Baiers Herauskippen öffnet Aufrücklücken und Augsburg verteidigt stark
Der FC Augsburg konnte mit guten Aufbaustrukturen gegen Herthas Manndeckungen viele Lücken öffnen, nutzte diese aber nicht gut genug aus. Nach der Führung verteidigten sie Herthas Offensivansätze jedoch kompakt und siegten verdient.
Nach dem wichtigen Sieg gegen Wolfsburg unter der Woche schickte Jos Luhukay zu Gast bei seinem vormaligen Verein dasselbe Personal auf den Platz, das in einer 4-1-4-1-haften Ausrichtung mit Skjelbred und Ronny vor Hosogai sowie gewohnt vielen Mannorientierungen angeordnet wurde. Auch die zuletzt knapp in Leverkusen unterlegenen Hausherren verzichteten auf größere Änderungen: Weitgehend praktizierten sie ihre gewohnte Spielweise mit gutem Aufbau, Fokus auf Baier, bewegungsreichem Mittelfeld und einem gerne über die Flügel laufenden Offensivspiel. Einzige Änderung war die Aufstellung von Djurdjic, der den verletzten Mölders in der Spitze ersetzte und diesen Posten weiträumig mitspielender auslegte.
Falsche Beerens-Einbindung in Flügelüberladungen
Gegen den Ball formierten sich die Augsburger in einem etwas erhöhten 4-4-2-Mittelfeldpressing, das auf zwei verschiedene Arten hergestellt werden konnte. Zum einen gab es die herkömmliche Methode mit Altintop als zweiter Spitze, der etwas versetzt agierte und Hosogai hinter sich verdecken sollte. Alternativ rückte einer der beiden Außenstürmer – etwas häufiger sogar Werner – in eine asymmetrische Stellung neben Djurdjic nach vorne, so dass sich Altintop dauerhafter um den Japaner kümmern konnte, wie auch Kohr und Baier dahinter lose Mannorientierungen gegen die Berliner Achter praktizierten. In vielen Phasen war das Pressing der Hausherren durchaus erfolgreich, konnte einige Male gegen die Außenverteidiger attackieren oder Kraft zu langen Bällen zwingen und wusste situativ mit kleineren Anpassungen zu gefallen. Gelegentlich konnte sich die Hertha aber auch mal über gute Bewegungen des eigenen Mittelfelds lösen und weiter nach vorne aufrücken.
Dort versuchten sie die Flügel und insbesondere die rechte Seite zu überladen, wo sich Skjelbred immer wieder weit zu Beerens hinüber bewegte. Allerdings zeigte die Hertha bei diesen Angriffen teilweise ein zu eindimensionales Bewegungsspiel in den ballnah unterstützenden Aufgaben. Generell ist auch die grundsätzliche Rollenverteilung mit Beerens als festem, häufig antreibenden Dribbler nicht optimal und trägt als ein Faktor zu den derzeitigen Problemen der Mannschaft bei. Häufig fand sich der Niederländer in statischen, isolierten Stellungen wieder, wo er ohne Vordynamik anschieben musste. Seine gelegentlich, wenngleich eben inkonstant herausragenden Fähigkeiten in unterstützender Funktion kommen und kamen bei dieser Einbindung zu selten zum Tragen.
Weil außerdem Baier immer wieder weit herausrücken und die Räume großflächig kontrollieren konnte, blieb es aufgrund dieser Probleme in den Rechtsangriffen nur bei Ansätzen und es entstanden kaum Chancen für die Gäste. Stattdessen fingen sie sich ausgerechnet über diesen Flügel nach einem Ballverlust einen Konter, der die Entstehung des siegbringenden Elfmeters einleitete. Über Altintop und den seitlich herausschiebenden Djurdjic lösten die Augsburger sich aus der lokalen Ballung, überspielten etwas glücklich Heitinga und brachen dann hinter diesem in Richtung Strafraum durch. Etwas ertragreicher waren für die Hertha die Szenen auf der linken Seite, wo es vereinzelt ebenfalls Überladungsansätze mit Ronny und Haraguchi gab, die durch ausweichende Bewegungen von Kalou unterstützt wurden. Über diese Bereiche verbuchten die Berliner gelegentlich ein paar Abschlüsse und der ivorische Neuzugang kam so auch zur besten Torchance der Hauptstädter.
Aufbaumechanismen zerstören Manndeckungen
Wie gewohnt arbeiteten die Berliner in ihrer 4-1-4-1-Defensivformation mit vielen Manndeckungen – neben den Flügelduellen meistens Skjelbred gegen Baier, Ronny gegen Kohr und Hosogai gegen Altintop. Grundsätzlich kennen die Mannen von Luhukay diese Spielweise gut und führten sie daher – gerade auch im individuellen Verhalten – recht gut wie balanciert aus. So verloren sie nicht die Orientierung für den unmittelbaren Radius um sich herum und konnten einige Male trotz der radikalen Art dieser Zuordnungen über passive Zwischenpositionierungen kurzzeitig ordentliche Stellungen erzeugen. Insgesamt waren die Manndeckungen Luhukays aber im strategischen Sinne enorm problematisch gegen die Spielanlage seines Ex-Vereins. So war beispielsweise schon Kalou als einzelner Stürmer gegen die tiefen Aufbaupositionierungen der Augsburger Innenverteidiger weitgehend isoliert.
Das vielleicht größte Problem entstand durch das typische Herauskippen von Baier nach links, der somit Skjelbred wegziehen – situativ übernahm dies auch mal der zurückfallende Altintop gegen Hosogai – und enorme Löcher in der Zentrale öffnen konnte. Gerne wurde dann der Ball auf Klavan zurückgelegt, der in den Kanal zwischen Baier und dem linksseitigen Kalou in die freien Bereiche aufrücken und – in vielen Szenen, wenn es der Hertha nicht gelang, sich schnell noch anzupassen – problemlos das Mittelfeld erreichen konnte. So trug er den Ball in die Lücken und bediente dann die im zweiten Drittel recht fluide Offensivanlage. Hier rückte Bobadilla von rechts häufig in Lücken ein und vor allem Djurdjic fiel enorm tief zurück, um beim Bespielen der Löcher zu helfen oder gegen die Innenverteidiger der Hertha weitere Unordnung zu provozieren. Gelegentlich konnten sich die Augsburger dann sehr simpel durchspielen, was die Einleitung von Bobadillas Volleyschuss und vor allem die Szene mit dem langen Dribbling Kohrs aufzeigte.
Dieses aus den gegnerischen Lücken entstehende Offensivpotential, das einige gefährliche Szenen heraufbeschwor, nutzte Augsburg allerdings nicht gut genug aus. So spielten sie beispielsweise wegen ihres Flügelfokus aus solchen offenen Szenen einige Verlagerungen zu viel auf die Seite anstatt konsequent lokal durchzubrechen. Ihre normalerweise sehr breite und auf Offensivpräsenz bedachte Anlage zerstörte hier einige Ansätze und erzeugte stattdessen nur die normale, durchschnittlich dadurch entstehende Anzahl an Tormöglichkeiten – es hätten jedoch viel mehr sein können. So blieb der verwandelte Elfmeter Verhaeghs der einzige Augsburger Treffer vor der Pause, die mit ihren Aufbaumechanismen eigentlich prädestiniert dafür waren, Herthas strukturell nicht optimale Manndeckungen zu bestrafen.
Zweite Halbzeit
In der zweiten Halbzeit kamen die Berliner mit kleineren Änderungen aus der Kabine. Zum einen pressten sie nun etwas höher und versuchten, durch aufrückende Bewegungen von Skjelbred oder – dann asymmetrisch – Beerens in ein 4-4-2 mehr Druck zu entfachen. Allerdings war dieses Nachschieben meist nicht konsequent genug, so dass Augsburg zwar nur noch selten geordnet aufbauen konnte, allerdings keine Zugriffssituationen für die Hertha entstanden. So waren Callsen-Bracker und Klavan nur selten wirklich bedrängt und zur Not spielten die Hausherren mit langen Bällen heraus. Eine zweite Umstellung betraf das Offensivspiel der Hertha, das jetzt fast ausschließlich über den linken Flügel lief. Anfangs tauschten Beerens und Haraguchi bloß die Flügel und dieser rückte stärker ein. Relativ schnell sah die Struktur dabei meistens aber so aus, dass der Niederländer im eigenen Ballbesitz einfach auf diese Seite hinüber kam und dort als dribbelnder Fixpunkt agierte. Die Kollegen sollten sich dann enorm überladend herüber bewegen, wobei Skjelbred oder Haraguchi selten mal etwas ausgleichend auswichen. Allerdings starteten die Berliner diese Bemühungen aus zu statischen Auslösungsstellungen am Flügel, von denen sie in ihre Dynamiken nicht hinein fanden. Folglich zeigten die vielen, aber zu wenig zusammenhängenden Bewegungen kaum Wirkung zeigten, zumal die Berliner auch die offensiven Halbräume nicht bewusst genug anvisierten.
Trotz guter Grundidee entsprang aus diesen Ansätzen daher kaum einmal Gefahr und die Augsburger konnten die Szenen meistens recht souverän verteidigen. Mit der Führung im Rücken zogen diese sich tiefer zurück, pressten nicht mehr so wie noch im ersten Durchgang, sondern rückten nur vereinzelt auf die gegnerischen Außenverteidiger und konzentrierten sich stattdessen auf die Stabilität im Raum zwischen den Strukturen. Daher gingen auch die Mannorientierungen zurück, was die Kompaktheit gerade zwischen Abwehr und Mittelfeld erhöhte. Insbesondere die Sechser zeigten sich sehr abgestimmt mit der Viererkette, die zudem untereinander ihre herausrückenden Bewegungen gut synchronisierten, was in einigen lokal verengten Stellungen resultierte.
Nur selten gab es einzelne diagonale Lücken zum Strafraumeck, die Hertha dann zwar einige Male gut ansteuerte, aber meistens vom herüberrückenden Klavan zuzulaufen waren. Zudem punktete Weinzierl defensiv mit einer passenden Reaktion auf die klare Linkslastigkeit des gegnerischen Spiels, indem er Werner und Bobadilla (mit Caiubys Einwechslung wechselte dies gelegentlich mal) die Seiten tauschen ließ. Erstgenannter begab sich in den stark besetzten Berliner Zonen gut in leicht eingerückte, an den Defensivblock angeschlossene Stellungen, während sein Pendant am anderen Flügel nicht so viel mitarbeiten musste und stattdessen als ballferne Verlagerungsoption für das Umschalten dienen konnte.
Schließlich stellte Luhukay mit den Einwechslungen von Schieber und Stocker auf ein 4-4-2 um, für das Hosogai in die Innenverteidigung zurückrückte und Skjelbred den tiefsten Mittelfeldakteur gab. An der grundsätzlichen Sachlage änderte sich dadurch allerdings nicht besonders viel, zumal das aufbauend genutzte Zurückfallen von Ronny hinter den aufrückenden Pekarík nur mittelmäßig in die Dynamiken eingebunden war. Meistens versuchten die Berliner daher, ihre Offensivpräsenz nun über lange Bälle in Szene zu setzen und auf die Abpraller zu gehen, doch abgesehen von etwas Chaos reichte dies gegen die im Abwehrdrittel meist starken Augsburger nicht. Bis auf sehr seltene gruppentaktische Unsauberkeiten und einige übertriebene Bewegungen beim Ausführen der Abläufe agierten diese in der Defensive insgesamt ansehnlich.
Fazit
Damit verdienten sie sich trotz weniger Offensivszenen nach dem Wechsel mit einer ordentlichen Leistung den knappen Erfolg. In der ersten Halbzeit waren sie ohnehin die bessere Mannschaft gewesen und hatten mit guter Anlage des Aufbauspiels mehrfach die Räume zwischen den Berliner Mannorientierungen angesteuert, woraus sie mit besserem Übergang in die tornahen Räume noch mehr hätten machen können. Interessantes Detail: In der Vorsaison ging an gleicher Stelle ein sehr ähnlicher Defensivplan Luhukays noch ziemlich gut auf, diesmal wurde er schwächer ausgeführt und Augsburg spielte in der ersten Instanz besser dagegen, was sich in einer kleinen Änderung des Endresultats ausdrückte. Wie gewohnt sind die Augsburger damit auf einem soliden Weg, während die Hertha mit ihren Manndeckungen die erwarteten wechselhaften Defensivleistungen einfährt, aber vor allem im Spiel nach vorne Probleme hat. In der Umsetzung ihrer offensiven Ideen – grundsätzlich erkennt man häufig den Versuch nach sinnvoll angelegtem spielerischen Zusammenspiel über Überladungen, Rochaden oder ähnliches – agieren sie derzeit zu inkonsequent, unbewusst und unsauber.
5 Kommentare Alle anzeigen
Benni 29. September 2014 um 20:35
Nur wegen euch habe ich Baier bei comunio und dem kicker-Manager, dort reisst er leider nix. Diesen Spieltag bekam er eine 4 beim kicker und eine 3,5 bei Sportal. 🙁
datschge 29. September 2014 um 22:52
Einzelspielerbenotungen sind nichtssagender Mist.
JS 30. September 2014 um 08:12
Ja. Sie sagen in der Regel mehr aus über den Notengeber als dem benoteten Spieler.
Rotador 29. September 2014 um 09:49
Schöne Analyse – sprachlich mit guten Satzlängen und inhaltlich verständlich.
rodeoclown 29. September 2014 um 13:15
Dem schließ ich mich an. Wobei ich die für TR teils typischen sehr ungefähren Aussagen mittlerweile auch zu schätzen gelernt habe. Heute aber alles sehr präzise. VIelen Dank dafür.
Gibts hier Meinungen zu Kohr? Scheint sich nun doch gegen Feulner durchgesetzt zu haben und sein Goalimpact verspricht ja so einiges (100/129 Ende letzter Saison laut ligainsider).