1860 München – RB Leipzig 0:3
Es war nicht nur ergebnistechnisch eine klare Angelegenheit. Während der TSV 1860 München nach der zweiten Niederlage einen Fehlstart hinlegt, kann bei diesem Auswärtsspiel RB Leipzig die eigenen Stärken noch besser als zuletzt ausspielen.
Grundformation
Nicht ohne Grund sind die Sachsen seit Anfang des Jahres auswärts ungeschlagen. Alexander Zornigers Team ist mit aggressivem Angriffspressing und gleichzeitigen Abfangstaffelungen im Mittelfeld dafür prädestiniert, einen aufbauenden Gegner zu bearbeiten und Fehler zu erzwingen. Das bekamen die Sechziger eindrucksvoll zu spüren.
Aber alles der Reihe nach: Im Vergleich zur 2:3-Niederlage gegen Kaiserslautern baute Ricardo Moniz die komplette Viererkette um. Guillermo Vallori fällt vorerst verletzt aus. Dafür rückten Gary Kagelmacher und Christopher Schindler von den Außenverteidigerpositionen ins Zentrum. An beiden Seiten der letzten Reihe liefen Markus Steinhöfer und Youngster Maximilian Wittek auf. Gegen Lautern ließ Moniz teilweise noch ein 3-3-4 spielen, indem Ilie Sánchez von der Innenverteidigung im Spielaufbau nach vorn rückte und Vallori im Zentrum zurück blieb. Gegen Leipzig war die ganze Konstruktion orthodoxer. 1860 spielte in einem 4-1-2-3, wobei Sánchez zentral vor der Abwehr agierte und Julian Weigl sowie Edu Bedia die Halbpositionen besetzten. Leonardo wich dafür auf die rechte Seite aus, interpretierte diese Position aber sehr fluide, ohne jemals nennenswerten Zugriff erhalten zu haben.
Auf der Gegenseite blieb Zorniger dem 4-3-1-2 mehr oder weniger treu. Er nahm im Vergleich zur letzten Partie gegen VfR Aalen Denis Thomalla heraus und konnte wieder auf U19-Europameister Joshua Kimmich zurückgreifen. Dieser schob halblinks allerdings etwas stärker nach vorn und Diego Demme blieb andererseits halbrechts mehrmals zurück, wodurch sich im Mittelfeld häufiger eine 2-2-Stellung ergab.
Änderungen bei RB Leipzig
Aber was hatte Zorniger noch angepasst? Im Gegensatz zum Remis am ersten Spieltag wirkten die Sachsen nun nicht mehr „dogmatisch“ auf ihr Zentrumsspiel fokussiert. Eine gewisse Rechtslastigkeit war erneut zu erkennen. Demme schob von seiner Position weiter hinaus, auch Yussuf Poulsen schaltete sich vereinzelt mit ein. Auf der linken Außenbahn waren diese Facetten nicht derart eindeutig gegeben, wobei auch hier zuweilen breiter aufgefächert wurde. Jedoch rückte Anthony Jung bei längeren Ballbesitzphasen verstärkt ein und nahm so eher spielgestaltend als durchbruchorientiert an der Leipziger Zirkulation teil.
Auch die Pressingstruktur unterschied sich vom letzten Auftritt in kleineren Facetten. Gegen Aalen rückte die vorderste Dreierreihe – Dominik Kaiser schob zwischen Poulsen und Frahn – extrem auf und sowohl beide Innenverteidiger wurden direkt angelaufen, als auch der Sechserraum blockiert. Dieses Mal attackierte man die gegnerischen Innenverteidiger nicht ständig, wenn sie sich bereits in Richtung Leipziger Tor gedreht hatten. Anders sah es aus, wenn Kagelmacher mit dem Rücken zu Frahn und Kaiser das Spielgerät annehmen musste. Dann wurde sofort Druck ausgeübt, was meistens einen Rückpass erzeugte und Gábor Király nicht selten zum Schlag bewegte.
Auch im anderen Fall wollte RB längere unpräzise Zuspiele erzwingen. Die Offensivreihe deckte die kurzen Passoptionen und gleichzeitig die Flügel ab. Sánchez blieb zudem häufiger passiv, wodurch einige riskante Vertikalbälle eingestreut wurden – ein gefundenes Fressen für Kimmich und Co. Viele abgefangene Zuspiele wurden sofort in Umschaltaktionen verwertet.
Löwen ohne Biss
Doch nicht nur deshalb verloren die Münchener die Partie deutlich und schienen auch über weite Teile der neunzig Minuten ohne Chance zu sein. Sie selbst gingen gegen Leipzigs Spielaufbau zurückhaltend vor. Rubin Okotie sowie Leonardo standen als erster passiver Block. Auffällig war ein Vorstoß von Niklas Hoheneder in der 4. Minute, wobei er unbedrängt in die bayerische Hälfte laufen konnte. Bobby Wood versuchte tiefer positioniert die linke Seite abzudecken. Doch insgesamt konnten die Sachsen über den dieses Mal präsenteren und häufiger abkippenden Rani Khedira die erste Pressinglinie der Hausherren recht leicht auskombinieren. Die Münchener konzentrierten sich vielmehr auf die Kontrolle im tieferen Zentrum, indem Weigl, Bedia und Sánchez geballt in der Mitte standen und die Leipziger Kreativzone deckten.
Doch RB konnte sich aus dieser Umklammerung gut befreien. Jung war auf der Außenbahn mehrheitlich verwaist, weil Leonardo in der zentralen ersten Pressingreihe agierte, womit sich der Außenverteidiger in den Aufbau einschalten konnte. Zudem ermöglichte das kluge Herauskippen Demmes eine nützliche Überladesituation mit Teigl. Insgesamt waren viele horizontale und auch vertikale Pendelbewegungen im Spiel der Gäste zu beobachten, wenn sich die Münchener geordnet postierten.
Neben diesen Aspekten mangelte es der Löwen-Elf auch zweifelsohne am Tempo. Immer wieder konnten sich die Leipziger entweder mit einfachen Sprints durchsetzen oder aber durch schnelle Bewegungen und Dribblings befreien. In der 13. Minute war eine solche Situation, wo der Ball leicht durch die Schnittstelle auf der linken Abwehrseite durchgespielt wurde und Wittek den durchbrechenden Teigl nur noch foulen konnte. Den fälligen Elfmeter verschoss Frahn aber.
Die Gäste-Führung fiel schlussendlich erst kurz vor der Halbzeitpause. In der 39. Minute fand Kaiser im rechten Halbraum etwas Platz, drehte sich bei der Ballannahme schnell und passte direkt in die Schnittstelle zwischen Wittek und Schindler. Poulsen lief von außen diagonal an und bekam den Ball. Kagelmachers Körperkontakt konnte den Dänen nicht mehr am Treffer hindern.
Moniz‘ Anpassungen und Zornigers Joker
Zur Halbzeitpause nahm der Löwen-Trainer zwei Änderungen vor. Marin Tomasov ersetzte den überforderten Wittek positionsgetreu. Zudem kam Daniel Adlung für Steinhöfer. Dadurch rückte Sánchez wieder zurück in die Innenverteidigung und Kagelmacher nach rechts. Adlung ging auf die rechte Mittelfeldseite. Moniz formierte seine Mannschaft nun im 4-2-3-1 und in der Anfangsphase der zweiten Halbzeit übten die Hausherren auch mehr Druck aus. Die Außenverteidiger rückten weit auf und banden Leipzig stärker an den Flügeln, wodurch wiederum das Zentrum gelockert wurde. Doch insgesamt blieb es bei kleineren Chancen und RB nutzte derweil die ihnen gegebenen Räume in Gegenstößen. Zorniger wechselte in der 64. Minute Matthias Morys für Frahn ein. Mit seiner ersten Ballberührung baute der 27-Jährige die Führung aus. Poulsen setzte sich zuvor auf der Außenbahn gegen Kagelmacher durch. Der Uruguayer konnte von der Geschwindigkeit her nicht mithalten. Die Hereingabe spitzelte Morys ins Tor. 19 Minuten später machten die Sachsen den Sack zu. Teigl war über rechts durchgebrochen und bediente diagonal den im rechten Halbraum durchstartenden Morys, der im Strafraum auf den ebenfalls eingewechselten Thomalla ablegte.
Fazit
Es bleiben viele Fragezeichen hinter der Leistung der Sechziger. Moniz wechselte nicht nur die Viererkette, teils verletzungsbedingt, durch, sondern konnte sich mit seiner Mannschaft auch nicht gegen Leipzigs Pressing oder auch das Aufbauspiel von RB stemmen. Offensiv war die Vorstellung gleichfalls schwach. Leonardo wurde als eine Art Offensivgestalter eingekauft, war aber nicht existent. Zunächst suchte er auf der rechten Seite nach den richtige Räumen und schaltete sich dann mit zunehmendem Spielverlauf tiefer im rechten Halbraum ein. Allerdings mangelte es an Präsenz und insgesamt an Synergien mit Weigl und Bedia. Wood klebte derweil an der Außenbahn und fiel beispielsweise in der ersten Halbzeit lediglich durch zwei Ansätze von Diagonaldribblings auf.
Waren die ersten 45 Minuten gegen Kaiserslautern noch ansprechend, indem die Münchener mit einer äußerst vertikalen Formation direkte Überbrückungen spielten, dabei allerdings auch zahlreiche Räume im Mittelfeld entblößten, wirkt es seitdem recht bieder.
Man traf zudem auf eine Leipziger Mannschaft, die ihr großes Potenzial zeigt. Mit Kaiser und Kimmich gibt es zwei starke Strategen im Mittelfeld. Einzig die hohe Abwehrlinie könnte noch zur Gefahr werden, wenn sich spielstärkere Teams aus der Pressingumklammerung befreien können, wobei Torwart Benjamin Bellot bisher durch gute Antizipation auffiel. Zorniger bevorzugt laufintensives Spiel gegen den Ball sowie schnelles Umschalten und seine Mannschaft liefert in der Anfangsphase dieser Saison ab.
9 Kommentare Alle anzeigen
compuglobalhypermeganet 23. August 2014 um 15:59
Danke für die Analyse. Ich habe das größtenteils verfolgt.
Sehr interessant war das Interview mit Löwen-Trainer Moniz. Ich habe selten so ein interessantes Interview nach dem Spiel von einem Trainer gesehen (Klopp kommt dem nahe).
Er hat gut beschrieben wo er die Probleme sah. Wenn ich ihn richtig verstanden habe sah er das Problem das der 10er-Raum der Sechziger nicht besetzt war und somit Rani Khedira viel Zeit hatte.
Ich hoffe über den Link kommt man gleich zum Interview:
http://www.sky.de/web/cms/de/videos-2-bundesliga.jsp?bctid=3723700756001
Ansonsten über die Mediathek -> 2. Bundesliga abrufen. Ist kostenlos.
Peda 18. August 2014 um 16:12
„Leonardo wurde als eine Art Offensivgestalter eingekauft, war aber nicht existent. Zunächst suchte er auf der rechten Seite nach den richtige Räumen und schaltete sich dann mit zunehmendem Spielverlauf tiefer im rechten Halbraum ein.“
Das liest sich ja fast positiv, was du da zu Leonardo schreibst, das kann ich so nicht stehen lassen! 😉
Seit Moniz als Cheftrainer arbeitet hat er diesen Unsympathler zu drei seiner vier Stationen nachgeholt – während seines Kurzengagements bei Lechia Gdansk war leider das Transferfenster geschlossen, sonst wäre diese Serie wohl gar nicht unterbrochen worden.
Er besitzt zweifellos starke Fähigkeiten am Ball, ist aber sowohl auf dem Platz als auch abseits davon dermaßen undiszipliniert, bringt Unruhe in die Mannschaft, dass es nur so eine Freude ist und genießt zudem unerklärliche Freiheiten unter Moniz.
Ricardo Moniz ist für mich das Paradebeispiel zur Veranschaulichung des Peter-Prinzips:“in einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“
In seinem Fall wurde aus dem ausgezeichneten Techniktrainer ein überforderter Cheftrainer.
Christoph 13. August 2014 um 09:20
Leipzig zeigt in den ersten beiden Spielen modernen Fussball. Vll wird es in dieser Saison noch knapp aber wenn sich dieses Team findet und sicher noch etwas verstärkt wird dann sind sie ganz fix im Oberhaus. Bei der Qualitätsarbeit, dem Background und dem modernen Stadium wird sich Leipzig in der ersten Liga festsetzen. Is mir ganz recht, von Berlin doch nur ne Stunde Fahrt. Derbytime:)
druffundewerre 13. August 2014 um 22:24
Hallo,
trink ordentlich RedBull, dann sicherst Du den Aufstieg und Dein erhofftes Derby.
Koom 14. August 2014 um 09:31
Fußballromantiker?
druffundewerre 14. August 2014 um 10:49
Ich wusste, dass das kommt. Wenn Du so willst: Ja.
Klar, die Verbindung von kommerziellen Interessen und dem Fußballsport von frühesten Profitagen in England an ist mir bewusst und auch bei meinem Heimatverein in der Bezirksliga gibt es Bandenwerbung.
Aber für mich wird hier die Grenze überschritten. Bayer Leverkusen als ehemaliger Werkssportverein, Wolfsburg am Tropf von VW, Hoffenheim als Liebhaberstück von Herrn Hopp sind schon leicht zweifelhaft und jetzt halt noch Rasenballsport Leipzig, äh, SSV Markranstätt.
Naja. Wer dem allen keinen Wert beimisst, soll sich an der sportlichen Seite von Rasenballsport begeistern.
So wie man „damals“ die Vollbeschäftigung toll fand. Muss ja keinen interessieren, was dahintersteht.
Koom 14. August 2014 um 11:01
Nur zur Sicherheit: Sehe es durchaus wie du. Mir missfällt die allgemeine Kommerzialisierung im Fußball, aber insbesondere der Einstieg von Investoren, weil sie den Wettbewerb (der auch so schon nicht wirklich fair ist) vollends aushebeln.
Da wir aber nicht nur in einer schwarz-weißen Welt leben, ist mir von den künstlich gepushten Konstrukten Leipzig (noch) irgendwie am Liebsten. Dummerweise kann man nicht einfach veranlassen, dass dafür Hoffenheim und Wolfsburg verschwinden sollen. Leipzig besetzt wenigstens einen sinnvollen geografischen Fleck und man hat zumindest bislang den Eindruck, dass das Geld dort intelligent investiert wird (nicht wie bspw. bei Chelsea oder generell vielen englischen Klubs).
Leider ist es also unausweichlich, dass diese Entwicklung so weitergeht. Es ist ja nicht nur Leipzig, wenn auch grad das augenscheinlichste „Projekt“. Man kann ja auch Hamburg dazunehmen, die künstlich am Leben gehalten werden. Oder eigentlich auch Bayern München, die gewaltige Geldsummen durch Allianz oder Adidas erhalten – da fällt es nicht so auf, weil schon viel da ist, hebelt den Markt aber trotzdem zusätzlich aus. Auch Dortmund strebt solche Partner an, in England ist das schon absolute Normalität.
HW 14. August 2014 um 11:26
Der sinnvolle geographische Fleck ist natürlich bewusst gewählt. Auch darin steckt Kalkül. Ist auch logisch, oder wurde ihr dort ein Unternehmen gründen wo schon starke Konkurrenz am Markt ist? Der Standort Leipzig strahlt eine gewisse Tradition aus (Zentralstation usw.) und ist gleichzeitig ein weißer Fleck im deutschen Spitzenfußball. Es liegt relativ nah an Salzburg und lässt sich Ähnlichkeit wie ein No-Name Hoffenheim leicht formen und steuern.
Leverkusen und Leipzig kann man kaum vergleichen. Das Red Bull Projekt passt in die Unternehmensstrategie in diversen Sportarten präsent zu sein. Präsent als Sponsor ist dabei der falsche Ausdruck. Red Bull macht Sport als Produkt. Das muss in den Red Bull Lifestyle passen.
Wir deutschen haben mit unserer Vereinskultur eine andere yHerkunft als z. B. das Franchise System in den USA und ein anderes Verständnis als die starke Kommerzialisierung wie die Premier League.
Und „wir“ vermarkten unsere Andersartigkeit. Die DFL zeigt gerne auf die niedrigen Eintrittspreise in der Liga usw. Gleichzeitig schickt man Bundesligisten um die halbe Welt um die Vermarktung anzukurbeln.
Ich hoffe auch, dass der deutsche Fußball nie ein rein von Konzernen und Mäzenen besessenes Unterhaltungsprodukt wird. Aber mit Bayer, Hopp, Red Bull, Telekom, Adidas, VW usw. haben wir schon einen enormen Einfluss durch Konzerne. Daran wird sich nichts ändern, denn es geht ums Geld. Geld holt Spieler wie Ribery, Robben, Immobile, Huntelaar, de Bryne in die Liga. Geld sorgt dafür, dass Trainer wie van Gaal oder Guardiola zu Bayern gehen und Geld hält deutsche Nationalspieler ein paar Jahre länger in Deutschland. Geld sorgt auch dafür, dass die Nachwuchsförderung auf dem Niveau möglich ist. Ohne Geld wären die Vereine auf dem Niveau nicht handlungsfähig.
HW 14. August 2014 um 11:28
Ich schimpfen schon wieder auf die Autokorrektur.