Napoli aus dem Tritt
Zehn Minuten lang suchte Inter mit weiträumigem Spiel verstärkt den Zug in die Spitze und ging in Führung. Anschließend verteidigten sie ihren Vorsprung gegen Neapolitaner, die diesmal unter Rhythmusproblemen litten, und setzten vereinzelte Nadelstiche.
Weiträumiges Inter früh erfolgreich
Nur tiefzustehen und zu kontern, ist gegen eine gute Ballbesitzmannschaft nicht immer unbedingt sinnvoll. Der Plan Inters schien es, das auch pressingstarke Napoli mit langen Bällen, weiträumigem Spiel und direkten Aktionen in die Spitze zu beschäftigen. So suchten sie frühzeitig die weiten Zuspiele in Richtung Icardi und Verlagerungen auf Perisic oder den ausweichenden Jovetic. Eigentlich presste Napoli dagegen gut und verhinderte einen kontrollierten Aufbau der Gastgeber weitgehend: Insigne agierte etwas enger als Callejón. Er attackierte D´ Ambrosio aus dem Zentrum heraus oder setzte häufig schon Miranda unter Druck, während Gabbiadini den Weg ins Zentrum – je nach Situation eher zu Murillo oder eher zu Medel – abkappte.
Versuchte sich Inter über einen Pass nach außen zum oder durch den Rechtsverteidiger zu lösen, ging Insigne hinterher, vor allem schoss aber der schon im äußeren Halbraum postierte Hamsik heraus. Insgesamt hatten die Gäste mit diesem Vorgehen Erfolg und provozierten einige unkontrollierte Aktionen, wobei die Schwarz-Blauen zumindest das Mittel des langen Balles – wie angesprochen – auch von sich aus ins Repertoire nahmen. Vereinzelt gab es bei Napoli in diesen Abläufen mal unsaubere Phasen, die Inter am Flügel doch etwas Zeit gaben. Auch in etwas tieferen Zonen und in Abschnitten, die stärker von Mittelfeldpressing geprägt waren, rief der Gast gegen den Ball seine Defensivqualitäten häufig ab – nur mit einzelnen seltenen Ausnahmen.
So pressten sie etwa in der Szene vor dem frühen 1:0 eigentlich gut in ihrer typischen 4-5-1-/4-3-3-Methodik, indem vor allem der ferne Achter – hier Hamsik – auf den ballführenden Gegner herausrückt und bogenförmig zusätzlichen Druck, samt Deckungsschatten auf seine vorherige Position, macht. Nur kam die Mittelfeldlinie nach vorangegangener Verlagerung hier minimal zu spät und konnte somit trotz eigentlich guter Staffelung in potentieller Überzahl nicht den letzten Zugriff erzeugen. Vorausgegangen war ein kleiner Schwachpunkt, der bei Napoli in dieser Begegnung zwischendurch mal auftrat: Die Kompaktheit hinter Gabbiadini zur Mittelfeldreihe war diesmal nicht immer optimal. Das gab Medel und Kondogbia in jenen Momenten etwas mehr Raum für effektivere Verlagerungen und Seitenwechsel.
Gelegentlich konnten sie durch aggressive Zuspiele auf extrem breite Positionierungen um den defensivstarken Napoli-Block herumspielen und dadurch für Torannäherungen sorgen. Zudem nutzten die Hausherren in diesem weiträumigen Stil das Ausweichen Jovetic´ geschickt: Gab es bei den Pressingabläufen mit Insigne und Hamsik mal eine jener Unsauberkeiten, die D´Ambrosio einen ruhigeren Vorwärtspass ermöglichten, konnte dies zum Tragen kommen. Der montenegrinische Halbstürmer wich in einigen Szenen sehr breit zur Außenbahn, um Strinic zu blocken und Raum für den am Flügel leicht zurückfallenden Brozovic zu schaffen. Dieser konnte dann ebenfalls – nun in höheren Zonen – attackierende Seitenwechsel zu Perisic und Nagatomo schlagen. Dort unterstützte Jovetic in anderen Szenen zudem selbst immer wieder. So ergaben sich einige sporadische Gefahrenansätze, bei denen Inter mehr Durchschlagskraft zeigte als ihr Gegner.
Ein tiefes, mannorientiertes 4-4-1-1
Die schnelle Führung für Inter zementierte die spielbestimmende Rolle Napolis, die sich bereits zuvor angedeutet hatte. Die Hausherren zogen sich dagegen nun weiter zurück und warteten zunächst einmal ab. Gegen den Ball formierte das Team von Roberto Mancini dabei eine 4-4-1-1-artige Formation mit vielen Mannorientierungen. So bewegte sich etwa Jovetic häufig klar in der Nähe von Jorginho und rückte kaum mal zu Icardi nach vorne in die Spitze. Auch auf den Sechserpositionen gegen Napolis Achter oder auf den Flügeln zeigten sich diese Zuordnungen. Zwar kennzeichnete sich das Vorgehen der Gastgeber mit einer nicht so schlechten Kompaktheit zwischen Abwehr und Mittelfeld sowie unangenehmer Passivität.
Doch eine wirklich knifflige Herausforderung schien es für die offensivstarken Gäste eigentlich nicht darzustellen. Nur gelang es Napoli in der Praxis diesmal nicht, ihre Qualitäten umzusetzen und das solide, aber keinesfalls unüberwindbare oder besonders hervorragende Konstrukt Inters zu knacken. In vielen Phasen hatten sie gefällig kombinierende Ansätze mit sauberen Dreiecksbildungen, bei denen man grundsätzlich sehr gut sehen konnte, was diese Mannschaft mit dem Ball auszeichnet und sie zu ansehnlichem Spiel befähigt. Es fehlte letztlich aber immer wieder an der Vollendung. Zwei dazu beitragende Faktoren fielen hierbei stellvertretend ins Auge:
Napolis kleine Problempunkte
Zum einen agierten die Gäste beim Ausspielen ihrer Ansätze ungewohnt hektisch. Das fing bereits in ihrem bevorzugten linken Halbraum mit Hamsik und Insigne an. Der junge Italiener schien diesmal – möglicherweise bedingt durch das Fehlen Higuaíns – noch stärker fokussiert zu werden. Häufig wurde er aber voreilig mit Pässen in die engeren Offensivzonen bedient, wenn noch gar keine gute Folgeunterstützung vorhanden war. Gleichsam wählte Insigne bei seinen Läufen schon etwas zu frühzeitig die aktiv-attackierenden Muster. Letztlich zog es sich durch, dass Napoli oft zu vorschnell in die Spitze tendierte, damit Optionen übersah und ihr Potential nicht ausschöpfte. Auch der zu lineare Fokus in der Callejón-Einbindung, die sehr klar auf den sofortigen Durchstoß hinter die Abwehrlinie abzielte, trug dazu bei.
Der zweite Aspekt betraf die Einbindung der Außenverteidiger in der Ballzirkulation. Grundsätzlich nahmen die beiden eine leicht in den Halbraum eingerückte und etwas tiefere Position ein. Im Kontext der Situation und der Systematik in Inters Pressing erwies sich diese Variante aber nicht als optimal. Zunächst mussten Callejón und phasenweise auch Insigne durch diese engere Positionierung quantitativ etwas häufiger mal Breite geben, als es eigentlich der Fall sein sollte. Zudem konnten die losen gegnerischen Mannorientierungen auf dem Flügel nicht gut genug bespielt werden, während es gleichzeitig an ausreichendem Auffächern in der ersten Linie fehlte.
Vielmehr erleichterte man es damit den Blau-Schwarzen, gelegentlich etwas höher auf Hysaj und Strinic herausrücken und diese zwischenzeitlich zurückzudrängen. Letztlich geschah dies keinesfalls durch ein aggressives Pressing Inters, das Napolis Zirkulation in Bedrängnis gebracht oder tiefere Ballverluste provoziert hätte. In solche Gefahren gerieten die Süditaliener hier eigentlich nie. Jedoch verlor ihr Pass- und Aufbauspiel in solchen Momenten einfach an Fluss und Sauberkeit. So konnten sie nie wirklich zu harmonischer Dynamik über mehrere Stationen finden, sondern kamen an jenen Stellen häufig ein wenig aus dem Rhythmus, mussten nochmals anhalten und die Stafette neu aufziehen.
Das 2:0 und die zweite Halbzeit
So kamen die Gäste – auch gegen Inters Endverteidigung – kaum mal entscheidend durch. Zwar konnten die Außenverteidiger aus den defensiven Halbräumen vereinzelt auch mal gute Eröffnungen spielen, aber in den Folgeszenen fehlte es in den offensiven Halbräumen dann an ausreichender Unterstützung. Einige Male stand das Dreiermittelfeld auch etwas zu flach und breit gestaffelt. Im Großen und Ganzen strahlte Napoli daher oft nur nach Distanzschüssen Gefahr aus, wenn sie den Rückraum gegen Inters passive, leicht mannorientierte Spielweise öffneten. Die weiträumigen Hausherren hatten über Verlagerungen und nicht zuletzt Dribblings zwischendurch mal Szenen, bei denen Icardi oft gut ablegte. Kurz vor der Pause konterten sie nach guter Engenaktion durch Jovetic zum 2:0.
Fast der gesamte zweite Durchgang war dann vom Bemühen Napolis geprägt, gegen die tiefstehenden Mailänder in die Partie zurückzukommen. Im weiteren Verlauf nahm Maurizio Sarri dafür einige taktische Veränderungen vor, ließ beispielsweise Strinic weiter aufrücken und schob den für Insigne eingewechselten Mertens konstanter in den linken Halbraum. Außerdem erhöhte er durch die Einwechslung des nun auf der Zehnerposition sehr beweglich spielenden El Kaddouri für Jorginho die Präsenz in den vorderen Zonen. Dieses Gesamtsystem brachte letztlich aber nicht den erhofften Erfolg. So interpretierte El Kaddouri seine Rolle bisweilen etwas unstrukturiert und konnte daher keine stabilen, konstanten, sondern nur wechselhaft punktuelle Verbindungen herstellen.
Auch die veränderte Anlage auf der linken Seite wurde nicht zum entscheidenden Schlüssel, wenngleich der Gedanke dahinter gut war. Über den höheren Strinic machte man Inters Mannorientierungen mehr Probleme und konnte über den Umweg am Flügel letztlich Mertens auch immer zuverlässiger im Halbraum ins Spiel bringen. Von dort fehlte gegen die abwartenden Hausherren aber die Vielfalt an Folgeoptionen. Während Gabbiadini und mit Abstrichen Callejón lange Zeit etwas zu passiv blieben, wirkte sich auch hier die Wechselhaftigkeit der Einbindung El Kaddouris aus. Schließlich hätte sich Hamsik noch mehr einschalten müssen, fiel als Teil einer mit Allan gebildeten Doppel-Sechs aber eher hinter den ballführenden Mertens zurück, was – wie etwa gegen Juve – nicht optimal war. Aus diesen verschiedenen Gründen reichte es daher für die Gäste am Ende nicht mehr zu einem Tor, Inter brachte den verdienten Sieg über die Zeit.
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