Wolfsburg überzeugt im Pressing-Duell um Platz 2
Der VfL Wolfsburg erarbeitet sich dank starkem Pressing einen Sieg gegen Borussia Mönchengladbach. Favres Gladbachern fehlte die zündende Idee, um die starke Wolfsburger Defensive zu knacken.
Die Bayern drehen in der Bundesliga einsam ihre Kreise. Das geht so weit, dass es derzeit keinen echten Verfolger gibt – niemand möchte die Bürde auf sich nehmen, als Bayern-Jäger zu gelten. So war das Sonntagsspiel der Liga zwischen Wolfsburg und Gladbach nach Angaben aller Beteiligten kein Verfolgerduell, sondern ein Spiel um Platz zwei. Und dieses entschieden die Wölfe dank stärkerem Pressing und besserer Chancenverwertung für sich.
Wolfsburger Dominanz
Dieter Heckings Wolfsburger schalteten vom Anpfiff weg in den höchsten Gang. Die Anfangsviertelstunde dominierten die Wölfe klar. Hecking schickte seine Schützlinge im altbekannten 4-2-3-1-System auf das Feld, wobei Arnold im Mittelfeld eine Balancerolle zukam: Er bewegte sich zwischen der Position als Achter und als Zehner und steuerte somit die Aggressivität des Wolfsburger Pressings.
Dabei arbeiteten die Wolfsburger im Pressing oft mit 4-1-3-2-Stellungen: Arnold rückte auf Höhe der Außenstürmer, während de Bruyne mit Olic in vorderster Linie presste. Hiermit konterte Wolfsburg zum Einen die Abkippbewegungen, die Kramer und Nordtveit aus dem 4-4-2 der Gladbacher heraus vollführten. Zum Anderen hielten sie den Druck auf die Innenverteidiger hoch, wobei Olic vor allem Dominguez attackierte. Die Wolfsburger lenkten den Spielaufbau zum etwas spielschwächeren Brouwers, der aber auch häufig unter Druck stand.
In der Anfangsviertelstunde setzten sich die Wolfsburger mit diesem aggressiven Pressing im Gladbacher Drittel fest. Die Borussia versuchte wie eh und je, mit flachen Kombinationen ein konstruktives Aufbauspiel aufzuziehen. Angesichts des druckvollen Pressings kamen sie aber kaum aus dem eigenen Drittel heraus, immer wieder wurde der Pass zurück zu Torhüter Sommer gespielt. Der Schweizer kam auf ganze 91 Ballkontakte – nur Dominguez und Kramer hatten den Ball öfters am Fuß.
Kruse und Raffael effektiv verfolgt
Gladbach hatte große Mühe, den Ball aus der ersten in die zweite bzw. letzte Reihe zu tragen. Vorne setzten sie auf die gewohnte Rollenaufteilung: Die Außenstürmer positionierten sich sehr hoch und lauerten auf Schnittstellenpässe, während sich Kruse und Raffael situativ zurückfallen ließen. Sie boten sich für das berühmt-berüchtigte Gladbacher Ablagenspiel an.
Doch Wolfsburgs Verteidigung machte diesem Plan einen Strich durch die Rechnung. Wolfsburgs Spielweise ist ohnehin stark mannorientiert, sodass das Verfolgen der zurückfallenden Stürmer keine Lücken öffnete. Im Gegenteil: Gerade die Vorstöße von Naldo waren derart effektiv, sodass Wolfsburg viele vertikale Zuspiele abfangen konnte. So beraubten die Wolfsburger ihren Gegner der größten Stärke: dem Raumöffnen durch das Zurückfallen der Stürmer.
Wolfsburg ging im Gegenzug bei den eigenen Angriffen nicht das letzte Risiko. Die Außenverteidiger hielten sich zurück, auch die Sechser rückten nicht weit vor. Angriffe trugen sie zumeist über die Flügel vor, entweder rechts über Vierinha im Zusammenspiel mit dem etwas offensiveren Jung oder links über den nach Außen rückenden de Bruyne. Zwar erspielte sich Wolfsburg in der Anfangsviertelstunde gegen die gewohnt souverän agierende Gladbach-Abwehr kaum Chancen, der Führungstreffer nach einer Ecke war dennoch verdient (12.).
Ansätze bei Gladbach, aber nicht mehr
Erst danach schaffte es Gladbach, sich öfters aus der eigenen Hälfte zu befreien. Am effektivsten war das Gladbacher Angriffsspiel, wenn sie früh die Außenstürmer einbanden. Kruse und Raffael gelang es einige Male, den Ball auf die Außenstürmer durchzustecken, die frei zwischen den Außenverteidigern und –stürmern zu Halbfeldflanken kamen. Dadurch dass Naldo und Knoche zuvor aus der Innenverteidigung rausgerückt waren, um Kruse bzw. Raffael zu stellen, entstanden Lücken im Zentrum. Die startenden Stürmer konnten diese Halbfeldflanken dadurch recht effektiv verwerten.
Wolfsburg reagierte jedoch schnell auf dieses taktische Mittel. Die Außenstürmer zogen sich weiter zurück, sodass Gladbachs Außenstürmer kaum mehr Lücken vorfanden. Hiermit konterte Wolfsburg auch die offensivere Rolle der Gladbacher Außenverteidiger. Das Wolfsburger Angriffsspiel verflachte indessen; auch sie taten sich nun schwer gegen das Gladbacher 4-4-2-Pressing. Die breit positionierten Viererketten der Gladbacher konterten das typische Wolfsburger Flügelspiel, das stark auf Überladungen und Spielverlagerungen ausgerichtet ist.
So war die erste Halbzeit ein Genuss für Freunde des aggressiven Pressings. Torszenen gab es hingegen meist nur nach Standards oder Flanken.
Gladbach bleibt dem 4-4-2 treu
In Halbzeit Zwei veränderte sich nach und nach die Spieldynamik. Zunächst presste Wolfsburger weiter hoch und fand gegen nun offensiver aufrückende Gladbacher Konterräume. Nach rund einer Stunde zogen sich die Gastgeber jedoch weiter zurück und agierten mit einem leitenden Mittelfeldpressing. Gladbach konnte das eigene Aufbauspiel nun knapp vor der Mittellinie einleiten.
Allerdings fand Gladbach noch immer keinen Weg vorbei an der Wolfsburger Verteidigung. Zwar versuchten sie, mit mehr Rochaden Durcheinander in die Wolfsburger Defensive zu bringen. Hierzu wichen Raffael und Kruse immer wieder auf die Flügel heraus, während Herrmann und Hahn in die Mitte zogen. Diese Rochaden waren jedoch etwas statisch. Insgesamt hatte Gladbach große Mühe mit dem mannorientierten Spiel der Wolfsburger.
Die Wechsel begünstigten das Wolfsburger Spiel weiter. Während Hecking nach und nach defensiv wechselte und in der Schlussviertelstunde auf ein kompaktes 4-3-3/4-1-4-1 umstellte, hielt Favre an seinem 4-4-2 fest. Einzig die Spieler, die dieses System mit Leben füllten, variierte er. Doch selbst als kurz vor Schluss vier offensive Kräfte auf dem Feld standen und Raffael praktisch als Achter spielte, verbesserte sich die Anbindung zwischen Offensive und Defensive nicht. Erst in den hektischen Schlussminuten kamen sie zu Chancen – zu wenig, um das Spiel noch zu drehen.
Fazit
Wolfsburg überzeugt im Duell um Platz zwei mit einem starken Pressing. Vor allem in Halbzeit eins schnürten sie die Gladbacher ein, die Fohlen kamen kaum aus der eigenen Hälfte heraus. In dieser Partie funktionierten die Hecking-typischen Mannorientierungen zudem sehr gut, wodurch der Sieg letztlich verdient war.
Gladbach schlittert mit der erneuten Niederlage hingegen langsam, aber sicher in die Krise. Ihr größtes Plus ist zugleich ihr größter Kritikpunkt: Ihr 4-4-2-System ist perfekt abgestimmt und defensiv enorm solide. Sobald ein Gegner jedoch ein Mittel gegen dieses System gefunden hat, fällt es Gladbach schwer, ins Spiel zurückzufinden. Favre hielt selbst in dieser Partie lange am 4-4-2 mit den zurückfallenden Stürmern fest, obwohl Wolfsburg mit den herausrückenden Verteidigern gut gegen dieses taktische Mittel gerüstet war. So zeigt sich bei Gladbacher Spielen in letzter Zeit bereits früh, ob sie gegen den jeweiligen Gegner punkten können – und gegen Wolfsburg war das von Anfang an nicht der Fall.
5 Kommentare Alle anzeigen
Bernd L. 2. Dezember 2014 um 18:20
Treffende Analyse. In der 1. HZ war das Pressing interessant anzuschauen, danach ließ die Intensität nach meinem Empfinden deutlich nach, was auch an den EL-Spielen vom Donnerstag gelegen haben mag.
Hätte mir nach RMs jüngster PL-Schelte jedoch eher eine Analyse von WOB-Everton gewünscht, weil dort die extremen Unterschiede im Defensivverhalten sehr gut herauskamen: Wolfsburg presste noch höher als gegen Gladbach, Everton kam kaum aus der eigenen Hälfte, und ein irgndwie kontrolliertes Aufbauspiel war fast gar nicht zu sehen. Trotzdem 0:2.
ReepRatio 2. Dezember 2014 um 14:17
PS: Auch dass Gladbach gelich wieder eine „Krise“ angedichtet wird, ist typisches Boulevard-Drama.
Ich empfehle dringend die Seiten zu „regression to the mean“ im Buch „The Numbers Game“ sowie die (inzwischen leider nicht mehr aktualisierte) Webseite von Sarah Rudd http://www.onfooty.com, die sich dort mit der Regression von verschiedenen Parametern (anhand der PL) beschäftigt hat.
Interessant auch Gladbachs PDO-Werte (z.B. auf http://www.11tegen11.net).
Fazit: Gladbach hat zu Beginn überperformt und hatte etwas Glück (oft wegen Sommers guter Performance), jetzt nähern sie sich ihren Normalwerten. Das eine Krise zu nennen, ist unseriös.
ReepRatio 2. Dezember 2014 um 14:11
Sorry, Spielverlagerung, aber Dieter Hecking hat völlig recht, wenn er klarstellt, dass „Bayern-Jäger“ ein (unsägliches) Modewort der Medienmeute ist.
Begebt euch bitte nicht auf deren Nulllinien-Niveau!
Ron 1. Dezember 2014 um 19:52
„So zeigt sich bei Gladbacher Spielen in letzter Zeit bereits früh, ob sie gegen den jeweiligen Gegner punkten können – und gegen Wolfsburg war das von Anfang an nicht der Fall. “
Dazu hätte ich dann die Frage, wie dieser Satz zu den Spielen gegen Bayern, Villareal und Frankfurt passt? In jedem dieser Spiele gab die Anfangsphase nicht wirklich Aufschluss über die Dynamik im weiteren Spielverlauf.
bmg 16. Dezember 2014 um 12:54
Ganz genau. Eig fängt Gladbach immer abwartend an. Wenn Sie dann natürlich einfach von hinten nach vorne durchkommen und sogar schnell in Führung gehen, wie so oft in dieser Saison, gehts einfacher. Das hat nix mit überperformen zu tun. Siehe das Mainz Spiel, da war ein Punkt so was von „unterperformt“ durch „Handspiel-Elfer“, den niemand gesehen hat. Ebenso wie das kleine 1:0 gg HSV. Der Schiri hat das überharte Wolfsburger Spiel (u.a. Bauchtritt gg. Hahn vorm Sechzehner) wahrscheinlich mit den Augen eines Familienvaters gesehen, dessen Sprößlinge scharf auf einen Stelle bei VW sind. Und dann im nächsten Heimspiel weinen die Wolfsburger über den schlechten nächsten Schiri, der aber dann nicht so für Sie pfeift, ich lach mich tot.