Roger gewinnt im Schmidt-Duell
Die Niederlage gegen den BVB war für die Mannschaft von Roger Schmidt bereits die dritte in Folge. Dementsprechend stark stand die Werkself früh in der Saison bereits unter Zugzwang. Auf der Vereinshomepage war von „Druck auf dem Kessel“ die Rede, Rudi Völler warf der Mannschaft im Vorfeld der Partie vor, im „Dornröschenschlaf“ zu stecken. In der 6. Runde kam es am Mittwochabend zum Duell Schmidt gegen Schmidt, Roger gegen Martin, Bayer 04 gegen Mainz 05.
Wenn man beide Mannschaften in kurzen Stichwörtern beschreiben muss, werden früher oder später die Worte „Pressing“ und „Umschaltspiel“ fallen. Beide Schmidts definieren ihren Spielstil durch das Pressing und die Umschaltmomente, beide interpretieren diese allerdings unterschiedlich. Während Mainz inzwischen immer abwartender agiert und nur in der Not höher presst, sind die Leverkusener Spezialisten in ihrer Paradedisziplin des Offensivpressings. Oft formieren sich die Stürmer und dahinter agierenden „Zehner“ zu einer offensiven Viererreihe und starten aus einer 4-2-4 Staffelung die Jagd auf den Ball. Die vier Offensiven haben dabei die Aufgabe das Zentrum dicht zu machen und gegebenenfalls den Aufbau des Gegners auf die Außen zu leiten. Diese teilweise unorthodoxen Offensivstaffelungen werden dann, durch großräumiges Anlaufen der Außenverteidiger, ausbalanciert und stehen dadurch im krassen Gegensatz zur fast schon übertrieben lehrbuchhaften Ausführung von Mainz 05.
Nun kam es jedoch nicht von ungefähr, dass Coach Roger Schmidt im Vorfeld der Partie gegen Borussia Dortmund Fragen über seinen Spielstil beantworten musste, welche vor allem das Verhalten gegen starke Ballbesitzmannschaften in Frage stellten. In der Theorie ist eine vier Mann starke Blockade des Sechserraumes sehr effektiv, wenn der Gegner diese jedoch überspielen kann, müssen die Rausrückbewegungen der Restformation perfekt sein. Das – hinter der Viereroffensive agierende – 2-4, bestehend aus den beiden Sechsern und der Viererkette, hat dann meist riskante Läufe zu bewältigen, um dem Gegner die Kontrolle über die defensiven und offensiven Zwischenlinienräume zu verwehren. Vor allem gegen den BVB stießen die Leverkusener im Ausstopfen dieser Räume auf ihre Grenzen. Kollege CE hat dies anhand einer Szenengrafik anschaulich dargestellt. Schmidt meinte nach der Partie, man sei „taktisch momentan nicht so gefestigt“. Es war also interessant zu beobachten, ob Leverkusen taktische Anpassungen vornehmen würde, oder nicht.
Mini Anpassungen bei Leverkusen
Leverkusen spielte gegen den Gast aus Mainz mit Karim Bellarabi im Sturm neben Javier Hernandez, dahinter agierten Calhanoglu und Kampl auf der Doppelzehn. Wie eingangs erwähnt, agieren diese in Roger Schmidts 4-2-2-2 üblicherweise sehr hoch und zentral um mit ihrer eingerückten Positionierung eng bei den Stürmern, Passwege ins Zentrum zu verschließen. Dabei agieren beide Zehner symmetrisch und orientieren sich an ihren jeweiligen Partner im Sturm. Ihre Rolle hat dadurch auch nur wenig mit dem klassischen Flügelspieler zu tun, den man sonst auf dieser Position vermutet, doch dies ist seit dem Amtsantritt von Roger Schmidt Usus.
Gegen den Karnevalsverein aus Mainz wurde die Rolle der Zehner jedoch ein wenig angepasst. Wenn der Gegner seinen Angriff aufbaute, rückte nunmehr der ballnahe Zehner mit auf und formierte mit seinen Sturmkollegen eine offensive Dreierreihe, welche die Aufgaben im Pressing übernehmen sollte. Der ballferne Zehner hingegen ließ sich fallen und nahm eine tiefere und auch breitere Position ein, in der er die beiden Sechser unterstützte und damit auch die zweite Linie der Leverkusener verstärkte.
Auch gegen diagonale Flugbälle des Gegners war man dadurch besser abgesichert und konnte mit dem ballfernen Zehner schnelle Unterstützung zur Verfügung stellen. Die Leverkusener Formation wurde im Pressing dadurch immer mehr zu einem 4-3-3, bei dem die vordere Dreierreihe versetzt zur ersten stand. Insgesamt konnte man dadurch mehrere Lücken schließen, welche in der vorherigen Pressingformation nur mit Mühe gestopft werden konnten. Die Mainzer, die nicht unbedingt gerne von hinten aufbauen, konnten dadurch fast gar nicht stabil nach vorne kombinieren und auch ihre diagonalen Spielverlagerungen waren durch die Positionierung des ballfernen Zehners durchschaubar. So suchten die Gäste ihr Heil, wie so oft, im schnellen und großräumigen Umschaltspiel. Deshalb überließ man den Ball auch großteils den Leverkusenern, die mit 67% Ballbesitz ausgestattet, versuchen mussten vor das gegnerische Tor zu kommen.
Spielaubau der Leverkusener
In der Vorbereitung, sowie zu Saisonbeginn, war der Spielaufbau der Leverkusener noch geprägt vom diagonalen Abkippen eines Sechsers – meist Kramer – der sich links von den Innenverteidigern platzierte und von dort aus das Spiel aufbaute. Von dort aus war Kramers Einbindung in den darauf folgenden Angriff noch ein wenig durchsichtig, vor allem der ballferne Halbraum wurde selten vom Weltmeister besucht. Gegen Mainz ließ sich Kramer jedoch klassisch zwischen die beiden Innenverteidiger fallen, von wo er sich dann in beide Halbräume einschalten konnte und dadurch auch der wohl auffälligste Leverkusener war. Dabei übernahm Kramer mit seinem Abkippen keineswegs den Spielaufbau selber, sondern ermöglichte in erster Linie den Innenverteidigern eine breite und den Außenverteidigern eine extrem hohe Positionierung. Aus der Zentrale spielte er dann einen der beiden Innenverteidiger frei, der dann versuchte den ballnahen Halbraum oder Flügel anzuspielen. Dabei fiel auf, dass man nicht versuchte um jeden Preis sofort vertikal zu spielen, so wie es die Teams von Roger Schmidt in der Vergangenheit oftmals auszeichnete, sondern auch mal geduldig hin und her zirkulierte. Meist landete man danach jedoch rasch am Flügel bei den extrem hochgeschobenen Außenverteidigern und versuchte durch massive Überladungen Flügeldurchbrüche zu erzielen.
Hier kam auch schon wieder Christoph Kramer ins Spiel. Dieser konnte schnell vorstoßen und den Flügel bzw. Halbraumangriff unterstützen, sei es durch Gegenpressing-Balleroberungen oder als Anspielstation für Ablagen. Von dort dribbelte er dann mit dem Ball in den gegnerischen Strafraum und destabilisierte die gegnerische Formation ein ums andere Mal. Vor allem das Timing der Läufe, mit denen er sich die Bälle holte und die Dynamik, mit der er die Folgeaktion einleitete und Drucksituationen löste war beeindruckend. Trotzdem war es auffällig, dass die Gastgeber selten stabil in den offensiven Zwischenlinineraum der Mainzer kamen, was auch daran lag, dass die Gäste diesen sehr geschickt verteidigten.
Beim Analysieren der Mainzer Strategie wird man Woche für Woche „enttäuscht“: die Mannschaft von Martin Schmidt besinnt sich voll und ganz auf ihre Stärken und spielt selten etwas Überraschendes. Das tiefe Mittelfeldpressing holt sich früher oder später die Bälle und mit Muto und Malli hat man zwei Spieler die mit ihren kontraintuitiven Laufwegen auch extrem schwer zu verteidigen sind. Auch gegen Leverkusen konnte man, trotz großer Überlegenheit und hoher Offensivfluidität der Gastgeber, lange die ganz großen Gelegenheiten vermeiden und hätte nach 62 Minuten durch Malli fast das 1:0 erzielt. Ein kleines Manko war allerdings die Anfälligkeit gegen Flügeldurchbrüche des Gegners; ein Mittel welches bereits die Schalker für sich nutzen konnten.
Fazit
Leverkusen hatte einige kleine Anpassungen in seinem Spiel und zeigte dadurch eine Reaktion nach drei Niederlagen in Folge. Vor allem die Anpassungen Roger Schmidts im Pressing waren auffällig und deren weitere Entwicklung wird in den kommenden Wochen interessant zu beobachten sein. Die Mainzer konnten ihre Stärken durch Martin Schmidts Ausrichtung erneut zur Entfaltung bringen und machten den Gastgebern dadurch lange das Leben schwer. Diese blieben jedoch geduldig und konnten einen verdienten Sieg einfahren, auch wenn man in der 62. Minute Glück hatte, dass Malli die große Chance der Mainzer nicht nutzen konnte.
4 Kommentare Alle anzeigen
Max 24. September 2015 um 20:46
Kramer hat mir auch gut gefallen, mit mehr Spielpraxis im Leverkusener System wird er noch stärker.
Wendell war ebenfalls hervorragend. Schön zu sehen, dass er nach dem schwachen Dortmund-Spiel so eine Leistung zeigen konnte. Der Brasilianer ist wirklich klasse in engen Räumen und damit der für mich spielstärkste Leverkusener. Gibt sicherlich einige Parallelen zum Linksverteidigerkönig Marcelo^^
blub 24. September 2015 um 18:53
Dieser Kramer-Pfeil. -.-
so gut.
Koom 24. September 2015 um 17:56
Mich enttäuscht das auch sehr, weil auch scheinbar komplett die Analyse seitens der Mainzer fehlt. Fans, wie Trainer und Vorstand kommen dann mit „fehlendem Einsatz“ oder „Qualität zu gering“ etc., anstatt festzustellen, dass man taktisch extrem ausrechenbar ist. Und sobald man gegen einen Gegner spielt, der über seinen eigenen Tellerrand hinausschaut, ist man auf viel Matchglück angewiesen, weil die Offensive fast komplett eliminiert wird. Die Spiele Schalke-Mainz und Leverkusen-Mainz ähnelten sich extrem.
Wenn der Gegner sich nicht darauf einstellt, was die Mainzer machen, sind diese aber brandgefährlich. Offensiv ist das stellenweise spektakulär, was Muto, Malli, Clemens & Co. da hinlegen.
Ich hoffe trotzdem, das Schmidt sich und seine Mannschaft noch weiter entwickeln wird. Das Potential ist im Kader vorhanden, mehr Varianten aufzubieten. Frei, Latza und Moritz bringen im Mittelfeld anderes ein, Cordoba als Stürmer. Was vermisse ich es, einen Trainer zu haben, der mehr als nur eine Taktik pro Spiel kannte.
HK 24. September 2015 um 17:18
Kontraintuitive Laufwege? Wie ist das zu verstehen? Aus Sicht der Verteidigung, oder der Angreifer?