Späte Spielkontrolle ebnet den Weg
Vor der Pause prägten viele lange Bälle das Bild in Wolfsburg, in Halbzeit zwei kamen die Schalker zu immer mehr Spielkontrolle und sicherten sich letztlich den Sieg.
Wolfsburg und Schalke lieferten sich im ersten Durchgang eher eine Schlacht der langen Bälle als ein wirkliches Topspiel. Das hohe Zustellen des Gegners erzwang häufig diese Art der Spieleröffnung, so dass viele Ansätze früh vernichtet wurden und sich ein geregeltes Zusammenspiel kaum erst einmal aufbauen konnte. Die Schalker blockierten mit den Stürmern die beiden VfL-Innenverteidiger und arbeiteten im Mittelfeldzentrum mit losen Mannorientierungen. So hatten sie zunächst alle Aufbaustationen für die Niedersachsen abgedeckt, bei ausweichenden Bewegungen gaben sie die Zuordnungen an Arnold und Co. schnell auf, um sich auf Zentrumspräsenz zu fokussieren.
Versuchten die Gastgeber das über die nominell freien Außenverteidiger zu umspielen, rückten zumeist die Schalker Flügelläufer weit heraus, im Anschluss an lange Bälle übernahmen tendenziell die Achter das jeweilige ballnahe Herausrücken nach außen. Jene langen Zuspiele schlugen die Wolfsburger bevorzugt nach halbrechts auf Gomez, der zwar von Arnold und Balanceakteur Kuba Unterstützung erhielt, aber gegen den Schalker Restblock schon numerisch wenig Aussichten hatte. Nach Abprallern spielte der VfL oft nur den Flügel herunter oder suchte Arnold diagonal, das Einrücken Caligiuris in den ballfernen Halbraum übersahen sie in diesen Momenten zu oft.
In einer anderen Konstellation war Caligiuri aber der potentiell gefährlichste Wölfe-Akteur in einer von beiden Seiten chancenarmen ersten Halbzeit. Die Wolfsburger Sechser sorgten für einige weiträumige Diagonalläufe zu den Außenverteidigern, um schnelle Doppelpässe zu spielen. Beim richtigen Timing konnten sie – zumal Schalke in der Horizontalkompaktheit punktuell kurz unausgewogen wurde – den herausrückenden Flügel der Gäste überspielen. Dann entwickelten sich mal Chancen, um – vor allem in Person Caligiuris – Dribblings zwischen Flügel- und Halbverteidiger zum Strafraum zu starten. Ansonsten kamen sie aber kaum mal durch das Mittelfeld gegen die 5-3-2-Formation, zumal auch Arnolds ausweichende Phasen teilweise überhandnahmen und die Kohärenz untereinander erschwerten.
Das Zustellen der Gastgeber gestaltete sich anfangs asymmetrisch: Natürlich rückte situativ auch Kuba mal heraus, aber insgesamt blieb der Pole tiefer als Caligiuri auf der anderen Seite. Dieser formte mit Arnold und Gomez zumeist eine flache, leicht verschobene Dreierreihe und versperrte Höwedes die Passwege nach vorne. Mit den drei Akteuren vorne konnte der VfL dann auch weiter nachrücken und einige lange Bälle provozieren, häufig von Fährmann geschlagen. Lange fanden die Gäste keinen guten Rhythmus, hatten auch ganz vorne eher wenig Präsenz. Wenn Schalke sich kontrollierter durch das zweite Drittel hindurchzuspielen vermochte, ging es wegen der Wolfsburger Asymmetrie eher über links.
Dort wiederum konnte Wolfsburg den Flügel durch den tiefen Kuba schnell mit absichern oder den Halbraum stärken. Die Schalker Versuche, jene äußere Bahn zu überladen, taten sich daher schwer, auch wenn Wolfsburg nicht immer vollends organisiert war und viel mit improvisierten Herausrückbewegungen arbeiten musste. Insgesamt zeigten sich die Bemühungen der Gelsenkirchener vorne etwas zu fragmentarisch, sowohl in der Anbindung der Stürmer als auch zwischen den Achtern. Der jeweils Ballnahe zeigte vor allem Freilaufbewegungen nach außen, wo die Szenen eher simpel weitergespielt werden mussten und Schalke zu konsequent weitere Optionen schuf.
Auf Seiten der Hausherren fokussierten sich die Sechser konsequent auf das weite Herüberschieben zur Seite. Teilweise verband sich das mit situativen Mannorientierungen. Dabei wurden jedoch die Horizontalabstände kollektiv nicht gut genug reguliert und nicht taktisch konstant von Kollegen aufgefangen, so dass neben dem verbleibenden Mittelfeldakteur bisweilen größere Lücken aufgingen. Nur zeigte Schalke lange zu wenig Konsequenz, dort gezielt Spieler zu positionieren: Es schien, als sollten die Stürmer sich eher unterstützend beteiligen oder die horizontal teils unsaubere Orientierung der Wolfsburger Verteidigung beschäftigen, dabei kam jedoch ihre Einbindung in den Zwischenräumen zu kurz. Dass dort Potential lag, zeige Meyers Abschluss kurz vor dem Seitenwechsel.
Nach der Pause veränderte sich das Bild der Begegnung deutlich: Die Schalker nahmen nun das Heft in die Hand und agierten viel dominanter. Neben dem strategischen Aspekt spielte dafür auch das veränderte Pressing der Mannschaft von Valerien Ismael eine Rolle, die nun eher 4-2-1-3-haft agierte: Arnold bewegte sich tiefer hinter Gomez und orientierte sich enger an Geis, die offensiven Flügelspieler sollten in den Räumen zwischen Halb- und Flügelverteidigern stehen und Pässe auf Letztere unterbinden. Das sah zunächst ganz gut aus, sollte sich im Endeffekt aber nicht unbedingt so auswirken.
Da der VfL diese Variante auch etwas tiefer interpretierte, ergab sich für Schalkes Dreierkette mehr Zeit zur raumgreifenden Zirkulation. Im Zuge der dann größer werdenden Dominanz konnte im Übrigen die Absicherungsstabilität dieses Konstrukts häufiger greifen. Zudem wurde den Gästen durch die neue Spielweise der Wolfsburger Außen nun eher die Mitte angeboten. Zwar sahen sie sich dort vermehrt auch Mannorientierungen seitens des VfL ausgesetzt und mussten häufig unter Druck agieren, hatten aber zumindest längere Phasen, in denen sie auch mal dort das Leder laufen lassen konnten. Mehr und mehr drückten Weinzierls Mannen dem Spiel den eigenen Stempel auf.
Schließlich waren in dieser Systematik der Gastgeber die Außenverteidiger zu klareren oder zumindest klar angedeuteten Herausrückbewegungen – gegen Schöpf und Kolasinac jeweils – gezwungen. Das mussten sie zwar zuvor auch einige Male, aber eher situativ aus der Dynamik heraus, getragen von wechselhafteren und chaotischeren Situationsumgebungen. Nun gestaltete sich das Ganze aus einer systematischeren Umgebung heraus, bei weniger Druck auf den Gegner, der das also stringenter bespielen konnte. Schalke suchte nun verschiedene Bewegungen in die entstehenden Zwischenlücken. Links tat sich beispielsweise wieder Bentaleb mit vielen Diagonalläufen aktiv hervor. Der jeweilige Wolfsburger Sechser musste dann aus dem Zentrum weit hinterhergehen.
Hatte Schalke vor der Pause vereinzelt Probleme zwischen Flügel- und Halbverteidiger offenbart, wirkten nun die Wolfsburger zwischen Außen- und Innenverteidiger instabil. Das wurde zwar nicht immer direkt gefährlich, aber brachte Unruhe. Insgesamt spielte Schalke nun druckvolle Flügelangriffe, konnte aus der Zentrumskontrolle heraus auch mal neue Szenen ankurbeln oder überraschende Verlagerungen anbringen. Sie drängten, liefen sich einige Male fest und blieben – bis auf Schöpf nach einem langen Ball – zunächst ohne den großen Durchbruch. Ismael wollte die Schnittstellen abdecken und die Flügel gegen Schalkes Angriffe stabilisieren: Dafür fiel Luiz Gustavo tiefer zurück, oft bis in Fünferketten. Die Rückraumsicherung jedoch allein dem in seiner Positionsfindung eher inkonstanten Guilavogui zu überlassen, ging schief: Beim spät über links eingeleiteten 0:1 fand der VfL keinen Zugriff mehr auf den nachstoßenden Goretzka.
4 Kommentare Alle anzeigen
ES 21. November 2016 um 11:28
Besten Dank für die Analyse des Wolfsburg-Schalke-Spiels. Die beiden Halbzeiten haben gezeigt, wo Schalke mittlerweile deutliche Fortschritte erzielt hat, und wo es noch hapert.
Die zweite Halbzeit hat gezeigt, dass sie tiefer stehende Gegner mittlerweile sauber dominieren und bespielen können, wenn man die Dreierreihe einigermaßen in Ruhe aufbauen lässt. Das haben auch die Spiele gegen Bremen und Mainz gezeigt. Schwierigkeiten hat Schalke, wenn der Gegner höher und agressiver presst. Da fällt dann auch das im Spielaufbau zwar verbesserte, aber im Vergleich zum sonstigen Mannschafts-Niveau besonders unter Druck noch immer unzureichende Aufbauspiel Fährmanns ins Gewicht. Spannend werden daher die noch austehenden Spiele gegen RB, Leverkusen und Freiburg.
RJonathan 21. November 2016 um 17:45
Danke für die Ergänzung, das macht Sinn. Ist vielleicht überinterpretiert, aber ich hatte den Eindruck, dass da bei Schalke ein langfristig angelegter Matchplan hinterstand. Halbzeit 1 mit relativ wenig Aufwand den Gegner im das gegnerische Pressing Müdespielen, in HZ 2 dann Geschwindigkeit nach vorne erhöhen und das Zepter übernehmen. Ob da was dran ist, kann man dann vielleicht gegen Leipzig beobachten.
Diaspora 22. November 2016 um 12:36
Ich frage mich bei Fährmann immer noch, ob er tatsächlich so schwach in der Spieleröffnung ist oder das eher am mangelnden Freilaufverhalten seiner Mitspieler lag. Ich habe das Gefühl, die Eröffnung ist in den letzten Spielen besser geworden, es gehen weniger Bälle ins Aus oder ins Nirvana.
Die weiten Abschläge kommen zwar nicht so arg oft an, das liegt aber vermutlich daran, dass Coupo nicht gerade ein Kopfballungeheuer als Zielspieler ist?
Kai 22. November 2016 um 20:47
Im Spiel gegen Wolfsburg hat Fährmann wohl bei den Abschlägen eine Quote von 62% zum Mitspieler. Das erscheint mir gar nicht mal so schlecht, so lange wie der Ball in der Luft ist dürfte der Normalfall um die 50% pendeln.