abgebenden Vereine transferiert. Timo Werner kam für zehn Millionen vom VfB Stuttgart. Die Rechtsverteidiger Bernardo und Benno Schmitz, ebenfalls vom Schwesterclub aus Salzburg kommend, kosteten sechs Millionen beziehungsweise 800.000 Euro an Ablöse. Ergänzungstorhüter Marius Müller schlug mit 1,7 Millionen zu Buche. 200.000 Euro weniger betrug die Leihgebühr für den griechischen Abwehrspieler Kyriakos Papadopoulos.
Der aktuell zur Verfügung stehende Kader ist hochgradig besetzt, jedoch noch sehr eng gestrickt. Nur 19 Feldspieler gehören zum engeren Kreis – nehmen also regelmäßig auf der Ersatzbank Platz. Verletzen sich mehrere arrivierte Kräfte, wie es zuletzt in der Defensive geschah, wird die Lage angespannt: Mit Marcel Halstenberg gibt es lediglich einen nominellen Linksverteidiger, sieht man Nachwuchsspieler Dominik Franke noch nicht als ernsthafte Option. Im Angriff wären nur Oliver Burke und Davie Selke Alternativen. Auch im zentralen Mittelfeld hat Hasenhüttl keine großen Wechseloptionen, insbesondere seitdem Stefan Ilsanker nach Marvin Comppers Verletzung Mitte November vermehrt in der Innenverteidigung zum Einsatz kommt.
Auf der Sechserposition wäre lediglich Kaiser ein solider Backup-Spieler, wobei beispielsweise Talent Vitaly Janelt mit seiner soliden, wenngleich nicht spektakulären Art früher oder später eine Chance erhalten sollte. Mit Papadopoulos und Allrounder Lukas Klostermann fehlen zwei Akteure längerfristig. Insofern besteht bei den Leipzigern noch Nachholbedarf auf dem Transfermarkt. Die intensive Spielweise, die wir im Nachfolgenden beschreiben, wird trotz eines hochklassigen Betreuerstabs und der entsprechenden Trainingssteuerung hier und da ihren Tribut fordern.
Torhüter
Stammtorhüter Péter Gulácsi ist ein solider Schlussmann, der in der Luft sowie auf der Linie wenig Fehler begeht und zudem über eine hohe Reichweite im Abschlag sowie Abstoß verfügt, was aufgrund des oftmals gewollten Spielaufbaus über lange Bälle von Nutzen ist. Gelegentliche Fehlentscheidungen wie etwa gegen Bayern München, als er etwas ungestüm gegen Douglas Costa herauslief und einen Elfmeter verursachte, sind wohl nicht zu vermeiden, gefährden seine Position aber keineswegs. Trotzdem stehen mit Fabio Coltorti und Marius Müller zwei verlässliche Ersatzkeeper, die sich regelmäßig auf der Bank abwechseln, zur Verfügung.
Abwehr
Willi Orban ist der unangefochtene Abwehrchef und Kapitän in Abwesenheit von Dominik Kaiser. Orban verfügt über ein gutes Stellungsspiel und einen passablen, wenngleich unspektakulären Spielaufbau. Im Schnitt fängt er 2,6 Bälle pro Spiel ab und klärt das Spielgerät 4,8-mal aus der Gefahrenzone. Der 24-Jährige kann flach das kurzräumige Passspiel einleiten und ebenso zielgenaue Verlagerungen in den ballfernen Halbraum anbringen.
Im Vergleich zu Nebenmann Compper besitzt Orban einen schnelleren Antritt, was bei der Restverteidigung von Vorteil ist, um Bälle rasch aufzusammeln und das Umschaltspiel einzuleiten. Kein Leipziger Innenverteidiger fühlt sich jedoch unbedingt wohl in Laufduellen an der Abseitskante.
Stefan Ilsanker hat nicht nur einen enorm hohen Goalimpact, sondern der Österreicher ist auch variabel einsetzbar. In der laufenden Saison kam er in neun Partien im zentralen Mittelfeld, in zwei Spielen als Rechts- und in fünf weiteren als Innenverteidiger zum Einsatz. Cleveres Positionsspiel sowie eine gut antizipierende Spielweise gehören zu seinen Stärken. Auf der Sechserposition kann Ilsanker sowohl den absichernden Part einnehmen, als auch attackierend nach vorn stoßen, wie er es auch bereits in der vergangenen Saison unter Beweis stellte.
Auf den Außenverteidigerpositionen hat Hasenhüttl ebenso mehrere Spielertypen zur Verfügung. Neuzugang Bernardo besitzt eine gute Defensivwahrnehmung und kann mit dem Ball tief am Aufbau teilnehmen sowie vertikal als auch diagonal aufrücken. Klostermann hingegen ist der athletischste Außenverteidiger im Kader der Roten Bullen. Insofern ist er in der Lage viel Raum abzudecken. Ähnliches gilt für Linksverteidiger Halstenberg, der im RBL-System oftmals früher aufrückt als sein Pendant auf der rechten Seite und dabei ein hervorragendes Timing besitzt. Auch Halstenberg, ähnlich wie Bernardo, ist mittlerweile in seinen Bewegungen auf dem Feld etwas diagonaler ausgerichtet.
Mittelfeld
Im zentralen Mittelfeld der Leipziger konnte sich Diego Demme einmal mehr einen Stammplatz erarbeiten. Ständig unterschätzt schaffte es der Deutsch-Italiener nochmals, sein eigenes Niveau zu steigern und sich somit den Anforderungen der Bundesliga zu stellen. Auffällig ist dies vor allem mit Blick auf seine erhöhte Pressingresistenz. Über grandiose Raumkontrolle verfügte er hingegen schon in der 2. Bundesliga.
An der Seite von Edeltalent Naby Keïta verrichtet Demme wichtige Arbeit gegen den Ball, ist aber dabei nicht auf sich allein gestellt. Denn Keïta ist der perfekte Allrounder an seiner Seite: großartige Antizipation, gute Pressingresistenz, penetrierende Offensivspielweise, Dynamik im Pressing und Dribbling – was auch gelegentliche Einsätze auf der rechten Offensivseite bewiesen. Wenn es überhaupt Bedarf zur Kritik gibt, dann betrifft diese das Passspiel des 21-Jährigen, dessen Passkommunikation ob einer nicht immer exakten Gewichtung noch ausbaufähig ist.
Kapitän Kaiser hat unterdessen seine Rolle in der Erstliga-Elf noch nicht gefunden und wurde nach einigen Einsätzen in der Anfangsformation zunehmend auf die Bank verdrängt. Der 28-Jährige ist ähnlich wie Demme mittlerweile ein Alteingesessener bei den Leipzigern. Kaiser hat sich aber nicht unbedingt parallel zu den Aufstiegen seines Clubs weiterentwickelt. Vielmehr war der 2012 von Hoffenheim kommende Kaiser in den ersten Jahren quasi überqualifiziert. Nun aber erreicht er langsam seine Grenzen. Er bekam vereinzelt Einsätze auf dem rechten Flügel und auf der Zehnerposition gegen den 1. FC Köln, als die Leipziger einmalig vom 4-2-2-2 abwichen. Kaiser ist jedoch im Vergleich zu Keïta weniger auf Dribblings fokussiert, sondern brilliert vornehmlich über sein attackierendes Passspiel. Auf dem Flügel kommt er in der Bundesliga schwächer zur Geltung als auf der Sechserposition, wo aber Keïta und Ilsanker gesetzt sind. Kaiser wird in der Rückrunde ein Edel-Backup bleiben, der bei etwaigen Verletzungen sofort parat steht.
Angriff
Die offensive Viererreihe ist das Prunkstück der Leipziger: angefangen beim linken Flügelstürmer Emil Forsberg über die Mittelstürmer Timo Werner und Yussuf Poulsen bis hin zum Rechtsaußen Marcel Sabitzer. Beide nominellen Außenspieler können vom Flügel kommen oder aber eingerückt in den Zwischenräumen agieren, wobei für Forsberg einrückende Bewegungen im Moment noch charakteristischer sind. Der Schwede betätigt sich gelegentlich auch als verkappter Spielmacher aus dem tiefen linken Halbraum heraus.
Poulsen ist derweil das Powerhouse des RBL-Sturms, wobei er seine Spielweise verfeinert hat und nun weniger durch kopflose Ausweichläufe und Dribblings auffällt. Diese Mittel werden nur sehr gezielt eingesetzt, um die einrückenden Bewegungen auszugleichen und Räume zu schaffen. Darüber hinaus hat er sich zu einem passablen Wandspieler entwickelt. Poulsen, Werner sowie Ersatzmann Oliver Burke verfügen über ein erschreckend hohes Tempo, was sie für Tiefensprints nach kurzen Ablagesequenzen prädestiniert. Werner hat während seiner Sprints eine extreme Körperstabilität, die er wie kaum ein zweiter in direkten Laufduellen zum Abschirmen des Balls einsetzt.
Problematisch ist jedoch, dass bis auf den erwähnten Burke keine wirkliche Alternative zu Werner und Poulsen im Kader zu finden ist. Davie Selke kann weder Poulsens noch Werners Rolle eins-zu-eins übernehmen, so dass die Offensivabläufe angepasst werden müssten, um ihn geeignet einzubinden.
Gegen den Ball: Die Pressingfalle schnappt zu
Entgegen der üblichen Meinung, presst Leipzig nicht mehr wie noch unter Alexander Zorniger auf Teufel komm raus. Hasenhüttl hat ein sehr balanciertes Konstrukt geschaffen, das erst auf Trigger gezielt Druck ausübt. Initial wird im Aufbau der gegnerische Sechserraum von den Stürmern, Sechsern und Flügelspielern eng umkreist. Bei fehlerfreier Zirkulation werden die Passwege in die Tiefe durch ballnahe Kompaktheit und diagonale Stellungen blockiert. Sobald jedoch einer der Innenverteidiger oder abkippenden Sechser durch eine Vororientierung (Körperstellung und Blickrichtung) bzw. durch Ungenauigkeiten im Passspiel auf die ballnahe Seite festgelegt ist, schnappt die Falle zu.
Die beiden ballnahen Spieler (Mittel- und Flügelstürmer) sprinten los, um am Ball eine 2-vs-1-Überzahl zu schaffen, während der restliche Block im Zentrum durchsichert, um die Überzahl zu konservieren. Die ballferne Seite wird komplett aufgegeben. Die beiden Pressingspieler nutzen ihre Deckungsschatten, um die Passwege in die Tiefe und Breite zu blockieren. Den diagonalen Passweg ins Zentrum lassen sie beim Anlaufen gezielt frei. Ein Ballgewinn dort erlaubt den direkten Durchbruch über die bereits im Sprint befindlichen Pressingspieler. Eine Verlagerung oder ein schnelles Durchspielen über den Flügel sind durch das Anlaufen, die Vororientierung und den hohen Druck quasi unmöglich. Dem Gegner bleiben riskante Dribblings oder blinde lange Bälle.
Wie beschrieben, agieren die ersten drei Reihen des 4-2-2-2 wie eine Einheit. Zwar erfolgt das Herausrücken der Flügel und das Nachschieben der Sechser analog zu gängigen Kettenmechanismen, die Orientierung der üblichen Spieler folgt jedoch eher den folgenden gruppentaktischen Prinzipien, die kettenübergreifend gelten:
- Ballnahe Überzahl, um Druck aufzubauen und den Ballvortrag aktiv zu lenken
- Durchsichern zur Überzahlbildung in anspielbaren Zonen
- Restverteidigung tornaher Räume in Überzahl
Diese Prinzipien gelten auch, wenn der Gegner die beschriebene erste Phase übersteht.
Gelingt es dem Aufbauspieler, den Deckungsschatten des Leipziger Flügelspielers zu überwinden, so rückt der Außenverteidiger aggressiv vor. Der ballnahe Sechser rückt durch, um direkt wieder eine Dopplung zu erreichen und die Passwege zurück ins Zentrum zu versperren. Die restliche Abwehrkette schiebt nach und bildet die Restverteidigung. Der geschlagene Flügelspieler presst rückwärts und belauert Rückpässe.
In seltenen Fällen sichern die Sechser nicht schnell genug durch, so dass diagonale Pässe aus dem Aufbau in den Zwischenlinienraum möglich sind. In diesem Fall verengen sich die Ketten extrem. Kollege MR bezeichnete diese Spielweise des BVB unter Klopp mal als “Raumfressen”. Einer der Abwehrspieler rückt heraus, während die verbleibenden Kollegen den Raum vor dem Tor als Restverteidigung sichern. Die Mittelfeldkette umkreist den Ballführenden und geht aggressiv auf den Ball. Damit gelingt es den Leipzigern mehrere, erfolgreiche gegnerische Aktionen im Zwischenlinienraum weitgehend auszuschließen. Durch die klaren Pressingtrigger und die durch die kettenübergreifenden Prinzipien gegebene durchgehende Kompaktheit sind sie die einzige Mannschaft, die sowohl bei der Anzahl der Pressingaktionen als auch bei den geblockten Schüssen oberhalb des Ligamittelwertes liegt.
Das Raumfressen kommt auch bei unkontrollierten Szenen mit schnellen Ballbesitzwechseln und vielen Zweikämpfen zum Einsatz. In diesen Fällen überdrehen die Bullen teilweise etwas und schieben blind zu viel Personal in die ballnahen Zonen. Dies wird insbesondere zum Problem, wenn die unkontrollierten Szenen in flügelnahen Räumen ablaufen, da dann häufig die Sicherung des ballfernen Halbraums oder gar des Zentrums vernachlässigt wird. Zwar kann die extreme Intensität in den meisten Fällen ein Ausnutzen dieser Lücken verhindern, gegen pressingresistente Gegner stellen sie jedoch ein Risiko dar. Gegen die Bayern führte eine solche Szene beispielsweise zum ersten Gegentor (siehe Analyse am Ende des Texts).
Mit Ball: Mehr als nur das Langholz
Unter Hasenhüttl hat Leipzig gelernt, aus einer ruhigen Zirkulation in einer Aufbaudreierkette blitzartig Angriffe zu starten. Die Mechanismen sind damit im Aufbau wie im Umschalten ähnlich. Oft wird gar nach einem Ballgewinn erst zurückgespielt, um dann entgegen der Dynamik die in der Folge beschriebenen Abläufe abzurufen.
Um eine ruhige Ballzirkulation zu ermöglichen, stellt Leipzig in der Aufbaulinie Überzahl her. Dazu wird gegen eine Spitze Torhüter Gulácsi eingebunden, um die Verbindung zwischen den Innenverteidigern zu halten. Gegen zwei Stürmer bleibt entweder einer der Außenverteidiger tiefer oder Demme kippt seitlich heraus. Während der Zirkulation laufen die Offensivspieler abgestimmte Wechselbewegungen ab, um Lücken zu reißen und bei langen Bällen in die Tiefe Tempovorsprünge zu besitzen. Dabei ist das Andribbeln der situativen Halbverteidiger das Zeichen für eine Tempoverschärfung. Meist weichen die Stürmer aus dem Zentrum aus bzw. fallen zurück, was durch Tiefensprints und einrückende Bewegungen der äußeren Mittelfeldspieler gegenläufig beantwortet wird. Lässt die Situation es zu, kommt es direkt zum Laserpass auf den einrückenden Forsberg, oder auf die vom Flügel zurückkehrenden Stürmer in die Tiefe. So können mit einem Ball viele Gegenspieler überwunden und passende Dynamiken für Folgeaktionen bespielt werden.
Dieser Fokus auf die letzte Linie resultiert jedoch nicht wie bei vielen anderen Teams in einer Aufgabe des Mittelfelds. Ganz im Gegenteil – durch die dynamische Flügelbesetzung der vordersten Linie kann Leipzig das Zentrum mit den verbleibenden Spielern überladen. Mithilfe des Einrückens von Sabitzer sowie des Aufrückens von Keïta wird in Kombination mit der dynamischen hohen Zentrumsbesetzung durch Forsberg, Werner oder Poulsen eine rautenartige 1-2-1 Staffelung erzeugt. Diese bietet guten Zugriff auf zweite Bälle bei fehlgeschlagenen Vertikalpässen und die zusätzliche Möglichkeit zur Nutzung von Dribblings durch die Halbspieler, insbesondere Keïta, zur Raumüberbrückung nach kürzeren diagonalen Anspielen. Somit ist Leipzig gut abgesichert und kann flexibel zwischen verschiedenen Angriffsrouten wählen.
Zur besseren Veranschaulichung präsentieren wir mehrere Leipzig-Spiele der vergangenen Wochen, um anhand konkreter Beispiele die Adaptivität im Pressingsystem sowie den Fortschritt im Spielaufbau der Sachsen zu veranschaulichen.
Beispiel 1: Wolfsburgs Flügelspiel bereitet eine Halbzeit Probleme (16.10.2016)
Gastgeber VfL Wolfsburg spielte extrem breit in einem 4-2-3-1/4-1-4-1, indem es eine klare Aufteilung in Sechser (Luiz Gustavo), Achter (Paul Seguin) und Zehner (Maximilian Arnold) gab. Im Pressing bildeten sie ein 4-4-2 und liefen aus dem Zentrum heraus nach außen an. Dahinter warteten zwei Viererketten auf die Angriffe der Leipziger.
Poulsen und Werner orientierten sich im Pressing eng am alleinigen Sechser Luiz Gustavo um von dort mit den beschriebenen Mechanismen nach außen Druck aufzubauen. Meist gelang dies und die Innenverteidiger mussten abbrechen. So entstand unter anderem ein Elfmeter, bei dem Werner nach situativem Seitentausch mit Poulsen den Rückpass nach einem Abkappen von Robin Knoche verfolgte und Koen Casteels so zu einem Fehler und einem anschließendem Foulspiel zwang. Der Elfmeter wurde jedoch von Forsberg verschossen.
Wolfsburg versuchte, den Aufbau primär über seine linke Seite voranzutreiben. Dort konnten die spielstarken Verteidiger Knoche und Ricardo Rodríguez die Bälle meist auch unter Druck behaupten und entweder erfolgreich über Torwart Casteels neu aufbauen oder mit langen Bällen reagieren. Die langen Schläge waren aufgrund der hohen Präsenz der Wolfsburger bei zweiten Bällen immer mal wieder gefährlich – insbesondere wenn es gelang, den Ball nach der Behauptung auf die offenen Flügel zu verlagern. Hier konnten Julian Draxler und Vieirinha dann schnell mit Tempo Richtung Grundlinie ziehen, um Mario Gómez und Co. mit Flanken zu bedienen.
Auch schnelle flache Bälle entlang der Linie auf die zurückfallenden Flügelstürmer der Wölfe bereiteten Leipzigs Außenverteidigern zu Beginn durchaus Probleme. Aufgrund der hohen Stellung der eigenen Außenstürmer mussten die Außenverteidiger sehr weit herausrücken. Dabei war es schwierig, das Herausrücken konstant ideal zu timen, was insbesondere Draxler mit dynamischen Dribblings gegen die Bewegung und anschließenden Verlagerungen auf die geöffnete ballferne Seite bespielte, wo mit Christian Träsch und Vieirinha zwei Abnehmer nahe der Seitenlinie warteten. Der Erfolg dieser einfachen, auf zweiten Bällen und Flanken basierenden, Strategie gegen gute Pressingsysteme wurde bereits von MR gegen Klopps BVB analysiert.
Die Rollen im zentralen Mittelfeld wurden im Verlauf der Partie etwas angepasst. Demme spielte noch ballorientierter und half mehrfach am linken und rechten Flügel aus, schob aber auch mal aggressiv in die vorderen Linien nach. Ilsanker fungierte dafür zentral als Balancespieler. Die Aufbaureihe der Wolfsburger wurde derweil nicht mehr so konsequent angelaufen, sondern die Außenstürmer standen in der zweiten Halbzeit etwas tiefer, um die Flügelangriffe mit zu verteidigen. Dadurch bekam Leipzig mehr Kontrolle und Wolfsburg wirkte zunehmend harmlos.
Nach dem Führungstreffer der Leipziger brachte Dieter Hecking einen zweiten Stürmer und seine Mannschaft überlud die vorderste Linie. Aber: Leipzig hielt in dieser kniffligen Phase an der 4-2-2-2-Grundordnung fest und verzichtete auf etwaige Fünfer- oder Sechserabwehrketten. Durch ballnahe Kompaktheit und tororientierte Restverteidigung konnte der knappe Vorsprung über die Runden gebracht werden.
Beispiel 2: Dominanz über Mainz 05 (6.11.2016)
Das Heimspiel gegen die Mainzer begann denkbar günstig für RB Leipzig. Bereits in der dritten Minute gingen die Sachsen in Führung und kamen in eine strategisch gute Ausgangsposition. Mainz agierte recht klassisch aus einer 4-2-3-1-Formation heraus und verzichtete auf allzu starres Abkippen.
Die Ausgangsstellung im Leipziger Pressing war vergleichsweise tief, weil sich beide Mittelstürmer zunächst an den gegnerischen Sechsern orientierten und auf einen seitlichen Pass der Mainzer warteten. Anschließend erfolgten druckvolle Vorstöße vom ballnahen Flügelstürmer sowie ein entsprechendes Aufrücken der beiden zentralen Pressingakteure zur Blockierung etwaiger seitlicher Passwege. Die Trigger hierbei waren einmal mehr die Blickrichtungen der gegnerischen Aufbauspieler: Zunächst drehte sich der zentral postierte Mainzer nach außen und löste so ein Vorrücken des ballnahen Leipziger Flügelspieler aus, welcher aber wiederum versuchte, im Bogen von außen anzulaufen und ein Eindrehen des Ballempfängers zu forcieren. Anschließend erfolgte der Vorstoß der beiden RB-Mittelstürmer.
Das Herausrücken von Poulsen und Werner wurde wiederum durch situatives mannorientiertes Vorrücken der beiden Leipziger Sechser abgefangen. Insbesondere Keïta tat sich durch eine enge Bewachung von Daniel Brosinski in der Anfangsphase der Partie beziehungsweise in der zweiten Phase des RB-Pressings hervor.
Die Mainzer bevorzugten ein schnelles Herausspielen des Balles vertikal über die Flügel. Allerdings blieb den Ballempfängern aufgrund der engen Leipziger Deckung keine Möglichkeit, eine Drehung in Richtung Tor der Sachsen vorzunehmen. Doch nicht nur das. Zusätzlich bewegten sich Leipzigs Sechser geschickt in die Halbzonen, um diagonale Rückpasswege ins Zentrum zu neutralisieren und keine schnelle Seitenverlagerung zuzulassen.
Im eigenen Spielaufbau versuchten die Roten Bullen nur selten eine Überzahl in der ersten Linie gegen die vorderste Pressingreihe der 05er aufzustellen. Vielmehr wollten sie – in der Regel unter Einbindung von Torhüter Gulácsi – den Ball zügig in einen überladenen Halbraum spielen und die Präsenz um die Mittellinie durch ein vermiedenes Abkippen eines Mittelfeldakteurs zusätzlich erhöhen. Ablagen der beiden raumgreifenden Angriffsmaschinen Poulsen und Werner sowie ein geschicktes Aufrücken der beiden Leipziger Sechser in die jeweils angespielten Halbräume war die passende Grundlage für Schnellangriffe gegen die oftmals zu flach gestaffelten Viererketten von Mainz. Ein Drei-Tore-Vorsprung zur Halbzeit verdeutlichte die Überlegenheit von Hasenhüttls Team gegen phasenweise indisponierte Rheinhessen.
Beispiel 3: Abgeklärt gegen ungewöhnliche Freiburger (25.11.2016)
Ende November reisten die Leipziger in den Breisgau und stellten sich einem SC Freiburg, der auf eine Fünferkette und interessante Pressingstruktur setzte. Die Mannschaft von Christian Streich attackierte gegen den Ball in einem 5-2-3/5-2-2-1, wobei einer der beiden Halbstürmer zumeist bei Keïta positioniert war und herausrückte, wenn der breit stehende Innenverteidiger der Roten Bullen den Ball erhielt.
Die Leipziger bauten nämlich in der Regel mit einem herausgekippten Demme über eine Dreierreihe auf. Auch die beiden Außenverteidiger blieben zunächst tief und sorgten für klare Überzahl gegen Freiburgs erste Pressinglinie. Im Verlauf der Partie veränderte insbesondere Keïta mehrfach seine Ausgangsposition. Manchmal tauschte er mit Demme oder kippte ebenso nach hinten, was jedoch schon fast ein 6-0-4 verursachte. Oder aber Keïta positionierte sich etwas entfernt von Freiburgs hohem Block und zog durch anschließendes Zurückfallen einen mannorientierten Sechser der Breisgauer heraus.
In jedem Fall fanden die Sachsen konstant die passenden Mittel, um Freiburgs Pressing zu umspielen: sei es nun über flache Kombinationen unter Einbindung der Außenverteidiger oder über lange Bälle in die vorderen Halbraumschnittstellen. Der frühe Führungstreffer selbst fiel jedoch nach einem Fernschuss Keïtas nach einer Ecke und brachte Hasenhüttls Team in eine strategisch gute Ausgangsposition. Auch ein zwischenzeitliches Ausgleichstor, das infolge einer Halbfeldflanke fiel, die Florian Niederlechner zwischen Schmitz und Ilsanker postiert verwerten konnte, warf RBL nicht aus der Bahn.
Für das eigene Pressing hatten die Leipziger zwei Varianten im Gepäck. Die Mittelstürmer liefen entweder nah an den gegnerischen Zentralverteidigern von innen nach außen, um Zuspiele in Richtung Seitenauslinie zu forcieren und ein anschließendes Vorrücken der Hintermänner auszulösen. Oder die Formation war in Gänze tiefer gestaffelt, während Poulsen und Werner die Wege zu den Freiburger Sechsern blockierten.
Von hoher Bedeutung in dieser Partie war das intelligente Positionsverhalten von Demme und Keïta beim Abfangen von zweiten Bällen. Nicht nur leitete man den zweiten Treffer nach einer geschickten Rückeroberung ein, sondern die Gäste dominierten zunehmend das Geschehen, weil die langen Schläge aus der eigenen Abwehr oftmals nach Abprallern aufgesammelt wurden.
Begünstigt wurde Leipzig zusätzlich von Abstimmungsproblemen beim Gegner, wie etwa vorm 3:1, als sich Maik Frantz und Marc Torrejón bei einer Kontersituation nicht einig waren und so den Ball zu Forsberg durchrutschen ließen, ohne Druck auf den Schweden auszuüben. Nach der Halbzeit stellte Streich um, indem er Janik Haberer für Torrejón einwechselte und verstärkt über eine breite Viererabwehr aufbauen ließ, wobei Sechser Amir Abrashi gelegentlich halblinks zurückfiel. Allerdings war diese Aufbaustruktur generell nicht geeignet, um Leipzig in Bedrängnis zu bringen. Hasenhüttls Spieler blieben etwas passiver im Pressing und stellten gegen nun eher gewöhnlich Aufbau- beziehungsweise Passmuster die entscheidenden Zonen zu. Freiburg kam, wenn überhaupt, über die Flügel und brachte aus dem Spiel heraus keinen Schuss auf das Gehäuse von Gulácsi.
Beispiel 4: Anpassungen an Schalkes Aufbaustruktur (3.12.2016)
Im Samstagabendspiel gegen Schalke 04 traten die Leipziger wie immer in der herkömmlichen 4-4-2-/4-2-2-2-Grundformation an. Sabitzer spielte dabei etwas tiefer und enger als Forsberg. Das erste Anlaufen von Werner erfolgte, um Schalke nach rechts abzudrängen. Die beiden Stürmer versuchten wie gewohnt, Schalke aus dem Zentrum herauszuhalten. Dazu liefen sie aus enger Grundposition um Johannes Geis herum von innen an, um den Pass zum Flügel zu erzwingen. Der ballnahe Flügelspieler stellte den Passweg zum Flügelläufer zu. Es gab ebenso Phasen im passiveren 4-2-4-(0), bei dem ausgenutzt wurde, dass Schalkes Mittelfeld etwas zu weit weg von der Aufbaureihe stand, sodass durch die hohe Viererlinie die Verbindungen komplett gekappt wurden. Als Trigger für das Anlaufen nutzte man die Körperhaltung von Benedikt Höwedes. Sobald sich der Nationalverteidiger nach außen drehte, startete Werner im Vollsprint den Bogenlauf.
In dieser Partie war deutlich erkennbar, dass die Prinzipien zur Überzahlbildung in den relevanten Zonen auch für individuell gut besetzte Mannschaften eklig zu bespielen sind. Durch die hohe Kompaktheit bei einem Zustellen der Passwege hatten Hasenhüttls Spieler insbesondere zu Beginn der Partie hochwertige Ballgewinne vor der Aufbaukette der Schalker. Nach den Ballgewinnen erfolgten aggressive Läufe ins Zentrum und in die Schnittstellen, um zentrale Verteilzonen zu besetzen und direktes Spiel in die Spitze zu ermöglichen. Insgesamt war eine extreme horizontale Kompaktheit zu erkennen, in der immer wieder flexibel 4-2-2-2-Strukturen hergestellt wurden, um das Spiel um zweite Bälle und nach Ablagen zu forcieren.
Schalke kam durch eine bessere Kontrolle der langen Bälle wieder ins Spiel. Hierbei nutzten sie die offenen Zonen neben den Leipziger Sechsern im 4-2-4 aus. Später setzten die Königsblauen noch konsequenter auf lange und zweite Bälle mit der Intention, Leipzigs organisiertes Pressing zu umgehen. Dadurch wurde das Spiel insgesamt unkontrollierter, mit vielen Zweikämpfen bei Kopfbällen und im Herausrücken. Leipzig hatte auch Phasen längeren Ballbesitzes, die besten Chancen entstanden aber nach Umschaltsituationen, wo die guten Bewegungen und die starke Zentrumsbesetzung mit hoher Dynamik in die Tiefe zu Durchbrüchen führten.
Beispiel 5: Effektiver Spielaufbau gegen passive Herthaner (17.12.2016)
Beim souveränen Sieg über Hertha BSC – eine Woche nach der ersten Liganiederlage in Ingolstadt – durften die Leipziger vor allem ihre Stärken im Spielaufbau zur Schau stellen. Hasenhüttls Team eröffnete die eigenen Angriffe oftmals über kleine Kombinationen, um hinter die erste Linie der Herthaner 4-4-2-Defensivformation zu kommen. Zudem wurden anfangs einige lange Bälle auf Poulsen geschlagen, der sich zumeist in der Nähe des rechten Innenverteidigers Jens Hegeler positionierte. Aufbauzuspiele auf die Außenverteidiger waren zunächst weniger vielversprechend, weil Halstenberg und Bernardo umgehend angelaufen wurden und teilweise die Anspielstationen allesamt im Deckungsschatten oder in Manndeckung waren.
Mit zunehmender Spielzeit wurde das Aufbauspiel der Leipziger allerdings immer gefährlicher. Und dabei griff die Mannschaft nicht unbedingt auf oftmals präferierte Mittel zurück. Vielmehr drangen die Sachsen flach über die Halbräume in die Formation der Hertha ein. Die Berliner verteidigten meist sehr flach im 4-4-0-2 und die beiden Viererketten zogen sich recht häufig bis an und in den Strafraum zurück. Deutlich wurde dies unter anderem beim Führungstreffer Leipzigs. Nach einer Verlagerung aus dem Zentrum auf den breit postierten Sabitzer erfolgte ein Rückpass vom Österreicher auf Demme, der selbst an der Strafraumgrenze noch ohne großen Druck das Spielgerät in Empfang nehmen konnte, weil die Hertha in einer Art 7-2-1 formiert war. Demme legte direkt auf Keïta, der auf Werner durchsteckte und damit das 1:0 vorbereitete.
Die beiden Mittelstürmer, Julian Schieber und Vedad Ibišević, standen während der ersten Aufbauphase Leipzigs in klarer Unterzahl gegen die beiden Innenverteidiger und Sechser der Roten Bullen. Demme und Keïta positionierten sich in der Regel neben dem ersten Block der Berliner, sofern Forsberg nicht den tiefen linken Halbraum besetzte, und kombinierten entweder direkt horizontal miteinander oder ließen das Spielgerät über einen Innenverteidiger laufen. Aufgrund der engen Positionierung der beiden Berliner Angreifer und der tiefen Staffelung der restlichen acht Feldspieler konnte insbesondere Keïta vielfach über den Halbraum dribbeln und quasi ohne Gegenwehr bis zum gegnerischen Strafraum vordringen. Nach und nach war die Hertha derart tief, dass selbst Orban von der Mittellinie aus recht unbedrängt Vorstöße vornehmen konnte.
Auffällig war zudem die hohe Präzision im Passspiel der Leipziger Sechser. Mehrfach wurden Poulsen und Werner hinter den Herthaner Sechsern bedient, wobei die Schnittstellen äußerst klein waren und keinen Raum für Ungenauigkeiten ließen. Gleiches galt für die Umschaltpässe von Keïta und Co., die einmal mehr vom Pressing der Roten Bullen ermöglicht wurden.
In der Arbeit gegen den Ball waren zwei Aspekte besonders hervorstechend:
- Poulsen oder Werner pressten regelmäßig bis zu Torhüter Rune Jarstein durch und ließen dem Norweger keine Zeit, vorm langen Schlag noch das Feld zu überblicken. Nach den Schlägen, die situativ auch von einem der Innenverteidiger ausgeführt wurden, hatte Leipzig die Lufthoheit im Mittelfeld, was viele Szenen umgehend entschärfte und die Hausherren wieder in einen geordneten Ballbesitz kommen ließ.
- Im Pressing positionierten sich Poulsen und Werner zunächst recht eng auf Höhe des Berliner Sechsers, der nicht abkippte. Anschließend lief der ballnahe Angreifer nach Zuspiel auf einen der beiden breit aufgefächerten Innenverteidiger im Bogen nach außen. Währenddessen war der ballnahe Außenverteidiger abgedeckt und lediglich der Passweg ins Zentrum blieb offen. Dort warteten allerdings Demme und Keïta, welche die Verbindung zu den hoch positionierten Mittelstürmern der Berliner kappten.
Alles in allem nutzte Leipzig das Loch in Herthas Formation gekonnt aus und gewann vielfach den Ball, um danach direkt in die Spitze zu spielen.
Beispiel 6: Kein Zugriff im Top-Spiel in München (21.12.2016)
Am letzten Spieltag vor der Winterpause kam es zum Spitzenspiel in München, das sich für Leipzig zu einem enttäuschenden Abend entwickelte. Die Sachsen begannen für ihre Verhältnisse ungewöhnlich zurückhaltend, indem sie im Aufbau viele Bälle (blind) bolzten und sich somit selbst instabilisierten. Zudem erfolgten die Pressingattacken nicht innerhalb einer kollektiven Struktur, was es dem bayerischen Aufbau leichter als gewohnt machte. Meist liefen Poulsen oder Werner recht isoliert an. Das Durchsichern erfolgte eher im Sinne des klassischen Kettenspiels. Ein aktives Lenken fand so nicht statt. Zudem wurden auch die zentralen Zonen nicht so dicht wie üblich besetzt. Die Bullen präsentierten ein “normales” 4-4-2-0 Mittelfeldpressing. Leipzig trat an wie eine Blaupause eines unterlegenen Bayernopfers, das sich mit seiner Rolle bereits abgefunden hat.
Dieses Verhalten war auch darin begründet, dass Bayern-Trainer Carlo Ancelotti die perfekte Antwort auf das von Leipzig präferierte Umstellen des Sechserraums fand. Aus Bayerns 4-2-3-1-Grundordnung kippte Arturo Vidal im Aufbau regelmäßig zwischen oder halblinks neben die Innenverteidiger ab. Auch Alonso verließ immer wieder das Aufbauzentrum. Somit nahmen die Bayern den Leipzigern die Referenzpunkte und generierten eine extreme Überzahl in der Aufbaulinie. Insbesondere Vidals Bewegungen konnten im Zusammenspiel mit David Alaba zumeist eine Überzahlsituation auf dem linken Flügel herstellen. Leipzig stand vor dem Dilemma entweder sehr hoch aufzurücken oder passiv abzuwarten.
Die Leipziger entschieden sich für Zweiteres. Sie versuchten, durch horizontale Kompaktheit die Aufbaureihe von den Offensivspielern zu trennen. Dies gelang jedoch nur selten. Hummels und Alonso, aber auch Vidal zeigten, dass sie jede Defensive filetieren können, wenn sie genügend Zeit am Ball bekommen.
Rechtsaußen Sabitzer wurde nach horizontalen Verlagerungen mehrfach von Vidal und Alaba mit Leichtigkeit ausgespielt und Bayern konnte die Außenbahn entlang attackieren. Bernardo sah sich in isolierten Zweikämpfen mit dem Tempo von Douglas Costa zumeist überfordert, wenngleich der Brasilianer ansonsten eine gute Partie ablieferte.
Alternativ spielten die Bayern vor allem von halblinks exakte Bälle in die Schnittstellen zwischen Leipzigs Außenstürmern und Sechsern ins Zentrum und in die Halbräume, wo Zehner Thiago vielfach die passende Lücke fand, um den Ball zu empfangen. Auch Robert Lewandowski fiel immer wieder geschickt in die Schnittstellen zurück. Gelegentlich schlug Bayern von halblinks auch einen Diagonalball auf die Seite von Arjen Robben, welcher dann wiederum isoliert auf Marcel Halstenberg zudribbeln konnte. Gezielte oder eher zufällige Überladungen auf der linken Seite dienten als gute Vorbereitung, um den Robben-Flügel freizuräumen.
Insgesamt lagen Leipzigs größte Probleme im mangelnden Zugriff. Durch die Passivität der ersten Reihe fehlten die leitenden Elemente. Damit gab es stets mehrere Optionen. Es kam zum klassischen Dominoeffekt: Die herausrückenden Sechser und Außenverteidiger kamen regelmäßig zu spät, weil sie reagieren mussten anstatt präventiv die relevanten Zonen zu besetzen. Zudem wurde die individuelle Unterlegenheit der Defensive deutlich.
Mit dem Ball sah sich Leipzig mit einem überraschend aggressiven, kompakten und intensiven 4-2-3-1 Pressing konfrontiert, das insbesondere die beiden Sechser als Fokuspunkte nahm und nach deren Ballannahmen schnelle Attacken forcierte – so gesehen vor dem zweiten bayerischen Treffer, als ein Querpassversuch von Keïta zu Lewandowski abgefälscht wurde.
Vielmehr bleibt zum Spitzenspiel der Hinrunde nicht zu sagen. Mit einem Zwei-Tore-Rückstand auf der Anzeigetafel flog Forsberg nach einem Foulspiel an Philipp Lahm vom Platz und die Partie war zu diesem Zeitpunkt oder spätestens nach dem dritten Tor des FC Bayern Sekunden vor der Halbzeitpause entschieden.
Ausblick
Auch nach dem Rückschlag im Jahresfinale gegen den FC Bayern stellt RB Leipzig die Überraschung der Hinrunde dar. Die Sachsen zeigen nicht nur ein überragendes Pressing, sondern können auch im Spielaufbau mit sehr guter Dynamik und Spielkontrolle überzeugen. Ein extremer Einbruch ist daher nicht zu erwarten – vor allem da wenige Gegner über die Aufbauqualität und Pressingresistenz des FC Bayern verfügen. Ob nun mehrere Gegner versuchen, den Leipzigern selbst mit aggressivem und intelligentem Pressing beizukommen, bleibt eine spannende Frage.
Mit der Rückkehr von Compper, eventuellen Neuzugängen sowie der fortgeschrittenen Integration von Burke in der Vorbereitungsphase besitzt Ralph Hasenhüttl voraussichtlich nach der Winterpause wieder Alternativen für die Startelf. Wir werden beobachten, inwieweit Hasenhüttl und Sportdirektor Ralf Rangnick es schaffen, das System schrittweise zu perfektionieren oder gar weiterzuentwickeln.
54 Kommentare Alle anzeigen
AG 5. Februar 2021 um 11:20
Vier Jahre später zeigt sich, wie gut das Transferkonzept, das Scouting und das Entwicklungsmodell von RB Leipzig damals funktioniert hat. Eine kleine Aufstellung:
– Naby Keita war der teuerste Zugang für fast 30 Mio Euro. Nach zwei sehr erfolgreichen Jahren in Leipzig für 60 Mio Euro (100% Gewinn!) an Liverpool verkauft. Dort leider Verletzungsprobleme, er ist aber auch noch 25 Jahre jung.
– Oliver Burke für 15 Mio Euro gekauft, schon nach einem Jahr zum gleichen Preis wieder verkauft. Hat sein Potential bisher leider nicht realisiert, ist aber auch erst 23.
– Timo Werner für 14 Mio Euro gekauft, super erfolgreich bei Leipzig gewesen und Nationalspieler geworden (?). Nach vier Jahren für 53 Mio Euro an Chelsea verkauft (und er ist auch erst 24!).
– Dayot Upamecano für 10 Mio Euro gekauft (erst im Winter 2017, vor diesem Artikel), aktuell Stammspieler bei Leipzig, über einen Wechsel für 40–60 Mio Euro wird spekuliert. Da er erst 22 ist, würde Leipzig ihn bestimmt auch gerne noch behalten.
– Bernardo wurde für 6 Mio Euro geholt und nach zwei Jahren für 10 Mio Euro abgegeben. Aktuell mit 25 per Leihe in Salzburg.
Drei weitere Spieler kamen für zusammen 3,5 Mio Euro und haben wohl keine Bäume ausgerissen. Das sind letztlich drei Volltreffer aus fünf Spielern, und keiner hat Netto ein Transferminus gemacht. Allerdings ist das eine Ausnahmesaison, wenn ich unsystematisch die Transfers seitdem anschaue. Trotzdem, ziemlich beeindruckend.
Peda 12. Januar 2017 um 15:43
Zur regen, völlig neuen und überaus wichtigen Diskussion, frei nach Douglas Adams:
I’ve come up with a set of rules that describe our reactions to football clubs:
1. One that is in the world when you’re born is normal and ordinary and is just a natural part of the way the world works.
2. One that’s founded between when you’re fifteen and thirty-five is new and exciting and revolutionary and you can probably get attracted by it.
3. One invented after you’re thirty-five is against the natural order of things.
Schönen Abend noch!
AP 4. Januar 2017 um 11:28
Stellen wir uns bei diesem Thema nicht die falschen Fragen?
Konkurrenz statt Kooperation.
Eine neue Akademie („Zwangsinstution?“) entfaltet keine Kreativität, sondern produziert Maschinen. Fussballer als Dauerpressingathleten. Kein Raum und auch keine Zeit für Entfaltung und Entwickling der Einzigartigkeit. Sondern Fussballer vom Band. Alle sind sich sehr ähnlich. Natürlich erfolgversprechend, da es keiner so gut hinbekommt, wie die neuen modernen „Akademien“ (Produktionsstätten). Den Faktor Geld lass ich hier raus.
Aber über was reden wir so gerne. Wir reden doch über Maradona, über Messi, über Zidane, Scholl, Netzer. In jeder Generation gab es Kreativität, es gab Genies. Fussballer die einzigartig waren, die uns mit ihrem Fussball gefesselt haben. Uns zum Fussball gebracht haben.
In der Buli sehen wir meist nur noch Pressing Duelle. In 1-2 Jahren wird sich nicht mehr die Mannschaft durchsetzen, die die Individualisten in ihren Reihen hat, sondern das Team, dass seinen Gegner mit ihren Mitteln zermalt. Wir werden uns häufiger nach den Dribblings von Arjen Robben und Franck Ribery sehnen, wie nach diesen künstlich geschaffenen Mannschaften.
Steile These. Zerstört Pep Guardiola als Vorreiter die Entwicklung der Müllers und Busquets dieser Welt. Er profitiert von ihren Fähigkeiten aktuell, aber er stößt die Entwicklung in die falsche Richtung an.
Derjenige, der jetzt Kreativität förderd, wird in paar Jahren wieder einen neuen Trend setzen, wenn alle pressen like RB, und einen haben, der den Unterschied macht.
Mir ist bewusst, dass es zu Schwarz-Weiß gemalt ist, und aber auch, dass Fussball sehr komplex ist. Würde mich trotzdem über eure Meinungen freuen.
savona 4. Januar 2017 um 13:48
So plausibel diese Thesen auch klingen mögen, so gut erinnerlich ist auch, dass sie so oder ähnlich zyklisch wiederkehren. In dem halben Jahrhundert, das ich überblicke, waren Auslöser (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): der italienische Château der 60er; die tristen Finalspiele Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre im Europapokal mit englischen Seriensiegen; die mit wenigen Ausnahmen glanzlosen Spiele der WM 1990; der zwar erfolgreiche, aber stark von einer pragmatischen Defensivstruktur geprägte brasilianische Fußball der WMs 1994 – 2002; etc. Immer war etwas dran an der Kritik an kreativitätszerstörenden Tendenzen, immer aber gab es auch gegenläufige Entwicklungen, so dass sich im Nachhinein die Befürchtungen letzten Endes nicht bestätigten. Demzufolge bezweifle ich, dass nun ausgerechnet der gute Pep der Totengräber des uns begeisternden Fußballs – ein „Adelstitel“ übrigens, den früher auch schon andere Größen des internationalen Fußballs verliehen bekamen – sein soll.
tobit 4. Januar 2017 um 15:58
Toll, dass du mit Messi und Busquets zwei Maschinen aus einer der ersten industriellen Spieler-Fabriken („la Masia“) als Beispiel für Kreativität nennst. Die beiden sind doch das beste Beispiel, dass sich Kreativität und individuelle Klasse letztlich ihren Weg bahnen werden – oder dass man Kreativität eben doch rein artifiziell und industriell züchten kann.
Du sagst es doch selbst: selbst wenn in ein paar Jahren alle nur noch spielen wie RB mit austauschbaren Physis-Maschinen – was ich aktuell im Weltfußball und der Bundesliga nicht zu sehen vermag – dann wird jemand die Idee haben, dem mit etwas fundamental anderem zu begegnen.
Ehrlich gesagt finde ich deine Dystopie von einem Fussball ohne Abhängigkeit von individueller Klasse sondern (gruppen)taktischer Überlegenheit durchaus interessant und in bestimmten Punkten erstrebenswert.
AP 4. Januar 2017 um 18:17
Ja die Frage ist ja ob Messi und Busquets in der heutigen RB und anderen Akademien „durchgekommen“ wären. Könnte ja gut sein. Mir fehlt da der Vergleich zw. la Masia und z.B. jetzt den neuen Akademien. Das was ich weiß, ist schon, dass da andere Herangehensweisen aufeinandertreffen. Man kann sich natürlich dafür feiern lassen, mit den 3-4 Weltklassespielern die La Masia hervorgebracht hat oder auch die Frage stellen, warum nur 3-4. Vielleicht kann man auf Kooperation gehen, statt auf Konkurrenz. Heute wird ja alles im NLZ darauf ausgerichtet, den einen Star rauszubringen. Zeit das Spieler sich entwickeln können, gibt es nicht.
Ganz zugespitzt gesagt, ich würde gerne wieder einen Zidane sehen, der die nötige Zeit bekommen hat, so zu werden, wie er es wurde. Ein Götze kann einem da Leid tun. Eines der besten deutschen Talente, wird in dieser Maschinerie, die immer heftiger wird, erdrückt und nicht gefördert. Weil das Geld dazu führt, dass man ab mittlerweile D/C-Jugend von allem möglichen umgeben wird, nur nicht von Menschen, die einem den Freiraum geben.
Würde ein Spieler Guardiola unter dem Trainer Guardiola spielen können?
Klar, es ist Geschmackssache. Der Eine fährt auf Robben ab, ich persönlich feier Pep für sein Orchester. Oder Klopp für seine Art. Mir geht es auch nicht um Pep als „Totengräber“, sondern darum, dass diese überragende Trainer keine Jugendliche entwickeln, sondern aus den Besten der Besten auslesen und dann glauben alle das übernehmen zu müssen und über den kompletten Fussball drüberzustümpeln. Es wird nicht mehr unterschieden, ob ich im Millionen Spiel der CL ein Spiel zu gewinnen hab oder ob ich junge Menschen den Freiraum gebe, sich zu entwickeln. Bedenklich auch das Interview von Tanner auf Spox.
gs 5. Januar 2017 um 09:47
Ich sehe eigentlich keinen Widerspruch zwischen einer technisch und taktisch perfekten Ausbildung in „Akademien“ und dem vereinzelten Auftreten von Genies. Wenn einer wirklich so außergewöhnlich gute Anlagen hat, dass er zum Weltfußballer werden kann, schadet ihm eine optimale Physis ebensowenig wie ein in Fleisch und Blut übergegangenes gruppentaktisches Verhalten.
Gerade bei Pep ist doch das ganze Spielsystem darauf ausgelegt, dass nach den ominösen (mindestens) 15 Pässen ein kleiner Geniestreich die unaufmerksam gespielte Abwehr überwindet. Zwingende Torchancen entstehen normalerweise nicht durch noch so langes „Scheiberln“, sondern durch den entscheidenden schnellen Pass, den explosiven Antritt, das plötzliche Ausdribbeln von 2-3 Gegnern und den technisch perfekten Direktabschluss. Die Taktik soll nur die Angebote kreieren, damit die Genies ihre Arbeit tun können 🙂
Zur konkreten Frage: ja, ich bin mir sicher, dass sich Messi und Busquets auch in den heutigen Akademien durchgesetzt hätten; und wenn Götze es nicht geschafft hat, dann ist daran niemand anders schuld als er selbst bzw. seine in irgendeinem Punkt dann doch nicht perfekten Voraussetzungen (zu langsamer Antritt, zu wenig Ausdauer, zu wenig „Biss“, …). Oder er erreicht seinen Zenit halt nicht schon mit 23, sondern erst mit 27 (siehe Özil). Kann man erst in ein paar Jahren abschließend beurteilen.
AP 5. Januar 2017 um 14:08
findest du? Natürlich ist ein Zidane technisch und taktisch für sich ein Ausnahmekönner gewesen. Ich kann ihn mir nur nicht in einem RB Team vorstellen. Wie er als Spielmacher den 6er anläuft usw. 🙂
Ein guter Trainer hat mal gesagt, am liebsten wäre es ihm nur mit Spielmacher zu spielen, mit allem was man sich dann dabei auschmücken kann. Der Spielmacher von heute ist nun mal das Gegenpressing bzw. das Spiel allgemein wandelt sich von mit zum gegen den Ball.
Und wenn in der Jugend auch nur noch gegen den Ball die wichtigste Vorgabe ist, dann kommt auch kein Spielmacher dabei raus. Ich will auch nur gedanklich den Blick nach vorne richten. Was jetzt aktuell funktioniert, dass sehen viele. Was ist in paar Jahren? Und was muss ich jetzt in der Ausbildung machen, um in 5-10 Jahren Anderen vorraus zu sein.
So weit ich weiß, war es Busquets Gluck, dass Pep ihn aus der Zweiten hochholte. Alles andere ist natürlich hypothetisch, was wäre wenn usw. Und natürlich muss man auch erstmal das Auge für solche Talente haben.
Ich weiß nicht was die perfekten Vorrausetzungen sind. Die sind doch immer unterschiedlich. Ich weiß nur, dass „Alle am Rad drehen“ und einerseits sich beschweren, dass es kaum noch Persönlichkeiten gibt, kreative Spieler und auf der anderen Seite, Fussballer die diese Veranlagungen mitbringen, einfach keine Zeit eingeräumt wird. Wenn die U23 Mannschaften abgemeldet warden, dann läuft halt in meinen Augen was falsch.
Siehe Götze. Er muss mit 23 Jahren funktionieren. Ansonsten ist „er selbst schuld“. Mit 23?
tobit 5. Januar 2017 um 16:49
Götze spielt seit sechs Jahren regelmäßig Bundesliga und das zeitweise überaus erfolgreich. Vergleicht man das Mal mit einem Miroslav Klose, der mit 22 überhaupt erst seinen ersten Profi-Vertrag unterschrieben hat, wird deutlich, warum Spieler früher „mehr“ Zeit hatten, sich durchzusetzen und an die Liga zu gewöhnen. Die hatten sie damals auch nicht, sie hatten nur den Vorteil in dieses Abenteuer als Erwachsene zu gehen und nicht als spätpubertierende Jugendliche, denen schon weite Teile ihrer Jugend durch Training und/oder frühzeitige Bekanntheit (Hype) abhanden gekommen sind (das hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung).
Zum tatsächlichen Alltag in den Nachwuchszentren kann ich nichts sagen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es da nur um richtiges Anlaufen und andere Verteidigungs-Strategien geht. Dafür ist das bei viel zu vielen Spielern viel zu schwach ausgeprägt und muss dann im Profibereich noch mühsam nachentwickelt werden.
Ich sehe auch in der Mehrheit der Spiele nicht das Gegenpressing als Spielmacher, dafür ist selbst in der BuLi viel zu wenig gutes Gegenpressing zu sehen. Meist geht es erstmal ein ganzes Stück nach vorne, bevor man dann den Ball verliert und der Gegner die Ausgangssituation wiederherstellen darf. Aktuell geht es ja sogar wieder eher weg von Gegenpressing und hin zur „Basisstabilität“ in der eigenen Abwehr, um dann aus tieferen Balleroberungen auf verschiedenen Wegen nach vorne zu kommen (Favre-isierung der Liga).
Zidane könnte ich mir schon bei RB vorstellen, vielleicht hätte er dann seine hohe Grundaggressivität besser kanalisieren können und wäre seltener grundlos ausgerastet (auch wenn er das später meist sehr gut im Griff hatte). Wer derart talentiert ist wie Zidane, der wird einen gewissen Einschlag in seiner Spielweise unabhängig von äußeren Einflüssen konservieren können.
Schorsch 6. Januar 2017 um 00:01
Miro Klose war zu seiner Zeit bereits eine Ausnahme. Die meisten anderen Bundesligaspieler (auch die damaligen Zweitligaspieler) hatten ihre ersten Profiverträge bereits in jüngeren Jahren unterzeichnet.
gs 9. Januar 2017 um 15:23
„Siehe Götze. Er muss mit 23 Jahren funktionieren. Ansonsten ist „er selbst schuld“. Mit 23?“
Abgesehen davon, dass Götze inzwischen 24 ist 🙂 – es gibt halt so ganz vereinzelte Typen wie Messi, die in seinem Alter schon die unangefochtenen Stars ihrer jeweiligen Mannschaften waren. Das hat die Öffentlichkeit von ihm auch erhofft oder gar erwartet, und er selbst vermutlich auch zumindest gehofft.
Dass es nicht so gekommen ist, ist in der Tat absolut normal. Trotzdem ist er ja ein weit überdurchschnittlicher BL-Spieler (mit weit überdurchschnittlichem Einkommen), und vielleicht braucht er wirklich noch 2-3 Jahre bis er den Zenit seiner Fähigkeiten erreicht hat.
Mir ging’s nur darum, irgendwelche Dolchstoßlegenden auszuschließen. Es ist nicht die Schuld irgendwelcher Berater oder die von Pep Guardiola oder sonst jemandem, dass Götze derzeit eben „nur“ ein sehr guter Fußballer – und noch nicht „besser als Messi“ – ist, sondern die Gründe liegen schon bei ihm selbst. Wenn diese in der körperlichen Disposition liegen, wird er daran wenig ändern können; wenn ihm eher die Psyche einen Streich spielt (weil er zu früh zu hoch gejubelt wurde und daher „faul“ geworden sein sollte), dann kann er sich noch entwickeln.
Generell zum Thema „Zeit geben, um Kreativität zu entwickeln“: diese Idee ist mit Profi-Fußball und speziell Millionen-Gehältern nicht kompatibel. Weil heute gar so viel Geld im Spiel ist, werden die besten Talente immer der Verlockung des Geldes folgend früh zu einem zahlungskräftigen Verein wechseln; und in der U23 hätte dann die zweite Wahl die Chance, in Ruhe zum Weltstar zu reifen … 😉
AP 10. Januar 2017 um 16:20
Es wird ja immer krasser. Siehe China oder FIFA WM. Ich versteh auch nicht wo der Unterschied zwischen 4 Mio. und 10 Mio. im Jahr sein soll. Es geht ja auch nicht darum viel Geld zu verdienen. Es geht darum „mehr“ zu verdienen. Alle die jetzt nach China wechseln haben auch schon vorher nicht sooo schlecht verdient. Das ist nur noch krank.
Ich hoffe einfach das irgendwann ein Spieler sagt, zu dem Verein oder nach China geh ich nicht, weil es mir auch so sehr sehr gut geht. Aber dann wird es ja kaum einer verstehen, wo doch alle immer „mehr“ wollen. Doch das wäre so wichtig. Viele sehen es doch kritisch und kommentieren das mit Bedenken, aber ändern sollen es doch bitte Andere.
Robert 4. Januar 2017 um 17:00
Deshalb stellt der DFB bei seiner Talentförderung auch die Individualität in den Vordergrund. Und auch andere Nachwuchsleistungszentren stellen in ihren Ausbildungskonzepten die individuelle Förderung in den Vordergrund, wohl wissend dass es eh nur 1, 2 Spieler in den Männerbereich schaffen. Pressing lernen, Auslöser und Laufwege, kann jeder, aber durch ein fintenreiches Dribbling Überzahl zu schaffen bedarf einer hohen technischen Qualität und mentaler Stärke. Und das wird, wie schon erwähnt beim DFB und diversen anderen Vereinen gefordert und bestärkt von klein auf.
CE 4. Januar 2017 um 21:16
„Pressing lernen, Auslöser und Laufwege, kann jeder“ – Das würde ich klar bestreiten. Einen einzigen Laufweg allein kann natürlich jeder lernen, aber Timing, Wahrnehmung und Feldorientierung ist nicht einfach von jetzt auf dann antrainierbar, wenn man keine Grundlagen aufbaut. Und genau das ist zuweilen bei einigen Spielern – auch in der heute an sich hochklassigen Bundesliga – erkennbar.
CH 9. Januar 2017 um 12:15
Die Befürchtung kann ich nachvollziehen aber ich teile sie nur bedingt. In die Akademien kommen m.E. nur Spieler mit herausragender individueller Klasse. Der Mechanismus ist ja eher so, das solche „Perlen“ gesucht werden, weil man gewisse Fähigkeiten kaum trainieren kann.
Was sich gegenüber früher geändert hat, ist das sich die Perlen am Defensivspiel/ Pressing beteiligen müssen und sich nicht 60 Minuten ausruhen dürfen.
Das strukturierte, gruppentaktisch organisierte Spiel bezweckt neben der Erfolgstabilität auch zweierlei: die gegnerische, individuelle Klasse zu neutralisieren (Messi und Hazard sollen idealerweise gar nicht erst den Ball bekommen) und andererseits dem eigenen Genie die nötigen Freiräume zu schaffen (CR7 zocken lassen).
Wenn zwei Mannschaften das auf gleichem Niveau praktizieren, werden am Ende die genialen Momente den Ausschlag geben. Aber die kommen halt nicht mehr überwiegend von dem EINEN 10er sondern mal vom Innenverteidiger der durchdribbelt, mal vom Stürmer, der nach Gegnerecke den Konter per 50m Pass bedient …
HUKL 2. Januar 2017 um 15:49
Um ehrlich zu sein, sind mir diese akribisch aufgestellten Analysen einfach etwas zu ausführlich beschrieben, die in der jeweiligen Realität schneller abgelaufen sind….. Das ist nicht böse gemeint, doch nicht nur Wissenschaftler mit absolvierten Leistungskursen werden diese Zeilen lesen!
Die allgemeine Wut der meisten Nicht-Leipziger-Zuschauer richtet sich nach wie vor in erster Linie an den Verein, weil er mit geschickten Tricks wie eine Spinne erfolgreich die Verbände und Journalisten umspannt hat, die darauf natürlich auch hereinfielen und dafür eine tolle Plattform für eine jeweils kostenlose Werbung für die Firma erhalten, die aus der Ferne im Hintergrund auch die meisten Dinge finanziert. Was damit gemeint ist?
Natürlich schon alleine das Nennen des falschen Vereines, dass auch der Kommentator, TC, fälschlicherweise mehrmals tat, sorgt unter den aufmerksamen Beobachtern der Fußballszene für Ärger. Nicht von den „Roten Bullen“ darf die Rede sein, sondern lediglich von den „RasenBallsportlern“, wie sie es selbst 2009 bei ihrer abgekauften Geburtsstunde wollten! Wenn sich z.B. ein Verein bei seiner Gründung „Schwarzer Panther“ nennt, sollte er auch nicht von den ihn begleiteten Medien „Weiße Pferde“ genannt werden……..
Zum wiederholten Male darf ich abschließend betonen, dass das moderne Wort „Pressing“, eigentlich nichts anderes bedeutet als eine möglichst schnelle Ballzurückeroberung, die vom in Leipzig auf etwas längerer sowie in Stuttgart kürzerer Dauer tätigen Trainer Zorniger hoffähig gemacht wurde. Unter seiner Regie konnte damals auch Frahn nach einem eigenen Anstoß das wohl schnellste Tor nach nur 8 Sekunden in der 2. Bundeslliga erzielen! Diese auch noch gegenwärtig gezeigten überfallähnlichen Angriffe gehören zur besonderen Würze der in der 1. Liga bisher sehr erfolgreich aufspielenden RasenBallsportler! Bekanntlich musste aber Zorniger weichen, weil der kleine Rangnick trotzdem den etwas längeren Arm hatte……
tobit 2. Januar 2017 um 16:41
Der Name Rote Bullen (die sind ja Teil des Vereinswappens) geht ja noch, aber, dass der Club (ich sage bewusst nicht „Verein“) ständig „RedBull Leipzig“ genannt wird, geht mir auch auf den Sack.
Pressing bedeutet nicht möglichst schnelle Rückeroberung des Balles. Das ist Gegenpressing, dessen „Vater“ wiederum war nicht Zorniger sondern Klopp.
Pressing umfasst zahllose Strategien, die das Ziel haben den Ball in bestimmten Situationen zu erobern – das kann auch im eigenen Drittel nach 50 gegnerischen Pässen sein (z.B. indem man den Gegner am Flügel isoliert). So verwende ich zumindest die Begriffe.
Dass RB Leipzig durch sportlichen Erfolg die Marke Red Bull bewerben soll, finde ich auch nicht besonders. Wie in den Medien (und von Verbandsseite – Stichwort Einzelspiele) mit dem Club umgegangen wird ist auch ein Thema für sich. Trotzdem gefällt mir ihr Fussball und es interessiert mich auf sportlicher Ebene, warum sie so erfolgreich sind.
HUKL 3. Januar 2017 um 11:20
Gut recherchiert, tobit! Da ich aber kein Freund zum Streiten bin, sollte nur noch erwähnt werden, dass aus meiner Sicht der gerade verlorene Ball an den Gegner möglichst schnell wieder, auch in dessen Hälfte, von diesem zurückerobert werden! Ist das richtig?
Von Zorniger sprach ich, weil er diese Variationen wohl etwas eher mit großem Erfolg praktizieren ließ, doch eben nicht so bekannt war, wie später Klopp!
Zum Clubnamen: Ob es richtig war, unterschiedliche Gedanken seitens der beiden Verbände DFB/DFL auf dem Weg nach oben zuzulassen, sei dahingestellt. Fakt ist und bleibt, dass diese von den Drohungen eines evtl. „Rückzuges“ regelrecht eingeschüchtert wurden, besonders bei der kuriosen Wappengeschichte, die wohl einmalig gewesen sein dürfte!sein ! Auch die sonderbare langjährige Regelung mit Rangnicks Doppelposten als Sportchef bei zwei „Clubs“ im In- und Ausland, die natürlich für einen ständigen „Austausch“ untereinander Tür und Tor öffneten und die jeweiligen Mitbewerber staunen ließ, zählte zu den Geheimnissen von „RaBa“ Leipzig, die auf den Rängen nicht nur Freude verbreitete………
Ein Zuschauer 4. Januar 2017 um 00:19
Ich muss sagen, dass ich fasziniert davon bin, dass du SG Sonnenhof Großaßpach verfolgst. Oder ne… den 1. FC Normannia Gmünd?
Wobei man ja sagen muss, dass Rangnick schon vor Zorniger Pressing spielen ließ.
tobit 4. Januar 2017 um 16:11
Man wird wohl nicht den einen „Vater“ dieser Ideen finden. Klopp, Rangnick, Zorniger (u.v.a.) gehören aber alle dazu, jeder in seiner eigenen Art und Weise.
Dass sich die Verbände im Umgang mit dem Club nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, sehe ich genauso. Rangnicks „Doppelposten“ finde ich gar nicht so sonderbar. Es war eine effiziente und effektive Lösung, die sowohl in der Entwicklung der Spielidee, als auch bei Spielerverpflichtungen Vorteile brachte. Mit dem Aufstieg Leipzigs in die BL war aber klar, dass es effizientere Lösungen geben würde, da der Workload nicht mehr von einer Person zu bewältigen wäre – was auch Rangnick klar gewesen sein dürfte (gerade vor seinem persönlichen Hintergrund).
Ein Verschieben von Spielern zwischen zwei Clubs erfordert, wie die Beispiele Mane, Kampl und Hinteregger zeigen, aber immer auch die Zustimmung der Spieler. Rangnick hätte die drei wohl mit Freuden von Salzburg nach leipzig überführt (zu welchem Zeitpunkt auch immer). Daran waren sie aber nicht interessiert, da sie ihre eigene Karriere auf anderen Wegen besser vorangebracht sahen (ob sie damit recht hatten, bleibt dahingestellt).
CE 2. Januar 2017 um 17:36
„Das ist nicht böse gemeint, doch nicht nur Wissenschaftler mit absolvierten Leistungskursen werden diese Zeilen lesen!“ – Kein Problem, aber wir sind nun mal eine Special-Interest-Seite.
„Nicht von den „Roten Bullen“ darf die Rede sein, sondern lediglich von den „RasenBallsportlern“, wie sie es selbst 2009 bei ihrer abgekauften Geburtsstunde wollten!“ – Köln hat auch nicht „Geißböcke“ im Namen, noch Schalke den Begriff „Königsblaue“. Wir benutzen diese Synonyme trotzdem.
„[…] die vom in Leipzig auf etwas längerer sowie in Stuttgart kürzerer Dauer tätigen Trainer Zorniger hoffähig gemacht wurde.“ – Da Rangnick 2012 den Posten des Sportdirektors übernahm, kann ich dem nicht wirklich zustimmen. Wenn schon, dann war es Teamarbeit.
„Unter seiner Regie konnte damals auch Frahn nach einem eigenen Anstoß das wohl schnellste Tor nach nur 8 Sekunden in der 2. Bundesliga erzielen!“ – Das Tor fiel in der 3. Liga. Den Trick nach dem Anstoß haben sie aber auch gefühlt 50mal versucht.
Schorsch 2. Januar 2017 um 21:46
Das mit den ‚Geißböcken‘ und den ‚Königsblauen‘ sehe ich persönlich etwas anders. Die Vereinsfarben der Knappen (was sich auf die Tätigkeit der früheren Schalker Spieler im Bergbau bezieht) sind seit den 20ern Blau und Weiß (und die Trikots eben Königsblau). Den Geißbock ‚Hennes‘ (übrigens nach dem legendären Hennes Weisweiler benannt) als Maskottchen gibt es beim EffZeh bereits seit kurz nach der Vereinsgründung (muss so um 1950 gewesen sein). Beide Vereine sind nach den damals jeweils geltenden Statuten gegründet worden, ohne irgendeinen Dreh. Von Fußballenthusiasten und Fußballvisionären. Nicht von irgendeinem Konzern, der über den Sport sein Produkt vermarkten will. Die Auswahl des Maskottchens und des Vereinslogos (auch wenn es abgeändert werden musste) verfolgt nur diesem einen Zweck. Nicht zulässig war die Bennung des Vereins mit dem Namen des Produkts, aber die Namenswahl ist sehr tricky (und in meinen Augen lächerlich). Weder der FC Schalke 04, noch der 1.FC Köln sind von einem Konzern gegründet worden. Deren Trikots, Vereinsfarben, Maskottchen oder Kosenamen haben irgendetwas mit einem kommerziell vertriebenen fußballfremden Produkt zu tun.
Das alles hat mit der Analyse der fußballerischen Qualität von Rasenballsport Leipzig nichts zu tun. Aber es gibt schon Unterschiede zwischen RB Leipzig als Verein und allen anderen Vereinen der Bundesliga (einschließlich der TSG Hoffenheim) und der 2. Bundesliga.
Nur meine Meinung.
CHR4 3. Januar 2017 um 00:50
sehr richtig – und unter Fußballfans sollten die Stadien auch bitte weiterhin mit Volksparkstadion, Westfalenstadion, Waldstation usw. benannt werden!
alles andere finde ich genauso schlimm, es ist noch nicht solange her, das Barca ganz auf Trikot-Werbung verzichtet hat … mit Unicef kann ich noch ganz gut leben 😉
mir gefällt der Fußball der RasenBallSportler, die komische Brause trink ich einfach nich und damit isses gut für mich – jeder tue das, was er kann …
wir haben die Wahl – jeden Tag – der wahre Wahlzettel ist der Einkaufszettel!
PS: übrigens ist auch die Erwähnung von Namen von Konzernen für mich bereits Werbung (auch wenn man sich negativ äußert), da damit die Assoziationskette im Kopf erneut angestoßen wird …
HK 3. Januar 2017 um 10:14
@CHR4: Dein letzter Absatz ist dabei die Quintessenz des Ganzen. Darauf beruht doch ein großer Teil der Wirksamkeit des RB-Konzepts. Aufmerksamkeit, Schlagzeilen, Klicks etc. zu generieren. Erst mal völlig egal ob negativ oder positiv.
In diesem Sinne hat niemand das Geschäftsmodell von Mateschitz mehr befördert als seine tatsächlichen oder vermeintlichen Gegner. Ich denke der Mann wird sich bei jeder dieser Contra-Aktionen oder -stimmen kringelig lachen. Man stelle sich mal vor das wäre allen völlig gleichgültig gewesen??
In diesem Sinne geht die ganze krampfige Namensdebatte völlig an der Realität vorbei.
Ein schönes Beispiel sind die erwähnten Stadien. Mich würde mal interessieren wie viele Fußballfans, die nicht gerade Anhänger des jeweiligen Vereins sind, die gerade gültigen, offiziellen Namen ohne Hilfe aufzählen könnten. Ich glaube das wären gar nicht mal so viele.
Und warum? Weil das den meisten völlig gleichgültig ist.
Koom 3. Januar 2017 um 09:58
Bei dem wilden RBL-Gehate bekommt man durchaus Lust, eben Fan von Leipzig zu werden. Da werden sich Argumente und Begründungen aus dem Arsch gezogen, warum das alles so total fies und schlecht ist, dass es eine wahre Pracht ist.
Protipp: Wenn euch etwas stört: ignoriert es. Boykottiert es. Mit (argumentschwachem) Hass verbreitet und vergrößert man das, was man eigentlich nicht mag nur noch mehr.
Schorsch 3. Januar 2017 um 21:26
Ich weiß nicht, ob Du auch meinen post meinst. Mir war es jedenfalls nicht bewusst, dass ich mit meinen Einlassungen zu einem ganz bestimmten Punkt aus CEs Argumentation ein ‚wildes RBL-Gehate‘ veranstaltet hätte. Meine Meinung zu diesem bestimmten Punkt und die entsprechende Begründung mag argumentationsschwach sein, das liegt letztlich im Auge des jeweiligen Betrachters. Aber dass ich damit ‚Hass‘ verbreiten würde, wäre mir neu. Hass ist ein starkes Wort. Zumal ich RB Leipzig in bestimmten Bereichen durchaus Sympathie entgegenbringe.
Es kann auch durchaus sein, dass ich mir Argumente und Begründungen ‚aus dem Arsch gezogen‘ habe. So genau kann ich mich daran nicht erinnern. Aber ich finde bei RBL gar nicht ‚alles so fies und so schlecht‘ und habe das auch nirgendwo geschrieben. Und bevor ich es wieder vergesse, diese Auffassung entspringt meinem Hirn und nicht irgendeinem anderen Körperteil… 😉
ES 3. Januar 2017 um 12:42
Die krampfhafte political correctness der Vermeidung der Bezeichnungen „rote Bullen“ oder „RedBull Leipzig“ erinnert mich an die Lächerlichkeit des Marcel-Reifschen Hinweises in den 90ern, dass man die Spieler Ghanas an den gelben Stutzen erkenne, wo es doch ganz offensichtlich war, woran man die Spieler Ghanas von den deutschen Spielern unterscheiden konnte. Wie schon von anderen Kommentatoren angemerkt, verstärkt das Vermeiden eher den Hinweis auf das Nicht-ausgesprochene.
Ich bin ebenfalls kein Fan von diesem Brause-Getränk, aber direkt ethisch verwerflich kann ich es nicht finden ohne mindestens 50% aller anderen im normalen Supermarkt angebotenen Lebensmittel, die im Zweifelsfall dick und süchtig machen, ethisch verwerflich zu finden.
Ist das Mateschitzsche Unternehmen ein ethisch zweifelhaftes Unternehmen? Ich kenne mich nicht im Detail aus, aber ich vermute, dass die Angestellten ganz ordentlich behandelt werden und dass auch dieses Unternehmen wie die anderen Sponsor-Unternehmen der Bundesliga alles halb- bis viertel-legale tut, um Steuern an den Staat zu vermeiden, und damit seine Pflicht gegenüber der Gesellschaft zu erfüllen. Wer das (durchaus zu Recht) verwerflich findet, muss damit 90% aller Unternehmen geißeln.
Mateschitz unterstützt einen Fußball-Club mit sehr viel Geld. Ist das an sich schlimm? Wohl kaum, das passiert überall. Kein einziger Bundesliga-Club lebt von den Zuschauer-Einnahmen und den Beiträgen seiner Mitglieder. Die Sponsoren unterstützen die Clubs auch nicht aus übergroßer Liebe zum Fußball allein, sondern weil sie eine positive Aufwertung ihrer Marke durch die Verbindung mit der (möglichst erfolgreichen) Sportmarke erwarten.
Alle Fußballclubs versuchen außerdem Einnahmen dadurch zu generieren, dass sie in den (in der Regel unkontrollierten, undemokratischen, potentiell korrupten) Verbands-Gremien Einfluss auf die Verteilung von Geldern nehmen. Am Liebsten so, dass man sich gleichzeitig nach der Art der Bauernverbände als Interessent des wahren Fußballs und der kleinen Vereine geriert (ein Verein aus einer südlichen Landeshauptstadt macht das seit langer Zeit mit großem Geschick). Ist das ein ethisch höher stehendes Vorgehen als Sponsoring?
Entsteht durch so ein intensives Sponsoring Chancen-Ungleichheit und geht der Fußball dadurch kaputt? Chancen-Gleichheit hat es so nie gegeben, das ist und war eine Illusion. Als Schalke Ende der 20er Jahre vom Spielbetrieb ausgeschlossen wurde, hat sich der Verband offenbar gegen die Chancenungleichheit, die die faktisch gehaltsmäßige Bezahlung der Schalker Spieler gegenüber den (tatsächlich?) Amateurvereinen darstellte, zur Wehr setzen wollen. Auch schon damals ist der Untergang, wenn nicht des Abendlandes, so doch des „ehrlichen“ Fußballs prophezeit worden. Und den Siegeszug Schalkes hat es so weinig aufgehalten wie die weitere Ökonomisierung des Sports (parallel zur Ökonomisierung anderer Bereiche der Gesellschaft), insbesondere des Fußballs (von der Verzögerung dieser Kommerzialisierung durch andere politische Ereignisse der 30er und 40er Jahre mal abgesehen).
Sind sogenannte Traditionsvereine was Besseres, haben besonderen Schutz verdient oder sich aus einer irgendwie höheren Warte für mehr Schutz qualifiziert? Ich wüsste nicht warum. Irgendwann hat diese Tradition mal angefangen. Alle Traditionsvereine sind erst geworden, auch indem sie die Vorherrschaft anderer Traditionsvereine in ihrer Region gebrochen haben. Das haben sie Glück, Geschick, günstigen Umständen, besonderen Persönlichkeiten zur rechten Zeit, und einer entsprechenden Portion wirtschaftlicher Kraft zu verdanken. Diese Dinge kommen gerade sher günstig bei RB Leipzig zusammen. Und wenn diese Komponenten nicht mehr so günstig zusammen kommen, dann ist nur noch die Tradition da, und andere Vereine begründen neue Traditionen. Ich kann an dieser Ablösung und der Begründung von Neuem nichts Schlechtes finden.
Also, ich finde keinen schlimmen Punkt an RB Leipzig und dem Engagement der Firma RedBull in diesem Sportgebiet.
Was ich dagegen schlimm finde, ist das Sponsoring von RedBull in anderen sogenannten Sportarten, bei denen junge Sportler in immer größere Risiken für ihr eigenes Leben hinein getrieben werden, mit tatsächlich mittlerweile etlichen Toten bzw. schwer fürs Leben Gezeichneten. Wenn man sich schon über etwas aufregt, dann bitte hier.
rb 3. Januar 2017 um 13:30
ich bin bzgl. rb leipzig zweigeteilt: einerseits halte ich die traditionsargumentation für sehr problematisch – sie erinnert mich ein bisschen an die kulturalistische argumentation, dass alteingessenes reiner ist und neues, anderes deshalb zurückzuschlagen wäre (afd lässt grüßen). andererseits ist die watzke’sche aussage, dass rb leipzig nur existiert, um eine brausedose zu promoten, nicht ohne fundament – michael gassmann hat das geschäftsmodell von red bull ziemlich gut dargelegt in der welt am sonntag; siehe hier: http://www.turi2.de/aktuell/meinung-michael-gassmann-haelt-marketing-fuer-die-substanz-von-red-bull/
Daniel 3. Januar 2017 um 16:07
„Mateschitz unterstützt einen Fußball-Club mit sehr viel Geld. Ist das an sich schlimm? Wohl kaum, das passiert überall. Kein einziger Bundesliga-Club lebt von den Zuschauer-Einnahmen und den Beiträgen seiner Mitglieder. Die Sponsoren unterstützen die Clubs auch nicht aus übergroßer Liebe zum Fußball allein, sondern weil sie eine positive Aufwertung ihrer Marke durch die Verbindung mit der (möglichst erfolgreichen) Sportmarke erwarten.“
Damit hast du einerseits Recht. Andererseits ist es für viele Menschen emotional ein Unterschied, ob ein Verein Werbung macht…oder ob ein Verein Werbung IST. Die meisten Fußballvereine sind Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet worden von eher wenig wohlhabenden jungen Leuten, die einfach nur kicken wollten und sich teilweise gegen Vorurteile gegenüber dem Fußballsport wehren mussten. Im Laufe von Jahrzehnten sind daraus dann die heutigen Buli-Vereine geworden. Auch wenn diese Vereine heute eher Unternehmen sind (und wie du richtig sagst ebenfalls gesponsert werden), sind sie nicht aus dem Grund geschaffen worden, um ein Produkt zu vermarkten.
Mein persönlicher Hauptkritikpunkt ist aber ohnehin ein anderer: In meinen Augen sollte es verboten werden, dass eine Person oder ein Unternehmen Eigentümer von mehreren Fußballvereinen sein kann. RB Leipzig ist ja gar kein abgeschlossener Verein im klassischen Sinne, sondern eher eine Unterabteilung der RB-Fußballabteilung. Das Spielergeschacher zwischen Leipzig und Salzburg untergräbt den sportlichen Wettbewerb. Langfristig kann diese Wettbewerbsverzerrung noch extremer werden: was passiert denn, wenn RBL und RBS im Europapokal aufeinandertreffen? Gibt es dann eine „Stallorder“, dass das Team mit den größeren Chancen auf den Gesamtsieg zu gewinnen hat (in der Formel 1 zB ist das Gang und Gäbe)? Das hat dann mit dem Sportgedanken wirklich gar nichts mehr zu tun.
ES 3. Januar 2017 um 18:08
Das historische Argument („…sind sie nicht aus dem Grund geschaffen worden, um ein Produkt zu vermarkten.“), überzeugt mich nicht, denn erstens waren selbstverständlich die Gegebenheiten vor mehr als 100 Jahren andere als heute und zweitens interessiert mich die Intention nicht, wenn das Resultat das Gleiche ist (es sei denn die Intention wäre unethisch, aber dann müsste man jede Zweckentfremdung des Fussballs zu anderen, kommerziellen Zwecken unethisch finden). Ich glaube nicht, ob das für die Menschen wirklich emotional ein Unterschied ist. Emotionen entstehen am Ende und im Wesentlichen durch Erfolg. Einmal dagewesener Erfolg kann emotional sehr lange tragen, über Jahrzehnte, das ist das Grundprinzip der Traditionsvereine. Wenn Erfolg nicht aber zumindest sporadisch wiederholt wird, gehen die Gründe für emotionale Bindung verloren (zumindest bindet man keine neuen Fans, wenn die alten auch womöglich treu bleiben). Dem Fan ist es am Ende sehr egal, wodurch der Erfolg erzielt wurde, ob durch günstige strukturelle Bedingungen, einen Börsengang, einen Scheich oder durch einen Getränkehersteller. Und ob der nur seine Marke vorwärts bringen, seiner neuen Freundin imponieren will oder sich tatsächlich für Fußball interessiert, ist für den Fan auch nur eine Randnotiz. Natürlich sucht der gegnerische Fan (emotionale) Gründe, warum der anderer Verein böser ist (je erfolgreicher der andere Verein ist, desto wichtiger wird der Aspekt), aber da wird man bei jedem Verein fündig.
Dein zweiter Punkt bzgl. des Wettbewerbsvorteils durch Kontrolle über mehrere Vereine zeigt tatsächlich aktuell noch ein Alleinstellungsmerkmal des RB-Fußballs. Ist ja auch erst einmal eine gute Erfolgs-Idee. Hier müssten sich die Fußballverbände überlegen a) inwiefern unterscheidet sich das von Kooperationsverträgen, die die großen Vereine ohnehin schon mit kleineren (dann abhängigen) Vereinen haben nach dem Motto („Du gibts mir Deine guten Spieler, dafür unterstütze ich Deine Jugendarbeit“) b) ist solche Tendenz aufzuhalten? c) wie kann man das regulieren? d) ist das wirklich so verheerend für den Sport?
tobit 4. Januar 2017 um 15:48
Zu einem Duell der RB-Clubs auf europäischer Ebene kann es – soweit ich weiß – überhaupt nicht kommen, da die UEFA die Teilnahme mehrerer Vereine des selben Besitzers an ihren Wettbewerben nicht gestattet.
Vitesse Arnheim, ein Kooperationspartner von Chelsea entging diesem Ausschluss vor ein paar Jahren nur durch einen Leistungseinbruch kurz vor Saisonende.
RB ist auch längst nicht der einzige Eigentümer mehrerer Clubs in Europa. Giampaolo Pozzo kontrollierte zeitweise Udine, Granada und Watford und betrieb einen regen Austausch an Spielern zwischen den Clubs. Er ist auch einer der Erfinder der modernen Scouting-Netzwerke, durch die er reihenweise Talente günstig kaufen und nach Entwicklung bei seinen Clubs oder Leihstationen mit Gewinn weiterverkaufen konnte.
CE 5. Januar 2017 um 15:46
Red Bull ist jedoch nicht der Besitzer von RB Leipzig, weshalb die Rechtslage bei weitem nicht so klar ist. Die Diskussion über die faktische Kontrolle des Vereins gibt es seit der Profilizenzierung.
tobit 5. Januar 2017 um 16:24
Es hätte vor ein paar Jahren meine ich fast den Präzedenzfall gegeben, dass zwei von gleicher Stelle kontrollierte Clubs sich für UEFA-Wettbewerbe qualifizierten. Vitesse Arnheim und Chelsea entgingen dem, wenn ich mich richtig erinnere, durch einen Leistungseinbruch der Niederländer (deren Schlüsselspieler in großen Teilen geliehene Chelsea-Talente waren) am Saisonende.
Ob es bei den RB-Vereinen dazu kommt, ist ja auch noch nicht gesichert, dafür sind die Abstände von Leipzig und besonders Salzburg auf die nicht-internationalen Plätze bisher zu klein.
Spätestens im Juli werden wir wissen, wie die UEFA damit zu verfahren gedenkt.
Gh 9. Januar 2017 um 16:38
ich glaube, dass man in einem solchen system wie dem heutigen profifußball weniger die spieler bemitleiden sollte, die es zum profi geschafft haben wie götze. eher die masse, die in den jugendakademien irgendwann eiskalt abserviert wurde. habe da als eher unfreiwilliger „teamarzt“ der jugendabteilung eines zweitligisten (die jungs wohnen alle bei mir um die ecke und kommen zu mir in die praxis) einen ziemlich erschreckenden einblick. spielen unter schmerzen, spielen unter enormen druck der trainer. falsche versprechungen. fliegt dann einer aus dem team bedeutet das übrigens auch, dass er sich gleich mal ne neue schule suchen kann. stichwort schwerpunktschule. so viel zum thema: den clubs ist es auch wichtig, dass die jungs einen schulabschluss haben. ob götze nen schulabschluss hat kann ihm ziemlich wurscht sein… häufige aussage der aussortierten: und dafür hab ich jetzt meine jugend verschwendet. 2 monate später sind sie dann alle glücklich, dass alles vorbei ist und sie endich ein normales leben führen können.
ES 3. Januar 2017 um 16:30
Übrigens, und mal alle Sachlichkeit bei Seite: Dass ich in der Kurve und in meinem Wohnzimmer diesen widerlichen Emporkömmlingen, die überflüssigerweise noch sauguten und attraktiven Fußball spielen, nur die Pest an den Hals, und letztlich ein noch ekligeres Ende als den Schwarz-gelben und den Roten wünsche, ist meine private Angelegenheit, und würde ich niemals in so einem Forum wie diesem äussern. 🙂
mh 4. Januar 2017 um 14:15
Kontrolle über mehrere Vereine ist übrigens gar kein Alleinstellungsmerkmal von RedBull. Die Familie Pozzo praktiziert(e) ja sowas ähnliches. Denen gehören Udine, Watford, und bis Juni 2016 hatten sie auch noch Granada. Da wurden genug Spieler hin und hergeschoben 😉
sid 3. Januar 2017 um 16:27
“ Von Fußballenthusiasten und Fußballvisionären. Nicht von irgendeinem Konzern“
Bloss das sich Zeiten eben ändern. Es ist ein absolut legitimes Geschäftsmodell einen Verein zugründen und an die Buli Spitze zuführen, wo man dann auch ein ordentliches Stück vom CL-Geld-Kuchen abgekommt. Warum das nur Traditionalisten vorbehalten sein soll, bleibt weiterhin fraglich.
Wer beim Fussball noch in Denkmustern der 50er Jahre festhängt, hat den Knall noch nicht gehört.
Schau dir Hamburg an, wer brauch so einen Mist noch, da lobe ich mir Vereine wie RB, die die Sache mit der nötigen Professionalität angehen.
Die positive PR für die Getränkemarke gibt es quasi umsonst dazu.
Schorsch 3. Januar 2017 um 22:36
Ich wüsste nicht, wo ich etwas gegen die Gründung eines Vereins und das Führen dieses Vereins an die Spitze geschrieben habe. Ich wüsste auch nicht, wo ich etwas darüber gesagt hätte, dies sei nur ‚Traditionalisten‘ vorbehalten. Es entspräche auch nicht meiner Auffassung. Das was z.B. Dietmar Hopp in Hoffenheim geschaffen hat, sehe ich zwar nicht gänzlich unkritisch, aber voller Respekt und Anerkennung. Ich bin kein expliziter Gegner RB Leipzigs. Mir ging es mit meinen Einlassungen spezifisch um die Argumentation CEs in einem ganz bestimmten Punkt, die ich so nicht nachvollziehe. Davon abgesehen ist die ‚Gründung‘ des Vereins ‚RasenBallsport Leipzig‘ in meinen Augen schon mit einer üblichen Vereinsgründung nicht unbedingt zu vergleichen. Die Geschichte dieser Vereinsgründung und die entsprechenden Abläufe waren schon recht ungewöhnlich.
In den 50ern gab es in Deutschland noch keinen professionellen Fußball, jedenfalls offiziell. Das hat sich erst mit der Einführung der Bundesliga geändert, wobei das deutsche Vereinsrecht nach wie vor Gültigkeit hatte. Das ist auch heute noch so, trotz der Ausgliederungen der Fußballabteilungen. Es gibt auch ein Gerichtsurteil (aus den 80ern?), was die Vereinbarkeit von Vereinsstatus und ausgegliederter Fußballabteilung bestätigt. Letztlich fußt die ’50+1′-Regelung darauf. Dass professioneller Fußball und Geld miteinander verquickt sind, liegt in der Natur der Sache. Ich habe weder ein generelles Problem mit Sponsoren, noch mit Beteiligungen ’strategischer Partner‘. Auch nicht damit, dass diese naturgemäß ihren Einfluss in den entsprechenden Clubgremien geltend machen. Die Frage für mich persönlich ist nur, wo die Grenzen sind. Da ist die ’50+1′-Regelung in Deutschland bei aller Unzulänglichkeit für mich im Prinzip eine gelungene Lösung.
Ich habe aber ein Problem mit bestimmten Sponsoren und strategischen Partnern. Da mag man mir vorwerfen, ich sei weltfremd und moralinsauer. Stimmt vielleicht, aber ich bin nun einmal gegen menschenverachtende Regime. Dass man mit diesen in einem bestimmten Rahmen Geschäfte macht, wie es die Bundesrepublik tut, ist wohl nicht zu verhindern und wahrscheinlich sogar notwendig. Ob ich diese dann beim Fußball allerdings noch als Sponsor oder gar Eigentümer sehen muss, ist ein andere Frage. ‚No to racism‘ oder ‚Respect‘ sind schöne Begriffe. Ob diese dann auch mit der Realität so mancher Sponsoren etc. übereinstimmen? Gleiches gilt übrigens für die Satzungen so mancher Bundesligisten bzw. deren Fanclubs im Abgleich zu deren Sponsoren und Partnern.
Herr Matteschitz zählt für mich keineswegs dazu. Er ist ein self-made-Milliardär, mit einem Konsumprodukt durch geschickte Vertragsgestaltungen und cleveres Marketing reich geworden, ohne andere zu schädigen. Das nötigt mir allen Respekt ab. Und ich hege durchaus Bewunderung für solche Menschen, auch wenn ich die Haltung von Mattesch z.B. zu Betriebsräten sehr kritisch sehe. D. h. wiederum nicht, dass ich RB Leipzig als Vereins-/clubkonstrukt unkritisch sehen würde. Letztlich möchte ich keine Verhältnisse, wie z.B. in England. Einen Club wie ManCity, dem ich einmal sehr zugetan war (was wohl ‚Bert‘ Trautmann geschuldet war), lehne ich persönlich seit der Änderung der Besitzverhältnisse ab. Ich hoffe nicht, dass dies die Zukunft auch des deutschen Fußballs ist. Ist aber nur meine persönliche Meinung.
Noch zum HSV: Ein spezieller Fall, der mMn als Beispiel nicht unbedingt tauglich ist. Dass es auch anders geht, haben nicht nur Bayern München und nach dem Fastbankrott auch der BVB bewiesen, sondern zeigen Clubs wie der FC Freiburg, Mainz 05 oder andere seit Jahren bzw. Jahrzehnten. Es hängt eben auch viel von den handelnden Personen ab.
Koom 3. Januar 2017 um 22:59
ManCity ist da ein gutes Beispiel. Auch Chelsea empfand ich mal als derart verbrannt. Konzeptlos einfach einkaufen, was teuer ist und gut klingt und mit den Millionen/Milliarden um sich werfen. Das bleibt in jeder Hinsicht immer unsympathisch, deswegen rangiert auch der HSV in DE in Sachen Beliebtheit eher unten. Wenn ein wie auch immer gestrickter Verein eine eigene Identität findet und diese bewahren kann, dann ist Tradition letztlich egal. Ein Freiburg ist eigentlich kein Traditionsklub in dem Sinne der HSVs & Co, hat aber seine Berechtigung geschaffen. Mainz 05 lange ebenso, gerade wankt es etwas wegen diverser Personalien.
HUKL 3. Januar 2017 um 11:31
Natürlich gut aufgepasst, CE! Ob allerdings dieser „Überfalltrick“ vom heutigen Eisverkäufer Frahn ein- oder 100-mal vorher im Training probiert wurde, sollte keine große Rolle spielen!
CE 3. Januar 2017 um 12:26
Nein, natürlich nicht. Ob man 50 Ballverluste produzieren möchte, sollte man zumindest berücksichtigen. Schlecht war der Spielzug aber nicht. Und er passte auch zum Offensivstil der Mannschaft.
savona 2. Januar 2017 um 21:00
Wie wäre es, dem Namensärgernis nicht durch quasi bürokratisches Insistieren auf der Eintragung im Vereinsregister zu begegnen, sondern mit einer Verfremdung, die zu verschiedenen Assoziationen einlädt, u.a. auch einen berühmten Filmtitel (Scorsese) zitierend? Die RagingBulls. Mir zumindest würde das Spaß machen, wegen der sowohl positiv als auch negativ besetzten und dadurch nicht eindeutig zu kategorisierenden Konnotationen.
Koom 4. Januar 2017 um 12:28
RB Leipzig stellt übrigens kein Novum dar. Vor über einem Jahrzehnt gab es bereits in der 2.Liga als „Projekt“ Leichtathletik- und Rasensport Ahlen, kurz LR Ahlen. Geldgeber war LR International, der maßgeblich die Fusion zweier anderer Vereine bewirkte und ihm seinen Firmennamen rein… bastelte.
HK 4. Januar 2017 um 13:55
Nichts geht über Chio Waldhof. Hmm, der Name löst doch heute noch Speichelfluss aus.
oschad 2. Januar 2017 um 10:03
Kurze technische Bemerkung: ich werde seit einiger Zeit immer auf Onedrive von euch weitergeleitet, was den Lesespaß auf etwa 10 Sekunden begrenzt. Die Grafiken scheinen verantwortlich
CE 2. Januar 2017 um 11:12
Das hatte vielleicht mit der eingebauten Excel-Tabelle aus OneDrive zu tun.
osch@d 2. Januar 2017 um 23:29
Mein Workflow müsste dann sein, mir einen Account dort zu besorgen, was ich nicht tun werde, um womöglich dann die gemeinte Grafik/Tabelle sehen zu können.
Ich klicke dann zurück, lese nochmal, und wenn wieder die Seite kommt, drücke ich weg und meide SV ein paar Tage.
August Bebel 1. Januar 2017 um 14:17
Sehr informative Analyse, vielen Dank!
Ihr habt zwei Graphiken zu einer Szene (ist doch diesselbe vor dem 1:0, oder?) Leipzig gegen Bayern, die aber zumindest hinsichtlich der benannten Spielern nicht zusammenpassen, glaube ich. Einmal steht Forsberg weit weg auf der anderen Seite, das andere Mal ist er ziemlich nah am Ball.
CE 1. Januar 2017 um 14:27
Wir haben eine Grafik zum 0:1 gegen Bayern. Diese: https://spielverlagerung.de/wp-content/uploads/2016/12/2016-12-21_Bayern-Leipzig_Szene5.png?x76132
August Bebel 1. Januar 2017 um 19:26
Ah ja, hab ich missverstanden. Wegen des Textes dachte ich, das hier (https://spielverlagerung.de/wp-content/uploads/2016/12/2016-11-06_Leipzig-Mainz_Szene2.png?x76132) wäre diesselbe Szene. Danke für die Antwort!
Koom 1. Januar 2017 um 12:27
Danke für den Artikel. Aufschlussreicher Artikel über eine interessante Mannschaft bzw. „Planung“. Ein bisserl hätte ich mir noch mal ein Eingehen auf Rangnicks 20 Sekunden-Regel gewünscht und ein Ausblick, was sich konkret ändern/weiterentwickeln kann.
luckyluke 1. Januar 2017 um 13:14
Zu dem Ausblick hätte ich auch noch ein, zwei Fragen:
– habt ihr da genaue Vorstellungen des Perfektionierens bzw. Weiterentwickelns oder war das mehr so eine Floskel?
– Welche Aspekte liesen sich denn noch perfektionieren?
– Wie könnte eine Weiterentwicklung aussehen? Gerade in Abgrenzung zum „nur“ Perfektionieren? Oder ist das in erster Linie auch mit Neuzugängen verbunden?
TW 1. Januar 2017 um 16:44
Die Perfektionierung bezieht sich auf die zwar selten, aber immer noch vorkommenden, Probleme beim Durchsichern sowie das übertriebene Zuschieben bei chaotischen Szenen am Flügel.
Eine Weiterentwicklung wäre hinsichtlich einer Alternativformation (4-3-1-2, 4-3-3-0, 5-3-2) denkbar. Aktuell sind sie komplett auf das 4-2-2-2 festgelegt, wenn auch darin natürlich sehr flexibel. Weiterentwicklungsmöglichkeiten gibt es auch im Aufbauspiel, das aktuell doch noch sehr auf festen Abläufen und den passenden Dynamiken basiert. Gegen hochpressende Gegner, die diese Mechanismen direkt stören, geraten Sie teilweise noch in Probleme.
TW 1. Januar 2017 um 16:49
Das habe ich kurz, wenn auch nicht explizit, in der Einleitung zum Aufbauspiel angesprochen. Dadurch, dass direkt beim ersten Andribbeln der Halbverteidiger die Dynamiken im 2. und letzten Drittel bedient werden, laufen die Angriffe immer sehr schnell ab. Deswegen gibt es auch kaum einen Unterschied zwischen Aufbau- und Umschaltspiel. Die entsprechende Unordnung im Defensivverbund wird im Aufbauspiel durch die Positionsrotationen erzeugt. Diese extremen Dynamiken und Verschiebebewegungen ließen sich auch nicht über längere Ballbesitzphasen aufrecht erhalten.